Leonhardt-Verlag

Leonhardt-Verlag (Wien-Leipzig)[1]

Der „Leonhardt-Verlag Wien-Leipzig“ oder „Verlag Leonhardt“ wie die Firma noch im ersten Geschäftsjahr hieß, wurde zwar erst am 14. März 1922 infolge eingetretener Erweiterung des Betriebsumfangs unter Register A, Band 64, pagina 62 ins Wiener Handelsregister eingetragen, doch wurde die erste nachweisbare Verlagspublikation schon im November 1918 auf den Markt gebracht. Demgegenüber war – laut Adreßbuch des österreichischen Buchhandels – das Gründungsjahr 1919. Standort dieser Einzelfirma war Wien 1., Stubenbastei 10. Der Betriebsgegenstand war die Verlagsbuchhandlung mit Ausschluß des offenen Ladengeschäfts.

Leonhardt Verlag Signets

Inhaber und Gründer war der am 27.12.1890 in Bielitz-Schlesien geborene Verlagsbuchhändler Erwin Leonhardt, der im Jahre 1918 die Verlagskonzession von der k.k. Universitäts-Buchhandlung Georg Szelinski, 1., Kärntnerstraße 59 übernahm.[2] Aber bloß acht Monate nach der handelsgerichtlichen Protokollierung des Verlags starb der junge Verleger am 26.11.1923 an Tuberkulose.

Der Leonhardt-Verlag hörte alsbald auf, Bücher zu produzieren. Die nunmehrige Inhaberin war die Witwe Katharina (Käthe) Leonhardt, die den Verlag rein nominell weiterführte. Inzwischen war die Konzession vom Verlagsbuchhandel mit Ausschluß des offenen Ladengeschäfts auf die Berechtigung zum Versand- und Großbuchhandel erweitert worden, aber durch den Tod von Erwin Leonhardt hinfällig geworden. Am 15. März 1924 trat ein neuer Gesellschafter, Franz Lachmann, Kaufmann in Wien, hinzu. Der Firmawortlaut wurde gleichzeitig in „Leonhardt & Co.“ geändert und das Geschäftslokal nach Wien 9., Maria Theresienstraße 5 verlegt. Die Mitbesitzerin, Käthe Leonhardt, zog Ende 1924 nach Budapest und kümmerte sich nicht weiter um das Verlagsgeschäft. Ohne daß inzwischen irgendwelche Bücher veröffentlicht worden wären, wurde schon Anfang 1926 die Löschung der Firma aus dem Handelsregister beantragt. Schließlich langte am 16. Dezember 1927 ein Schreiben des Verlags mit folgendem Inhalt beim Wiener Handelsgericht ein:

Die Firma Leonhardt & Co. besteht schon seit längerer Zeit nur mehr auf dem Papier, Herr Lachmann ist Provisionsvertreter und haben wir im Interesse daran, daß diese Firma möglichst bald gelöscht wird, weil durch sie die Prozesse immer wirklos werden.[3]

Am 7. Dezember 1928 wurde die Löschung beim Handelsgericht durchgeführt.

Die Produktion

Es sind in den Jahren 1918 bis 1922 etwa 55 Titel erschienen. Von diesen waren es gerade die nicht belletristischen Werke (etwa ein Drittel der Gesamtproduktion), die gelegentlich erstaunlich hohe Auflagen erreichten. Dazu gehören z.B. zwei Erinnerungsbücher an Kaiser Franz Joseph I, die zwischen 1919 und 1922 Auflagen von über 40.000 erlebten (Franz Joseph I und sein Hof, 1919, hg. J. Schneider). Auch andere österreichische Verlage zu dieser Zeit schwammen auf der „Nostalgie“-Welle. Aus dem Rahmen fallen auch andere Bücher wie die Advokatenporträts von Hermann Kraszna (1920), Josef Langs Erinnerungen des letzten Scharfrichters im k.k. Österreich (1920) oder ein Fachwerk über Tuberkulose von Dr. Ernst Pachner und Wilhelm Hajeks Geschlecht und Gesundheit.

Was die literarische Palette betrifft, so hat der Leonhardt-Verlag in erster Linie junge Österreicher zu Wort kommen lassen. Im Jahre 1919 (eigentlich 1918) wurde z.B. mit der Serie Jung-Wiener-Lyriker begonnen. Hier erschienen Worte und Lieder für Menschen von Konrad Paulis (d.i. Paul Schütz) und das hübsch gestaltete Bändchen Es sind verwunschene Dinge in uns (November 1918) mit Gedichten des 23jährigen Lyrikers Viktor Aufricht, aber auch die erste literarische Veröffentlichung des noch nicht 22 Jahre alten Wiener Schriftstellers Robert Neumann. Das Bändchen, das Anfang März 1919 in den Buchhandel kam, hieß Gedichte. Wie Neumann mit dem um sieben Jahre älteren Jungverleger in Verbindung getreten ist, kann man in der 1957 erschienenen Autobiographie Mein altes Haus in Kent nachlesen:

