Verlag „Die Fackel“

Verlag „Die Fackel“ (Jahoda & Siegel)

Jahoda & Siegel SignetDer erste Beleg für den „Verlag ,Die Fackel'“ fällt mit der ersten Nummer der Fackel, die nicht mehr von Moriz Frisch hergestellt wurde, also von Jahoda & Siegel gedruckt wurde, zusammen. Es ist dies die Nr. 82 vom Anfang Oktober 1901. Die „Firma“ innerhalb einer Firma mit getrennter Rechnung – oder besser: die „Abteilung“ – wurde vorerst nicht protokolliert. Kraus hatte im Gegensatz zu Jahoda & Siegel keine Verlagskonzession. Auch war es keineswegs unüblich, den Verlag einer Zeitschrift einfach nach deren Namen zu benennen. Der Verlag ,Die Fackel“ war nicht mehr – oder kaum mehr – als ein ,Selbstverlag Kraus‘ bzw. seiner Zeitschrift. Das heißt, es wurden manche seiner Schriften bzw. einige wenige von anderen frühen Fackel-Autoren in Form von Sonderdrucken auf den Markt gebracht.

Das Impressum der Fackel bleibt von Nr. 82 bis einschließlich der Doppelnummer 285-286 vom 27. Juli 1909 gleich. Unvermittelt und ohne nähere Erklärung vollzieht sich eine Änderung. Im Impressum liest man nun:
VERLAG: ,DIE FACKEL“ WIEN – BERLIN
WIEN, III/2, Hintere Zollamtsstraße 3 Telephon Nr. 181
BERLINER BUREAU: Halensee, Katharinenstraße 5 (F 287, 1909)

Hinter dieser Adresse verbarg sich, wie wir durch Martina Bilke wissen (Kraus-Hefte 3, 1977, 6-10), die Wohnung von Herwarth Walden. Walden war im Sommer 1909 mit einem Vorschlag zu einer planmäßigen Verbreitung der Fackel in Deutschland an Kraus herangetreten. Das Berliner Bureau vermochte seine Aufgabe allerdings nicht zu erfüllen: Nach etwas mehr als zwei Jahren erscheint das Impressum zum allerletzten Mal in dieser Form im Dezember 1911 (F 339-340), danach wieder als „VERLAG: ,Die Fackel“ WIEN“ (F 341-342).

Von Lesern der Fackel völlig unbemerkt, ändert sich etwas in der Rechtskonstruktion des Verlags im Jahre 1913. Am 19. August 1913 erhält Kraus vom Handelsgericht Wien die Aufforderung bzw. den gerichtlichen Beschluß, seine „Firma“ anzumelden, d.h. protokollieren zu lassen. Das Kriterium für eine allfällige Anmeldung einer kleinen Firma war der an einjähriger staatlicher Erwerbsteuer zu entrichtende Betrag. Wenn dieser Betrag eine bestimmte Höhe erreichte, mußte sich die Firma beim Handelsgericht anmelden und sich ins Handelsregister eintragen lassen.

Am 6. Oktober 1913 erscheint Kraus zusammen mit seinem Rechtsanwalt Dr. Richard Wagner bei Gericht, um die Firma mit dem Wortlaut „,Die Fackel‘. Herausgeber Karl Kraus“ anzumelden. Nota bene: das Wort „Verlag“ kommt nicht im Firmenwortlaut vor. Am 10. Oktober 1913 wird sie unter Reg. A, Band 27, pagina 34 ins Wiener Handelsregister eingetragen. In den nächsten 24 Jahren erfährt diese Eintragung keinerlei Veränderung, obwohl man dazu übergegangen war, in der ersten Hälfte der 20er Jahre Publikationen Kraus‘ mit dem Impressum „Verlag ,Die Fackel‘ (Jahoda & Siegel) Wien-Leipzig“ zu versehen. [1]

Die Auslieferung des Verlags „Die Fackel“ blieb mit der von Jahoda & Siegel stets identisch, also: die Auslieferung für Österreich und die Sukzessionsstaaten erfolgte durch den Verlag selbst, die für Deutschland Anfang der 20er Jahre durch Maier in Leipzig, danach durch K.F. Koehler ebendort.

Der Inhalt des Registerakts Reg. A 27, 34 ist sehr mager. Am 10. August 1937 wurde schließlich vermerkt: „Der Inhaber Karl Kraus gestorben. Bis auf weiteres wird die Firma von Dr. Oskar Samek vertreten und gezeichnet.“ Samek war allein vertretungsbefugter erbeserklärter Erbe nach dem bisherigen Alleininhaber dieser Firma, Karl Kraus.

