VII. Auf dem Weg zur Verlagsförderung

 VII. Auf dem Weg zur Verlagsförderung

1. Die Standesvertretung

Im Vergleich zu Deutschland kam eine Standesvertretung in Österreich relativ spät zustande. Und noch später organisierten sich österreichische Verleger vereinsmäßig. Zum besseren Verständnis der weiteren Entwicklungen im Soge des Buchdumpings, die als Präludium zur Schaffung einer gesetzlichen Förderung heimischer Verlage anzusehen sind, wollen wir, ohne auf zu viele Einzelheiten einzugehen, die Situation in der Standesvertretung kurz umreißen. Aufgezeigt soll vor allem die relative Bedeutungslosigkeit der Verlegerorganisation innerhalb des Vereins werden.

Der „Verein der österreichischen Buchhändler“ wurde am 25. Oktober 1859 mit dem Zweck gegründet, das Wohl seiner Mitglieder zu pflegen und zu fördern, deren Interessen zu wahren und zu vertreten.[1] Am 1. Februar 1860 erschien erstmals das offizielle Vereinsblatt, die Österreichische Buchhändler-Correspondenz.[2] Die Mitgliedschaft war freiwillig. So konnte jeder protokollierte österreichische Buch-, Kunst- und Musikalienhändler sowie jeder, der den Verlag gewerbsmäßig betrieb, der Organisation angehören. 1888 kommt es zu einer grundlegenden Statutenänderung. Von da an bis 1923 heißt die Standesvertretung „Verein der österreichisch-ungarischen Buchhändler“. Dementsprechend wie auch im Sinne der Umgestaltung des Vereins erhält sein Organ vom 1. Jänner 1889 den Titel Österreichisch-ungarische Buchhändler-Correspondenz. Daß das Wort „Verleger“ im Vereinsnamen nicht aufscheint, mag zwar symptomatisch erscheinen, läßt sich vielleicht aber dadurch erklären, daß es für Verleger noch keine gesonderte Konzession gab. Viele Buchhändler waren ja Buchhändler-Verleger.

Wien selber hatte außerdem seine eigene Standesvertretung, ebenfalls mit Sitz in Wien 1., Grünangergasse 4. Die „Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler“ bestand seit dem 25. März 1861. In diesem Jahr wurden die früher getrennten, seit 1807 bestehenden Gremien der bürgerlichen Buchhändler sowie der bürgerlichen Kunst- und Musikalienhändler zur „Korporation“ vereinigt. Im Jahre 1888 wurde das Statut der neuen Gewerbeordnung entsprechend abgeändert.

Der „Verein der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler“, von dem immer wieder die Rede gewesen ist, bestand als Dachverband seit dem 14. Jänner 1923, als die Statuten, u.a. in Hinblick auf den Zusammenbruch der großen Monarchie, von Grund auf revidiert wurden. Sitz des Vereins war das Österreichische Buchgewerbehaus in der Grünangergasse 4. Neben der Wahrnehmung der Verlegerinteressen innerhalb des großen Vereins kam es im Oktober 1918 zur Gründung des „Vereins österreichischer Buch-, Kunst- und Musikalienverleger“, angeblich weil der Buchhändlerverein „stets in wärmster Weise für die Interessen der Verlegerschaft eingetreten sei“, wie dessen Vorsitzender (seit 1907) Wilhelm Müller festzustellen wußte.[3] Wie der Vorsitzende des neuen Vereins darlegte, sei die Gründung auf wirtschaftliche Maßnahmen zurückzuführen, die sich während des Kriegs als eine Notwendigkeit für die Österreichische Verlegerschaft erwiesen hätten. Insbesondere handelt es sich um die Papierbeschaffung. Die neue Organisation scheint bis 1920/21 aktiv gewesen zu sein, um dann in einen Dornröschenschlaf zu fallen, aus dem sie erst wieder im Jahre 1935 aufwachte, als man neuerlich das Gefühl hatte, der Verein der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler wäre „in wärmster Weise für die Interessen der Verlegerschaft eingetreten“. Allein von der Struktur des großen Vereins her, der sich aus neun Landesgruppen und sechs verschiedenen Fachgruppen zusammensetzte:

I. Buch-, Kunst- und Musikalienverlag
II. Sortimentsbuchhandel, Antiquariatsbuchhandel und Kunstsortiment
III. Musikaliensortiment
IV. Kommissions- und Grossobuchhandel
V. Reise-, Raten- und Versandbuchhandel
VI. Leihbüchereien und Lesezirkel,

hatte die Verlegerschaft keinerlei Entscheidungsgewalt und war den Wünschen anderer Gruppen ausgeliefert. Die Entscheidungsgewalt lag beim Vorstand, der sich aus dem Vorsitzenden und dessen Stellvertreter, dem Schriftführer und dessen Stellvertreter sowie fünf Ausschußmitgliedern zusammensetzte. Folgende Personen bekleideten diese Funktionen zur Zeit des Buchdumpings:

Erster Vorsitzender, Wilhelm Frick[4]
Zweiter Vorsitzender, Lambert Peters[5]
Schriftführer, Hans Deuticke[6]
Schriftführer-Stellv., M. Patkiewicz[7]
Schatzmeister, Karl Pichler[8]
Schatzmeister-Stellv., Dr. Felix Reichmann[9]

Vorstandsmitglieder waren:
Franz Dvorak[10]
Leopold Heidrich[11]
Wilhelm Lienau[12]
Dr. Robert Stein[13]
Walter Wiedling[14]

In den für uns entscheidenden Fachgruppen gab es bis Februar 1937 folgende Vertreter:

I Buch-, Kunst- und Musikalienverlag: Obmann: Fritz Meyer[15]
Stellvertreter: Karl Friedrich Ahlgrimm[16]
II. a) Gruppe Sortiment: Obmann: Franz Dvorak; Stellvertreter: Otto Pichler[17]
IV. Kommissions- und Grossobuchhandel: Obmann: Dr. Emmerich Morawa[18]
Stellvertreter: Leopold Heidrich

Nach dem Stand vom Februar 1934 sah der Vorstand des „Vereins der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienverleger“ folgendermaßen aus:

1. Vors.-Stellvertreter: Walter Wiedling
2. Vors.-Stellvertreter: Wilhelm Frick[19]
Schriftführer: Karl Friedrich Ahlgrimm
Schriftführer-Stellv.: Bernhard Herzmanzsky[20]
Schatzmeister: Rudolf Crncic[21]
Schatzmeister-Stellv.: Dr. Robert Stein

Ein Blick auf diese Liste zeigt, daß fünf der Herren in beiden Organisationen eine Funktion innehatten und daß der österreichische belletristische Verlag durch niemanden vertreten war.

Der Ständestaat brachte die erste große Änderung in der Standesvertretung seit 1923, und zwar im Rahmen der Verwirklichung des berufsständischen Aufbaus.[22] Die berufsständische Gliederung des Buch-, Kunst- und Musikalienhandels wurde durch das Handels- und Verkehrsbuchgesetz, BGBl. 303 vom 13. Juli 1935 eingeleitet. Durch diese berufsständische Gliederung hörten Zwangsorganisationen wie die Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler mit 1. Jänner 1936 zu existieren auf. Mitglieder wurden in die „Kaufmannschaften“ – in Wien in die Buchkaufmannschaft (protokollierte Händler) und in die Kleinkaufmannschaft (nicht protokollierte Händler) übergeleitet. Freie Organisationen wie der Verein der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler mußten sich in ihren Zwecken den Vorschriften des Handelsbundgesetzes anpassen. Dieses Gesetz sah die Bildung von „Gilden“ vor, und zwar von freien Gilden und Zwangsgilden. Die in Wien so entstandene Zwangsgilde hatte eine ähnliche Struktur wie ihr Vorgänger.[23] Nunmehr bestand sie aus folgenden Fachgruppen:

1. Verlag (Buch-, Kunst und Musikalienverlag und Bühnenverlag.) (Obmann war Walter Wiedling, die Ausschußmitglieder waren Hans Deuticke, Wilhelm Frick, Bernhard Herzmansky, Dr. Hans Kness,[24] Dr. Johannes Mandl,[25] Dr. Heinrich Reisser,[26] Dr. Robert Stein, Emil Steininger[27] und Hans Urban.[28]
2. Sortiment. (Obmann: Lambert Peters)
3. Fachgruppe des Grosso- und Kommissionsbuchhandels, der Lesezirkel, der Zeitschriften- und Zeitungshändler. (Obmann: Emmerich Morawa)
4. Fachgruppe der Bilderhändler, Lehrmittelhändler und Kleinkonzessionäre. (Obmann: Karl Hala)
5. Fachgruppe der dem Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig eingegliederten Buch-, Kunst- und Musikalienhändler und Verleger. (Obmann: Wilhelm Frick, der zugleich Gildenpräsident war. Ausschußmitglieder: Emmerich Morawa, Lambert Peters, Walter Wiedling)

Letztere Gruppe übernahm die Aufgaben des Vereins als anerkannter Zweigverein des Börsenvereins. Politisch war der gesamte Vorstand vaterländisch-katholisch-national eingestellt. Funktionäre, die Juden waren, glänzten durch Abwesenheit und wurden nicht zu höheren Ehren auserkoren. Von den Personen her änderte sich die Vertretung im Zuge der Überleitung vom „Verein“ zur „Zwangsgilde“ unwesentlich. Lediglich Ausschüsse, deren Mitglieder zugleich Vorstandsmitglieder waren, wurden ausgebaut.

Der Verein blieb also weiter bestehen, hatte aber kein Interessenvertretungsrecht: Es „obliegen ihm nach den abgeänderten Satzungen seit 31. Dezember 1935 nur mehr kulturelle und charitative Aufgaben“.[29]

Die konstituierende Sitzung der „Zwangsgilde der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler“ fand am 22. Jänner 1937 statt.[30] Die Umstrukturierung und Neugliederung brachte einen sinnvollen Fortschritt für die einzelnen Fachgruppen. Was änderte sich für die österreichischen Verleger? Die Fachgruppe 1 (Verlag), deren Vorstandsmitglieder bereits genannt wurden, hielt ihre konstituierende Sitzung am 9. März 1937 ab. Dabei wurde beschlossen, eine ganze Reihe von „Sektionen“ zu bilden, die nun endlich in der Vertretung die Vielfalt der Verlegerinteressen widerspiegelten. Nicht nur das: die Bildung von Sektionen trug nun den Produktionsanteilen der verschiedenen Verlagsrichtungen Rechnung. Hier nun die Sektionen und ihre Vertreter:[31]

a) Wissenschaftlicher Verlag: Leitung: Hans Deuticke, Dr. Marx, Wilhelm Maudrich d. Ä., Dr. Robert Stein, Hans Urban.
b) Schöngeistiger Verlag: Leitung: Dr. Hans Kneß, Herbert Reichner, Paul von Zsolnay.
c) Schulbücherverlag (Pädagogik, Lehrmittel): Leitung: Crncic, Hans Deuticke, Wilhelm Frick, Dr. Hans Kneß, Hermann Pichler (Lehrmittel), Walter Wiedling.
d) Musik-, Bühnenverlag und -vertrieb: Leitung: Dr. Blau, Bernhard Herzmansky, Emil Steininger, Hugo Winter.
e) Kunstverlag: Leitung: Dr. Bela Horovitz, Dr. Hans Kneß, Dr. Heinrich Reißer.
f) Jugendschriften- und Bilderbücherverlag: Leitung: Dr. Hans Kneß, Hermann Pichler, Walter Wiedling.
g) Zeitschriften- und Zeitungsverlag: Leitung: Dr. Richard N. Coudenhove-Kalergi,[32] Hans Urban, Walter Wiedling.
h) Auslandsangelegenheiten: Leitung: Hans Deuticke, Dr. Hans Kneß, Dr. Heinrich Reisser, Hans Urban, Walter Wiedling.
i) Urheberrechtsangelegenheiten: Leitung: Hans Deuticke, Bernhard Herzmansky, Dr. Hans Kneß, Dr. Heinrich Reisser, Hans Urban, Walter Wiedling.
k) Propaganda- und Ausstellungswesen: Leitung.- Hans Deuticke, Dr. Hans Kneß, Dr. Heinrich Reisser, Paul von Zsolnay.

2. Solo der Verleger und Konflikt mit den Sortimentern

Nach diesem Exkurs, der dazu dienen sollte, die Machtverhältnisse innerhalb der Standesvertretung darzulegen und Interessenslagen offenbar werden zu lassen, wenden wir uns nun den Vorgängen, die zum Verlagsförderungsfonds-Gesetz führten, zu. Dazu müssen wir auf den Sommer 1935 zurückgehen, um das Buchdumping aus Verlegersicht zu verfolgen.

Am 16. August 1935, also nachdem der Entschluß des österreichischen Vereins, an der Preissenkungsaktion mitzumachen, gefallen war, lud die Fachgruppe Verlag des Vereins der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler ihre Mitglieder zu einer Besprechung am 19. August ins Buchgewerbehaus in Wien. „Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Tagesordnung (Preis- bzw. Kurssenkung des reichsdeutschen Buches für das Ausland) ersuchen wir Sie um Ihr bestimmtes Kommen.“[33]

Wohl durch die Urlaubszeit und nicht durch mangelndes Interesse bedingt, kamen von 63 Mitgliedern bloß 19 zur Sitzung.[34] Es ging nach den einleitenden Worten des Vorsitzenden Wilhelm Frick darum, „den österreichischen Verlag, der durch die Maßnahmen des Deutschen Reiches bedroht ist, durch geeignete Maßnahmen zu schützen.[35] Nach einer längeren Debatte, die sich mit der Möglichkeit einer allfälligen Erhöhung der Warenumsatzsteuer (WUST) und mit der Einführung eines Zolles befaßte, wurden vom Verleger Ernst Peter Tal zwei Anträge zur Abstimmung gebracht. Der erste, wonach die Verleger abwarten sollten, „bis die Sache seitens Deutschland geklärt ist“, wurde mit 16:3 Stimmen abgelehnt. Der zweite („Wir versuchen einen Weg zu finden, der uns aus der Situation, in der sich der Verleger befindet, herausführt“) wurde mit 13 Ja-Stimmen angenommen. Tal schlug schließlich vor, von den anwesenden Verlegern ein Komitee zu bilden, „das sich mit der ganzen Angelegenheit eingehend befassen soll“. Frick lehnte den Vorschlag ab, Vorsitzender des Komitees zu sein, da er als Vereinsvorsitzender die Sache nicht einseitig vertreten könne. Schließlich wurde Friedrich Meyer, Geschäftsführer von Anton Schroll & Co., zum Vorsitzenden bestimmt. Das weitere Komitee bestand aus folgenden Herren: Wilhelm Frick, Hans Deuticke, Hugo Winter und Ernst Peter Tal. Nach einer weiteren Besprechung am 21. August wurde eine fünfseitige Eingabe an den Bundesminister für Handel und Verkehr, Fritz Stockinger, verfaßt und mit Datum 22. August auch an das BM für Unterricht,[36] die Vaterländische Front zuhanden des Kulturreferenten, Bundeskulturrat Dr. Rudolf Henz, sowie an das Bundeskanzleramt selber abgeschickt, Der Verband gestattete sich bei dieser Gelegenheit, die betreffende Stelle zu bitten, „alles zu veranlassen, was geeignet ist, die schwere Schädigung des heimischen Verlages mit ihren weitgehenden Auswirkungen zu verhindern.“[37]

Nach einer umfassenden Darstellung der Konsequenzen der Preissenkung für die in den verschiedenen verbundenen Industriezweigen und sonstigen Direktbetroffenen wird auf die kulturpolitische Aufgabe des österreichischen Verlags eingegangen. Hier der betreffende Briefausschnitt:

Die Verdrängung des österreichischen Verlagswerkes, insbesondere in den Gebieten der Nachfolgestaaten und im Osten Europas gefährdet in hohem Maße die Erfüllung der historisch-kulturellen Aufgabe, welche die österreichischen Regierungsstellen wiederholt als Aufgabe des österreichischen Deutschtums bezeichnet haben.

