VI. Der „Gleichschaltung“ zweiter Schritt
- 1. Einleitung
- 2. Vorgeschichte zur Exportförderungsaktion: Die Wirtschaftssituation im Deutschen Reich
- 3. Die Buchexportförderung und Österreich: Der österreichische Standpunkt und die Verhandlungen
- 4. Das reichsdeutsche Buchdumping
- Anmerkungen
- Ergänzungen zur Buchveröffentlichung von 1985
1. Einleitung
Nach den politischen Umwälzungen in Deutschland im Jahre 1933 war in einem bis dahin schwer vorstellbaren Ausmaß das Zeitalter der politisierten Kunst und Literatur angebrochen. Deutsche Literatur wurde in politische Ziele eingebunden, wurde Werbeträger für die neue deutsche Weltanschauung. Dies hatte natürlich Auswirkungen auf den gesamten Buchhandel. Österreich blieb da nicht verschont, aber eines blieb im wesentlichen unverändert, nämlich die Marktverhältnisse und Abhängigkeiten.
So ergibt sich – knapp gefaßt – die folgende Ausgangssituation Mitte der 30er Jahre für österreichische Schriftsteller, den österreichischen Buchhandel und das österreichische Verlagswesen, wobei ideologische Fragen einstweilen außer acht gelassen werden. Der Machtwechsel in Deutschland änderte nichts an der Tatsache, daß nach verschiedenen Schätzungen etwa 90% der erfolgreichen, bekannten österreichischen Autoren zu dieser Zeit aus welchen Gründen auch immer ihre Werke in reichsdeutschen Verlagen veröffentlichten und daß Deutschland nach wie vor das Hauptabsatzgebiet war und blieb. Selbstverständlich hatten sie als Österreicher Interesse daran, daß der heimische Markt mit ihren Werken beliefert werde. Aus ihrer Sicht mußten sie jede wirtschaftliche oder handelspolitische Maßnahme ablehnen, die darauf hinauslief, die Verbreitung ihrer Werke in Österreich zu erschweren oder diese Werke teurer zu machen. Genauso auf Deutschland ausgerichtet war der österreichische Buchhandel, und dessen Interesse war es, Bücher zu verkaufen, egal, in welchem Land sie erschienen. Das heißt aber keineswegs, daß manche Händler kein patriotisches Gewissen gehabt hätten. Aus einer Reihe von Gründen, darunter hohe Arbeitslosenraten, gegenseitige Devisenbeschränkungen und nicht zuletzt die nationalsozialistische Ideologie und deren Ablehnung durch einen Teil des Publikums im Auslandsbuchhandel wie auch im Inland, war die deutsche Buchproduktion 1933/34, wie bereits erwähnt, auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt, so daß auch der deutsche und österreichische Buchhandel stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Der österreichische Buchhandel befand sich im Zustand der Stagnation. In den ersten acht Monaten des Jahres 1934 betrug die österreichische Gesamteinfuhr an Büchern etwas über fünf Millionen Schilling, von denen mehr als vier Millionen für reichsdeutsche Bücher ausgegeben wurden. In der gleichen Zeit des Vorjahres waren es acht Millionen gewesen. Der Buchhandel mußte also, rein kommerziell betrachtet, Maßnahmen zur Förderung des Absatzes begrüßen.
Genauso „verständlich“ war der Standpunkt des österreichischen Verlages: Sein Hauptabsatzgebiet war eben Deutschland, wohin durchschnittlich 70-75% der heimischen Buchproduktion exportiert wurden. Auf konkrete Zahlen kommen wir noch zu sprechen. Während die Errichtung von Standeskammern, wie z.B. der Reichsschrifttumskammer (RSK), österreichische Autoren zu einem formalen oder stillschweigenden Bekenntnis zu den Zielen der NS-Literaturpolitik (wenn sie ihre Bücher auch gedruckt haben wollten) oder zu einem Ausweichen auf die sog. Emigrantenverlage zwang, veranlaßten die neuen politischen Gegebenheiten in Deutschland auch die österreichischen belletristischen Verlage zu einer Produktionsumstellung. Mit Werken und Autoren, die im Deutschen Reich indiziert waren, konnte man klarerweise kein Geschäft machen. Die Verleger – auf zwei wird an anderer Stelle dieser Arbeit näher eingegangen – mußten ihre Verlagsprogramme dementsprechend „vorsichtig“ oder „opportunistisch“ zusammenstellen, um überhaupt auf dem reichsdeutschen Markt präsent zu bleiben, d.h. verkaufen zu dürfen. Sie mußten zwischen „Ariern“ und „Nicht-Ariern“, zwischen genehmen und nichtgenehmen Autoren trennen, Autoren entweder völlig fallen lassen oder versuchen, sie anderwärtig, evtl. mit Tarnnamen, unterzubringen. Wirtschaftlich gesehen kam hinzu, daß bis zum Herbst 1935 österreichische Verlagswerke im Inland in der Regel billiger waren als die der reichsdeutschen Konkurrenz. Das änderte sich aber, als die österreichische Papierindustrie sich zu einem Papierkartell zusammenschloß und die Preise für manche Papiersorten bis zu 70 % erhöhte. Angesichts der prekären Situation des österreichischen Verlags mußte jede Änderung der Marktverhältnisse, aus welchen Gründen auch immer, zu einer Erschütterung seiner Existenz führen. Denn hinter den Verlagen standen mehrere Industriezweige von Buchdruckern bis zu Buchbindern. Der vierte im Bund neben Autoren, Sortiment und Verlag war die Österreichische Bundesregierung mit ihren handelspolitischen Sachzwängen und kulturpolitischen Hoffnungen auf das christlich-deutsche Österreich. Ihr verständliches Desinteresse an der Verbreitung von reichsdeutschen Propagandaerzeugnissen in Österreich manifestierte sich in der Erlassung von Verboten.
Darüber hinaus konnte es ihr klarerweise nicht gleichgültig sein, daß es durch ein Diktat des reichsdeutschen Propagandaministers sozusagen zu einer Schwemme von verbilligten reichsdeutschen Büchern auf dem österreichischen Markt kam, die den österreichischen Verlag schwer schädigen mußte. Was nun zwischen dem stagnierenden Absatz reichsdeutscher Bücher und dem gesetzlichen Schritt der österreichischen Regierung in Richtung Schutz und Förderung des heimischen Verlags geschah, soll im folgenden erläutert werden.
Zusammenfassend kann man sagen, daß trotz der politischen Umwälzungen, trotz der „Säuberung“ der deutschen Literatur von „schädlichem und unerwünschtem Schrifttums“ und trotz der beginnenden Ausschaltung der Juden aus dem Buch- und Verlagswesen die Strukturen nach 1933 aus österreichischer Sicht mehr oder weniger gleich blieben. Autoren, Verleger und Sortimenter, die an sich aufeinander angewiesen waren, waren vom deutschen Markt nach wie vor stark abhängig und ungeschützt den deutschen literaturpolitischen, handelspolitischen und wirtschaftspolitischen Maßnahmen ausgesetzt. An dieser Situation änderte sich bis März 1938 auch nichts.
Der erste Schritt in Richtung „Gleichschaltung“ war 1933 erfolgt. Viel schwerwiegender für Österreich vor allem im kulturpolitischen Sinne war der „Gleichschaltung“ zweiter Schritt, der im Jahre 1935 einsetzte und über den in der umfangreichen Literatur zur Gesamtproblematik „Buchverbote“ und „Schrifttumspolitik“ noch keine Untersuchung vorliegt. Diesmal war ausschließlich der „auslandsdeutsche“ Buchhandel an der Reihe.
Das, was vordergründig wie eine begreifbare Strategie auf reichsdeutscher Seite aussah, hatte von vornherein einen unverkennbaren politisch-propagandistischen Anstrich. Das, was als „Bücherexportförderung“ propagiert wurde, bekam alsbald seinen richtigen Namen, nämlich „Buchdumping“ und „Nationalsozialismus zu ermäßigten Preisen“.
2. Vorgeschichte zur Exportförderungsaktion: Die Wirtschaftssituation im Deutschen Reich
Bevor wir auf die praktische Anwendung der Exportförderung für Bücher eingehen, müssen wir die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland im Jahre 1935 so kurz und verständlich wie möglich skizzieren. Die reichsdeutsche Wirtschaftslage im Jahre 1934 war durch den schrumpfenden Export, sinkende Devisenbestände, eine passive Zahlungsbilanz und ein steigendes Handelsbilanzdefizit gekennzeichnet. Während Deutschland im Jahre 1932 einen Exportüberschuß von 1.072 Millionen RM und im folgenden Jahr 1933 einen solchen von 667 Millionen hatte, wies die Handelsbilanz – eben bei steigenden Importen, vor allem im Bereich der für die Wehrindustrie notwendigen Rohstoffe, und sinkenden Exporten im Jahre 1934 zum ersten Mal seit 1928 wieder ein Defizit, diesmal in der Höhe von 280 Millionen RM, aus. Außerdem waren die Devisenbestände der Deutschen Reichsbank im Laufe des Jahres 1934 gleich Null geworden und der Goldvorrat auf ein solches Minimum herabgesunken, das ohne Gefährdung der Zahlungsfähigkeit der Deutschen Reichsbank nicht mehr zu unterschreiten war. Und durch die immer schärfer werdenden Devisenbestimmungen verlor die Reichsmark beinahe ihren Charakter als internationales Zahlungsmittel. Hinzu kommt, daß Deutschlands Zahlungsbilanzschwierigkeiten keineswegs dadurch verbessert worden waren, daß, während die beiden wichtigsten Welthandelsländer, Großbritannien und die USA, ihre Währungen abgewertet hatten, Deutschland formell am alten Wechselkurs festhielt. Daß reichsdeutsche Waren auf Auslandsmärkten dadurch eben teuer erscheinen mußten, war eine klare Folge. Man konnte diesen Umstand jedoch nicht objektiv – wie das Buchdumping später öffentlich begründet wurde – als „Schuld“ der übrigen Handelspartner auslegen.
Das Festhalten am alten Wechselkurs hatte aber freilich einen Vorteil, denn die deutsche Wirtschaft konnte die Abwertung der fremden Währungen ebenso bei der Rückzahlung von Auslandsschulden wie beim Bezug fremder Rohstoffe ausnutzen. Andererseits mußten die durch die interne Expansionspolitik verursachten Preissteigerungen im Inland, wo man, wie angedeutet, den Eindruck eines Wirtschaftsaufschwungs gewann, das deutsche Preisniveau weit über das auf dem Weltmarkt übliche hinausheben und das Land mehr oder weniger exportunfähig machen. Dem schrumpfenden Export stand aber die Notwendigkeit von Importen gegenüber, die zur Aufrechterhaltung der Inlandswirtschaft und der Rüstung gebraucht wurden. „Als schließlich das Defizit der Handelsbilanz im 2. Quartal 1934 den hohen Betrag von 161 Millionen RM erreichte, die Verschuldung auf den bereits bestehenden Verrechnungskonten ständig anwuchs und das Ausland mit Zwangsclearing drohte, waren Maßnahmen zu einer umfassenden Überwachung und Regulierung des gesamten Außenhandels und des auswärtigen Zahlungsverkehrs notwendig.[1]
Um das Problem in den Griff zu bekommen, mußte sodann die totale Außenhandels- und Devisenbewirtschaftung, d.h. die totale Staatskontrolle, eingeführt werden. Am 24. September 1934 verkündete der Reichswirtschaftsminister Dr. Hjalmar Schacht den „Neuen Plan“ der deutschen Devisenordnung, um u.a. die herrschende passive Handelsbilanz in eine aktive zu verwandeln. Der Plan sollte eine „organisierte Sparsamkeit in der Verwendung ausländischer Güter“[2] mit sich bringen und dahingehend wirken, daß sich der Warenverkehr in Ein- und Ausfuhr ausgleiche.
Während die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik unmittelbar nach der Machtergreifung im Sinne einer Autarkiepolitik dem Außenhandel feindlich gegenüberstand, war man nun zur Erkenntnis gelangt, daß die Aufrechterhaltung der Inlandskonjunktur und die Fortführung der Rüstung nur dann möglich waren, wenn erhöhte Ausfuhren größere Deviseneingänge lieferten. Zu den Grundpfeilern des „Neuen Plans“ zählten demgemäß die „quantitative Einfuhrbeschränkung und Planung des gesamten Einfuhrvolumens nach volkswirtschaftlichen Grundsätzen“ und „Ausfuhrförderung durch Kompensationsgeschäfte, differenzierte Wechselkurse, von der Industrie selbst aufgebrachte Export-Umlagen, Begünstigung der Export-Industrien bei der Rohstoffzuteilung.“[3]
Da Deutschland eine Abwertung der RM ablehnte, zumal man mehr Schaden als Nutzen befürchtete, gewann die Manipulation der Ausfuhrpreise für deutsche Waren zentrale Bedeutung. Hiedurch meinte man, das durch die übermäßig hohen Preise auf dem Weltmarkt hervorgerufene Problem der deutschen Konkurrenzunfähigkeit zu lösen.
Während bisher die Exportsubventionen nicht direkt vom Staat, sondern meist auf irgendeinem Umweg durch die Reichsbank gewährt worden waren, war die Reichsbank auf Grund der Devisennot gezwungen, diese Praxis nur mehr bei solchen Geschäften zuzulassen, die ihr den vollen Gegenwert in Devisen lieferten. Es wurde nun ein neues System, d.h. der Übergang von einem System der indirekten zu einem der direkten Ausfuhrsubvention, ausgearbeitet, um deutsche Warenhersteller und Industrien für die durch die Billigbelieferung von Auslandsmärkten mit ihren Produkten entstehenden Verluste zu entschädigen. „Zur Deckung der Exportverluste wurden in allen Industriezweigen sogenannte Exportausgleichskassen eingerichtet. Alle Unternehmer des jeweiligen Zweiges waren verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz des Umsatzes an die Exportausgleichskasse ihres Zweiges zu entrichten, aus der dann die Exporteure innerhalb dieses Zweiges ihre Exportverluste entschädigt bekamen.“[4] Mit anderen Worten: Die staatliche Exportsubvention sollte auf die an der Inlandkonjunktur beteiligten Industrien umgelegt werden. Daneben war es auch möglich geworden, Übergewinne der Industrie, wenn nicht gänzlich zu verhindern, so doch mindestens staatlichen Zwecken dienstbar zu machen. „Die Umlage, die auf dem Inlandsabsatz erhoben wurde, diente zur Verbilligung der Exportpreise, die für jeden einzelnen Export obrigkeitlich festgesetzt wurden. Auf diese Weise konnten die deutschen Ausfuhrgüter in Ländern, in denen die Nachfrage nach deutschen Gütern elastisch war und deren Devisen benötigt wurden, individuell verbilligt werden.“ (Erbe, a.a.O., S. 74)
Welche Bedeutung diese „Export-Umlage“, sprich: Subvention, von 4,3 Milliarden Mark, die durch die Umlage auf die Inlandsindustrie aufgebracht wurde, schon 1935 hatte, geht daraus hervor, daß der Subventionsbetrag rund eine Milliarde Mark betrug. Die durchschnittliche Subventionierung lag also zwischen 20% und 25%, erreichte aber in vielen Fällen (weil elastisch) höhere Werte, da ein Teil der Ausfuhr noch ohne Subventionierung vor sich ging.[5]
Durch diese Dumpingpraxis, die sich u.a. auf Stahl- und Textilwaren, Papierprodukte und nicht zuletzt auf den eher unbedeutenden Posten „Bücher“ erstreckte, war es der deutschen Industrie im Rahmen des „Neuen Plans“ möglich, sowohl beträchtlich unter dem Weltmarktpreis als auch unter dem Selbstkostenpreis zu verkaufen. Daß diese Praxis des subventionierten Exports – vom „geförderten“ kann man nur bedingt sprechen – andere Volkswirtschaften, darunter die österreichische, schwer schädigte, versteht sich von selbst. Das geschah einerseits durch Preissenkungen auf dem österreichischen Markt – wodurch österreichische Erzeugnisse in Relation zu den deutschen teurer wurden, andererseits durch gesenkte reichsdeutsche Preise auf gemeinsam belieferten Drittmärkten. Dazu ein Beispiel aus der österreichischen Papierindustrie: In einem Bericht der Wiener Kammer für Arbeiter und Angestellte des Jahres 1936 liest man vom „deutschen Dumping“, „das eine Zeitlang sehr stark auf den österreichischen Export drückte“, und daß die Ausfuhr in der österreichischen Papierindustrie „im Jahre 1936 besonders unter der verstärkten Exportförderung Deutschlands“ zu leiden hatte.[6]
Abschließend muß man hinzufügen, daß die Rechnung des „Neuen Plans“ nicht aufging, obwohl er zunächst einen gewissen Erfolg zeitigen konnte. „Das Außenhandelsvolumen konnte beispielsweise zwischen 1934 und 1936 um 19 Prozent gesteigert werden. Aber für den weiteren Fortgang der Rüstung und Rüstungskonjunktur erwies er sich als unzureichend.“[7] Außerdem sank Deutschlands Anteil am Welthandel. „Der Sog des prosperierenden Inlandmarktes war zu groß, als daß er durch Ausfuhrmanipulierung hätte voll kompensiert werden können. So sank der Anteil der deutschen Ausfuhr am Welthandelsvolumen von 9,9% im Jahre 1929 auf 6,8% im Jahre 1936.“[8]
Das reichsdeutsche Dumping funktionierte letzten Endes auch deshalb nicht, weil ein großer Teil der durch die Ausfuhrsubventionen herbeigeführten Kostenverbilligung dadurch wettgemacht wurde, daß das Inlandspreisniveau und vor allem die Preise eingeführter Rohstoffe ständig im Steigen waren. Der Wirtschaftsjournalist Ernst Ely prophezeite 1935 in einer Glosse unter der Überschrift „Dumpingexport des deutschen Elends“, „die Billigbelieferung der Auslandsmärkte (werde) der deutsche Verbraucher mit neuen Entbehrungen bezahlen müssen (…).“[9] Er hat recht behalten.
Wie nun der Export von Büchern zu Dumpingpreisen funktionierte, soll im folgenden geschildert werden. Interessant ist vor allem, wie diese Maßnahme in einem Industriezweig, der sowohl hinsichtlich des Bruttoinlandsprodukts als auch hinsichtlich des gesamten Ausfuhrvolumens wirtschaftlich von so geringer Bedeutung war, nun nicht vom Reichswirtschaftsministerium, sondern vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, von dem die Idee ausging, begründet und gerechtfertigt wird.