Da die Verlassenschaftsabhandlung von Kraus (Zl 2A 694/36) [2] geraume Zeit in Anspruch nahm, geschah in der Abwicklung der Firma ,Die Fackel‘ vor dem „Anschluß“ nichts. Das Handelsgericht, das gewissermaßen ein Eigenleben führte, interessierte sich wieder im Frühherbst 1938 für die Firma, nachdem es durch das Bezirksgericht Margarethen, das eine Zeit lang mit der Verlassenschaftsabhandlung befaßt war, darauf aufmerksam gemacht wurde. Die Erledigung von Firmenlöschung und Verlassenschaftsabhandlung wurde erheblich verzögert. Das Handelsgericht mußte das Offenkundige amtlich bestätigen, nämlich ob der Betrieb „noch aufrecht geführt“ werde und „verneinendenfalls, seit wann der gegenständliche Betrieb eingestellt ist“. So lauteten jedenfalls die dringenden Fragen, die am 25. Oktober 1938 von der Bezirkshauptmannschaft Landstraße an das Marktamt für den 3. Bezirk gerichtet wurden. Aber schon Wochen vorher hatte das Handelsgericht aus dem Büro des Dr. techn. Karl Jaray von dem „mit deutschem Gruß“ zeichnenden kommissarischen Verwalter folgendes erfahren:

Prof. Jaray ist seit 14. März l.J. geflüchtet. Sein Büro wird unter der kommissarischen Verwaltung des SS-Sturmbannführers Max Plobner liquidiert. Die Literatur des Prof. Jaray, im besonderen „die Fackel“ von Karl Kraus befindet sich noch im Haus, Langackergasse 22, ist jedoch von der Gestapo beschlagnahmt. [3]

Darauf richtete das Handelsgericht die obenzitierte Anfrage an die Bezirkshauptmannschaft Landstraße:

Es wird ersucht, an Ort und Stelle erheben zu wollen, ob der Betrieb an der gemeldeten Adresse noch aufrecht geführt wird, bzw. seit wann der Betrieb eingestellt ist.
Um ehebaldigste Erledigung wird ersucht.
Handelsgericht Wien, Abt. 8 am 10.10.1938

Erst im Dezember 1938 wurde amtlich bekannt, daß der Betrieb „seit 11. März 1938 eingestellt“ sei. Und: „Nach Auskunft des Portiers war im Hause 3. Hintere Zollamtsstraße 4 nur der Sitz der Zeitung. Sein Wohnort ist unbekannt.“

Die Firma „Die Fackel“, Herausgeber Karl Kraus, wurde schließlich am 31. Juli 1939 „von amtswegen“ aus dem Handelsregister gelöscht.

In seinem Testament hat Kraus keine ausdrückliche Verfügung über die Firma, sprich: über den „Verlag ,Die Fackel'“ getroffen. Diese repräsentierte klarerweise aber ein bestimmtes Vermögen. [4] Nach Angaben des Testamentsvollstreckers Dr. Oskar Samek vom Frühjahr 1937 war der Wert aus dem Vermögen der Firma „Verlag ,Die Fackel‘, Inhaber Karl Kraus“ „ca. 16.000“ Schilling. Dieses wird wahrscheinlich Sach- und Barvermögen gewesen sein, im Gegensatz zu den Forderungen gegen die Firma Jahoda & Siegel „im Betrage von ca. 7.000.-S“, aus denen der Nachlaß u.a. auch bestand. Mit großer Wahrscheinlichkeit kann man annehmen, daß diese Vermögenswerte, insofern es sich nicht um Sparbücher, Memorabilien, Pretiosen, Briefe etc. handelte, völlig verloren gingen, ja verloren gehen mußten. Denn, wie ähnlich gelagerte Fälle nach dem März 1938 zeigen, waren Firmenvermögen innerhalb weniger Monate zur Gänze entwertet, Barvermögen „gestohlen“, die Firmen selber in den Konkurs getrieben, gelegentlich „arisiert“, aber meist einfach aufgelöst worden.

Anmerkungen

[1] All diese Vorgänge sind dem Registerakt, Handelsgericht Wien, Register A, Band 27, pagina 34 entnommen. Er befindet sich im Bestand des Wiener Stadt- und Landesarchivs.

[2] Dieser Akt mitsamt dem Testament Kraus‘ ist heute noch im Bezirksgericht Wien (Innere Stadt) in der Riemergasse aufbewahrt. Alle Tatsachen, die mit dem Testament zusammenhängen, sind diesem Akt entnommen.

[3] Dieses Schreiben auf Briefpapier Jarays findet sich im Registerakt und ist mit 5. Oktober 1938 datiert.

[4] Da heißt es in mehr als holprigem Deutsch: „(…) Der Ertrag meiner sämtlichen (inkl. aller vorhandenen Hefte der Fackel) gehört zu 30% den Herausgebern [„meiner Schriften“], zu 20% den Familien Jahoda & Siegel, (die die Auslieferung) auszuliefern hat, zu 25% Sidonie Nadherny und zu 25% Frau Helene Kann, der auch Manuscripte u. sonstige Dokumente für das Archiv zu überlassen wird. Diese, selbst nach dem Ableben der Verwahrerin einem von der von ihr zu bestimmenden Zweck oder Faktor (etwa der Stadt Wien) zu.“

Ergänzungen zur Buchveröffentlichung von 1985

  • Murray G. Hall: Verlage um Karl Kraus. In: Kraus Hefte, Heft 26/27, Juli 1983, S. 2–31.

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