In dieser schweren Zwangslage mit ihren weitgehenden Auswirkungen auf wirtschaftlichem, staatsfinanziellem, sozialem und kulturellem Gebiet wendet sich der österreichische Verlag an Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, mit der Bitte um Unterstützung. Er ersucht Sie, diesem Notschrei wichtiger österreichischer Wirtschaftszweige Rechnung zu tragen und Maßnahmen zu erwägen, die es dem österreichischen Verlag – etwa durch eine Subventionierung seines Exportes – ermöglichen, den Konkurrenzkampf mit dem reichsdeutschen Verlag erfolgreich weiterzuführen und seinen eigenen Fortbestand zu sichern.[38]

Am 30. August setzt der Verlegerverband seinen Alleingang fort und beruft eine Sitzung für den 3. September ein. Gegenstand der Besprechung ist die Lage des österreichischen Verlags infolge der Preissenkung des reichsdeutschen Auslandsbuchs und die Maßnahme zum Schutz des heimischen Verlags.

Die Strategie der Verleger bzw. von deren Vertreter besteht von nun an darin, in Zusammenarbeit mit dein Verein Hilfsmaßnahmen von der österreichischen Regierung zu erlangen, zumal nicht nur das ausländische, sondern auch das heimische Absatzgebiet von der Preissenkung betroffen ist. Doch wichtig war, konkrete Forderungen zu stellen. Zu diesem Zweck versuchte der Verlegerverband eine Erhebung unter den Verlegern durchzufahren, um den prozentmäßigen Umsatz in Erfahrung zu bringen. Bereits am 30. August wurden im Rahmen der Einladung zur Sitzung die Mitglieder gebeten, folgende ihren Verlag betreffenden Unterlagen mitzubringen oder vor der Sitzung einzusenden:

Wieviel Prozent Ihres letzten Jahresumsatzes wurden

a)innerhalb Österreichs abgesetzt;

innerhalb Deutschland abgesetzt und

c)innerhalb des übrigen Auslandes abgesetzt.

Die (spontane) Reaktion der Verleger ließ, wohl wieder urlaubsbedingt, viel zu wünschen übrig, so daß der Verlegerverband am 6. September in eingeschriebenen Briefen den dringenden Appell an seine Mitglieder richtete, die Auskunft über Absatz dem Verband raschestens zukommen zu lassen: „Es besteht die Gefahr, daß unsere Aktion von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, wenn wir sie nicht sofort durchfuhren können.“ (V 1935, Mappe 423.2)

Die Beteiligung an dieser Umfrageaktion[39] gibt einen einmaligen Einblick in die Absatzmarktverhältnisse der österreichischen Verleger Mitte der 30er Jahre. Bis auf wenige Ausnahmen – etwa die Schulbuchverlage Hölder-Pichler-Tempsky und Leykam oder Verlage, die wie der Steyrermühl-Verlag, in erster Linie den heimischen Markt anpeilten – , gab es kaum belletristische Verlagsanstalten, die ihre Produktion nicht zu mehr als 50% im Ausland, vorwiegend im Deutschen Reich, absetzten. Verleger, die die Werke betont nationaler Autoren pflegten, wie z.B. die F.G. Speidel’sche Verlagsbuchhandlung (Nachfolger des Rikola-Verlags) und der Verlag „Das Bergland-Buch“, waren vom deutschen Markt, wo die Bücher offenbar den größten Anklang fanden, besonders abhängig (90% bzw. 70%). Aber auch der Paul Zsolnay Verlag, der seine Produktion im nationalen Sinne umstellte, setzte beinahe 7 von 10 verlegten Exemplaren im Reich ab. Die einzelnen Zahlen gehen aus der folgenden Tabelle hervor:

Verband der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikverleger

Rundfrage an Verbandsmitglieder am 30. August bzw. 6. September 1935

Wieviel Prozent Ihres letzten Jahresumsatzes (den Sie, wie gesagt, ziffernmäßig nicht zu nennen brauchen) wurden abgesetzt:

a) innerhalb Österreichs

b) innerhalb Deutschlands

c) innerhalb des übrigen Auslandes

(Die meisten Ziffern beziehen sich ausdrücklich auf das Jahr 1934)

PHAIDON VERLAG
a) ca. 15%b) ca. 60%c) ca. 25%
G. SPEIDEL’SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
a) ca. 12%b) ca. 81%
90% (1935)
c) 7%
LEOPOLD STOCKER VERLAG
a) 88%b) 4%c) 8%
E.P. TAL & Co. VERLAG
a) 17%b) 58%c) 25%
VERLAG „DAS BERGLAND-BUCH“
a) 25%b) 70%c) 5%
VERLAGSANSTALT TYROLIA
a) 32%b) 42,5%c) 25,5%
PAUL ZSOLNAY VERLAG
a) 12%b) 68%c) 20%
AUGARTEN VERLAG
a) 42%b) 47%c) 11%
AMALTHEA VERLAG
a) 20%b) 45%c) 35%
FIBA VERLAG O. BAUER
a) 38,4%b) 34,6%c) 27%
HÖLDER-PICHLER-TEMPSKY
a) 95%b) und c) 5%
INTERNATIONALER PSYCHOANALYTISCHER VERLAG
a) 16,8%b) 26,5%c) 56,7%
W. KARCZAG MUSIKVERLAG
a) 22%b) 55%c) 23%
JOS. A. KIENREICH
a) 80%b) 10%c) 10%
LEOPOLD KUTSCHERA VERLAG
a) 50%b) 15%c) 35%
LEYKAM
a) 93%b) 7%c) 7%
MANZ
a) 80%b) 9%c) 11%
URBAN & SCHWARZENBERG
a) 18%b) und c) 82%
DEUTSCHER VERLAG FÜR JUGEND UND VOLK
a) 86,5%b) 7,5%c) 6%
EMIL HAIM AKAD. VERLAG
a) 7%b) 40%c)53%
DOBLINGER (B. HERZMANSKY)
a) 30%b) 55%c) 15%
ELBEMÜHL VERLAG
a) 30%b) 40%c) 30%
FREYTAG & BERNDT A. G.
a) 69%b) 18%c) 13%
ERTL-VERLAG
a) 90%b) 9%c) 1%
GEOGR. INSTITUT VERLAG DRUCKEREI ED. HOLZEL WIEN
a) 75%b) 1,4%c) 23,6%
VERLAGSBUCHHANDLUNG CARL GEROLD & SOHN
a) 48%b) 52%c)
GESELLSCHAFT FOR VERVIELF. KUNST
a) 33,5%b) 27,8%c) 38,7%
VERLAGSBUCHHANDLUNG WILHELM BRAUMÜLER
a) 20%b) 60%c) 20%
ÖSTERREICHISCHES VERLAGS-INSTITUT
a) 100%b)c)
VERLAGSBUCHHANDLUNG MORITZ PERLES
a) 55%b) 10%c) 35%
FELIZIAN RAUCH, INNSBRUCK
a) 25%b) 25%c) 50%
SCHWARZ-VERLAG
a) 42%b) 5%c) 53%
STEYRERMÜHL VERLAG
a) 84%b) 9%c) 7%
UNIVERSAL-EDITION
a) 22,5%b) 20%c) 57,7%
ULLSTEIN VERLAG
(als österr. Verlag nur eine Zeitschrift, die nicht ins Reich geliefert wird)
a) 74%b) %nbsp;%c) 26%

In den folgenden Tagen und Wochen fand eine Reihe von Vorsprachen bei offiziellen Stellen, bei denen Schutzmaßnahmen für den Verlag erörtert wurden, statt[40]: einmal waren es Vertreter des Vereins, einmal Vertreter des Verlegerverbands, einmal Vertreter des Verlegerkomitees, das am 10. September eine Resolution, die sich gegen die bisherige Haltung des Vereins gegen die Verleger wendete, aufsetzte und dann zurückzog. Auch Bundeskanzler Schuschnigg empfing das Verlegerkomitee in der ersten Septemberwoche,[41] und als er kurz darauf in Innsbruck weilte, nahmen Vertreter der Verlagsanstalt Tyrolia die Gelegenheit seiner Anwesenheit wahr, „um ihm in einem Memorandum die ganze Sachlage auseinander zu setzen und darauf hinzuweisen, daß es sich dabei nicht so sehr um eine Wirtschaftsförderung [,] sondern um eine kulturelle Propaganda von Deutschland nach Österreich handelt“.[42]