Nach offizieller reichsdeutscher Lesart war das Ausland an der trüben Wirtschaftslage „schuld“ – die Schwierigkeiten waren nicht „hausgemacht“. Die Steigerung des deutschen Exports sei „systematisch durch Zölle und Kontingente des Auslands verhindert worden“, wußte der kommissarische Wirtschaftsminister Dr. Schacht in einer Rede vor den thüringischen Industriellen in Weimar im Oktober 1934 zu berichten. „Erfreulicherweise gebe es immer mehr Leute im Ausland, die erkennen, daß es Schuld der Auslandsregierungen sei, wenn Deutschland kein Geld mehr habe und keines mehr verdiene und wenn es keine Rohstoffe mehr kaufen könne …“[10]
3. Die Buchexportförderung und Österreich: Der österreichische Standpunkt und die Verhandlungen
Am 12. August 1935 kündigte Wirtschaftsminister Schacht in Berlin an, daß die indirekte Exportförderung reichsdeutscher Waren nun auf Bücher erstreckt werde. Die durch die Preissenkung im Ausland für die deutschen Verlagshäuser und den Zwischenhandel entstehenden Verluste sollten – wie gehabt – aus der Exportkasse abgegolten werden.
Schon im Februar 1935 war der sog. „Kleine Rat“ des Börsenvereins der deutschen Buchhändler zu Leipzig zusammengetreten, um die Frage der Exportförderung des deutschen Buchs zu diskutieren. Wegen des ständig sinkenden Absatzes der letzten Jahre bestand auf deutscher Seite der „der lebhafte Wunsch“, das deutsche Buch „wieder in größerem Umfang zu exportieren“.[11] Im Vordergrund stand dabei insbesondere die Frage der Senkung des Buchpreises, also des „Ausfuhrpreises“. Der Schweizer Carl Lang, Vertreter der Auslandsvereine in der Tschechoslowakischen Republik, der Schweiz, Italien, Lettland, Ungarn, Polen und Österreich, der an der vom Börsenverein-Vorsteher Wilhelm Baur einberufenen, am 9. und 10. Februar abgehaltenen Sitzung teilnahm, lehnte eine Ermäßigung des Buchpreises ab, weil er meinte, sie würde sich für den deutschen Buchhandel durch erhöhte Ausfuhren kaum rentieren. Außerdem meinte er, eine Preissenkung müsse den deutschen Buchhändlern im Ausland mancherlei Nachteile bringen. Er gab daher zu überlegen, ob der deutsche Verleger den Auslandsbuchhandel nicht dadurch unterstützen könnte, „daß er einen höheren Exportnachlaß einräumt“. Schließlich wurden dem Verein in Wien zwei Möglichkeiten oder Varianten unterbreitet. Eine Absatzhebung werde entweder durch Verkaufspreissenkung oder durch erhöhte Rabattgewährung erreicht.[12]
Bei den österreichischen Buchhandelsvertretern stieß der Buchexportförderungsplan von Anfang an auf Ablehnung. Nach Anhörung der verschiedenen Zweige des österreichischen Buchhandels wurde am 1.3.1935 eine grundsätzliche Stellungnahme zur Problematik Exportförderung des deutschen Buches nach Leipzig geschickt. Was den Absatzrückgang betrifft, so sparte der Verein nicht mit realpolitischen Gedanken, die dem Börsenverein intern auch nicht fremd gewesen sein können. Den Verkaufsrückgang konnte man z.T. zu Recht als Folge der allgemeinen schlechten Wirtschaftslage ansehen, aber die nunmehr gleichgeschaltete Literatur ließ sich nicht mehr so ohne weiteres verkaufen.
Dazu der österreichische Standpunkt:
Daß das deutsche Buch im deutschen Auslande nicht denselben Anklang findet wie früher, dafür sind verschiedene Umstände maßgebend, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, weil dies wohl zu weit führen würde. Hauptsächlich kann jedoch gesagt werden, daß der Auslandsdeutsche vom deutschen Buch nicht immer in der Weise befriedigt wird, wie es seiner Anschauung und seinem Geschmack entspricht. Da hilft natürlich keine Verkaufspreissenkung und keine erhöhte Rabattgewährung ab.[13]
Nach dieser eindeutigen, aber diplomatisch formulierten Ablehnung der Nazi-Literaturpolitik stellte sich der Verein „unbedingt“ gegen die Herabsetzung des Preises, zumal sie nur noch eine schwerere Erschütterung des festen Ladenpreises zur Folge haben würde. Der Verein war aber genauso gegen den zweiten Vorschlag, d.h. gegen eine Änderung im Rabattsystem:
Auch die Erhöhung der Rabatte scheint uns nicht der richtige Weg zu sein, weil sie wohl dem Sortimenter vorübergehend einen Vorteil bietet, aber grundsätzlich den Absatz nicht hebt. (ebda.)
Es ist dies die Kernfrage, an der sich die Geister scheiden werden, denn das „Lockangebot“ erhöhter Rabatte, von denen die österreichischen Wiederverkäufer profitieren würden, führte in der Folge zu einer Spaltung innerhalb des österreichischen Vereins.
In der Ansicht, daß alles noch offen sei, machte den Verein einen eigenen „Sanierungsvorschlag“: „Eine wirkliche Hilfe für den Absatz des deutschen Buches“ sei „in der Änderung der Reichsmarkumrechnung“ zu finden, also im Buchhändlerwechselkurs, zu dem der Auslandssortimenter die Verlagswerke nach einem Umrechnungsschlüssel verkaufte. Der Verein bekräftigte seinen Standpunkt in einem Schreiben an den Börsenverein in Leipzig am 1. April:
Wir glauben, daß Bemühungen, die darauf gerichtet sind, für den österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhandel bei der Reichsmarkumrechnung eine Erleichterung eintreten zu lassen, sowohl für den deutschen als auch für den österreichischen Buchhandel von größter Wichtigkeit wären.[14]
Erinnert sei an die Tatsache, daß Deutschland trotz Abwertungen der wichtigen Welthandelsländer am alten Markkurs festgehalten hatte.
Es kam aber anders, als man es sich dachte. Von den Entwicklungen in Berlin und Leipzig um die Buchexportförderung völlig im dunkeln gelassen, erfuhren der Vorsitzende des Vereins, Wilhelm Frick, und die weiteren Vorstandsmitglieder inoffiziell etwa zwei Monate später, daß eine 25%ige Senkung der Buchpreise für bestimmte Gebiete des Auslands nun doch geplant sei. In einem Schreiben an den Börsenverein vom 26. Juni heißt es als Reaktion darauf: „Der Verein muß sich unbedingt gegen diesen Plan sowie überhaupt gegen Pläne einer Preissenkung aussprechen und verweist hiezu auf seine allgemeine Stellungnahme in seinem Schreiben vom 1. April l. J. Der Verein ersucht, diese seine Stellungnahme unbedingt zu berücksichtigen.“[15]
Am nächsten Tag traf in Berlin unter Vorsitz des Vorstehers Wilhelm Baur eine Versammlung maßgebender Persönlichkeiten des Buchhandels zusammen, um über die Lage zu beraten. Das Ergebnis: Eine Senkung der Ladenpreise für das Ausland oder für Teile des Auslandes müsse zu einer Erschütterung des ganzen Preissystems führen. Es schien also, „als ob die ganze Angelegenheit ruhen gelassen werde“, resümierte später der österreichische Verein.[16] Die Aktion „soll“ also nicht durchgeführt werden.[17] Verständlich war die Zufriedenheit beim Verein in Wien über „die Rückstellung des Planes einer Senkung der Ladenpreise für Teile des Auslandes“.[18] Die „Siegesmeldung“ war allerdings verfrüht, denn das Propagandaministerium in Berlin, von dem die Idee stammte, dachte keine Sekunde daran, das Vorhaben nicht durchzuführen, sei es mit oder ohne Zustimmung der Auslandsvereine. Als Ende Juli mehr oder weniger feststand, daß die RSK die Preissenkung plane, traf der Verein in Wien zu einer Vorstandssitzung zusammen. Die Meinung aller Anwesenden ging dennoch dahin, „daß eine derartige Bücherpreissenkung für den Auslandsbuchhandel katastrophale Folgen haben würde, wahrscheinlich ohne den für den deutschen Buchhandel erwarteten Erfolg zu haben. (…) Falls keine zufriedenstellende Vereinbarung zustande käme, müßte der Verein in Erwägung ziehen, Maßnahmen zu treffen, die geeignet wären, die schädlichen Wirkungen der Verfügung zu verhindern.“[19]
Der Jubel über die Siegesmeldung vom 2. Juli war insofern verfrüht, als einen Monat später, am 1. August, „die Entscheidung über die seit Jahren vom Börsenverein behandelte Exportförderung des deutschen Buches gefallen“ war.[20] So die Mitteilung des Börsenvereins an den Verein in Wien. Das Wort „gefallen“ war also im Sinne von „fait accompli“, von Diktat zu verstehen, und zu diesem Behuf lud der Vorsteher des Börsenvereins die zum Großen Rat des Börsenvereins gehörenden Auslandsvertreter zu einer dringlichen Sitzung am 9. August nach Berlin. Rein zufällig kreuzte sich diese Einladung mit einem Schreiben des Vereins in Wien an den Börsenverein vom selben Datum. Darin hieß es u.a.:
Zu der Absicht der Reichsschrifttumskammer, den Preis für das reichsdeutsche Buch im Auslande zu senken, nimmt der Verein der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler neuerlich eine ablehnende Stellung ein.[21]
Gleichzeitig verständigte der Verein sowohl den Vertreter des deutschen Auslandsbuchhandels als auch die anderen Länder, in denen das deutsche Buch verkauft wurde. Am gleichen Tag trat der Verein in Wien mit einem Rundschreiben an eine begrenzte Öffentlichkeit, nämlich die der Mitglieder. Hierin wurde versichert, der Verein werde „besorgt“ sein, „diesen Schritt (der RSK) der sich für das österreichische Sortiment und den österreichischen Verlag ungünstig auswirken würde, nach Möglichkeit zu verhindern.“ Zusatz: „Es wird sich empfehlen, über den reichsdeutschen Plan dem Publikum gegenüber nichts zu verlautbaren.[22] Das Rundschreiben löste unter den Empfängern eine Welle der Empörung aus, und das aus zwei Gründen: Befürworter einer allfälligen Preissenkungsaktion – in der Regel waren es größere Sortimenter wie z.B. Martin Flinker – stießen sich an der Formulierung „nach Möglichkeit verhindern“, während der „Verein der Buch-, Kunst- und Musikalienhändler von Oberösterreich und Salzburg“ sich darüber beschwerte, daß die Vereine der Bundesländer vom Hauptverein in Wien über die bereits seit 9 Monaten andauernden Verhandlungen vollständig in Unkenntnis gelassen worden seien. Die Schweigetaktik des Vereinsvorsitzenden und der Vorstandsmitglieder sollte sich aber bald rächen.
Die Vertreter des Vereins in Wien fühlten sich nach Erhalt der Einladung zur Sitzung des Großen Rates in Berlin am 9. August 1935 hinters Licht geführt und machten ihrem Ärger in einem Rundschreiben an die Vertreter des auslandsdeutschen Buchhandels in Italien, Holland, Polen, C. S. R und Ungarn Luft:
Unter diesen Umständen halten wir es nicht für zweckmäßig, zu der Sitzung des Großen Rates des Börsenvereins unseren Vertreter (Wilhelm Frick) nach Berlin zu entsenden, weil eben die Sitzung, wenn die Entscheidung über den zu behandelnden Gegenstand bereits gefallen ist, wohl kein irgendwie bedeutungsvolles Ergebnis zeitigen kann. Zudem hat unser Verein ja seine vollkommen ablehnende Stellungnahme in der Frage der Preissenkung des deutschen Buches im Auslande dem Börsenvereine bereits mitgeteilt. Sie wurden ja von uns hierüber unterrichtet.[23]
Auf die entsprechende Anregung des Beschwerdeführers, also des Vereins der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler, fand sodann eine Besprechung der Vertreter des deutschen Auslandsbuchhandels am 7. August in Salzburg statt. Gleichzeitig machte der Verein einen letzten Versuch, die maßgebenden deutschen Stellen, also nicht den unter dem Diktat der RSK stehenden Börsenverein, von ihrem Plan abzubringen.[24] Er richtete ein Schreiben an den einflußreichen Ministerialrat Dr. Paul Hövel vom „Ministerium für Kultur und Propaganda“ am 3. August 1935 mit der Bitte, „die vom Verein vorgebrachten Ablehnungsgründe einer Preissenkung zu würdigen und in dieser Frage alles zu unternehmen, damit der Plan der Preissenkung fallen gelassen wird und hiedurch die guten Beziehungen zwischen dem reichsdeutschen und österreichischen Buchhandel ungestört bleiben.[25]
Da nun die Vertreter des Auslandsbuchhandels bei der Besprechung in Salzburg im Hinblick auf die für den 15. August geplante Preissenkungsaktion in ihr eigenes Durchsetzungsvermögen wenig Vertrauen hatten, wurde ein kleiner Kurswechsel vorgenommen, um angesichts des deutschen Ultimatums nicht das Gesicht zu verlieren und mit völlig leeren Händen heimzukehren.
Am 9. August begab sich der Verlagsbuchhändler Wilhelm Frick (Geschäftsführer der Hölder-Pichler-Tempsky A. G. Wien), der zugleich 1. Vorsitzender des Vereins der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler und Mitglied des „Großen Rates“ des Börsenvereins war, als alleiniger Vertreter des österreichischen Gesamtbuchhandels nach Berlin. Im Sinne der schon zuletzt am 31. Juli seitens des österreichischen Vereinsvorstands aufgestellten Richtlinien hatte er die Interessen des Gesamtbuchhandels (also Verleger und Sortimenter) zu vertreten und daher nach Möglichkeit zu trachten, die Durchführung der Auslandspreissenkung überhaupt zu verhindern, obwohl die Aktion bereits „beschlossene Sache“ bzw. als „gegeben“ anzusehen war. „In der Beratung der Auslandsvertreter mit den Vorstandskollegen des Börsenvereins in Berlin wurde ihnen mitgeteilt, daß trotz des wiederholten Einspruches des Börsenvereins-Vorstandes die Entscheidung […] gefallen sei, und daß der Börsenverein eigentlich nicht mehr in der Lage wäre, die Durchführung hintanzuhalten.“[26] Das Diktat war also nicht umzustoßen: Auch neue Vorsprachen der Vertreter des Börsenvereins und der Auslandsvertreter, darunter Frick, beim Vize-Präsidenten der RSK, Dr. Heinrich Wismann, waren vergeblich: „Bei dieser Vorsprache wurde nun den Auslandsvertretern eröffnet, daß die Preissenkung so wie bei anderen Waren auch bei Büchern auf alle Fälle eintreten werde. Auch ohne Zustimmung des Auslandsbuchhandels werde den reichsdeutschen Verlegern seitens der maßgebenden Reichsstellen aufgetragen werden, in das Ausland mit einem um 25% gesenkten Preis zu liefern.“ (Ebenda)
Die Auslandsvertreter (mit Ausnahme der Schweiz[27]) sahen sich somit vor die Tatsache gestellt, daß in ihren Ländern trotz aller von ihnen vorgebrachten Bedenken der Ladenpreis der deutschen Bücher unter allen Umständen gesenkt werde, und es blieb nichts anderes übrig, als Vorsorge zu treffen, daß allzugroße wirtschaftliche Nachteile von den Mitgliedern ihrer Vereine und dem Buchhandel ihrer Staaten überhaupt abgewendet würden. Allein dieses „Hinnehmen“ führte einige Wochen später in Österreich zu einer wütenden Pressekampagne, die den Verein und seinen 1. Vorsitzenden Wilhelm Frick traf. Fairerweise muß man aber jetzt schon sagen, daß das kollektive Vorgehen der deutschen Stellen durch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und die RSK – dem späteren ultimativen Umgang Hitlers mit Schuschnigg nicht unähnlich war.
Bei der Berliner Besprechung am 9. August konnten die Auslandsvertreter wenigstens einige Bedingungen stellen und sie in Form von „Vereinbarungen“ auch durchsetzen. Man kam z.B. überein, daß das Ziel, die Preise reichsdeutscher Bücher im Ausland der gesunkenen Kaufkraft in den Ländern mit entwerteter Währung anzugleichen, nicht durch die Senkung der Ladenpreise direkt, sondern durch die Festsetzung entsprechender Verrechnungsschlüssel erreicht werden sollte.[28] Der Umrechnungsschlüssel, der vom Börsenverein genehmigt werden mußte, sollte so festgesetzt werden, daß in den betreffenden Ländern der Preis der reichsdeutschen Bücher um ca. 25 % gesenkt werde. Wetters wurde „anerkannt“, daß der Auslandsbuchhandel für die ihm durch Minderverdienst und Lagerentwertung entstehenden Verluste entschädigt werden sollte.[29]
Außerdem wurde „in Aussicht genommen“, daß der Auslandssortimenter den vollen Rabatt vom Ladenpreis behalte, so daß er dasselbe verdiene wie bisher.[30] Ein weiterer Punkt der Vereinbarungen bzw. der Auslandswunschliste betraf den sogenannten Lagerverlust, der dadurch entstehen würde, daß Verlagswerke, die nach dem alten Umrechnungsschlüssel, also zum höheren Preis, vor Beginn der Preissenkungsaktion eingekauft worden waren, nunmehr zum neuen, um 25% gesenkten Ladenpreis verkauft werden mußten. In dieser Hinsicht wurde ferner in Aussicht genommen, die dem Börsenverein angeschlossenen Auslandssortimenter derart zu entschädigen, daß sie eine Gutschrift von 25 % für die noch auf Lager befindlichen Bezüge der letzten 6 Monate, also ab dem 1. März 1935, erhalten sollten. Der Auslandssortimenter habe demnach entweder dem reichsdeutschen Verleger oder dem Grossisten eine Liste dieser Werke bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einzureichen.
So sahen die Vereinbarungen des Vereins in Wien mit dem Börsenverein aus. Resümee des Verhandlers Frick: „Hingegen ist es gelungen, wenigstens für die Sortimentsbuchhändler, Auslieferer, Grossisten usw., wenn schon keine direkten Vorteile zu erlangen, doch die Abwendung größerer materieller Einbußen zu erzielen.“ Die Bitterkeit der Auslandsvertreter sollte aber in der Folge noch „versüßt“ werden.