… so habe ich mich, wenn ich mich recht erinnere, erst im reifen Alter von siebzehn Jahren mit vollem Ernst einer literarischen Laufbahn zugewandt. (…)
Wie ich es dazu brachte, für jenes erste Bündelchen Gedichte (so hieß das Werk, schlicht aber arrogant) tatsächlich einen Verleger zu finden, ist mir heute nicht mehr verständlich. Aber sein Brief hat mich in einer mehrfach verlorenen, mehrfach wieder aufgetauchten Kuriositätenmappe durch diese Jahrzehnte begleitet. Leonhardt hieß mein erster Verleger, der arme Mann – hier ist sein Brief. (…)
Es war die erste meiner stets so glücklichen Beziehungen zu Verlegern. Schließe ich meine Augen, so ziehen ihre Gesichter an mir vorüber, eine nie endende Reihe Lächelnder, Nickender, Winkender, mich segnend in vielen Sprachen, und jeder von ihnen mit einem Schuß des seligen Leonhardt.[4]

Leonhardt Verlag FerchIm Verlagsprogramm waren auch Schauspiel, Roman und Novelle vertreten. Hier erschienen Bestseller von Johann Ferch, wie z.B. Zölibat (1922) und Die nicht Mütter werden dürfen. Ein Roman vom Schlachtfeld der Mutterschaft (1921) und der erste Roman des in der Nazizeit zu großen Ehren gekommenen Autors Mirko Jelusich, nämlich Der Thyrsosstab. Ein Don Juan-Roman aus unseren Tagen (1920).

Ferner erschienen belletristische Werke von Richard A. Edon, Arthur Gerber, Andreas Hemberger, Erich Korningen, Gino Maffei, Albert Mollan, Joseph Reichl, Friedl Schreyvogl und Paul Wertheimer.

Auch versuchte es der Verlag 1922 mit einer bibliophilen Reihe namens Thyrsus-Bücher, für die Hans Strohofer Bilder und Buchausstattung lieferte. Die Auflagenzahl war auf 800 Stück beschränkt.

Die Qualität des verwendeten Papiers reichte von Rotationspapier bis zu Büttenpapier. Daß Erwin Leonhardt durchaus gangbare Titel produzierte, ist an den allgemein relativ hohen Auflagenzahlen abzulesen. Die meisten belletristischen Werke erfuhren eine, wenn zuweilen auch dürftige, künstlerische Ausstattung.[5] Am häufigsten hat Hans Strohofer für Einbände, Illustrationen und Umschlagzeichnungen gesorgt.[6] Außerdem konnten lediglich zwei Künstlerinnen identifiziert werden: Ada Nigrin und Hilda Ascher. Weitere Werke wurden von Peter Breithut und Paul Grabwinkler illustriert.

In der kurzen Zeit seines Bestehens gebrauchte der Leonhardt-Verlag drei verschiedene Signets. Wer sie entwarf, ist nicht bekannt. Die Publikationen des Verlags wurden in erster Linie bei der Offizin der Waldheim-Eberle A.G. in Wien, zuweilen aber auch bei Friedrich Jasper gedruckt.

Anmerkungen

[1] Quellenhinweise: Handelsgericht Wien. Registerakt A 64, 62 (WrStLa).

[2] Der 1850 in Königsberg in Preußen geborene Buchhändler Georg Szelinski war 1873 nach Wien gekommen, wo er schließlich zwei ähnlich lautende Firmen, Georg Szelinski & Co. und Universitäts-Buchhandlung Georg Szelinski, gründete. Die von Leonhardt übernommene k.k. Universitäts-Buchhandlung geht auf eine Gründung des Jahres 1725 zurück. Szelinski persönlich war nur his 1907 in dieser Firma tätig. Weitere Hinweise zu Szelinski und den beiden Firmen finden sich in: Festnummer der Österreichisch-ungarischen Buchhändler-Correspondenz, Wien 1910, Teil II, S. 78.

[3] Schreiben liegt im Registerakt Siehe Anm. 1.

[4] Zitiert nach: Das Antiquariat (Wien), XIII. Jg., Nr. 4/5, 1957, S. 113f.

[5] Bei gebundenen Bibliotheksexemplaren mußte leider immer wieder festgestellt werden, daß Umschläge von oft großem graphischem und künstlerischem Wert vor der Bindung entfernt würden, was u.a. eine Identifizierung des Künstlers so gut wie unmöglich macht. In den seltensten Fällen wurde im Impressum oder sonstwo im Buch auf den Namen des Künstlers hingewiesen.

[6] Von ihm stammen mit Sicherheit vier Umschlagentwürfe, obwohl auch andere Titel möglicherweise von ihm illustriert wurden. Strohofer war auch für die WILA, den Ed. Strache Verlag, den Rikola Verlag, den Verlag der Gesellschaft für graphische Industrie u.v.a. tätig.

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