Aber auch die Kunst- und Musikalienverlage, die sich am schwersten betroffen wähnten, gingen über das Verlegerkomitee eigene Wege und richteten eine Eingabe an den Handelsminister Stockinger am 18. September.[43] Als aber das Arbeitskomitee des Verlegerverbandes (Meyer, Winter[44] und Pisk[45] am 24. September von Bundeskanzler Schuschnigg empfangen wurde und diesem auf dessen Verlangen hin eine Darstellung der Auswirkungen der deutschen Preissenkungsaktion auf den österreichischen Verlagsbuchhandel persönlich übermittelte, war die Disharmonie im österreichischen Buchhandelswesen perfekt. Die Wiener Zeitung sah am nächsten Tag bereits einen „Schutz gegen das reichsdeutsche Buchdumping“ (Überschrift, 25.9.1935, S. 5) heraufdämmern:

Bundeskanzler Dr. Schuschnigg teilte den erschienenen Herren mit, daß sich die Bundesregierung mit diesem für das Verlagsgeschäft und damit für die österreichische Wirtschaft einschneidenden Problem bereits befasse, und versprach eine dringliche Behandlung der von der Abordnung vorgebrachten Wünsche.

Am nächsten Tag hieß es, die Vorsprache beim Kanzler zum Schutz des österreichischen Buches habe bereits ihre Wirkung getan. Und am 27. September meldete die Wiener Zeitung auf der ersten Seite unter der Überschrift „Reiche Arbeit des Ministerrates“:

Der Ministerrat nahm sodann Stellung zur Frage des Schutzes der österreichischen Verlagsproduktion und befaßte sich mit den erforderlichen gesetzlichen Maßnahmen, deren Verlautbarung im geeigneten Zeitpunkt erfolgen wird.

Doch eilen wir den Ereignissen voraus. Ob dieser Vorsprache beim Bundeskanzler sehr aufgebracht waren vor allem die Sortimenter, die in einer Besprechung am 26. September ihren Ärger zum Ausdruck brachten. Syndikus Dr. Wisloschill referierte darüber, wie zuerst der Verein mit den Verlegern konform gehen konnte, wie dann der Verlag sich vom Verein abzweigte und selbständig vorging, und schließlich und endlich, was er im Bundeskanzleramt zwei Tage zuvor beabsichtigte. Verlangt wurde von den Sortimentern eine entsprechende Aufklärung des Bundeskanzlers über die Sortimenterwünsche. Die anwesenden, in Verlegenheit geratenen Verleger (Kneß und Wiedling) mußten zugeben, „nichts von den Schritten der drei Herren Winter, Pisko, Meyer gewußt (zu) haben“.[46]

Die Schritte sahen folgendermaßen aus und zielten darauf hin, österreichische Verleger in die Lage zu versetzen, ihre Preise ebenso zu senken wie der reichsdeutsche Verlag: es wurde der Vorschlag gemacht, auf den Ladenpreis sämtlicher Bücher, Musikalien und Zeitschriften, die in Österreich verkauft wurden, egal, ob von inländischen oder ausländischen Verlagen hergestellt, einen Zuschlag von 10% einzuheben. Ausgeschlossen hievon waren Schulbücher. Damit sollten die nötigen Summen beschafft werden, um eine Preissenkung zu finanzieren. Die 10%ige Umlage würde sich auf die Verkaufspreise folgendermaßen auswirken: Ein deutsches Buch, das vor dem 9.9. RM. 10,- gekostet hatte und nun um RM 7,50 gekauft wurde, würde also RM 8,25 kosten. Der österreichische Käufer hätte gegenüber dem Zustand vor dem 9.9. daher noch eine Begünstigung von 17½%. Ein österreichisches Buch, das 10 Schilling kostete, würde bei der von den Verlegern erhofften 20%igen Senkung und der gleichen Umlage S 8,80 kosten, also 12% billiger sein.

Der gesamte Inlandsumsatz an Büchern, Musikalien, Zeitschriften und Kunstblättern in Österreich wurde zu dieser Zeit auf etwa 36 Millionen Schilling geschätzt; nach Abzug der Schulbücher würden ca. 30 Millionen verbleiben. Eine Umlage von 10% würde also einen Ertrag von ca. 3 Millionen Schilling ergeben. Mit diesem Betrag meinten die Verlegervertreter das Auslangen zu finden. Aber es kam anders. Mittlerweilen wurde von seiten des Handelsministeriums erwogen, ein Einfuhrverbot für Bücher etc. zu erlassen und dann eine Abgabe auf eingeführte Bücher, Zeitschriften, Noten etc. einzufahren.[47] Auch von diesem Plan hat man Abstand genommen.

Um endlich wenigstens nach außen hin den Eindruck der Einigkeit zu demonstrieren, wurde in einer erweiterten Vorstandssitzung des Vereines am 30. September der Beschluß gefaßt, „die von Seite der Verleger in dieser Angelegenheit begonnene Aktion als erledigt zu betrachten und alle weiteren Schritte ausschließlich im Wege des Vereines zu unternehmen.“[48] Zehn Tage nach der Vorsprache bei Bundeskanzler Schuschnigg erfuhren die Mitglieder der Fachgruppe Verlag, „daß das Gesetz über die Hilfe für den österreichischen Verlag kommt und zwar vorläufig mit einer 3% [!] Auflage auf den Umsatz. (…) Das Gesetz ist als reine Wirtschaftshilfe gedacht. (…) Komm. Rat Wiedling weist noch darauf hin, daß schon jetzt klar ist, daß mit 3 % nicht das Auslangen gefunden werden kann, wenn die Hilfe dem gesamten Verlag zu Gute kommen soll.[49]

Glaubten die Verleger, daß eine 10%ige Umlage ausreichend und eine 3%ige zu wenig wäre, so war sogar diese für die Sortimenter zu viel. Es entbrannte ein neuer Streit.

Trotz des Beschlusses vom 30. September, von Einzelaktionen in Sachen Schutz des österreichischen Verlags abzusehen und alles andere dem Verein zu überlassen, ging nun am 4. Oktober die Fachgruppe Sortiment, als unmittelbar Betroffene der fälschlich [!!!] als ‚Dumping’ bezeichneten Verbilligung deutscher Bücher“ an die Öffentlichkeit, um gegen die Verleger und gegen die „Schutzmaßnahmen“ Stimmung zu machen. Ergebnis: eine dreiseitige Stellungnahme.[50] In dieser Stellungnahme nahm man es gar nicht so genau mit den Fakten. Falsche Behauptungen wechselten mit Unterlassungen ab. Delegierte sämtlicher Fachgruppen des österreichischen Buchhandels wären – hieß es da – zu den Verhandlungen zugezogen worden, „um allen berechtigten Wünschen nach Tunlichkeit Gehör und Berücksichtigung zu verschaffen“. Es wären also

bei allen Verhandlungen, dies sei ausdrücklich festgestellt, auch Vertreter des österreichischen Verlages zugezogen [worden] und es wurde von keiner Seite gegen die Inkraftsetzung der neuen Verkaufspreise in Österreich Widerspruch erhoben.[!!]

Es wurde hiebei geflissentlich außer acht gelassen, daß der „Verein“ sich vom Beginn der Verhandlungen im Frühjahr 1935 gegen die Preissenkung gewehrt hatte und daß Vertreter der Verleger zu keinem Zeitpunkt mit dem Vorhaben einverstanden waren. Aber nun ging man zum direkten Angriff über:

Trotzdem hat sich nun nach Festlegung der Beschlüsse ein Teil des österreichischen Verlages bemüßigt gefühlt, seine besonderen Wünsche ohne Wissen der Standesvertretung in der Öffentlichkeit zu verlautbaren, und zwar so, daß plötzlich die Tageszeitungen in entstellender Weise Artikel brachten, die den gesamten Vorstand in häßlichster Art angriffen und Abhilfe von seiten der Regierung forderten. Diese Verlegergruppe ging sogar so weit, daß sie die Aufmerksamkeit der höchsten Stellen des Staates für sich in Anspruch nahm.