Am 14. August fand in Wien eine erweiterte Vereinsvorstandssitzung – die erste nach den Berliner Verhandlungen – statt. Gegenstand der Debatte: Preis bzw. Kurssenkung des deutschen Auslandsbuchs im Sinne der Vereinbarung vom 9. August. Nach ausführlicher Debatte kamen mehrere Anträge zur Abstimmung. Der Verein schlug als neuen Umrechnungskurs vor: RM 1,- = S 1,68. Die Umrechnung gründete sich darauf, daß die RM im Durchschnitt S 2,07 kostete und nach Abziehung der 25% Senkung S 1,56 übrigeblieben. Nach Hinzurechnung der Warenumsatzsteuer und der Wegspesen ergäbe sich der Betrag von S 1,68. (Nach diesem Plan also sollte der Markpreis gleich bleiben und die Senkung in der Umrechnung enthalten sein.) Weiters sollte nach Ansicht der Vereinsmitglieder der österreichische Sortimenter berechtigt sein, zu denselben Preisen nach Übersee zu liefern wie der deutsche Sortimenter. Die Differenz werde ihm durch den reichsdeutschen Verlag ersetzt.“[31] „Alle diese Vorschläge gelten unter der Voraussetzung, daß dem Sortimenter der gleiche Bruttogewinn ziffernmäßig bleibt wie bisher.[32] Alle wurden schließlich einstimmig angenommen. Am 23. August fand wieder eine erweiterte Vorstandssitzung des Vereins statt, bei der wiederum der einzige Beratungsgegenstand die bevorstehende Preissenkung von 25% bei reichsdeutschen Büchern war. Am nächsten Tag richtete der Vorsitzende Wilhelm Frick einen Brief an den Börsenverein, in dem er zu „unserem Umrechnungsschlüssel“ folgendes mitteilte:
Wir beantragen für den neuen gesenkten Markpreis in Österreich folgende Umrechnung: RM 1,- = S 2,10.[33] Basis der neuen Umrechnung war der Tageskurs zuzüglich Spesen. „Im Sinne der am 9. ds. M. in Berlin getroffenen Vereinbarung“, schreibt Frick, „nehmen wir es als unbedingt gegeben an, daß es Aufgabe des Börsenvereins ist, die Umrechnungskurse der einzelnen Länder in Einklang zu bringen, um ein gegenseitiges Unterbieten zu verhindern.“ (Ebda.)
Obwohl die Vorstandsmitglieder in Wien – und selbst wenn nur sie und nicht die auch betroffenen Vereinsmitglieder – längstens seit dem 9. August wußten, daß an einer 25%igen Senkung nicht mehr zu rütteln war und lediglich Einzelheiten der Verrechnung ausgearbeitet werden mußten, hat Frick sämtliche Mitglieder über den tatsächlichen Stand der Dinge aus unerfindlichen Gründen bewußt falsch informiert. Wie bereits erwähnt, war im offiziellen Anzeiger vom 10. August von der Ablehnung österreichischerseits die Rede. Laut Anzeiger Nr. 20 zwei Wochen später war eine endgültige Entscheidung noch nicht getroffen worden. Da hieß es aber ebendort in einem Bericht unter der Überschrift „Verbilligung der reichsdeutschen Bücher?“ (wohlgemerkt mit Fragezeichen!), die in den Kreisen des Publikums und des österreichischen Buchhandels „vielfach verbreiteten Nachrichten über die geplante Preissenkung“ entsprächen „zum Teil nicht den Tatsachen“ oder eilten „den Ereignissen weit voraus“(Nr. 20, 1935, S. 98).[34] Das stimmte aber insofern nicht, als der Verein und sein Vorsitzender zu diesem Zeitpunkt sich mit der Maßnahme abgefunden hatten.[35] Was sie eingebrockt hatten, werden wir gleich sehen.
4. Das reichsdeutsche Buchdumping
Am 27. August 1935 nahm die Buchexportförderung einen höchstoffiziellen Charakter an. Es wurde in Berlin an diesem Tag die gleichlautenden Verordnungen der Präsidenten der Reichsschrifttumskammer (RSK), der Reichspressekammer (RPK) und der Reichsmusikkammer (RMK) (i.V. Wismann, Amann, Ihlert) verlautbart. Angeordnet wurde auf Grund des § 25 der Ersten Durchführungsverordnung des Reichskulturkammergesetzes vom 1.11.1933 (RGB1. I, S. 797)[36] über die Ausfuhr von Büchern, Zeitschriften, Musikalien und Lehrmitteln „nach Genehmigung des Herrn Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda“, Dr. Joseph Goebbels, „und unter Zustimmung des Herrn Reichswirtschaftsministers Dr. Hjalmar Schacht“.[37] Die Neuregelung der Ausfuhr hatte ab 9. September 1935 zu gelten.
a) Die Begründung
Die offizielle Begründung für diesen Schritt war in den umfangreichen, geheimgehaltenen Erläuterungen zu lesen und hatte zwei Komponenten: eine wirtschaftliche und eine kulturpolitische. Bei der wirtschaftlichen Argumentation zur Rechtfertigung der Exportförderung ging es primär um Währungsfragen: „Die Abwertungen fast aller wesentlichen Währungen der Welt haben den Preis deutscher Bücher, Zeitschriften, Musikalien und Lehrmittel in den betroffenen Ländern so hoch werden lassen, daß der Verkauf deutscher Verlagserzeugnisse immer schwieriger geworden ist.“ Im selben vereinfachten Ton heißt es weiter, die starke Verminderung der Ausfuhr deutscher Bücher, Zeitschriften, Musikalien und Lehrmittel seit 1929 habe „ihren wesentlichen Grund in dieser durch die Währungsverschlechterung verursachten Überteuerung.“ Dieses Argument, daß ausschließlich das Ausland an der stagnierenden Bücherausfuhr die Schuld trage, traf nur bedingt zu, denn die reichsdeutsche Buchproduktion war selber völlig verödet. Die Ausfuhr betrug im Herbst 1934 kaum mehr als die Hälfte des Wertes der im Jahre 1926 exportierten Bücher und Musikalien, der rund 60 Millionen RM ausmachte.[38]
Nach einer verläßlichen Analyse im „Handelsteil“ der angesehenen Neuen Zürcher Zeitung[39] vom 28. Oktober 1935 wurden in den ersten neun Monaten des Jahres 1935 nur noch Bücher im Wert von 15,36 Millionen RM (im Vorjahr 17,11) exportiert gegenüber 21,07 Millionen RM in der entsprechenden Zeit 1933.[40] Dies bedeutete eine Schrumpfung um 27% des Wertes seit 1933. Ebenso erkennbar war ein ständiges Absinken des Durchschnittserlöses für das einzelne Buch, das noch stärker war, wenn noch 1932 oder frühere Jahre zum Vergleich herangezogen wurden. In einem Land also, das an chronischem Devisenmangel litt, war die Erstreckung der Exportförderungsaktion auf Bücher nicht unlogisch, aber sehr wohl umstritten. So soll es in der Vorplanung zu dieser Anordnung zu Auseinandersetzungen zwischen dem Propagandaminister Goebbels und dem Wirtschaftsminister Schacht gekommen sein. Schacht habe demnach diese Exportförderung als unrentabel abgelehnt[41] – aber das war der wirtschaftliche und nicht der propagandistische Standpunkt. Und nicht nur Schacht war skeptisch, auch Vertreter des Börsenvereins, der mit dieser Maßnahme zwangsbeglückt wurde, hatten ihre Zweifel. In der Neuen Zürcher Zeitung liest man dazu:
Ob der Auslandsabsatz deutscher Bücher durch die Exportprämie in einem solchen Maße gehoben werden kann, daß der Schrumpfungsprozeß der letzten Jahre ausgeglichen wird, bezweifelt man allerdings auch in Fachkreisen. (a.a.O.)
Doch was die Herren im Propagandaministerium in der „Einleitung“ zur Anordnung nicht erwähnten, war, daß der Inlandsabsatz in Deutschland genauso ständig weiter schrumpfte, obgleich, wie die Neue Zürcher Zeitung schreibt, der durchschnittliche Ladenpreis der Neuproduktion für 1934 um gut 6% niedriger war als 1933. Das mag nun den Eindruck verstärken, daß die nunmehr „gleichgeschaltete“ Literatur nicht nach dem Geschmack des reichsdeutschen Durchschnittsbuchkonsumenten war.
In der Begründung für die Neuregelung der Buchausfuhr wurde natürlich auch nicht hervorgehoben, daß der Inlandsladenpreis gleichbleiben würde und daß der deutsche Verbraucher die Billigbelieferung der Auslandsmärkte über die Exportkassa indirekt würde bezahlen müssen und daß es sich somit um „Dumping“ handelte.
Die Gründe für die Verödung lagen also auf verschiedenen Gebieten, es haben die hohen Preise der deutschen Bücher (wie z.B. in Österreich im Vergleich zur heimischen Verlagsproduktion), die Währungsentwertung anderer Länder und nicht zuletzt die Abneigung eines Teils des Auslands gegen die deutsche Literatur aus politischen Gründen zur Abwärtsentwicklung beigetragen. Ein ähnliches Urteil über den „Anlaß“ hatte die OeZ am Abend parat:
Die Abwanderung der Autoren aus Deutschland einerseits, die Überfülle politischer Literatur anderseits hat zu einer Verödung des Büchermarktes in Deutschland geführt, die in den letzten Monaten geradezu katastrophal war. (21. 9. 1935)
Nun werde, heißt es da abschließend, den Buchhändlern die „Wiedergewinnung des Absatzgebietes“ durch „offenkundiges Dumping“ aufgetragen. Umso bedeutungsvoller war der kulturpolitische Aspekt in der offiziellen Begründung.[42] Hier kann man ruhig von einer anvisierten kulturellen Weltbeglückung sprechen. Es sei, so heißt es, in den letzten Jahren fast aus dem ganzen Auslande immer wieder über die Überteuerung Klage geführt worden. Auch werde aus interessierten Kreisen wiederholt angeregt, Maßnahmen zu treffen, die ihnen den Weiterbezug deutscher Bücher, Zeitschriften, Musikalien und Lehrmittel ermöglichten. Fazit der Herren im Propagandaministerium: „Aus allen diesen Eingaben und Schreiben an amtliche und private Stellen geht einwandfrei hervor, daß das Interesse an deutschen Verlagsveröffentlichungen nicht gesunken, sondern gestiegen ist.“ (ebda.) Der deutsche Handel war – aus lauter Idealismus versteht sich – also in Anbetracht der Sachlage gewillt, „im Rahmen einer Gemeinschaftsaktion (…) den Preis deutscher Bücher, Zeitschriften, Musikalien und Lehrmittel in gewissem Maße der durch die Abwertung gesunkenen Kaufkraft anzugleichen“ (ebda.). Es gehe hier ja schließlich und endlich au noch darum, wie hervorgehoben wird, „der internationalen geistigen Zusammenarbeit einen Dienst zu erweisen“ (ebda.). Das Element der Verstärkung der völkischen Zusammengehörigkeit durfte also in der offiziellen Auslandswerbung auch nicht fehlen.[43] Manche Beobachter sahen dies freilich als Werbung in eigener (ideologischer) Sache: Deutsches Buch als Werbemittel deutscher Weltanschauung.
b) Die Preissenkung
Die Preise reichsdeutscher Bücher usw. wurden am 9. September 1935 um 25% gesenkt. Von einer zeitlichen Begrenzung der Geltung der Anordnung ist nirgendwo die Rede, so daß sie praktisch jederzeit und einseitig außer Kraft gesetzt werden konnte. Der Börsenverein hatte dafür zu sorgen, daß diese Senkung im Ausland auch durchgeführt werde. jeder inländische, also reichsdeutsche Exporteur (Verleger, Zwischenhändler, Sortimenter) mußte nach dem 8. September ins gesamte Ausland zu Auslandsladenpreisen liefern, die gegenüber den Inlandspreisen um 25% gesenkt waren. Hierüber wurden die inländischen Exporteure in einem zweiseitigen Rundschreiben des Börsenvereins in Leipzig vom 31. August ausführlich informiert. Es wurde dabei die Hoffnung ausgedruckt, „daß diese sehr großzügige Regelung der für den gesamten Buchhandel wichtigen Exportfrage dazu führt, daß Sie sich noch mehr als bisher für den Vertrieb des deutschen Buches, der deutschen Zeitschrift, der deutschen Lehrmittel und der deutschen Musikalien im Auslande einsetzen werden.“
Außer der Hoffnung des Propagandaministeriums auf einen gesteigerten Devisenzufluß von den Auslandsabsätzen und der zwangsbeglückten reichsdeutschen Verleger auf vermehrten Verkauf durch den Auslandsbuchhandel brauchte die neue Ausfuhrregelung eine Menge zusätzliche Papierarbeit. Kein Wunder – denn die Bürokratisierung war eines der Hauptmerkmale nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik. Die inländischen Exporteure wurden angehalten, den ausländischen Wiederverkäufern, also den Grossisten und Sortimentern, bis auf weiteres den gleichen Rabattbetrag zu gewähren, den die ausländischen Wiederverkäufer erhalten hätten, wenn die Preissenkung nicht eingetreten wäre. Sie mußten den Auslandsabnehmern die preisgesenkten Werke jeweils auf einer besonderen Faktura berechnen. Diese trug den Vordruck „A“ und war eine sog. „Exportfaktur“. Zusätzlich hatten die ausländischen Wiederverkäufer über die bei ihnen vorhandenen Auslieferungslager und das bei ihnen befindliche Kommissionsgut den deutschen Verlegern und Zwischenhändlern gegenüber eine Abrechnung nach dem 9. September als Stichtag abzugeben. Hierauf mußten die deutschen Verleger den ausländischen Wiederverkäufern mitteilen, welche nicht verkauften Bestände zurückzuschicken oder auf Lager zu behalten seien.
c) Das Ausgleichsverfahren im Detail
Erfaßt wurden vom Ausgleichsverfahren in Deutschland verlegte und hergestellte
1. neue Bücher
2.neue graphische Lehrmittel
3.Zeitschriften im Einzelhandel oder Abonnement
4.neue Musikalien.
Ausgenommen wurden also Zeitungen, antiquarische Verlagswerke bzw. Werke mit aufgehobenem Ladenpreis sowie Veröffentlichungen von Firmen, die nicht der RPK, RSK oder RMK angehörten.
Aus der Sicht des inländischen Exporteurs, also z.B. des reichsdeutschen Verlegers, blieb der Rabattbetrag, der den ausländischen Kunden gewährt wurde, gleich. Er wurde in der Höhe des bisherigen Prozentsatzes weiter vom Inlandsladenpreis errechnet und vom Auslandsladenpreis abgezogen. Dazu ein Beispiel: ein Buch, das in einem deutschen Buchgeschäft RM 10 kostete, hatte somit einen Auslandsladenpreis von RM 7,50 (=-25%). Auf der Basis einer z.B. 30%igen Rabattgewährung würde dieser RM 3 betragen. Das ergäbe den neuen Auslandsnettopreis von RM 4,50. Der ausländische, also österreichische Wiederverkäufer zahlte für das Werk statt RM 7 nun RM 4,50. Entscheidende Bedeutung kommt daher auch dem Markumrechnungsschlüssel zu. Mitglieder des österreichischen Vereins erfuhren diese Einzelheiten am Tag des Inkrafttretens, nämlich am 7. September, mittels eines streng vertraulichen Rundschreibens bzw. im Anzeiger vom 14. September.
Der reichsdeutsche Verleger mußte de facto die Preissenkung selber vorstrecken, doch hatte er im Rahmen des Ausfuhrausgleichs, der durch die Exportkassa gespeist wurde, Anspruch auf Ersatz des ihm durch die Preissenkung entstehenden Verlusts. Die Höhe des Ausgleichs wurde folgendermaßen berechnet: Der berechnete Auslandsnettopreis von RM 4,50 wurde vom Inlandsnettopreis RM 7,- (d.i. Inlandsnettopreis RM 10 minus 30% Rabatt) abgezogen. Die Höhe betrug also RM 2,50. Auffallend bei dieser Prozedur ist die Tatsache, daß ein reichsdeutscher Wiederverkäufer das Buch um 35% teurer kaufte als sein ausländischer Kollege.
Nicht genug der Bürokratie – der deutsche Verleger mußte auch noch Fakturendurchschläge, nach Ländern bzw. Ländergruppen getrennt, plus eine Sammelaufstellung für jedes Land in zweifacher Ausfertigung alle 10 Tage an die Wirtschaftsstelle des deutschen Buchhandels in Berlin einreichen. Die komplizierten Bestimmungen nahmen aber auch damit noch lange kein Ende. Und das finanzielle Risiko dabei trug nicht der Staat oder die Wirtschaftsstelle, sondern der Exporteur allein, dem alles aufgehalst wurde. Der „Exportverlust“ wurde auch nicht so ohne weiteres vergütet. War in einem Monat die Summe der gemeldeten Exporte laut vorliegenden Belegen höher als die Summe der gemeldeten Zahlungseingänge, wurde zunächst gar nichts vergütet. Beide Summen wurden zur Verrechnung in der nächsten Dekade im nächsten Monat so lange vorgetragen, bis die Zahlungseingänge die Exporte überschritten! Wichtige Vorbedingung für den Ersatz des Verlustes war also der Eingang des Gegenwertes der Rechnung in Devisen, in freien RM oder auf Verrechnungskonten.
d) Reaktion und Kritik in Österreich
Die verschiedenen Reaktionen in der Öffentlichkeit, vor allem in der österreichischen Presse, zeigen sehr deutlich, inwieweit zu dieser Zeit die Abwehr des Nationalsozialismus und die geistige Landesverteidigung[44] mit kulturpolitischen Mitteln verfochten wurden. Mit anderen Worten: sie zeigte, welche Rolle die Kulturpolitik im tagespolitischen Schlagabtausch spielte. Der Geist der Verteidigung manifestierte sich in der vehementen Ablehnung des deutschen Buchdumpings. Die Kritik richtete sich einerseits gegen die Maßnahme an sich im Hinblick auf deren Auswirkungen, andererseits gegen den Verein der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler.
Die Presse urteilte ausnahmslos ablehnend, wobei weniger der wirtschaftliche als der (kultur-) politische Aspekt zunächst im Vordergrund stand. Der Grund dafür ist nicht schwer zu eruieren. Daß die Führung der Aktion in Berlin beim Propagandaministerium lag, gab der Sache von vornherein einen gewissen politischen Anstrich und trug wesentlich dazu bei, daß die politische Seite der Frage in Österreich hervorgehoben wurde. Das, was in der neutralen reichsdeutschen Formulierung als „Bücherexportförderung“ bezeichnet wurde und in Wirklichkeit nichts anderes war als ein klassischer Fall von Dumping, erhielt jenseits der reichsdeutschen Grenze ganz andere Namen, Namen, die in den Schlagzeilen und Berichten hervortraten: „Nationalsozialismus zu ermäßigten Preisen“ (Der Österreicher, 11.10.1935), „Die Propagandaaktion des Herrn Goebbels“ (Die Stunde, 11.9.1935), „Verschleudern unter staatlicher Beihilfe“, „dieser künstliche Zuschuß aufs deutsche Buch“ (Sturm über Österreich, 6.10.1935), „Verstärkte Nazipropaganda gegen Österreich“ (Der Heimatschützer, 28.9.1935), „Nationalsozialistische Kultur – kein Exportartikel“ (Wiener Stadt-Stimmen, 24.11.1935), „Das ‚Geschenk’ der 25%“ (Reichspost, 24.9.1935). Die Kehrseite der Medaille, das „Opfer“, war ebenso in den Überschriften präsent: „Kampf um das österreichische Buch“ (OeZ am Abend, 21.9.1935), „Schutz dem österreichischen Buch“ (Wiener Zeitung, 21.9.1935), „Die Abwehr des deutschen Buchdumpings“ (Sturm über Österreich, 22.9.1935).