Es ist offenkundig – die vielfach erschienenen Zeitungsartikel beweisen es – daß diese einzig vom wirtschaftlichen und kulturellen Standpunkte und darüber hinaus lediglich vom Standpunkte des Buchhändlers zu behandelnde Frage zu einem Politikum gestempelt und damit die ganze Angelegenheit auf ein Geleise geschoben wurde, das mit der konkreten Frage der Buchpreissenkung nichts mehr zu tun hat.

Die einzig hiefür in Betracht kommende Frage könnte nur sein: Ist es richtig, daß der deutsche Buchhandel das österreichische Buch gefährdet – oder besser gesagt: wird der österreichische Verlagsbuchhandel durch den deutschen Verlag wirklich so empfindlich geschädigt, wie ein Teil des österreichischen Verlages vorgibt?

Die Sortimenter, die in der Presse sehr hart angegriffen worden waren, sahen keineswegs ein, daß „die jetzt ordnungsgemäß (!) in Kraft getretene allgemeine 25%ige Preisermäßigung plötzlich als eine bedrohliche Schädigung der österreichischen Verleger empfunden und gewertet werden soll“:

Man kann nun wohl den österreichischen Weizen und Obsthandel vor dem ungarischen, man kann die österreichische Autoindustrie vor der deutschen schützen, nie und nimmer aber die Tagblatt-Bibliothek vor der Reclam-Bibliothek usw., um nur ein Beispiel aus dem Buchhandel anzuführen.

Ein Teil des österreichischen Verlages behauptet, daß durch die deutsche Buchpreissenkung der Verlag schwer getroffen sei, vergißt aber gleichzeitig zu sagen, daß sein Export nach Deutschland und der Schweiz, wo die Preise nicht gesenkt wurden und er somit die vollen Preise nach wie vor bezahlt bekommt, zwischen 50-70% des Gesamtumsatzes nach seiner eigenen Schätzung beträgt.

Die Sortimenter führen an, daß dadurch, daß die meisten österr. Schriftsteller von Rang ihre Schriften bei reichsdeutschen Verlegern erscheinen lassen,

somit die Preissenkung doch wohl auch dem österreichischen Schrifttum zugute kommt. Oder sollen diese österreichischen Autoren gegen eine Verbreitung ihrer Schriften in Österreich wohl gar durch eine Zwangsauflage oder einen Zoll „geschützt“ werden?

Die Regierung hatte es der Standesvertretung überlassen, auch ohne ein Gesetz eine Lösung des Problems zu finden, aber wie in dieser Stellungnahme zum Ausdruck kommt, war eine solche Vorstellung illusorisch. Es klingt nun der wachsende Widerstand unter den Sortimentern gegen jedweden Schutz des heimischen Verlags an, und dieser Widerstand wird nicht unwesentlich zum folgenden untauglichen gesetzlichen Mittel beitragen.

Ist es nicht höchst ungerecht, wenn überhaupt schon der bloße Gedanke erwogen wird, den ganzen österreichischen Sortimentsbuchhandel, der von allen kaufmännischen Unternehmungen mit am schwersten um seine Existenz zu kämpfen hat, mit einer neuen Steuer oder Abgabe, ganz gleich welcher Form, zu belegen? jeder arme Student, jeder schwer kämpfende Mittelständler, Arbeiter und Pensionist, unsere mit so überaus kargen Mitteln dotierten Bibliotheken, Ämter und Institute sollen nun auf diese Weise neben der hohen Umsatzsteuer auch noch eine Extraabgabe beim Bucheinkauf zu leisten haben!

Es sei weiters grotesk, meinen die Sortimenter, daß sie für eine Schädigung der großen Modezeitungs-Industrie finanziell aufzukommen hätten. Die Modezeitschriften würden ohnehin zum geringen Teil über den Buchhandel verkauft, seien so gut wie konkurrenzlos und könnten „von reichsdeutschen Modeheften überhaupt nicht konkurrenziert werden“. Das Argument der Sortimenter:

Es wäre um die Wiener Modekunst, die seit Jahr und Tag Weltruf genießt, schlecht bestellt, wenn diese Zeitschriften durch bloße 25%ige Preissenkung vom Weltmarkte verdrängt werden könnten.

„Auch darauf sei noch hingewiesen, daß durch die Senkung der deutschen Bücherpreise unsere Handelsbilanz gegenüber Deutschland verbessert wird“, heißt es in der Stellungnahme noch. Abschließend wird nochmals eindeutig gegen die in der Öffentlichkeit und unter Verlegern und in offiziellen Regierungskreisen erörterten Schutzmaßnahmen Stellung genommen. Diese Ausführungen weisen auf die Schwierigkeiten hin, die auf die Regierung zukamen.

Wir österreichischen Buchhändler würden es außerordentlich bedauern, wenn gerade Österreich der Ausgangspunkt einer Maßnahme werden sollte, die das Buch, gleichgültig in welcher Sprache, sei es durch Zwangsauflage oder Steuer verteuern würde. Wozu trifft der Staat Kulturabkommen mit den Nachbarländern, wenn im Handumdrehen der geistige Mittler, das Buch, einer Abgabe unterworfen wird. Der Gedanke allein, daß solche Ideen überhaupt Fuß fassen können, würde sowohl beim Publikum als auch bei uns österreichischen Sortimentsbuchhändlern den größten Widerstand finden und von den Gebildeten aller Staaten der Welt verurteilt und abgelehnt werden.

Endlich soll auch nicht unerwähnt bleiben, daß dem österreichischen Sortiment durch die Preissenkung neue Opfer auferlegt wurden, da man doch einen Großteil des Bücherlagers zum hohen Preis angekauft hat, es aber jetzt zum gesenkten Preis verkaufen muß. Trotzdem hat das österreichische Sortiment im Interesse einer absolut notwendigen Belebung des gesamten Buchgeschäftes dem Vorschlag der Preissenkung seine schließliche Zustimmung nicht verweigert.

Die Auferlegung neuer Opfer, überhaupt die angeklungene Opfergesinnung der Sortimenter, war bloß eine Halbwahrheit, denn sie (die Öffentlichkeit allerdings nicht) wußten, daß eine Entschädigung für Lagerverluste vorgesehen war. Vielmehr wurde die „Zustimmung nicht verweigert“, weil hohe Gewinne, ja groteske Handelsspannen winkten. Diese Stellungnahme, die wir hier in extenso zitierten, blieb freilich nicht unwidersprochen. Drei Tage später hat das Verlegerkomitee in einer Gegendarstellung von Friedrich Meyer „Die Unrichtigkeiten des Sortimenter-Rundschreibens zur Buchpreissenkung“ aufgezeigt.[51] Auf die Vorwürfe werden Gegenvorwürfe vorgebracht. Die Verleger seien über den Verlauf der Verhandlungen in Salzburg, Leipzig und Berlin gar nicht informiert und vor die vollendete Tatsache der erteilten Zusicherung gestellt worden, daß Gegenmaßnahmen seitens des Vereins nicht unternommen würden. Wie erinnerlich, waren die Vereine in den Bundesländern auch nicht informiert worden. Die Sortimenter hatten sich – so lautet der Vorwurf – nicht an die Vereinbarung gehalten, keine laute Reklame für die Ermäßigung zu machen.

Am 12. Oktober – inzwischen hatten die in Aussicht genommenen „Schutzmaßnahmen“ konkretere Form angenommen – kam es zu einer zweiten Stellungnahme der Sortimenter, also gewissermaßen zu einer Ergänzung der ersten. „Der Trieb zur Selbsterhaltung“, wie es dort heißt, und „kollegialer Zusammenschluß“ seien vonnöten, um sich vereint gegen die in Erwägung gezogenen Maßnahmen zugunsten des österreichischen Verlags zur Wehr zu setzen. Dazu heißt es wörtlich:

Der österreichische Sortimentsbuchhandel hat nach dem Stand der Dinge allen Grund zu fürchten, daß durch die beabsichtigte Einführung einer Auflage, Steuer oder sonstigen zwangsweisen Bildung eines Fonds zur Stützung österreichischer Verlage ein empfindlicher Rückgang des Buchgeschäftes und eine Störung des bevorstehenden Weihnachtsgeschäftes zu erwarten ist, wenn dem nicht in letzter Stunde energisch entgegengetreten wird.