Kommentatoren waren übereinstimmend der Meinung, daß das Dumping keineswegs allein wirtschaftliche Motive hatte:
Das ergibt sich am deutlichsten aus dem Umstand, daß es also nicht zuletzt darauf ankommt, reichsdeutsches Gedankengut (…) im reicheren Ausmaß als bisher ins Ausland zu bringen. (OeZ am Abend, 24. 9. 1935)
In der Reichspost konnte man folgendes lesen:
Halten wir fest, daß das Berliner Propagandaministerium diese Exportprämie durchgesetzt hat, daß in der jüngsten Zeit auch im Reich aus politischen Gründen eine intensive Werbung für das Buch als Repräsentanten des „Neuen Deutschland“ gemacht wird und insbesondere in dem reichsdeutschen Jugendbuchhandel eigene Kurse für das reichsdeutsche Buch als Werbemittel deutscher Weltanschauung gehalten werden. Nun soll auch das Ausland in besonderem Maße dem Buch des „Neuen Deutschland“ erschlossen werden. (24.9.1935)
„Die Gleichschaltungstechnik seitens des Nationalsozialismus nimmt wirtschaftliche Formen an“, konstatierte die Wochenzeitung Sturm über Österreich,[45] die eine der schärfsten publizistischen Gegner des Nationalsozialismus in Österreich war. Weiters heißt es, das reichsdeutsche Buchdumping sei „die systematische Abwürgungstaktik gegen Österreichs geistige Selbständigkeit“ und „eine ganz raffinierte kulturpolitische Maßnahme zur kulturellen Eroberung Österreichs“ (22.9.1935). In düsteren Tönen wird auch die Konsequenz, wenn die österreichische Regierung nicht darauf reagiere, ausgemalt: „So ist Österreich der Gleichschaltung mit Haut und Haar ausgeliefert“ (ebda.).
Der Heimatschützer, eine weitere Wochenzeitung und offizielles Organ des Österreichischen Heimatschutzes, urteilte folgendermaßen:
In diesen Tagen ist ein Generalangriff der nationalsozialistischen Agitation gegen Österreich vom Zaun gebrochen worden, der sich so ziemlich aller Mittel der Propaganda und des Terrors bedient.
Und weiter:
Das über Österreich verhängte deutsche Buchdumping ist ein offener Angriff des deutschen Propagandaministeriums auf den österreichischen Büchermarkt, auf die österreichischen Verlagsanstalten, auf die österreichischen Schriftsteller und auf die österreichische Kultur. (28.9.1935, S. 1)
Gar düster prophezeite der Redakteur dieser Zeitung das nahende „Ende der Jahrtausende alten deutschen Kultur in Österreich“ (ebda.).
In diesen repräsentativen Beispielen aus der Presse ist, auch wenn man nicht dem Provinzialismus das Wort reden möchte, von einer drohenden und bedrohlichen kulturpolitischen Gefahr durch das verbilligte reichsdeutsche Buch die Rede. Ein prominenter Österreicher teilte diesen Pessimismus allerdings ganz und gar nicht, nämlich Guido Zernatto. Neben seiner eigenen schriftstellerischen Tätigkeit war er Bundeskulturrat, seit dem 14.5.1935 Vize-Präsident des Österr. Bundesverlags, seit dem 18.11.1932, als die Firma in eine Ges.m.b.H. umgewandelt wurde, Geschäftsführer der Univ.-Buchhandlung Wilh. Braumüller & Sohn sowie Vize-Präsident des Katholischen Schriftstellerverbands und gemeinsam mit Dr. Wilhelm Wolf für die Schriftleitung der Österreichischen Rundschau verantwortlich, wobei diese Liste keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Im folgenden Jahr 1936 wurde er Generalsekretär der Vaterländischen Front und ebenfalls im Mai Staatssekretär in der Regierung Schuschnigg.[46] Nebenbei war er als Referent des österr. Olympischen Komitees tätig und fungierte bei der Olympiade in Berlin 1936 als österr. Jurymitglied der internationalen Jury für den olympischen Kunstwettbewerb[47] Noch im Jahre 1935 wurde er vom BM für Unterricht als Obmann-Stellvertreter der Verwaltungskommission des V.F.F. vorgeschlagen. Kein Wunder also, daß ein Interessenskonflikt, wie er sich im Fall des „deutschen Buchdumpings“ äußerte, nahezu unvermeidlich war. Zernatto nahm zur Frage der Buchpreisermäßigung in der Neuen Freien Presse am 25. September 1935 öffentlich Stellung und meinte, sie wäre „prinzipiell zu begrüßen“. Nach Abwägung aller Argumente sprach er sich für die Senkung aus:
Hier die Verbilligung von fast neun Zehnteln der Gesamtheit aller verkauften Bücher; hier die Erleichterung der Verbreitung von mehr als neun Zehnteln des österreichischen Anteiles an der deutschen Dichtung, hier die Ermöglichung wesentlich größerer Anschaffungen in Volksbibliotheken und wissenschaftlichen Instituten – dort die wirtschaftliche Einbuße eines verhältnismäßig kleinen Kreises von österreichischen Verlegern.
Zernatto gab auch zu, daß eine Hilfe seitens der Regierung für die österreichischen Verleger notwendig sei, schränkte aber ein, daß nur „jenes gute österreichische Schrifttum, dem die Verbreitung in Deutschland erschwert oder unmöglich gemacht ist“, in Frage komme:
Seine Stützung und Unterstützung ist sicherlich eine wichtige Aufgabe der österreichischen Kulturpolitik, wenn die Produktion dieses österreichischen Verlages so ist, daß sie in den Rahmen eines christlichen und deutschen Staates hineinpaßt.
Man kann hier bereits vorausschicken, daß die „Verlagsförderung“ nicht nach den Vorstellungen Zernattos gelaufen ist.
Diejenigen Zeitungen, die sich trauten, haben Zernatto wegen seiner Ansichten auch entsprechend kritisiert. Im Gegensatz zu den Zeitungsmeinungen sah Zernatto keine wie immer geartete kulturpolitische Bedrohung durch das Buchdumping. Zernatto wörtlich:
Besteht eine Gefahr erhöhter Einfuhr politisch tendenziösen Schrifttums aus Deutschland nach Österreich? Auch diese Frage kann verneint werden. Der Regierung steht wie bisher die Maßnahme des Verbotes offen. (ebda.)
Abgesehen davon, daß Zernatto die Tatsache ignoriert, daß es sich um „Dumping“ handelt und „daß die Subventionierung des deutschen Bücherexports den deutschen Verlagshäusern zu einer kommerziellen Überlegenheit verhilft, die auf die Dauer ein Verlagsgeschäft in Österreich überhaupt unmöglich machen müßte“ (OeZ am Abend, 25. 9. 1935), glaubt er das allfällige Problem mit Verboten zu beseitigen. Dazu ein Redakteur der OeZ am Abend vom selben Datum:
Ob im übrigen Massenverbote parteipolitisch gefärbter deutscher Bücher zu der allseits gewünschten Befriedung beitragen würden, bleibe dahingestellt, um so mehr, als es ja in so vielen Fällen nicht die ausdrückliche parteipolitische Einstellung, sondern die gesamte geistige Haltung eines Buches ist, die dem österreichischen Gedanken widerspricht.
Verwunderlich ist, daß der österreichische Kulturmensch Zernatto auf seinem ureigensten Fachgebiet sich aufklären lassen mußte. Ein weiterer Kritiker – diesmal vom Legitimistenblatt Der Österreicher[48] – nennt seinen Artikel „Eine merkwürdige Buchgeschichte“ und verweist auf die unterschiedlichen Auffassungen in dieser Frage zwischen Zernatto und seiner Bundesregierung. Zum Teil von der Zeitung OeZ am Abend inspiriert, nimmt der Journalist eine neutrale Quelle, nämlich das Wiener Adreßbuch, Lehmann, zur Hand, um Zernatto als Geschäftsführer eines nicht unwichtigen Verlagsunternehmens, Braumüller, zu entlarven. Der Schlußsatz:
Wer hat sich nun für das deutsche Bücherdumping ausgesprochen? Der Bundeskulturrat, der Heimatschützer, der Schriftsteller oder der Buchhändler Zernatto? (4.10.1935)
Obwohl die Presse sich sehr energisch und sehr kritisch und vor allem sehr österreichisch-patriotisch mit dem reichsdeutschen Buchdumping auseinandersetzte, galt ihr Ärger vornehmlich dem Verein der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler, dem mehr oder weniger Verrat vorgeworfen wurde. Das begann einmal mit den Werbemaßnahmen, die von den meisten Buchhändlern getätigt wurden, um Kunden auf die Verbilligung des deutschen Buchs aufmerksam zu machen. Das war auch aus ihrer Sicht legitim. Die Sortimenter reagierten auf verschiedene Weise: zwei Buchhandlungen der Inneren Stadt hätten nach dem Bericht der Wiener Zeitung, die erstaunlich viel und sehr kritisch über das Buchdumping berichtete, auf jedwede Reklame verzichtet und somit den heimischen Verlag unterstützt (19.9.1935). Andere hingegen machten große Reklame für die Aktion und behängten ihre Auslagen mit großen Papierstreifen: „Deutsche Bücher um 25% billiger“. Die Ankündigungen hätten laut Zeitungsberichten „berechtigtes Aufsehen hervor(ge)rufen“ (OeZ am Abend, 21.9.1935). Mehrere Zeitungen (u.a. Wiener Zeitung, 19.9.1935) machten auf „die irreführenden Plakate“ (Telegraf, 21.9.1935) aufmerksam, irreführend deshalb, weil es sich lediglich um Bücher reichsdeutscher Provenienz handelte und weil sie einen „ungünstigen Schluß auf die österreichischen Verleger“ zuließen (Wiener Zeitung, 21.9.1935). Die Wiener Zeitung schreibt weiter:
Haben die Buchhändler, hat der österreichische Buchhändlerverein diese Wirkung nicht bedacht? (…) Es ist sehr bedauerlich, daß die österreichischen Sortimenter sich ihrer kulturellen Zusammengehörigkeit mit dem österreichischen Verlag so wenig bewußt zu sein scheinen.
Die Werbung für das deutsche Buchdumping und das negative Echo in der Presse und aus Verlegerkreisen veranlaßte die österreichische Regierung, dem Verein eine Weisung zu erteilen, und zwar dahingehend, daß „die Ankündigung(en) über die Verbilligung reichsdeutscher Bücher etc. aus dem Schaufenster zu entfernen und ähnliche Verlautbarungen[49] zu unterlassen“ seien.[50]
Wenn es eines weiteren Beispiels für die unterschiedliche Interessenslage von Vereinsleitung, Verlegern und Sortimentern bedurfte, so waren eben diese Werbemaßnahmen der Punkt, an dem sich die Geister schieden. Denn die Werbeplakate mußten gegen den Willen der Sortimenter, die ohnehin auf den in der Presse stark bemitleideten österreichischen Verlag wütend waren, entfernt werden. Anläßlich einer Sortimenterbesprechung in Wien einige Tage später, am 26. September, bei der auch die ganz großen unter den Buchhändlern stimmenstark vertreten waren, wurde verlangt, daß das Plakatverbot zurückgenommen werde. Ob dies bewilligt werde, hieß es lapidar im Protokoll, „ist ungewiß“.[51] Bei der Besprechung wurde auch der (fromme) Wunsch geäußert, daß die Pressekampagne eingestellt werde. Sie war aber erst im Anlaufen! Auch nach dem Verbot lieferte die Werbung für das Buchdumping Zündstoff für Zeitungskritik. So schrieb der Telegraf am 28. September:
Die Durchführung des Dumpings wurde nicht nur versucht, man hat für diese Schädigung der österreichischen Wirtschaft und des heimischen Kulturgutes noch Propaganda gemacht.
Und in ähnlichem Sinn der Sturm über Österreich am 6. Oktober:
Die gewissen Plakate in österreichischen Buchhandlungen (Verständigung von der 25prozentigen Verbilligung der deutschen Bücher) kommen einer Aufforderung an das Publikum gleich, keine österreichischen Bücher und Musikalien mehr zu kaufen.
Die Kritik, die direkt an dem Verein geübt wurde, kann man zunächst stichwortartig folgendermaßen formulieren: Pflichtverletzung gegenüber dem österreichischen Buch und Verlag sowie Gewinnsucht. So meinte der Telegraf(21.9.1935), der Verein habe dem Buchdumping zugestimmt, „unbekümmert darum, daß es seine Pflicht gewesen wäre, zum Schutze des österreichischen Buches, seine Handlungsweise genau zu überlegen“, während man am selben Tag in der Wiener Zeitung lesen konnte:
Es mag ja verständlich sein, daß die österreichischen Sortimenter ein großes Geschäft erwarten, aber (…) die österreichischen Buchhändler [sollten] nicht erst darüber belehrt werden müssen, daß das Buch kein bloßer Handelsartikel, Verlag und Sortiment nicht bloße Handelsunternehmungen sind, sondern eine spezifische und hier spezifisch österreichische kulturelle Aufgabe zu erfüllen haben.
Am 28. September spricht der Heimatschützer „Ein offenes Wort an die österreichischen Buchhändler“ (Überschrift) aus. Im Gegensatz zur Schweiz, heißt es da, hätten „anscheinend die Vertreter des österreichischen Buchhandels nur ihre eigenen materiellen Interessen im Auge behalten und dieser reichsdeutschen Überfremdungsaktion zugestimmt – unter dem einen Vorbehalt, daß ihr Anteil an dem Verkaufserlös deutscher Bücher entsprechend erhöht würde“ (28.9.1935). Für die Wiener Zeitung blieb es „unerfindlich“ (26.9.1935), wieso der Verein in diese Preissenkungsaktion einwilligen konnte, während die Reichspost sich fragte – „Erstaunen muß es erregen…“ (24.9.1935) – , wieso private österreichische Wirtschaftsorganisationen auf eigene Faust mit reichsdeutschen Stellen verhandeln und abschließen konnten. Ähnlich ortete der Sturm über Österreich „eigenartiges Verhalten“ (6.10.1935) seitens des Vereins, „der ohne Befragung der Verleger oder österreichischer amtlicher Stellen der deutschen Maßnahme zugestimmt hat“. Sie wagte gar zu behaupten, daß das Dumping ohne diese Zustimmung undurchführbar gewesen wäre. Demgegenüber stellt ein Gutachten der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in Wien, das dem Dumping im allgemeinen ablehnend gegenübersteht, am 13. September 1935 fest, daß eine solche einstimmige Ablehnung nicht möglich sei, „weil die österreichischen Sortimenter und Detailhändler sich von der Preisermäßigung eine Hebung ihres Umsatzes und daher höhere Verdienstmöglichkeiten versprechen.“ Die Österreichische Abendzeitung (4.10.1935) meinte, es gehe nicht an und es widerspreche „Sicherlich dem Ständegedanken, daß ein Stand auf Kosten anderer – der Konsumenten und der österreichischen Verleger, und damit der heimischen Druckindustrie, dem Buchbindergewerbe usw. – derartige Verdienste anrechnen kann.“ Der Verein wolle durch diesen Vorgang „den großen Coup machen“ (ebda.). Es habe sich nach Meinung des Heimatschützers (28.9.1935) „ein nicht unwesentlicher Teil der österreichischen Wirtschaft, ein wichtiger Bestandteil der österreichischen Kulturorganisationen bewußt außerhalb der österreichischen Schicksalsgemeinschaft gestellt“, „wobei dann noch zum Schluß die Frage erlaubt sein müßte, ob dies lediglich aus Gewinnsucht oder etwa aus politischen Gründen geschehen ist“. Im Einklang mit anderen Zeitungen wird eine „restlose Aufklärung“ verlangt.[52]
e) Bücherdumping und Bücherwucher?
Neben der harten Kritik am österreichischen Verein geriet gleichzeitig eine weitere Auswirkung des Buchdumpings, nämlich die finanziellen Folgen bzw. Vorteile für den österreichischen Sortimentsbuchhandel, unter Beschuß. Angedeutet wurden diese Attacken mit Artikelüberschriften wie „Ein gutes Geschäft“ (OeZ am Abend, 26.9.1935), „Bücherdumping und Bücherwucher“ (Österreichische Abendzeitung, 4.10.1935), „Das Geschäft mit dem deutschen Bücherdumping“ (Die Stunde, 27.9.1935), „Wer verdient am deutschen Buchdumping?“ (Die Stunde, 25.9.1935).
Auch vor dem Inkrafttreten der Preissenkung war der österreichische Verlag aus handelspolitischen Erwägungen gezwungen, den Grundpreis seiner Bücher und Musikalien – auch beim Beliefern des inländischen Markts – in Reichsmark anzusetzen. Er hat aber für das Inland die Mark fast ausnahmslos mit S 1,70 umgerechnet, wohingegen der österreichische Buchhändler für das reichsdeutsche Werk bisher mit S 2,20 umrechnete und erst mit dem 9. September ebenfalls auf S 1,70 herunterging. Da der Ladenpreis um 25% gesenkt, der Rabatt aber nicht nur nach dem alten Satz, sondern in der alten betragsmäßigen Höhe beibehalten wurde, ergab sich für den österr. Sortimenter bei gleichbleibendem Umsatz eine Bruttogewinnerhöhung nach folgendem Schlüssel:
Alter Rabatt | Neuer Rabatt |
---|---|
30 % | 40 % |
40 % | 53,50 % |
45 % | 60 % |
50 % | 66,67 % |
55 % | 73,5 % |
Für jeden mit dem Buchhandel Vertrauten hätten solche Rabattsätze, die praktisch mit 400/o begannen, völlig ungesund und auf Dauer nicht zu halten erscheinen müssen. Doch geradezu grotesk muteten diese Ziffern an, wenn man sie nicht als Rabatt, sondern als Zuschlag zum Einkaufspreis betrachtete. Dann entsprach nämlich
ein alter Rabatt von 30% | einem Verkaufszuschlag von 66 2/3% |
---|---|
40 % | 114 % |
45 % | 150 % |
50 % | 200 % |
55 % | 275 % |
Rechnete man das Freiexemplar (z.B. 11/10) hinzu, vergrößerte sich der Zwischengewinn noch mehr. Und in diesem Zusammenhang meinte Die Stunde, es sei „vor allem der Zwischenhandel, der den großen Profit aus den Begünstigungen (…) zieht, oder richtiger schon gezogen hat“ (25.9.1935). Es waren aber in der Tat nicht alle österr. Wiederverkäufer gleich. Die Nutznießer waren nur bei einem Teil der Buchhändlerschaft zu finden, und zwar, wie Die Stunde feststellte, „nur bei einem ganz bestimmten Teil der Buchhändlerschaft, der nicht sehr groß, dafür aber ziemlich einflußreich ist und im Wesentlichen auch die Importverhältnisse beherrscht“ (ebda.). Für die großen Einkäufe bei reichsdeutschen Verlagen kamen nur die Großhändler in Österreich, die die kleinen Sortimenter nach Bedarf belieferten, in Frage. Die Stunde dazu:
Die Begünstigung kommt also vor allem wenigen Großbuchhändlern zugute, ja sie wird um die Verdienstspanne, um die der Detailhändler gekürzt erscheint, sogar noch erhöht, (…). (25.9.1935)
Während – zugegeben – die wirtschaftlich bedrängten Großhändler und z.T. auch Detailhändler den Vorwurf schwer entkräften konnten, daß sie sich mit Hilfe der neuen Rabattsätze sanieren wollten, ohne daran zu denken, daß die Preissenkung eines Tages eingestellt werden könnte, und auf wessen Kosten diese Sanierung geschehe, hatte der Kunde auch einen Preisvorteil, der in der Praxis eine Senkung beim Ladenpreis von etwa 22 % ausmachte. Im Rahmen des Dumpings war – um zwei konkrete Beispiele anzuführen – Thomas Manns Leiden und Größe der Meister um S 11,90 statt wie bisher um S 15,40 zu erstehen. Die Buddenbrooks konnte man nun um S 4,80 statt um S 6,30 kaufen. Und um ein Beispiel zu zitieren, das dem weniger bemittelten Buchkunden zu dieser Zeit entsprach: ein Reclam-Heft kostete statt 70 Groschen nur mehr 52 Groschen.