Um das von einigen Verlegern heraufbeschworene Unheil, daß [sic!] sich bestimmt auch für den österreichischen Verlag letzten Endes unglücklich auswirken müßte, abzuwenden, haben wir uns veranlaßt gesehen, unsere Denkschrift den amtlich damit befaßten Stellen zu übermitteln. Ferner werden wir in der Hauptversammlung am 20. Oktober 1935 einen Antrag auf Ablehnung der beabsichtigten Maßnahmen einbringen und das zahlenmäßige Ergebnis gleichfalls unverzüglich den amtlichen Stellen zugehen lassen.

Diese Stellungnahme ist nur ein weiterer Hinweis dafür, daß die österreichische Regierung vor der Alternative stand, entweder autoritär bzw. autokratisch vorzugehen oder sich zu einer Kompromißlösung bereit zu erklären, die zu nichts taugte.

Anläßlich einer Sitzung des Hauptausschusses des Vereins am 19. Oktober gab der Vereinsvorsitzende Frick seinen Entschluß bekannt, nach 12jähriger Tätigkeit zurückzutreten. Die letzten Wochen hätten „an seine Nerven derartige Ansprüche gestellt (…), daß er nicht mehr die notwendige Spannkraft in sich fühle, um seine Tätigkeit erfolgreich fortsetzen zu können“.[52] Auch anläßlich der Jahreshauptversammlung des Vereins am 20. Oktober wurde versucht, die Uneinigkeit zu planieren. Es kam zu einem einstimmig angenommenen Beschluß: „eine Hilfe zum Schutz der geschädigten Verlage [sei] unbedingt notwendig.“ Die Weichen waren also für die Zukunft gestellt. Der Verein dachte aber im Gegensatz zur Bundesregierung nicht wie ursprünglich an eine Förderung des heimischen Verlags schlechthin, d.h. daran, „den österreichischen Verlag durch geeignete Maßnahmen zu schützen“,sondern jetzt an eine Entschädigung für vereinzelte, von dem Dumping betroffene Verlage. Die Hauptversammlung beschloß demnach,

an die Regierungsstellen mit der weiteren Bitte heranzutreten, den Weg einer Abgabe nicht zu beschreiten und ein diesbezügliches Gesetz nicht zu erlassen.

Es sollten vielmehr

Mittel zur Verfügung gestellt werden, die den Verlagen zur Rückvergütung der zwangsläufig vorzunehmenden Preissenkung in Österreich und beim Export in das Ausland mit Ausnahme von Deutschland und der Schweiz – dienen sollen.

Der einzige Schönheitsfehler an diesem Vorschlag lag darin, daß die Regierung für solche Stützungen kein Geld hatte. Das, was resultierte, hatte auch gar nichts mit „Rückvergütung“ zu tun.

Die Versammlung wehrte sich somit – ganz im Sinne der Sortimenter – gegen das eigentliche Vorhaben der österreichischen Bundesregierung. Da es nun galt, Einigkeit zu demonstrieren, bekamen die offiziellen Stellen, wie z.B. Bundesminister Stockinger und Ministerialrat Dr. Herget, der für die Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs verantwortlich war, entsprechende Schreiben des Vereins.[53] Dabei fallen nun Wendungen wie „von allen Fachgruppen“, „gemeinsam beantragt“, „einstimmig angenommen“, „einschließlich des Verlages“ geradezu auf. Aber auch die Presse bekam Unterlagen über die neugefundene Einheit des Vereins.[54]

Bevor wir nun die „Gesetzeswerdung“ verfolgen und die Vorstellung der österreichischen Bundesregierung ausführlich behandeln, sehen wir uns zunächst einmal die revidierten Vorstellungen der Fachgruppe Verlag in dieser Richtung an.

Wie Paul Zsolnay bei einer Verlegerbesprechung am 28. Oktober ausführte, gingen die Überlegungen noch davon aus, daß die heimischen Verlage „unbedingt ebenfalls eine Senkung brauchten“. Der Syndikus, Dr. Wisloschill, hatte noch in der letzten Vereinsvorstandssitzung am 25. Oktober einen Vorschlag unterbreitet, nach dem das Sortiment eine 1½%ige Auflage zu tragen hätte und der Verlag eine 5%ige Abgabe von der Ausfuhrvergütung. Mit diesen Beträgen, die ca. S 100.000 und 50.000 ausmachen würden, sollten vorläufig die notleidenden Verlage gespeist werden und dann später ein Rahmen geschaffen werden. Von der Zustimmung der Sortimenter würde die Verwirklichung des Vorschlags abhängen. Dazu Walter Wiedling: „Sie werden von den übertriebenen Hoffnungen der Senkung bereits ernüchtert sein. (…) Der Verein ist nicht in der Lage, die Beträge einzutreiben. Das muß die Regierung machen.“ Paul Zsolnay meinte dazu:

Unser Verlag hat 70% Umsatz in Deutschland. Ich glaube, eine Auflage würde sich für uns sehr schwer auswirken. Wir müssen das kleinere Übel wählen, und das ist keine Auflage. Die Regierung soll uns helfen. Wir haben dem Sortiment Zusage gegeben, da wir sein vermeintliches Glück nicht stören werden.

Es kam zu folgendem Beschluß:

Die Anwesenden sind der Meinung, daß versucht werden soll, eine Regierungshilfe für den österreichischen Verlag zu bekommen, in derselben Weise, wie die deutschen Verleger von der deutschen Regierung. Der Beschluß der letzten Vereinsvorstandssitzung ist nach reichlicher Erwägung als nicht zum Ziele führend erkannt worden, weil beide Quellen unzureichend und die Sortimenterabgabe unsicher ist. Es könnten damit nicht einmal die Schäden der am schwersten getroffenen Verlage gedeckt werden, geschweige denn die notwendige allgemeine Erhaltung des Verlages ermöglicht werden.[55]

Es kam aber alles anders, als die Beteiligten es sich vorstellten: „Die Vertreter des Vereines der österreichischen Buchhändler haben ihren Plan der freiwilligen Aufbringung von Mitteln zur Unterstützung des Verlages nicht durchführen können.“[56]

3. Vorspiel zum Gesetz

Obwohl sich der Ministerrat erst am 25. September mit der Frage „Schutz des österreichischen Verlags“ befaßte, waren die Beamten verschiedener Ministerien, vor allem des Handelsministeriums, bereits längere Zeit bemüht, eine Lösung zu finden. Es wurde zu allererst bei der Kammer für Handel, Industrie und Gewerbe ein Fachgutachten in Auftrag gegeben.

a) Das Fachgutachten

Die Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in Wien wurde gebeten, sich mit den österreichischen Interessenten in Verbindung zu setzen, um festzustellen, welche Mittel geeignet wären, die schädlichen Folgen der Ermäßigung deutscher Verlagswerke zu beheben oder zu mildern und das Für und Wider aller Argumente für das Ministerium darzulegen.[57] Es wurden vier Optionen erörtert: erstens wäre es laut Gutachten vor allem naheliegend, durch ein ähnliches Vorgehen wie in der Schweiz die Abwendung der Preisnachlässe für Lieferungen nach Österreich abzulehnen. Das war aber aus den uns nun bekannten Gründen unmöglich. Zweitens bestand der Plan, den Inlandsmarkt dadurch zu schützen, daß für deutsche Verlagswerke ein ausreichender Zoll im Ausmaß des deutschen Dumpings, also 25%, eingehoben werde. Dies wurde jedoch als „äußerst gefährlich“ von der Mehrzahl der Interessenten abgelehnt. Maßgebend war die Angst vor Retorsionsmaßnahmen. Drittens wurde zwar einem Schritt der österreichischen Regierung bei der deutschen mit geringer Zuversicht entgegengesehen, gleichzeitig aber wurde er befürwortet.