Nun geht es um die Klärung des Widerspruchs, weshalb die Preissenkungsaktion letztlich akzeptiert und durchgeführt wurde, nachdem der „Verein“ sie so energisch bekämpft hatte. Die Diskussion mündet in die Spaltung zwischen Sortimentern und Verlegern außerhalb und innerhalb des Vereins.
f) Die Lagervergütung
Manche Sortimenter erhofften sich zu Recht eine Belebung ihres Absatzes durch die Preisverbilligung reichsdeutscher Bücher. Aber es kann schon vorausgeschickt werden, daß die erwarteten Folgen nicht eingetroffen sind, denn es wurde nicht bedacht, daß eine Preisverbilligung nicht immer zu einer Vermehrung des Absatzes führen mußte. Während Institutionen und Ämter mit ihrem Budget nun mehr Bücher kaufen konnten, war keineswegs gesagt, daß der gewöhnliche Kunde automatisch die Ersparnis durch die Verbilligung wiederum für weitere Bücher ausgeben mußte. Die Sortimenter betrieben nicht nur in dieser Hinsicht eine kurzsichtige Standespolitik; sie faßten die Vergütung ihres Lagerverlustes, die ihnen von reichsdeutscher Seite zugestanden wurde, als Entgegenkommen, das eigentlich ein „Köder“ war, auf. Dem Sortiment wäre ein neues Opfer auferlegt worden, da man doch einen Großteil des Bücherlagers zum hohen Preis angekauft hatte, ihn aber jetzt zum gesenkten Preis verkaufen mußte. Das Zugeständnis einer Lagervergütung war bereits bei der Berliner Besprechung am 9. August in Aussicht gestellt worden. Dabei wurde die schwere Ungerechtigkeit übergangen, daß die Lagervergütung nur einem kleinen Kreis des österreichischen Sortiments – in der Regel wiederum den größeren Unternehmen –, und zwar nur denjenigen österr. Vereinsmitgliedern, die zugleich Börsenvereins-Mitglieder waren, zugute kommen sollte. Wie dem auch sei, die Vereinsvertreter, die schließlich für alle Mitglieder und Fachgruppen da sein wollten, bemühten sich, eine Vergütung auch für die Nichtmitglieder des Börsenvereins, und zwar für alle österr. konzessionierten Buch- und Musikalienbetriebe, zu erreichen.[53] Die diesbezüglichen Verhandlungen dürften aber zu keinem Erfolg geführt haben.
Die Lagervergütungsaktion war trotz zeitlicher Beschränkung (6 Monate rückwirkend vom Inkrafttreten der Preissenkung) und trotz der Tatsache, daß Nicht-BV-Mitglieder ausgeschlossen waren, eine Maßnahme, die dem Sinn und Zweck des Dumpings, d.h. der Devisenbeschaffung, widersprach. Sie war auch ein Musterbeispiel für die Bürokratisierung der nationalsozialistischen Wirtschaft, Die damit verbundene Papierarbeit für alle Beteiligten war – wie wir gleich sehen werden – so umfangreich, die Vertröstungen über Monate hindurch wegen der nicht geleisteten Vergütung waren so zahlreich, daß man Zweifel hegen konnte, ob von reichsdeutscher Seite überhaupt an eine Erfüllung des Versprechens gedacht wurde.
Die Vergütung des Lagerverlustes sollte von allem Anfang an „vertraulich“ behandelt werden. Die Richtlinien wurden vom Generaldirektor des Börsenvereins, Dr. Max Albert Heß, am 4. September 1935 aufgestellt und dem österreichischen Verein übermittelt.[54] Zwei Tage später schickte der Verein eigene Erläuterungen in Form eines Rundschreibens zusammen mit dem Rundschreiben des Börsenvereins an seine Mitglieder[55]: Einleitend wurde vom Verein vermerkt: „Die Angelegenheit der Lagervergütung ist streng vertraulich zu behandeln. Die Lagervergütung kommt nur denjenigen unserer Vereinsmitglieder zu, die zugleich auch Börsenvereinsmitglieder sind.“ (ebda.)
Die Börsenvereinsmitglieder im Vereinsgebiet des Börsenvereins außerhalb des Reichsgebietes mußten sich auf vermehrte Papierarbeit beim Ausfüllen eines „Antrages auf Vergütung von Lagerverlusten“ (Anlage A) gefaßt machen. Sie mußten eine Liste laut Anlage A aufstellen, „in die sie alle am 9. September 1935 bei ihnen auf Lager befindlichen, in der Zeit vom 1. März bis 8. September 1935 fest bezogenen, der neuen Ausfuhrregelung unterworfenen Gegenstände des reichsdeutschen Buchhandels aufnehmen, und zwar mit Inlandsladenpreisen.“ (V 1935, Mappe 422) Die ausgefüllten Anträge waren bis spätestens 7. Oktober 1935 an den Verein in Wien eingeschrieben einzusenden. Die Anträge mußten dann vom Verein auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden, wobei der Börsenverein Stichproben erlaubte. Mit einem Prüfungsvermerk versehen, mußten sie bis spätestens 20. Oktober 1935 bei den reichsdeutschen Lieferanten (Verleger, Zwischenhändler) eingegangen sein. Als nächstes mußten die reichsdeutschen Lieferanten die Anträge erneut prüfen und sie bei der Wirtschaftsstelle für den deutschen Buchhandel, Berlin, einreichen. Diese sollte sodann den reichsdeutschen Lieferanten die sich aus den Listen ergebenden Lagerverlustbeträge vergüten. Diese ganze Prozedur als „kompliziert“ zu bezeichnen, wäre wohl ein Understatement. Es fragt sich, ob sie sich auszahlte.
In der Hauptversammlung des Vereins am 20. Oktober wurde auch über die Tätigkeit der Vereinskanzlei anläßlich der Vergütungsaktion folgendes berichtet:
Es mußten innerhalb von 14 Tagen fast 12.000 Eingaben an deutsche Verleger geprüft und nachgerechnet werden. Weit über die Hälfte dieser Lager-Vergütungsansuchen langten in den letzten drei Tagen – darunter ein Sonntag – ein. Die dem Verein erwachsenen Portoauslagen betrugen ungefähr S 1.700,-. (Anzeiger, Nr. 26, 26. 10. 1935, S. 142)
Die Umständlichkeit des Verfahrens brachte es mit sich, daß lange Zeit zum Schaden der Betroffenen – nichts geschah. Ende November waren diejenigen, die einen Anspruch auf Ersatz hatten, dazu übergegangen, einfach Zahlungen für offene Rechnungen bei reichsdeutschen Lieferanten um Summen aus den Anträgen aus dem versprochenen Lagerersatz zu kürzen! Diese Praxis führte zu einer Mahnung des Börsenvereins, die im Anzeiger an die Mitglieder weitergeleitet wurde (76. Jg., Nr. 29, 30.11.1935, S. 172). Drei Monate später begannen zahlreiche Sortimenter die Auszahlung der Lagervergütungen bei den reichsdeutschen Verlegern zu urgieren. Die Entscheidungen über die einzelnen Anträge seien schließlich noch nicht gefällt worden, wurde mitgeteilt. Da der Verein bei den deutschen Verlegern bereits mehrfach interveniert hatte und die Bezahlung der Beträge erst dann erfolgen konnte, wenn die Reichswirtschaftsstelle dem Verlag die betreffenden Beträge gutgeschrieben hatte, ersuchte er die „Mitglieder von Urgenzen abzusehen, weil sie zwecklos sind“ (Anzeiger, 77. Jg., Nr. 3, 25.1.1936, S. 13).
Neun Monate nach dem „klaren Abkommen vom Vorjahre“[56] fehlte von der zugesicherten Vergütung seitens der deutschen Verlage, aber eigentlich: seitens der Reichswirtschaftsstelle, jede Spur.
Inzwischen kämpften die österr. Sortimenter mit schweren Verlusten durch Entwertung des Lagers und eine Schwächung der Zahlungsfähigkeit. Um das Rundschreiben sämtlicher Auslandsvereine an ihre Mitglieder vom 4. Mai 1936 zu zitieren: die Situation war „derart kritisch, daß sie nicht schwarz genug geschildert werden kann“. Die Rechnung der ursprünglichen Befürworter der reichsdeutschen Preissenkung in Österreich ging doppelt nicht auf – einmal durch die lange Nichteinhaltung des Lagervergütungsabkommens und zum zweiten durch die plötzliche, einseitige Kündigung der seit 9. September 1935 geltenden 25%igen Preissenkungsaktion.
Der BV gab bekannt, daß Änderungen sowohl in der Art der Lagervergütung, die noch immer bloße Theorie war, als auch in der Rabattgewährung mit 1. April 1936 eintreten würden.[57] Das geschah freilich ohne jede Vorwarnung und ohne jede Absprache mit den Auslandsvereinen. Es wurde also neuerlich „diktiert“, Vereinbarungen wie Zusicherungen wurden nicht eingehalten. Wie dem auch sei, es hatte von vornherein Kreise gegeben, die bezweifelten, daß eine solche Preisgestaltung (jene 25%) auf die Dauer haltbar sein werde. Nun war sie offensichtlich unhaltbar geworden. Für den Buchhändler änderte sich dabei einiges: die 25%ige Differenz zwischen dem deutschen und dem österreichischen Ladenpreis blieb bestehen. Von nun an sollte der Buchhändler nur noch den dem verminderten Preis entsprechenden Gewinn erhalten. Somit fiel der übermäßige Gewinn der Buchhändler an reichsdeutschen Büchern weg.
Ganz so unerwartet, wie es den Anschein hat, kam die Nachricht des Börsenvereins gar nicht. Denn schon auf S. 1 des Anzeigers vom 25.1.1936 (!) las man von der Verbreitung von „Gerüchten“ in der letzten Zeit, nach denen
die Preissenkung des reichsdeutschen Auslandsbuches binnen kürzerer oder längerer Zeit aufgehoben werden soll oder die erhöhte Rabattgewährung bei diesen Bücherbezügen aufgehoben werden soll.
Dem Verein ist von den für diese Angelegenheit zuständigen Stellen bisher keinerlei Mitteilung in dieser Richtung hin zugegangen, so daß derlei Gerüchten kein Glauben zu schenken ist.
Daß derlei Gerüchte so früh aufgetaucht waren, verleitet zur Annahme, daß das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda die Buchexportförderung sehr bald als unrentabel und gescheitert betrachtete. Immerhin bewahrheiteten sich die Gerüchte, denen „kein Glauben zu schenken“ sei: es sollten gleich beide Vorteile für die Sortimenter aufgehoben werden.
Die Vertreter der angeschlossenen Auslandsvereine des Börsenvereins trafen am 4. Mai 1936 zu einer Besprechung im österreichischen Buchgewerbehaus zusammen. Gegenstand der Debatte: das, was eine Wiener Tageszeitung auf der ersten Seite in einer Schlagzeile als „Neue Form des deutschen Bücherdumpings“ bezeichnete,[58] nämlich die betragsmäßige Rabattskürzung. Gefordert wurde vom Börsenverein entweder die Wiederherstellung des Zustandes vor dem 1. April oder – falls dies nicht möglich sei – die Rückkehr zum Zustand vor dem 9. September 1935. Ferner müsse die Vergütung der Lagerverluste, die noch immer nicht durchgeführt wurde, so geschehen, daß sie durch die Devisenvorschriften nicht behindert werde, d.h. durch Gutschrift bei den einzelnen Verlagen. Angedroht wurde – falls die Rabattkürzung aufrechterhalten werden sollte – eine Erhöhung der Markumrechnungszahl.[59] Das waren große Forderungen. Am 4. Mai 1936 folgte eine zweite diesbezügliche Besprechung der Vertreter.[60] Und in einem Rundschreiben vom selben Datum, das von sämtlichen Auslandsvertretern unterzeichnet wurde, wurden „derartige gewaltsame Eingriffe in das Wirtschaftsleben“ indirekt verurteilt, es wurde aber die Hoffnung ausgesprochen, „daß die Vereinbarungen vom September 1935, welche ein unteilbares Ganzes sind, bei den maßgebenden Stellen restlos und vertragsmäßig erfüllt werden“.[61]
Wegen dieser vielen Einsprüche kam es am 22. Mai in Berlin zu einer Verhandlung mit dem Börsenverein und den Vertretern der reichsdeutschen Buchwirtschaftsstelle.[62] Das Ergebnis sei – so jubelte der Anzeiger – „ein befriedigendes“:
a) Die Lagervergütung werde beim Kommissionär bzw. Verleger gutgeschrieben.
b) Ein Sonderrabatt von 7% werde auf den Nettopreis gewährt (d.h. auf den um 25% gesenkten Preis).
c) Die Umrechnung werde um 10 Groschen auf RM 1,00 = S 1,80 erhöht.[63]
Hierüber wurden die österreichischen Mitglieder mittels eines Rundschreibens informiert.[64] Der Lagerersatz schien nun endlich Wirklichkeit zu werden.[65]
Am 3. Juli kamen die wichtigsten Vertreter des Börsenvereins, Vorsteher Wilhelm Baur und Generaldirektor Dr. Max Albert Heß, nach Wien, „um schwebende Fragen“ zu erörtern. Baur meinte bei dieser Gelegenheit, die Einheit des deutschen Buchhandels müsse gewährt bleiben, und der Börsenverein müsse das starke Band bleiben, das er bisher war. Bezüglich des Sonderrabatts von 7% versprach Baur, das österreichische Ansuchen um Verlängerung der Geltungsdauer zu unterstützen.[66]
Im November desselben Jahres tauchten unter den Auslandsvereinen neue Gerüchte auf, wonach an eine neuerliche Preissenkung der reichsdeutschen Bücher gedacht werde. Diese Gerüchte wurden vom Börsenverein dementiert.[67] Die Rabattgewährung sollte nur bis Ende Dezember 1936 gelten, konnte aber einige Male verlängert werden.
Der Ausklang der im September 1935 begonnenen Dumpingpraxis kam etwa zwei Jahre später, als das Deutsche Reich mit Wirkung vom 1. August 1937 die Gewährung des 7%igen Sonderrabatts an die Sortimenter bzw. des 10%igen an die Auslieferer einstellte.[68] Alles in allem war die Preissenkung für die österreichischen Buchhändler ein Mißerfolg gewesen. Die erhoffte Umsatzsteigerung konnte nur in einzelnen Fällen festgestellt werden. Wie vorausgesagt, war im allgemeinen vielfach eine mengenmäßige Umsatzsteigerung zu registrieren, ohne daß die alte Umsatzhöhe betragsmäßig erreicht wurde.
g) Exkurs: Die Schweizer Abwehr
Mit Ausnahme der weniger wichtigen Märkte für das reichsdeutsche Buch (Frankreich, England, USA) blieb nur der Schweiz die Bücherverbilligung erspart. Wieso setzte sich die Schweiz, die ungefähr genauso viele Bücher aus dem Deutschen Reich bezog wie Österreich und genauso mit dem deutschsprachigen Buchhandel verflochten war, erfolgreich zur Wehr und Österreich nicht? Drei Gründe drängen sich auf: 1. das Fehlen einer „einheitlichen und einmütigen Front“ gegenüber dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda bzw. der RSK und dem Börsenverein; 2. die Schizophrenie der Standesvertretung in Österreich, die vorgab, Buchhändler und Verleger zu vertreten; 3. das österreichische Sortiment, „das heute die falsche Auffassung hat, vom Dumping vorübergehend wirtschaftlich profitieren zu können“.[69]
Es herrschten aber im Jahre 1935 nicht absolut konträre, wohl aber unterschiedliche Ansichten über den Grund, weshalb die Schweiz von dieser Maßnahme nicht berührt war. Fest steht, daß aufmerksame Wiener Zeitungsleser bereits am Tage, nachdem der Reichswirtschaftsminister, Dr. Schacht, in Berlin am 12. August 1935 offiziell ankündigte, daß die von ihm eingeleitete Exportförderungsaktion sich auch auf die Ausfuhr von Büchern erstrecken würde, den wahren Grund für diese Annahme wußten. Die Schweiz habe „sich gegen dieses Vorgehen so energisch zur Wehr gesetzt (…), daß dieses Land bereits jetzt aus dem Exportdumping ausgenommen ist und die Schweizer Verlage von den Folgen des Dumpings freibleiben werden“.[70] Ähnliches konnte man immer wieder in der Tagespresse lesen, wobei der Gegensatz zum Verhalten des österreichischen Vereins hervorgehoben wurde. Dazu einige Beispiele:
Während aber die Schweizer Buchhändler es abgelehnt haben, die Preissenkung anzupreisen und durchzufahren, hat der österreichische Buchhändlerverein zugestimmt (…). (Telegraf am Mittag, 21.9.1935) „Die Schweiz hat es abgelehnt, die Preissenkung durchzuführen“, heißt es fast gleichlautend am selben Tag in der Wiener Zeitung. Die Reichspost schreibt: „Nur die Schweizer bleiben fest und setzten durch, daß ihr Land von dem angeblichen Geschenk verschont bleibt.“ (24.9.1935). Derselbe Vorwurf gegen den österreichischen Verein war auch noch in den Wochenzeitungen Der Heimatschützer und Sturm über Österreich zu lesen.[71]
Es gab beim Propagandaministerium zwei Begründungen für die Schweizer Ausnahme, eine für den internen Dienstgebrauch und eine für den Börsenverein und die Auslandsvereine. Daß die Schweizer Standesvertretung es einstimmig ablehnte, mitzumachen, wird nämlich durch den Inhalt des „streng vertraulichen“, von der RSK in Berlin herausgegebenen Merkblatts zur Durchführung des Buchexport-Ausgleichsverfahrens unterstützt. Da heißt es nämlich, die Preise deutscher Bücher usw. wurden am 9. September „im Ausland mit Ausnahme der Schweiz, die auf eigenen Wunsch von dem Verfahren nicht erfaßt wird, um 25% gesenkt“.[72] Die offizielle Begründung, die die Auslandsvereine bei ihrer Vorsprache am 9. August in Berlin beim Vize-Präsidenten der RSK, Dr. Heinrich Wismann, zu hören bekamen, klang allerdings anders: die Preissenkung habe für alle Auslandsstaaten zu gelten, deren Währung gegenüber der Reichsmark abgewertet wurde.
Eine Ausnahme könne lediglich der Schweiz zugestanden werden, da der Schweizer Frankenpreis in der Relation zum Markpreis nicht zu hoch erscheint, weil der Kurs des Schweizer Franken gegenüber der Reichsmark fast unverändert geblieben ist.[73]
Das war ja von allen Seiten wesentlich leichter in der Öffentlichkeit zu vertreten. Das Argument hatte freilich etwas für sich, denn die Schweiz hatte sich im Juli 1933 in Paris zusammen mit Frankreich, Italien, Belgien, Holland und Polen zu einem „Goldblock“ zusammengeschlossen, als Schritt zur Wiederaufrichtung eines geordneten Weltwährungssystems. Die Schweiz wertete erst im Jahre 1936 ab.
Darüber hinaus gibt es unbeschadet der einstimmigen Ablehnung der Dumpingpraxis mit reichsdeutschen Büchern Indizien, die dafür sprechen, daß die RSK die Schweiz schon seit Beginn der Verhandlungen im Frühjahr 1935 ausnehmen wollte. Der Schweizer Standesvertreter lehnte jedoch dieses Ansinnen des Wismann-Stellvertreters, Dr. Paul Hövel, von vornherein ab, mit der Begründung, daß somit über die anderen Länder die reichsdeutschen Bücher zu billigerem Preis nach der Schweiz geschoben würden. Bereits zu diesem Zeitpunkt – vor dem 15. August – hatten die Schweizer Vertreter an entsprechende Schutzmaßnahmen gedacht und diese später auch verwirklicht. Erste Möglichkeit war, „daß wir erst unsere Regierung ersuchen, die Produktion des schweizerischen Verlages in irgendeiner Weise von [vor] der billigen Bucheinfuhr von Deutschland aus zu schützen“.[74] Der österreichische Verein war mit den Schweizer Kollegen zwar zeitweise einer Meinung, indem er die Preissenkung „für einen Unsinn und für einen Fehlschlag der deutschen Regierung“ (ebda.) hielt, ging jedoch einen anderen Weg. Erst mußten die Vertreter der Fachgruppe Verlag innerhalb des Vereins sich absetzen und eine ähnliche Initiative selbst ergreifen.
Am 29. September, also drei Wochen nach Inkrafttreten der Preissenkung, hielt der Schweizerische Buchhändlerverein in Basel eine außerordentlich stark besuchte Generalversammlung ab, mit dem einzigen Traktandum: Deutsches Bücherdumping. Von den Ergebnissen dieser Versammlung wurde der Verein der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler am folgenden Tag schriftlich informiert. Hier ein Auszug aus dem Schreiben:
Die Versammlung billigte einstimmig die bisherige Haltung des Vorstandes und unterstützte ebenfalls einstimmig die Ansichten und das Programm des Vorstandes:
1. Im deutschen Bücherdumping wird eine Kulturpropaganda erblickt, die wir strikte ablehnen.
2. Das Dumping bedroht unseren schweiz. Verlag.
3. Das Dumping untergräbt das Vertrauen des Publikums in den festen Ladenpreis und ist ein Schlag gegen geordnete und gerechte Methoden im Geschäftsleben.
4. Das Sortiment verzichtet auf die augenblicklich gebotenen Vorteile (Rabatt auf Ordinärpreis) und hält an der prinzipiellen Ablehnung fest.
(V 1935, Mappe 422)
Außerdem erklärte der Präsident des Schweizerischen Buchhändlervereins „offen in der Versammlung, daß er nicht nur für eine Abwehrstellung eintrete, sondern das Dumping überall aktiv bekämpfe, weil er darin eine absolut widernatürliche und Treu und Glauben im Handel verletzende Methode sehe“ (ebda.). Im Vergleich dazu wurde die Preissenkung bei den Österreichern nie als Dumping aufgefaßt, ja die Sortimenter meinten, dies wäre eine „fälschliche Bezeichnung“.
Einige Wochen später, am 25. Oktober, trat der Schweizer Bundesrat zusammen, um einen Beschluß zu fassen, der das deutsche Bücherdumping in der Schweiz gesetzlich verhindern sollte. Es wurde erklärt, daß das reichsdeutsche Exportförderungsverfahren der Schweiz gegenüber nur für Waren anwendbar sei, die im gegenseitigem Einverständnis speziell bezeichnet worden seien. Bücher fielen nicht hierunter. Es bestand also die Gefahr, daß sie auf Umwegen in die Schweiz gelangen und somit von der deutschen Exportprämie profitieren könnten. Daher wurde es für verboten erklärt, Bücher nach der Schweiz zu gesenkten Preisen zu liefern. Zuwiderhandlungen gegen den Beschluß konnten mit Strafen bis zu 10.000 Franken oder mit Gefängnis bis zu 12 Monaten bestraft werden. Dieser Beschluß trat am 1. November 1935 in Kraft. Auch die österreichischen Interessenten wurden über ihr Vereinsorgan informiert.[75]
Der österreichische Verein hielt jedoch am Argument fest, die Schweiz wäre nur deshalb aus der Preissenkungsaktion ausgenommen, weil ihre Währung nicht entwertet worden war. Und das war eine Schutzbehauptung.
Als die Wiener Zeitung am 1. November 1935 einen Bericht über „Das reichsdeutsche Buchdumping und seine Hintergründe“ brachte und einleitend feststellte, daß alle Länder „mit Ausnahme der Schweiz, die sich davor zu sichern verstanden hat“, von der Maßnahme betroffen wären, richtete der Verein eine nicht veröffentlichte Zuschrift an die Wiener Zeitung.> „Zu Ihrer Unterrichtung“, heißt es in diesem Brief,
erlauben wir uns darauf hinzuweisen, daß diese Anführung nicht den Tatsachen entspricht, weil nämlich die reichsdeutschen Regierungsstellen von vornherein zwischen der Schweiz und den anderen Ländern einen Unterschied gemacht haben. Die erwähnten reichsdeutschen Stellen haben es nämlich der Schweiz, nachdem es sich um ein Land handelt, in dem eine Währungssenkung nicht eingetreten ist, freigestellt, der Buchpreissenkung zuzustimmen oder nicht. Die anderen Länder wurden vor eine solche Alternative nicht gestellt, sondern für diese Länder die Buchpreissenkung den deutschen Verlagen angeordnet. Während es daher der Schweiz freistand zu wählen, sind die anderen Länder in eine derartige Lage überhaupt nicht gekommen. Bei dieser Sachlage kann man daher nicht davon sprechen, daß sich die Schweiz allein vor dem deutschen Buchdumping zu sichern verstanden hat.[76]
„Zu sichern“ wußten allerdings die österreichischen Großsortimenter ihre eigenen materiellen Vorteile.
h) Interessensgegensätze zwischen Verlag und Sortiment
Nach einer Darstellung der Rezeption des Buchdumpings durch die Presse wollen wir uns nun mit den Auswirkungen auf den Verlag näher befassen. Eine der gewichtigsten Folgen der mißglückten Preissenkung lag darin, daß sie den Gesamtbuchhandel in beide Teile Verlag und Sortiment schroff schied. Sie machte diese Gruppen, die in ihrer Existenz durchaus aufeinander angewiesen waren, zu natürlichen Gegnern. Aus diesem Konflikt entstand nicht nur eine in der breiten Öffentlichkeit und mit großem Eifer geführte Diskussion über die kulturpolitische Bedeutung des „österreichischen Verlags“ bzw. des „österreichischen Buchs“, sondern auch ein in der Geschichte der Ersten Republik präzedenzloser Schritt in Richtung Schutz und Förderung des heimischen Verlags unter staatlicher Aufsicht.
Während bei den Mitgliedern der Fachgruppe Verlag innerhalb des Vereins einhellige Ablehnung der Dumpingmaßnahme vorherrschte, war die Stellungnahme der Sortimenter keineswegs einheitlich. Aber eine einheitliche Meinung unter den österreichischen Interessenten bezüglich der Nichtanwendung der deutschen Anordnung in Österreich war einfach nicht herbeizuführen. Zu unterschiedlich waren die Interessenslagen. Und daher waren die österreichischen Verleger darauf angewiesen, vorläufig allein gegen die deutsche Maßnahme Einsprache zu erheben. Die negativen Auswirkungen waren sowohl wirtschaftlicher als auch kulturpolitischer Natur. Da war zunächst einmal die erhöhte, unlautere Konkurrenz, vor allem auf dem heimischen Markt. Sie hatte auch verkaufspsychologische Folgen. Als Wirtschaftsunternehmen war der Sortiments-Buchhandel in Österreich freilich dazu gezwungen, in erster Linie die Bücher zu verkaufen, an denen er am meisten verdienen würde. Als zusätzlicher Anreiz konnte er seine Kunden vor allem auf die Verbilligung um 1/4, ohne deren reichsdeutsche Herkunft zu unterstreichen, hinweisen. Und in der Praxis kam es eher selten vor, daß ein Kunde mit einem bestimmten Wunsch das Geschäft betrat, und außerdem wäre es ihm gleichgültig gewesen, ob das Buch, das er zum Schenken kaufte, in einem reichsdeutschen oder in einem österreichischen Verlag erschienen sei. Eine wirkliche Monopolstellung hatte der Verleger nur in den seltensten Ausnahmefällen (etwa Sachbuch). Es lag also in der Hand bzw. im Ermessen des Buchhändlers, ob er ein „reichsdeutsches“ oder ein „österreichisches“ Buch forcieren sollte. Wobei man hinzufügen muß, daß der Kunde nunmehr den subjektiven Eindruck haben mußte, österreichische Bücher seien teurer, und wenn reichsdeutsche Bücher billiger waren, würde er zu ihnen greifen und somit den österreichischen Verlag schädigen. Appelle an die österreichischen Sortimenter, den heimischen Verlag zu bevorzugen, waren zwecklos.
Nehmen wir ein konkretes Beispiel, um die Motivation des Sortimenters zu erklären, diese Bücher zu forcieren, jene nicht: seit jeher konnte man in Österreich Reclam-Hefte – Inbegriff des billigen Volkserziehungsmittels – kaufen. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg gab es große Bemühungen, trotz widriger wirtschaftlicher Umstände Ähnliches zu produzieren. Am erfolgreichsten auf diesem Gebiet war die 1923 gegründete „Tagblatt-Bibliothek“ im Steyrermühl-Verlag. Im Jahre 1935 kostete eine Nummer dieser Bibliothek 52 Groschen, während ein Reclam-Heft bis zur Preissenkung 70 Groschen gekostet hatte. Seit dem 9. September wurde die Reclam-Nummer ebenfalls um 52 Groschen verkauft, wobei aber der Händler 28 Groschen brutto verdiente, während er an einem Tagblatt-Buch brutto 15 Groschen hatte. Dazu ist noch für den Verlag erschwerend festzustellen, daß der Hersteller der Tagblatt-Bibliothek zu dieser Zeit gewaltige 84% seines Umsatzes innerhalb Österreichs machte und im Vergleich dazu minimale 9% nach Deutschland lieferte. Also ein deutliches Beispiel für die empfindliche Konkurrenz auf dem heimischen Markt in Österreich. Hinzu kam die Konkurrenzierung auf Drittmärkten. Während sich die österreichischen Großsortimenter das Recht sicherten, Bücher deutscher Provenienz mit 25%iger Ermäßigung ins Ausland (nun mit Ausnahme der Schweiz und Deutschlands) zu liefern,[77] mußten die exportorientierten heimischen Verleger wegen der billigen deutschen Bücher um ihre Marktanteile kämpfen. Sie befürchteten eine Zurückstellung bei der Anschaffung österreichischer Verlagswerke, da nun ausländische staatliche Institutionen und Privatpersonen mehr (deutsche) Bücher für dasselbe Geld kaufen konnten. Dabei muß man aber hinzufügen, daß die bedeutendsten österreichischen Absatzgebiete – also Deutschland und die Schweiz – durch die Preissenkungsaktion in keiner Weise berührt wurden.
i) Papierpreiserhöhung
Die Verbilligung reichsdeutscher Bücher traf zeitlich mit einer empfindlichen Papierpreiserhöhung, die „ungelegen“ kam und von der der österreichische Verlag genauso schwer betroffen wurde, zusammen.
Nach fast dreijährigen Verhandlungen wurde im Herbst 1935 ein sehr umstrittenes Papierkartell in Österreich errichtet. Die heimische Papierindustrie verzeichnete seit ihrem letzten Hochkonjunkturjahr (1928) – analog den Verlagen – eine ständige Schrumpfung des Inlandsabsatzes. Im Jahre 1935 und in der ersten Hälfte 1936 hatte sich ihre Lage, da sie in den Jahren günstigen Exportes etwa 55% der Erzeugung im Ausland absetzte, in immer stärkerem Maße verschlechtert. Die Ursache war die Verschärfung der Konkurrenz auf dem Weltmarkt;[78] nicht weniger bedeutend war die Tatsache, daß die deutsche Industrie seit 1933 wachsende und in verschiedenen Formen durchgeführte Prämien bekam. Das machte sich besonders auf den östlichen Märkten bemerkbar, wo die deutsche Industrie Subventionen erhielt, „die angeblich bis zu 35% des Fakturenwerts betragen, so daß sie Preise erstellen kann, die von anderen Ländern nicht zu halten sind“, wie der meist gut informierte Österreichische Volkswirt zu berichten wußte. Diese Konkurrenz brachte es mit sich, daß der Export der österreichischen Papierindustrie nur zu Verlustpreisen aufrechterhalten werden konnte. Das Exportvolumen stagnierte aber auch dementsprechend. Dabei war die Kapazität, d.h. Leistungsfähigkeit der heimischen Werke im Verhältnis zum Inlandsabsatz um mehr als die Hälfte zu groß! Eine Einschränkung der Papierproduktion wurde auch nicht vorgenommen, und die Kartellgründung verfolgte nach außen hin den Zweck, einem Rückgang der Papierpreise, der sich am Exportmarkt entwickelt hatte, im Inland vorzubeugen. Das Kartell hatte zur Folge, daß – nachdem die inländischen Preise oft bis zu 20% hinter den Gestehungskosten zurückblieben – sie nun um 35% bis 60%, in einzelnen Fällen sogar um 70% angehoben wurden. Der Preis von Papier für Zeitschriften und Bücher stieg z.B. um 50% bis 60%. Ausgenommen von den Erhöhungen war der Preis für Rotationspapier. Und obwohl die papierverarbeitende Industrie in Erwartung der Erhöhungen sich mit Papier eindeckte, mußte die Preisverteuerung früher oder später bei den Buchherstellungskosten ihren Niederschlag haben.[79]
Das Buchdumping und die gleichzeitige Papierpreiserhöhung führten also zu einem „price squeeze“, der sich auf den Verlag (Preiskalkulation)[80] und das graphische Gewerbe auswirkte. Das geschah in der Weise, daß Arbeitsplätze gefährdet wurden. So heißt es z.B. in einer Eingabe des „Hauptverbandes der graphischen Unternehmungen Österreichs“ an den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie, Fritz Stockinger, unter Hinweis darauf, daß der österreichische Verlag „ein Hauptauftraggeber für das ganze graphische Gewerbe“ sei, die Regierung möge „dem österreichischen Verlagswesen ihren Schutz angedeihen (…) lassen, weil sie (die graphischen Unternehmungen) durch eine sonst zwangsläufig zu erwartende Einschränkung der österreichischen Verlagsproduktion auf das Härteste in Mitleidenschaft gezogen würden“.[81] Eine Verminderung der Aufträge des Verlagsbuchhandels müsse, wie es in der Eingabe weiter heißt, „das schwerkämpfende graphische Gewerbe“ „zu Betriebseinschränkungen und Entlastungen nötigen“. Hievon seien die Buch- und Steindruckerelen, die Buchbindereien, die Klischee- und Lichtdruck-Anstalten usw. bedroht. Immerhin gab es in diesem Jahr insgesamt 2.476 graphische Betriebe in Österreich.[82]
Eine weitere wirtschaftliche Folge der Buchpreisverbilligung und der Papierpreiserhöhung muß hier noch erörtert werden. In diesem Fall hat sie einen rein wirtschaftlichen Aspekt: Um der Konkurrenz auf dem Inlandsbuchmarkt entgegenzuwirken und Herstellungskosten zu reduzieren, begannen manche österreichischen Verlagsanstalten zu dieser Zeit, ihre Druckaufträge nicht an die heimischen Betriebe, sondern an Firmen im nahen Ausland, wie z.B. nach Brünn, zu vergeben.[83] Das schädigte wiederum die Gesamtwirtschaft. Auf diese Frage kommen wir noch später zurück.
Durch den schrifttumspolitisch eingeschränkten Absatzmarkt in Nazi-Deutschland, aber auch durch das Verhältnis 1:10 zwischen der Bevölkerung Österreichs und Deutschlands war der österreichische Verlag kaum imstande, Massenauflagen ähnlich den in Deutschland produzierten herauszubringen. Es war also unmöglich, von Österreich aus durch eine Billig-Buch-Produktion auf das Dumping der deutschen Bücher zu antworten.