Es müßte nur der Intervention jeder aggressive Charakter genommen und insbesondere von der Androhung von Repressalien zunächst abgesehen, die Unerwünschtheit der deutschen Preisermäßigung mit der Schädigung unserer Verlegerfirmen und mit den nachteiligen Folgen begründet werden, die solche Preisdifferenzierungen erfahrungsgemäß mit sich bringen.

Viertens wurde von den Interessenten auf die Aufbringung von Mitteln Wert gelegt, die zum Ausgleich der Inlandspreise gegenüber den ermäßigten deutschen verwendet werden sollten. Das hieß also: ein bestehendes Dumping wieder durch ein Dumping zu paralysieren. Man sollte also auf jedes Buch einen Zuschlag von geringer Höhe einheben, aus dem ein Fonds zu bilden und die Zuschüsse zu bestreiten wären. Wegen des Widerstands der Buchhändler und Sortimenter waren die Verleger der Ansicht, „daß ein solcher Zuschlag nur durch eine gesetzliche Bestimmung verfügt werden könnte“.

Die Kammer war in ihrem Gutachten der Ansicht, „daß alle Maßregeln, die in Erwägung gezogen werden, mit der größten Beschleunigung ergriffen werden müßten“. Abschließend glaubte die Kammer, „daß eine gesetzliche Verfügung über die Einhebung einer Sonderabgabe schon jetzt vorbereitet und die deutsche Regierung im Falle einer Ablehnung (der Intervention) auf diese Absicht aufmerksam gemacht werden müßte“.

b) Befassung des Ministerrats

Das Handelsministerium (im Einvernehmen mit dem Finanz- und Unterrichtsministerium) setzte seine Arbeit unentwegt fort: während einer 4½ Stunden dauernden Sitzung des Ministerrats[58] beschäftigte sich die Regierung am 25. September 1935 mit dem vorletzten Punkt auf der Tagesordnung – nach „Monatsvoranschlag für Oktober 1935“ und vor Punkt 16 „Ankauf von Roggen im Ausland“ – nämlich dem „Schutz der österreichischen Verlagsproduktion“.

Es wäre vielleicht interessant zu bemerken, daß der Ministerrat sich in derselben Sitzung mit zwei für literarisch und künstlerisch Schaffende in Österreich äußerst wichtigen Gesetzesvorlagen befaßte, nämlich dem neuen Urheberrechtsgesetz und dem Verwertungsgesellschaftengesetz, das die Basis für die Gründung der heute noch bestehenden Literarischen Verwertungs-Gesellschaft (L.V.G.) schuf.

c) Ausführungen des Ministers und anschließende Debatte

Der Bundesminister für Handel und Verkehr Friedrich (Fritz) Stockinger[59] wies einleitend darauf hin, daß die österreichische Verlagsproduktion durch das reichsdeutsche Dumping bereits „fühlbar“ beeinflußt werde. Dies sei jedoch keine Einzelerscheinung, weil das reichsdeutsche Dumping sich mehr oder weniger auf die gesamte Industrie erstrecke. Bei Büchern betrage die Ermäßigung 25%, bei anderen Artikeln, wie z.B. Röhren und Seidengespinsten, gar 50%. Von seiten des Ministeriums würden zwei Maßnahmen erwogen, um der deutschen Konkurrenz entgegenzuwirken. Es habe zunächst die Anregung gegeben, die deutschen Bücher mit einer Abgabe im Ausmaß von 20% (sprich: Zoll) zu belegen. Dazu fehlte jedoch auf Grund der bestehenden Handelsverträge jede Möglichkeit, weil man mit einer derartigen Maßnahme nicht Deutschland allein, sondern den gesamten Import an Verlagsartikeln aus allen Staaten belasten müßte. Im Endeffekt würde man den Absatz der österreichischen Produktion weder im Inland noch im Ausland fördern.

Der zweite Vorschlag, so Stockinger, gehe in Richtung Abgabe, und zwar dahin, von allen in- und ausländischen Verlagswerken, die in Österreich zum Verkauf gelangten, eine Abgabe von 7½% (!) einzuheben. Ausgehend von einem Gesamtumsatz in Österreich von 36 Millionen Schilling würde dies eine Einnahme von 2,7 Millionen bedeuten,[60] die einem eigenen Fonds zuzuführen wären, „aus dem die österreichische Verlagsproduktion zu subventionieren wäre“. „Eine derartige Maßnahme würde im Effekt einer 20%igen Exportsubvention gleichkommen.“

Bundeskanzler Schuschnigg, der sehr bald und von mehreren Seiten mit dem Problem konfrontiert wurde,

habe sich für die zweite Alternative ausgesprochen, weil der erste Vorschlag mit einer Einnahme für die Staatskasse verbunden wäre, während der zweite lediglich nichts kosten würde. Überdies wäre zweifellos mit einer Restriktion des Konsums zu rechnen.

Besonders wichtig war also seiner Meinung nach, daß der Vorschlag „nichts kosten würde“, nicht zuletzt deshalb, weil der Staat kein Geld hatte. Bei dieser ersten Behandlung der Materie durch den Ministerrat haben sich außer dem referierenden Handelsminister und Bundeskanzler Schuschnigg noch zwei Anwesende zu Wort gemeldet, nämlich der Bundesminister für soziale Verwaltung, Odo Neustädter-Stürmer,[61] und der Staatssekretär im Unterrichtsministerium, Dr. Hans Pernter.[62]

Neustädter-Stürmer meinte, es sei zu erwägen, „ob die inländische Produktion nur 10% des gesamten Bücherumsatzes ausmache, und es müsse daher als fraglich bezeichnet werden, ob der erwartete finanzielle Effekt tatsächlich eintreten werde“. Der Minister hatte sich offenbar nicht in die Materie vertieft, da er vom Widerstand gegen eine solche Umlage – egal ob 7/2 % oder gar nur 3 % – nichts wußte.

Zur Aufklärung der Ministerkollegen gaben Pernter und Stockinger Umsatz- und Exportziffern bekannt: Stockinger bezifferte den österreichischen Export an Büchern (mit Ausnahme von Deutschland und der Schweiz) mit rund 4 Millionen Schilling, an Modezeitschriften mit rund 6 Millionen Schilling, an sonstigen Zeitschriften mit 1,2 Millionen und an Musikalien mit 0,2 Millionen. Zusammen werde ein Betrag von 11,8 Millionen Schilling erreicht. Pernter bemerkte, daß inländische Verlagswerke etwa 8 Millionen Schilling des Gesamtumsatzes von 36 Millionen ausmachten und daß auf die Einfuhr aus dem Ausland der Betrag von 28 Millionen entfalle. Wertmäßig entfielen also 22% des Gesamtumsatzes auf österreichische Verlagswerke, 78% auf ausländische. Mengenmäßig betrachtet, verteilte sich der Verkauf an Büchern zu 40% auf reichsdeutsche, zu 40% auf andere ausländische und zu 20% auf inländische Werke.

Hierauf stellte Bundesminister Stockinger den Antrag,

der Ministerrat wolle den bezeichneten Maßnahmen nach der zweiten Alternative grundsätzlich zustimmen und das Bundesministerium für Handel und Verkehr beauftragen, im Einvernehmen mit den Bundesministerien für Unterricht sowie für Finanzen zur Regelung der Angelegenheit einen entsprechenden Gesetzesentwurf auszuarbeiten.

Aber auch der Bundeskommissär für Heimatdienst, Walter Adam, meldete sich zu Wort, um die kuriose Frage aufzuwerfen, „ob nicht die in Aussicht genommene Verfügung seitens der jüdischen Literatur in einer Weise ausgenutzt werden könnte, die der Regierung unbequem wäre“. Hinter dieser kryptischen Bemerkung stand die durch nichts zu begründende Furcht, „jüdische“, in Österreich ansässige Verlage könnten nun eine allfällige, unter staatlicher Aufsicht zuteil gewordene Förderung zur Belieferung des deutschen Markts mit unerwünschten Schriften verwenden. Der Gedanke ist ebenso weltfremd wie unrealistisch, und erst recht in Anbetracht dessen, wie die Verfügung in der Praxis funktionierte.