Weitere Opfer der Preissenkungsaktion und der zu erwartenden Steigerung des Absatzes reichsdeutscher Bücher auf Kosten des Absatzes heimischer Bücher im In- und Ausland waren die Autoren, Komponisten, Graphiker, Illustratoren usw. In der Mehrzahl der Fälle waren sie am Absatz perzentuell beteiligt, und so weit sie ihre Werke in Österreich verlegten, waren sie auf das härteste betroffen. Man kann hier aber einwenden, daß der Schaden im Bereich der Belletristik gar nicht so groß gewesen sein kann, wenn an die 90% der bekannteren österreichischen Schriftsteller in reichsdeutschen Verlagen erschienen. Demgegenüber ist festzuhalten, daß durch die Devisenbeschränkungen und Devisenzuteilungen im Deutschen Reich die Schriftsteller ihre Honorare bzw. Tantiemen (wie später auch bei Verlagen) nur sehr unregelmäßig und sehr spärlich, wenn überhaupt, überwiesen bekamen.[84]
Es ist in der Öffentlichkeit sehr oft von der Aufgabe der österreichischen Verlegerschaft die Rede gewesen. Wie diese Aufgabe aufgefaßt wurde, kann man im regierungsnahen Neuigkeits-Welt-Blatt nachlesen:
die kulturelle Autonomie Österreichs durch Taten, durch Herausgabe möglichst vieler und qualitätsmäßig möglichst hoher österreichischer Werke zu beweisen, kurzum Volkserziehung zu betreiben, durch das nachhaltigste Mittel dazu, eben das Buch. (24.9.1935, S. 3)
Im Grunde genommen war das, was der heimische Verlag als kulturpolitische Folge ansah, Resultat der verschärften Konkurrenzverhältnisse. Die befürchtete Verdrängung vom heimischen Markt, der für viele Verlage das Fundament für ihre Entwicklung war, aber auch vom Auslandsmarkt, machte es dem Verlag schwer, „seinen besonderen österreichischen Aufgaben gerecht [zu] werden (…) und für das Ansehen Österreichs auf der ganzen Welt [zu] wirken“.[85]
Anmerkungen
[1] René Erbe: Die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik 1933- 1939 im Lichte der modernen Theorie. Zürich 1958, s. 70 f. (Hrsg. vom Basle Centre for Economic and Financial Research Series B, No. 2).
[2] Keesings Archiv der Gegenwart vom 10. Dezember 1934, S. 1768 E.
[3] Erbe, zit. Anm. 1, S. 71.
[4] Hans MOTTEK/Walter BECKER/Alfred SCHROTER, Wirtschaftsgeschichte Deutschlands. Ein Grundriß. Band III. Berlin (DDR), 2. Aufl., 1975, S. 316.
[5] Vgl. Wirtschaftsstatistisches Jahrbuch. Hrsg. von der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Wien. 11. Jg., 1936, S. 169.
[6] Ebenda, 12. Jg., 1937, S. 137- 144; hier S. 138.
[7] MOTTEK, zit. Anm. 4, S. 316.
[8] Statistisches Handbuch für das Deutsche Reich, 1937, Anhang, S. 131. (Zitiert nach ERBE, Anm. 1, S. 74.)
[9] Wiener Sonn- und Montagszeitung, 1.7.1935, S. 10.
[10] Zitiert nach Keesings Archiv der Gegenwart vom 30. Oktober 1934, S. 1698 H.
[11] Schreiben des Börsenvereins aus Berlin an den Verein in Wien vom 14.2.1935 betr. „Exportförderung des deutschen Buches“. Archiv, Buchgewerbehaus Wien, Aktenbestand „Verein der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler“. Im folgenden wird dieser Bestand mit „V“ plus dem Jahr und entsprechender Mappe abgekürzt. (Hier also: V 1935, Mappe 422.) Ich möchte an dieser Stelle Herrn Dr. Karl Megner für seine freundliche Unterstützung meiner Arbeit sehr herzlich danken.
[12] V 1935, Mappe 422.
[13] V 1935, Mappe 422.
[14] V 1935, Mappe 422
[15] Schreiben an den Börsenverein vom 26. 6. 1935, V 1935, Mappe 422.
[16] Zitiert nach der „Darstellung des Vereinsvorstandes über die Vorgeschichte der Buchpreissenkung“ vom 9. 10. 1935. V 1935, Mappe 422.
[17] Rundbrief des gemeinsamen Vertreters der Auslandsvereine vom 28.6.1935. (V 1935, Mappe 422.)
[18] Schreiben des Vereins an den Börsenverein Leipzig zu Handen Herrn Ernst Reinhardt vom 2.7.1935. (V 1935, Mappe 422.)
[19] Anzeiger, 76. Jg., Nr. 19, 10.8.1935, S. 93. Dieses Kurzprotokoll der Vorstandssitzung enthielt übrigens die allererste Erwähnung im Anzeiger vom Plan der RSK, Bücher in die Exportförderungsaktion miteinzubeziehen. Wer also nicht dem Vorstand angehörte oder zu den Insidern in Wien zählte, kannte bis dahin weder den Standpunkt seiner Standesvertretung noch Details über die Preissenkungsaktion.
[20] Schreiben der Geschäftsstelle des Börsenvereins an Herrn Komm.-Rat Wilhelm Frick vom 1.8.1935. (V 1935, Mappe 422.)
[21] Schreiben an den Börsenverein, 1.8.1935. (V 1935, Mappe 422.)
[22] Rundschreiben des Vereins in Wien am 1.8.1935. (V 1935, Mappe 422.)
[23] Rundschreiben vom 3.8.1935. (V 1935, Mappe 422.)
[24] Sowohl das Reichswirtschaftsministerium unter Dr. Hjalmar Schacht als auch der Börsenverein wurden mehr oder weniger wider besseres Wissen von Goebbels’ Propagandaministerium gezwungen, diese Exportförderungsaktion durchzuführen. Mit der „Verordnung über die Aufgaben des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda“ vom 30.6.1933, verlautbart im Reichsgesetzblatt, Teil 1, Nr. 75/1933, ausgegeben zu Berlin, den 5. Juli 1933, S. 449, ging die „Deutsche Bücherei in Leipzig“ aus dem Geschäftsbereich des Reichsministeriums des Innern in das des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda über!
[25] V 1935, Mappe 422.
[26] Darstellung“, S. 2. S. Anm. 16.
[27] Auf den „Sonderfall Schweiz“ wird an späterer Stelle ausführlich eingegangen.
[28] Was dies in der Praxis konkret bedeutete und warum die Regelung Anlaß zu scharfer öffentlicher Kritik gab, werden wir im Abschnitt über die Reaktion auf das Buchdumping sehen.
[29] Vgl. den Abschnitt „Auswirkungen auf die Sortimenter“. Es scheint leicht pervers, angesichts des vereinbarten Umrechnungsschlüssels hier gleich von „Minderverdienst“ zu sprechen. Die Praxis zeigte, daß das Gegenteil der Fall war. Eine „Rückvergütung“ mußte dem Zweck der Exportförderung zuwiderlaufen, ging es doch darum, den Devisenzufluß nach dem Reich zu steigern.
[30] Diese Zusage hatte der Börsenverein bereits am 28. 6. 1935 in einem Rundschreiben an die Auslandsvereine gemacht: „Dadurch soll aber in keinem Falle weder eine Lagerentwertung eintreten, noch der Umsatz und der Gewinn des Auslandsbuchhandels geschmälert werden.“ (V 1935, Mappe 422.)
[31] Man sieht bereits an diesem Punkt, wer im österreichischen Verein den Ton angab und wer seine Vorteile durchzusetzen vermochte. Das waren nicht die kleinen Buchhändler oder die Verleger, sondern die großen in Wien ansässigen Grossisten und Auslieferer.
[32] Protokoll. V 1935, Mappe 422.
33] V 1935, Mappe 422.
[34] Wer die österreichischen Tageszeitungen las, war durch sie weitaus besser informiert als durch den Verein! So brachte z.B. die OeZ am Abend am 13.8. (!) einen umfassenden Bericht („Drohendes deutsches Bücherdumping“), in dem das Wesentliche an der Exportförderungsaktion enthalten war. Am selben Tag erschien ein kurzer Bericht in der Wiener Zeitung.
[35] Siehe dazu die Erläuterung des Standpunkts des österreichischen Vereins in einem Schreiben vom 2.9.1935 an den Landesverein ungarischer Verleger und Buchhändler in Budapest. Hierin wird nämlich mitgeteilt, „daß mit Rücksicht darauf, daß eine derartige Senkung von reichsdeutscher Stelle unbedingt durchgeführt wird, von uns nur jene Maßnahmen durchzuführen sind, welche eine möglichst glatte Abwicklung dieser Preissenkung und deren Auswirkung in Österreich ermöglichen“. (V 1935, Mappe 422.) Da es dem österreichischen und den anderen Auslandsvereinen in den Verhandlungen nicht gelungen sei, die reichsdeutschen Stellen von dem Plane abzubringen, „müssen wir wie gesagt die Preissenkung als gegeben annehmen“. Einige Wochen später mußte der Verein sich gegen Vorwürfe der Verlagsanstalt Tyrolia verteidigen. In einem längeren Schreiben vom 24.9.1935 heißt es: „Die Aktion der reichsdeutschen Stellen wurde bereits vom Anfang an, d.i. noch im Frühjahr l.J., vom Verein der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler auf das energischeste bekämpft. In gleicher Weise stellten sich die anderen außerdeutschen buchhändlerischen Vereine gegen den reichsdeutschen Plan. Die einmütige Abwehr hat es jedoch nicht vermocht, die deutschen maßgebenden Stellen von ihrem Plan abzubringen, obwohl noch bei einer letzten Verhandlung in Berlin nochmals die schwersten Bedenken des Buchhandels außerhalb Deutschlands vorgebracht und begründet wurden.“
[36] Siehe Reichsgesetzblatt, Teil 1, Nr. 123/1933, ausgegeben zu Berlin, den 3. November 1933, S. 797-800; bes. S. 799: „IV. Kammeraufgaben“. Der Paragraph, in dem die Mitwirkung der Propaganda- und Wirtschaftsministerien festgelegt ist, lautet folgendermaßen: „Die Reichskulturkammer und die Einzelkammern können Bedingungen für den Betrieb, die Eröffnung und die Schließung von Unternehmungen auf dem Gebiete ihrer Zuständigkeit festsetzen und Änderungen über wichtige Fragen innerhalb dieses Gebietes, insonderheit über Art und Gestaltung der Verträge zwischen den von ihnen umfaßten Tätigkeitsgruppen treffen. Durch diese Anordnungen dürfen völkerrechtliche Vereinbarungen nicht verletzt werden. Entscheidungen nach Abs. 1 auf dem Gebiete des Buch-, Musikalien-, Kunst- und Rundfunkhandels bedürfen der Genehmigung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda und des Reichswirtschaftsministers.“
[37] Diese Anordnung wurde veröffentlicht in: Völkischer Beobachter, Nr. 245 vom 31.8.1935, Börsenblatt, Musikalienhandel , Nr. 13 vom 5.9.1935 und Der Zeitschriftenverleger, Nr.27 vom 29.8.1935.
[38] Nach den Zahlen im Bericht „Krisenfestigkeit des heimischen Verlagsgeschäftes“, in: Das Echo >(Wien), Jg. 1, Nr. 218, 8.11.1934, S. 7.
[39] Die Wiener Zeitung nahm diesen Bericht zum Anlaß, um am 1. November 1935 (S. 8) über „Das reichsdeutsche Buchdumping und seine Hintergründe“ zu berichten. Die Neue Zürcher Zeitung hatte hervorgehoben, daß die deutsche Ausfuhr an Büchern nach Österreich in den letzten Monaten zum ersten Mal diejenige in die Schweiz übertroffen hätte. Dieser Umstand wurde mit folgendem Satz, den die Wiener Zeitung übernahm, kommentiert: „Österreich ist damit ziemlich das einzige Land, in dem die Lektüre deutscher Bücher gestiegen ist, eine Entwicklung, die nicht ohne politischen Beigeschmack ist.“
[40] Einer anderen statistischen Unterlage zufolge ging die reichsdeutsche Buchausfuhr, die im Jahre 1933 noch 12 Millionen Mark betrug – auch dies war schon eine Depressionsziffer – , im Jahre 1934 auf 9 Millionen Mark zurück, die Ausfuhr von Zeitungen von 4,6 Millionen Mark auf 3,3 Millionen. (24.9.1935.)
[41] Laut Neuigkeits-Welt-Blatt (Wien), 62. Jg., Nr. 221, Di., 24.9.1935, S. 3. Die Zeitung galt als „regierungsnah“.
[42] Streng vertrauliche Erläuterungen zur Anordnung der Exportförderungsaktion für Bücher betreffend. Zitiert nach der Abschrift in AVA, BMfHuV, Geschäftszeichen 570, Grundzahl 106.248-9/35; Zahl 106.136-9/35.
[43] So hat die Wiener Zeitung am 29. Oktober 1935, S. 7 unter der Überschrift „Eine Falschmeldung des Deutschen Auslandsinstitutes“. Ähnliches entsprechend zitiert und kommentiert. in der jüngsten Nummer der Aussendungen des Deutschen Auslandsinstitutes in Stuttgart wurden die Beziehungen zwischen deutschem Buch und Auslandsdeutschtum besprochen. Darin fanden sich u.a. folgende Sätze: „Aus der Erkenntnis heraus, daß ohne das deutsche Buch die weitverstreuten auslandsdeutschen Volksgruppen allzu leicht von dem geistigen Leben der Gesamtnation abgeschnitten werden, hat er – nämlich der deutsche Buchhandel – sich unter eigenen Opfern zu einer Preissenkung von 25 v. H. für alle reichsdeutschen Verlagswerke im Ausland entschlossen, die bereits am 9. September in Kraft getreten ist.“ Dazu der Kommentar in der Wiener Zeitung: „Hier wird also das deutsche Buchdumping als ein Akt des reinen Idealismus dargestellt und die Exportprämie (…) einfach verschwiegen. Die Auslandsdeutschen mögen nur immer brav an den Idealismus und die Selbstlosigkeit des deutschen Buchhandels glauben, der so ganz nebenbei auch sein möglichstes tut, den auslanddeutschen Verlagsbuchhandel so viel als möglich zu schädigen.“
[44] Dies war ein im Ständestaat durchaus gebräuchlicher Begriff. Siehe den Artikel mit dieser Überschrift in den Wiener Stadt-Stimmen, einer Zeitung der Vaterländischen Front für Wien, Folge 8, 10.10.1935, S. 5. Da heißt es z.B.: „,Geistige Landesverteidigung’ ist es, wenn Österreich sich gegen das nationalsozialistische Bücherdumping wehrt, mit dem nicht nur den reichsdeutschen Verlegern geholfen, sondern auch der nationalsozialistischen Propaganda Tür und Tor geöffnet werden soll.“
[45] Es ist heute noch ein großes Manko, daß es keine Erfassung der Wochenzeitungen und Wochenschriften im Rahmen einer österreichischen Pressegeschichte gibt. Als Nachschlagwerk für Tageszeitungen – und das lediglich für den Bereich Wien – dient die vor 20 Jahren erschienene, von Kurt Paupié herausgegebene, allerdings lückenhafte und mit manchen Fehlansichten behaftete Darstellung. Einen wichtigen Beitrag zur österreichischen Pressegeschichte, der vielleicht einen Anstoß geben wird, lieferte neuerdings der Katalog zu einer Ausstellung in der Österr. Nationalbibliothek: 200 Jahre Tageszeitung in Österreich 1783-1983. Festschrift und Ausstellungskatalog. Hrsg. FRANZ IVAN, HELMUT W. LANG und HEINZ PÜRER. Wien, Österr. Nationalbibliothek, Verband österreichischer Zeitungsherausgeber und Zeitungsverleger, 1983. Um 1930 gab es in Wien z.B. 34 politische Wochenzeitungen. Diese Zahl verringerte sich zwar im Zuge der allgemeinen Schrumpfung der Presse 1933/34, stieg aber wieder ab 1935 mit der Gründung einer Vielzahl von Publikationen der nunmehr maßgebenden politischen und ideologischen Kräfte im Land. Dazu gehörte vor allem die Vaterländische Front, deren Organe und Publikationen bei IRMGARD BÄRNTHALER (Die Vaterländische Front. Geschichte und Organisation. Wien: Europa Verlag, 1971) nur lückenhaft verzeichnet werden. Die V.F. gliederte sich in eine Zivil- und eine Wehrfront. Die Wehrfront bestand aus fünf Wehrverbänden, darunter die „Ostmärkischen Sturmscharen“. Die erste Gruppe der O.S.S. wurde im Oktober 1930 in Innsbruck vom damaligen Tiroler Abgeordneten und nunmehrigen Bundeskanzler Kurt Schuschnigg ins Leben gerufen. Die erste militärische Generalprobe der „Grauhemden“ war in den berechtigten Februartagen des Jahres 1934. Schuschnigg war „Reichsführer“, sein Stellvertreter und oberster militärischer Führer Staatsrat Major a.D. Dr. Josef Kimmel. In Verfolgung ihres Ziels („Für unseren Glauben, für unsere Heimat, für unser Österreich!“) schuf sie ein offizielles Organ und auch weitere Zeitschriften. Die Wochenzeitung Sturm über Österreich begann ihr Erscheinen im März 1933 mit einem Umfang von 4 Seiten, einer Auflage von 20.000 Exemplaren und einem Preis von 10 Groschen. Nach mehrmaligem Wechsel des Druckhauses wurde sie ob der Folge 28 vom 12.7.1936 bei der „Vorwärts“-AG gedruckt. Sie trat sehr stark für das „katholische Österreich“ auf, war vor dem Verbot der Sozialdemokratischen Partei radikal antimarxistisch, pro-Dollfuß (danach pro-Schuschnigg) eingestellt und kulturpolitisch sehr engagiert. In einer Anzeige in einer Ausgabe der Wochenzeitschrift Der Christliche Ständestaat findet man eine aggressive Eigencharakterisierung: „Das aktuelle, radikale politische Wochenblatt gegen Korruption, Bonzentum und Packelei, gegen braunen und roten Bolschewismus, für Christentum und Österreichertum im Sinne des Programmes der Ostmärkischen Sturmscharen.“ Sturm über Österreich tat sich nicht nur in der Unterstützung des österreichischen Buches bzw. Verlags hervor. Die Wochenzeitung war den Nazis zwangsläufig ein ständiger Dorn im Auge. So schickte die Deutsche Gesandtschaft in Wien eine Flut von Verbalnoten, also diplomatischen Protestnoten, an das Bundeskanzleramt – Ausw. Angelegenheiten, da sie den brüchigen „Pressefrieden“ gefährdet wähnte. In einer solchen Note liest man z.B.: „Die zahlreichen, fast auf jeder Seite zu findenden Verstöße gegen den Geist des Abkommens vom 11. Juli v. J. stellen eine schwere Belastung des Pressefriedens dar. Die Deutsche Gesandtschaft wäre dem Bundeskanzleramt-Auswärtige Angelegenheiten für eine Mitteilung dankbar, was zur Verhinderung dieser die Atmosphäre vergiftenden Schreibweise des genannten Blattes veranlaßt wurde. Wien, den 27. April 1937.“ (In: HHSta, N.P.A., Kt. 133, BKA 38.706-13/37; VN A 2783/37 vom 27. April 1937. Kurz zuvor hatte sich der Völkische Beobachter mit der Wochenzeitung befaßt und vor allem auf die angebliche Beziehung zwischen Sturm über Österreich und dem in Nazi-Deutschland geächteten Schriftsteller WALTER MEHRING, dessen Roman: Müller. Chronik einer deutschen Sippe, sehr positiv aufgenommen wurde, hingewiesen (Folge 12, 28.3.1937). Näheres dazu MURRAY G. HALL, Biographie als Legende. In: Walter Mehring. Text +Kritik. Zeitschrift für Literatur, Heft 78, April 1983, S. 20-35. Der Sturm über Österreich mußte im 4. Jg. mit der Folge 10 vom 13.3.1938 sein Erscheinen einstellen. Durch ihre relativ weite Verbreitung spielte die Wochenzeitung ab dem Sommer 1935 und vor allem im Jahre 1937 eine nicht zu unterschätzende Rolle in der österreichischen Kulturpolitik. Ihre kritischen Analysen etwa über die Lage des österreichischen Verlags und dessen Schicksal im Rahmen der deutsch-österreichischen Kulturbeziehungen dienten als Informations- und Entscheidungsgrundlage für die Bundesregierung. Auf einige dieser Sachberichte wird an späterer Stelle hingewiesen.
[46] Einen Monat nach dieser Bestellung entledigte sich Zernatto seines Geschäftsführerpostens bei Braumüller. Sein Name wurde am 9.6.1936 aus dem Handelsregister gelöscht (Reg. C 11, 96). Es blieb aber alles in der Familie. Am selben Tag wurde seine Gattin, Ricarda, als Geschäftsführerin von Braumüller eingetragen. Am 11.2.1938 wurde ihr Name aus dem Handelsregister gelöscht. Zusätzlich zu all diesen Funktionen wurde Zernatto im Mai 1934 vom Unterrichtsministerium zum Mitglied des Sachverständigenkollegiums für Urheberrecht ernannt. Er war auch Vertreter der Autorenschaft bei der österreichischen Kunststelle. Zum Leben und Werk Zernattos siehe u.a.: Guido ZERNATTO, Vom Wesen der Nation. Fragen und Antworten zum Nationalitätenproblem. Hrsg. und eingeleitet von Wolf In der Maur. Wien: Verlag Ad. Holzhausens Nachf., 1966, S. 1-65; INGEBORG URSULA ZIMMER, Guido Zernatto. Leben und Werk. Klagenfurt 1970; KARLHEINZ ROSSBACHER, Dichtung und Politik bei Guido Zernatto. Ideologischer Kontext und Traditionsbezug der im Ständestaat geförderten Literatur. In: FRANZ KADRNOSKA (Hrsg.) Aufbruch und Untergang. Österreichische Kultur zwischen 1918 und 1938. Wien: Europa Verlag, 1981, S. 539-559. Neuerdings gab der Innsbrucker Germanist EUGEN THURNHER eine Zernatto-Ausgabe heraus (Kühle Ampel, milder Stern. Salzburg: Verlag Anton Pustet, 1983). Der Band enthält Zernattos „Gesammelte Gedichte“.
[47] Näheres dazu, MURRAY G. HALL, Literatur und Verlagspolitik der dreißiger Jahre in Österreich. Am Beispiel Stefan Zweigs und seines Wiener Verlegers Herbert Reichner. In: Stefan Zweig 1881/1981. Aufsätze und Dokumente. Wien 1981, S. 113-136; bes. S. 134.
[48] Der Österreicher (Wien), 10. Jahr, Nr. 40, 4.10.1935, S. 5.
[49] Die betont nationalen Wiener Neuesten Nachrichten brachten z.B. eine Anzeige für die verbilligten reichsdeutschen Bücher.
[50] Mitteilung an die Vereinsmitglieder, in: Anzeiger, 76. Jg., Nr. 23, 21.9.1935, S. 118. S. Wiener Zeitung, 26.9.1935, „Keine Werbung für das deutsche Buchdumping mehr“.
[51] In V 1935, Mappe 422.
[52] Ebenda: „Am besten wäre es, wenn zur Aufklärung dieser Vorwürfe die berufene Vertretung des österreichischen Buchhandels oder, noch besser, die nach Berlin entsandte Delegation vor der gesamten Öffentlichkeit das Wort ergreifen würde, um die notwendige Aufklärung zu geben.“ Ähnlich der Telegraf, der schreibt, es sei „auch zu erwarten, daß alle zuständigen Faktoren, vor allem auch die in Betracht kommenden berufsständischen Stellen selbst, die Frage der Verantwortung jener Vertreter des österreichischen Buchhandels aufrollen und mit allen Folgen klären werden, die dem Attentat auf das österreichische Buch zugestimmt haben“. „Die Verantwortung dafür, daß eine solche Preisgabe österreichischer Verlagsinteressen überhaupt versucht wurde und auch dafür, daß Propagandamittel des ‚Dritten Reiches’ hätten mobilisiert werden sollen, wird restlos aufgeklärt werden müssen.“ (28.9.1935.)
[53] Siehe Rundschreiben des Vereins vom 29.10.1935. Diese Betriebe wurden ohne Gewähr aufgefordert, Anträge an den Verein in Wien zu stellen. Annahmeschluß war der 16. November 1935.
[54] V 1935, Mappe 422. Abschrift.
[55] Ebenda. Original.
[56] Rundschreiben vom 4.5.1936.
[57] Mitglieder des österreichischen Vereins wurden im Anzeiger, Nr. 9 vom 4.4.1936 darüber informiert: „Nach den für die Buchhändler geltenden neuen Grundsätzen wird ab 1. April 1936 der den ausländischen Wiederverkäufern gewährte Rabatt nicht mehr vom Inlandladenpreis, sondern vom Auslandladenpreis errechnet.“
[58] Siehe OeZ am Abend, 2. Jg., Nr. 326, 27. 4. 1936.
[59] Nach den Protokollen im Anzeiger, Nr. 10, 11.4. bzw. Nr. 12, 9.5.1936.
[60] Ebenda.
[61] Zitiert nach einem Rundschreiben der Auslandsvereine, das offensichtlich an reichsdeutsche Verlagsanstalten gerichtet war.
[62] Vom österreichischen Verein nahmen die Herren Peters, Morawa und Wiedling wie auch die anderen Auslandsvereine teil. S. Anzeiger, 77. Jg., Nr. 13, 23.5.1936, S. 69.
[63] Ebenda.
[64] Anzeiger, 77. Jg., Nr. 14, 13.6.1936, S. 73.
[65] Dazu die Mitteilung des Börsenvereins in: Anzeiger, 77. Jg., Nr. 16, 4.7.1936, S. 83 und Nr. 17, 18.7.1936, S. 89.
[66] Anzeiger, 77. Jg., Nr. 17, 18.7.1936, S. 89.
[67] Anzeiger, 77. Jg., Nr. 27, 14.11.1936, S. 162.
[68] Anzeiger, 78. Jg., Nr. 16, 21.7.1937, S. 103.
[69] Schreiben des Präsidenten des Schweizerischen Buchhändlervereins, Basel, vom 30. September 1935 an den Verein der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler in Wien. (V 1935, Mappe 422.)
[70] OeZ am Abend, 13. 8. 1935. Am selben Tag erschien in der Wiener Zeitung eine kurze Meldung aus „Berlin, 12. August“ mit der Überschrift „Berliner Exportkasse auch für Bücher“.
[71] Der Heimatschützer, 28.9.1935: „Während die Schweiz in der Lage war, das deutsche Dumping abzuwehren und sein eigenes Verlagswesen zu schätzen (…).“ Sturm über Österreich, 6.10.1935: „Beispiel der Schweiz, die die deutsche Maßnahme abgelehnt hat.“
[72] Zitiert nach der Abschrift der „Gleichlautenden Anordnung der Präsidenten der Reichsschrifttums-, Reichspresse- und Reichsmusikkammer“. In: AVA, BMfHuV, Geschäftszeichen 570, Grundzahl 106.248-9/35, bei Zl. 106.136-9/35.
[73] Darstellung des Vereinsvorstandes über die Vorgeschichte der Buchpreissenkung“ vom 9.10.1935.
[74] Teilabschrift eines Schreibens des Schweizer Vertreters an den Verein in Wien. Undatiert. (V 1935, Mappe 422.)
[75] Anzeiger, 76, Jg., Nr. 27, 9.11.1935, S. 154. Die deutschen Exporteure wurde, aber schon viel früher vom Börsenverein angehalten, ihre ausländischen Abnehmer darüber zu informieren, daß sie berechnete Gegenstände weder nach Deutschland noch nach der Schweiz zu gesenkten Preisen liefern durften. Der gegebene Anlaß: „In das Gebiet des angeschlossenen Schweizerischen Buchhändlervereins sind Gegenstände des Buchhandels zu ermäßigten Auslandpreisen angeboten worden, obwohl – wie bekanntgegeben – die Schweiz von der Senkung der Ladenpreise ausgenommen bleibt.“ (Börsenblatt, Nr. 218, 19.9.1935.)
[76] Der Verein in Wien hat sich dazu entschlossen, eine Bilanz der Aktion durch eine Rundfrage unter seinen Mitgliedern zu ziehen. im Rundschreiben vom 15.1.1936 wurde die genaue Beantwortung folgender Fragen erbeten: 1. Ist durch die deutsche Preissenkung seit 9. September 1935 ein fühlbarer Mehrabsatz reichsdeutscher Bücher erzielt worden? 2. Wenn ja, in welchem Verhältnis zum Gesamtumsatz der entsprechenden Vorjahrsperiode? Auf welchen Gebieten? wissenschaftliche Bücher? b) belletristische Bücher? 3. Wurde durch die Preissenkung der Absatz der österreichischen Bücher beeinträchtigt? 4. Hatte die Propaganda für das österreichische Buch (Ausstellung der V.F. etc.) einen Einfluß auf den Verkauf der österreichischen Bücher?
[77] Wien war traditionell und nicht nur als Verlagsmetropole in einer großen Monarchie eine wichtige Drehscheibe im Exportbuchhandel. Dazu STIERLE in einem JUNKER-Plagiat: „Die Jahrhunderte alten Beziehungen, die Österreich mit den osteuropäischen Ländern verband, sind erfreulicherweise durch den Umsturz nicht vollständig verloren gegangen (…). Es sind die alten Fäden wieder angeknüpft worden, die nun beitragen müssen, besonders den österreichischen Versand- und Exportbuchhandel, indirekt aber natürlich auch den Verlag lebensfähig zu erhalten. (…) Wohl ist der Absatz des Verlages durch direkte Selbstlieferung nach dem Orient gering, aber der Zwischenhändler oder der Sortimenter, der nach dem Orient tatsächlich liefert, hebt indirekt den Absatz der Verleger. Früher hatte ja Österreich fast den ganzen Orient mit Ware versehen.“ (Der österreichische Buchhandel in der Nachkriegszeit mit Berücksichtigung der Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns. Wien 1928, S. 39.)
[78] Auf den Exportmärkten nehmen aber die Absatzschwierigkeiten, die in erster Linie mit der seit der Pfundabwertung empfindlich verschärften Konkurrenz der nordischen Staaten, namentlich Finnlands, Schwedens und Norwegens, zusammenhängen, fortgesetzt zu. (…) Auch der Export nach Ungarn, das bisher das rentabelste Absatzgebiet der österreichischen Papierindustrie darstellte, erscheint ernstlich gefährdet. Der Papierexport nach Italien weist seit einigen Jahren ebenfalls starke Einbußen auf Der Export nach Übersee begegnet wachsenden Schwierigkeiten, (…), während sich der Export nach dem Fernen Osten verhältnismäßig gut behauptet.“ Sturm über Österreich, Folge 33, 1.12.1935, S. 6.
[79] „Nöte der Papierindustrie.“ In: Österreichischer Volkswirt, 28. Jahr, Nr. 40, 4. 7. 1936, S. 307.
[80] Stellvertretend für die vielen negativen Stellungnahmen unter den Verlegern sei aus einem Schreiben des Leopold Stocker Verlags in Graz an den Verband der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienverleger in Wien vom 7.9.1935 zitiert: „Durch die 25%ige Senkung der deutschen Auslandspreise für Bücher wird der österreichische Verlag erschlagen, der in den letzten Jahren so gute Ansätze und so verheißungsvollen Ausbau machte. Durch die für den österreichischen Verleger ruinöse Senkung des reichsdeutschen Buches in Verbindung mit der für den österreichischen Verlag unmöglichen Rabattierung, kann der österreichische Verleger in Österreich gegen die deutsche Konkurrenz nicht bestehen und vermag auch in das übrige Ausland unmöglich zu konkurrieren. Praktisch treffen die reichsdeutschen Maßnahmen nur den österreichischen Verlag, weil das übrige Ausland so gut wie keine Verlage hat und die Schweiz durch die reichsdeutsche Verfügung nicht getroffen ist. Zu der reichsdeutschen Maßnahme kommt noch die ungeheure Steigerung der besseren Druckpapierpreise in Österreich, wodurch die österr. Buchproduktion ungeheuer verteuert wird. Für den österreichischen Verleger kommt die Produktion des Buches heute mindest so teuer oder teurer als dem reichsdeutschen Verleger, zumal die reichsdeutschen Bücher größtenteils in viel höheren Auflagen gedruckt werden.“ in: V 1935, Mappe 423. Dazu noch die Reaktion eines Verlages auf die Papierpreiserhöhung und deren Folgen für ihn. Zitiert wird aus einem Schreiben des Verlags Anton Pustet in Salzburg an das Handelsministerium in Wien vom 17. Oktober 1935: Es wird zunächst von „der ohnedies wahnsinnigen Papierpreiserhöhung“ gesprochen, und dann heißt es, der Handelsminister müsse Wege finden, „die Exportfähigkeit des durch die unsinnige Papierpreiserhöhung gelähmten österreichischen Verlages durch solche Maßnahmen zu erleichtern, die den Absatz des Buches auf das regste fördern könnten. (…).“ (AVA, BMfHuV, Geschäftszeichen 570, Grundzahl 106.248-9/35; Geschäftszahl 109.254-9/35. Das darin enthaltene Schreiben hat die Zahl 109.549-9.)
[81] Ebenda. Zl. 108.979-9/1935.
[82] Um die Auswirkung von Buchdumping und Papierpreiserhöhung zu verdeutlichen, sei hier die Größenordnung der graphischen Betriebe in Österreich zu dieser Zeit erläutert: Die 2.476 Betriebe verteilten sich wie folgt: 1. Druckereibetriebe. 590 Buchdruckereien, 90 Buch- und Steindruckereien oder nur Steindruckereien, 36 vorwiegend Kunstdruckereien, 32 Druckerei- und Verlagsunternehmen, 62 Sonderbetriebe der Druckerei bzw. Hilfsindustrien. Zusammen: 810. 2. Buchbinderbetriebe: 390 befinden sich in Wien, 300 in den Bundesländern. Zusammen: 690. 3. Handelsbetriebe: 417 Buchhandlungen, 214 Verlagsunternehmen, 210 Buch- und Musikalienhandlungen, 80 Musikalienhandlungen, 33 Kunsthandlungen, 22 Zeitungs- und Zeitschriftenvertriebe. Zusammen: 976+90 Filialbetriebe sind 1.066. (Zitiert nach: Die graphischen Betriebe in Österreich. In: Volkswirtschaftlicher Aufklärungsdienst, hrsg. im Auftrage des Bundesministeriums für Handel und Verkehr [Amt für Wirtschaftspropaganda], Nr. 56, Wien, 14. 11. 1936, S. 3.)
[83] Dazu die bereits zitierte Eingabe des „Hauptverbandes der graphischen Unternehmungen Österreichs“ vom 8.10.1935: „Die durch das Papierkartell vorgenommene Preissteigerung im Inlande bringt vor allem auch bei den Schulbüchern eine Verbilligungsmöglichkeit der Herstellung im Auslande mit sich, denn die Papierfabriken bewilligen für im Inland abgesetzte Bücher, zu denen die Schulbücher ausschließlich gehören, keine verbilligten Exportpreise, so daß bereits ausländische Druckereien in stiller Verbindung mit österreichischen Druckereien sich erfolgreich um Druckaufträge von hiesigen Verlegern bemühen.“ Siehe auch die Stellungnahme der Arbeiter und Angestellten des graphischen Gewerbes anläßlich einer in der Innsbrucker Arbeiterkammer stattgefundenen Beratung, in: Reichspost, Nr. 292, 22.10.1935, S. 5. In der Wochenzeitung der Legitimisten, Der Österreicher (10. Jahr, Nr. 42, S. 4), liest man am 18.10.1935: „Hingegen verdient Beachtung, was die Buchhändler über die Auswirkung des neuen Papierkartells auf die österreichische Buchproduktion sagen. Sie behaupten, daß infolge der sehr Stark erhöhten Papierpreise viele österreichische Verleger ihre Bücher in Brünn herstellen lassen, weil dies billiger kommt.“ Siehe auch Sturm über Österreich, Folge 24, 29.9.1935, S. 5 („Das österreichische Buch, die deutsche Preissenkung und das Papierkartell“) sowie ebda., Folge 33, 1.12.1935, S. 6 („Papierkonsum und Papierpreise“).
[84] Da auf diesen Punkt an anderer Stelle besonders eingegangen wird, mag es hier genügen, aus der Stunde vom 14.9.1935 zu zitieren: „Die Propagandaaktion des Herrn Dr. Goebbels geht also nicht zuletzt auf Kosten der österreichischen Autoren (…). Es geht denn doch nicht an, daß (…) Deutschland die Zahlungen an österreichische Autoren sperrt und sie glatt verhungern läßt! (…) Viele Dutzend von österreichischen Autoren – eine große Anzahl mit einwandfreier Großmutter! – erhalten seit mehr als einem Jahr keinen Pfennig Honorar, sie hungern buchstäblich und erwarten, daß die österreichische Bundesregierung energisch durchgreift!“
[85] V 1935, Mappe 422. Exposé der Fachgruppe Verlag über die Auswirkungen der Preissenkungsaktion auf den österreichischen Verlagsbuchhandel für Staatssekretär Pernter vom 14. 9.1935.
Ergänzungen zur Buchveröffentlichung von 1985
Martin Flinker:
- Hans Scherer: Martin Flinker, der Buchhändler. Ein Emigrantenleben. Frankfurt am Main 1988.
- Murray G. Hall: Bericht über eine Ausstellung im Jüdischen Museum in Paris zu Ehren des Wiener und Pariser Buchhändlers Martin Flinker mit Exponaten aus dem Nachlass Flinkers. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Buchforschung in Österreich. 2001-1, S. 25–28.
- Martin et Karl Flinker. De Vienne à Paris. Textes réunis par Isabelle Pleskoff, Paris 2002.