In Erwiderung darauf gab sich der Bundeskanzler als Schützer der gesamten Industrie:

dies könne man noch eher in den Kauf nehmen als die Gefahr, daß die österreichischen Verleger ihre Verlagswerke ins Ausland zum Druck gäben.

Abschließend bemerkte Staatssekretär Pernter, der „Autorenverband“,[63] dessen Mitglieder ihre Werke in deutschen Verlagen erscheinen ließen, hätte sich gegen die Einführung einer allgemeinen Auflage auf die Einfuhr von Verlagsartikeln ausgesprochen. Der Ministerrat genehmigte hierauf den gestellten Antrag.

Es vergingen nun etwa zwei Monate, bevor das „Verlagsförderungsgesetz“ auf der Tagesordnung einer Sitzung des Ministerrates stand. Ungefähr zehn Wochen lang wurde an einem Entwurf „über die Schaffung eines Fonds zur Förderung des österreichischen Buch- und Musikalienverlages“, „Verlagsförderungsgesetz“ genannt, in verschiedenen interministeriellen Besprechungen und solchen mit den Interessenten verhandelt.

Während dieser Zeit trafen zahlreiche Protestschreiben und -telegramme,[64] ablehnende Stellungnahmen, aus denen wir z.B. schon zitiert haben, usw. bei den betreffenden Ministerien ein. Als stärkste und durchschlagskräftigste Lobby erwiesen sich die Buchhändler. Der Verein der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler beharrte auf der Entschließung der Hauptversammlung vom 20. Oktober, „den Weg einer Abgabe nicht zu beschreiten und ein diesbezügliches Gesetz nicht zu erlassen“ (Protokoll). Kurz bevor die Begutachtungsfrist Ende Oktober auslaufen sollte, machte der Verein am 30. Oktober seine Abänderungswünsche bekannt. Der Unwille, Kompromisse zu schließen, geht aus ein paar Formulierungen in einem Gedächtnisprotokoll eines Vereinsvertreters anläßlich eines Telefonats mit Ministerialrat Dr. Herget hervor: „Wenn aber die Regierung auf dem Gesetz beharre, dann schlage der Verein die gewissen Abänderungen vor.“ „Falls die Regierung unbedingt von der Notwendigkeit eines Verlagsschutzes unter Belastung des Buchhandels überzeugt ist, schlägt der Verein folgendes zur Abänderung vor: (…)“[65] Diese akzeptierten Vorschläge verwässerten das Gesetz derart, daß man schon vor dem Beschluß von einer Zweckentfremdung sprechen konnte. Sie lassen sich nur als gelungener Versuch interpretieren, das gutgemeinte Gesetz zu torpedieren. Auf die einzelnen Abänderungen kommen wir noch zu sprechen.

Anmerkungen

[1] Näheres zur Gründung und Entwicklung siehe u.a. Wilhelm Müller, Der Verein der österr.-ungar. Buchhändler seit 50 Jahren, in: Österreichisch-Ungarische Buchhändler-Korrespondenz. Festnummer 1910. Wien 1910, I. Teil, S. 3-10.

[2] Näheres dazu CARL JUNKER, Die Buchhändler-Correspondenz 1860-1910. Ebenda, I. Teil, S. 29-34.

[3] BC, Nr. 42, 16.10.1918, S. 487. Erst im Juli 1918 war der Verein der ungarischen Verleger zustandegekommen. (BC, Nr. 36, 4.9.1918, S. 416.)

[4] Im folgenden soll kurz angeführt werden, bei welcher Firma, vielmehr in welcher Buchhandelssparte, der jeweilige Standesvertreter tätig war. Somit sollten „Loyalitäten“ in entscheidenden Fragen ersichtlich werden. Frick war Chef der Buchhandlung gleichen Namens und geschäftsführender Verwaltungsrat des großen Schulbuchverlags Hölder-Pichler-Tempsky AG in Wien.

[5] P. war Geschäftsführer von Mayer & Comp., einer Sortiments- und Verlagsbuchhandlung in Wien, einer der ältesten katholischen Buchhandlungen Österreichs. Die Firma war auch österreichischer Auslieferer für einige deutsche Verlage. P. war außerdem Vorstandsmitglied der „Vereinigung des katholischen Buchhandels“. Er wurde 1925 in den Vorstand des Vereins berufen, 1931 zum 2. Vorsitzenden gewählt.

[6] D. war seit 1919 Besitzer der Buch-, Antiquariats- und Verlagshandlung gleichen Namens.

[7] P. war seit 1914 Besitzer der Sallmayer’schen Buchhandlung M. Patkiewicz in Wien.

[8] P. war seit 1920 Besitzer und Geschäftsführer der Beck’schen Universitäts-Buchhandlung Alfred Hölder in Wien.

[9] R. war Gesellschafter der Buch- und Antiquariatshandlung Reichmann in Wien.

[10] D. war seit 1924 Gesellschafter der Universitäts-Buchhandlung Gerold & Co. in Wien. Als Verlagsbuchhandlung hat die Firma eher gelegentlich auch Bücher herausgebracht. Ein Teil des Verlagsarchivs findet sich in der WrStLb.

[11] H. war Inhaber der 1914 gegründeten Buchhandlung und Verlagsgesellschaft L.H. in Wien. Die Firma umfaßte Verlag und Antiquariat und hatte die Alleinauslieferung für Österreich und die Nachfolgestaaten für fast 40, in der Mehrzahl reichsdeutsche Verlage (Stand: 1937).

[12] L. war seit 1910 Geschäftsführer von Carl Haslinger, Musikalien-, Buch- und Kunsthandlung in Wien.

[13] S. war Mit-Besitzer der auf rechts- und staatswissenschaftliche Werke spezialisierten Manz’schen Verlags- und Universitätsbuchhandlung in Wien und Leipzig. Manz betrieb das Verlags- und Sortimentsgeschäft sowie eine Buchdruckerei. S. war also neben Walter Wiedling der einzige „österreichische Verleger“ im ganzen Vorstand des Vereins.

[14] W. war Alleingesellschafter und geschäftsführender Direktor des 1920 gegründeten „Deutschen Verlags für Jugend und Volk“. Diese Firmenbezeichnung war übrigens im Ständestaat z.T. sehr umstritten. W. war außerdem Direktor des 1930 (in Wien) gegründeten Schulwissenschaftlichen Verlags Haase und somit (obwohl er keinem belletristischen Verlag vorstand) von den 11 Vorstandsmitgliedern am ehesten mit den Anliegen des österreichischen Verlags vertraut. W. wurde am 20.1.1887 in Wien als Sohn des Verlagsbuchhändlers Albert W. geboren. Sein Vater hatte den seit 1874 in Wien bestehenden und von Martin Gerlach gegründeten Buch-, Kunst- und Musikalienverlag Gerlach & Wiedling bis zu seinem Tod im Jahre 1923 geleitet, woraufhin Walter W. Gesellschafter der Firma wurde. Er war bereits seit geraumer Zeit Obmann der Fachgruppe Reisebuchhandel im Verein. Später – Anfang 1937 – wurde er zum Präsident-Stellvertreter der Zwangsgilde der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler ernannt. Im selben Jahr wurde er Geschäftsführer des vaterländisch eingestellten Reinhold-Verlags in Wien. Außerdem war W. Vize-Präsident der Staatlich genehmigten Literarischen Verwertungsgesellschaft (L.V.G.) In unserem Zusammenhang kommt noch der Posten des Obmann-Stellvertreters des Verlagsförderungsfonds hinzu.

[15] M. war seit 1914 Geschäftsführer des 1884 gegründeten Verlags und Kunstverlags Anton Schroll & Co. in Wien sowie Kollektiv-Prokurist der 1848 gegründeten Wiener Verlagsbuchhandlung L.W. Seidel & Sohn. Die gesamte Auslieferung dieser Firma erfolgte durch Anton Schroll.

[16] A. war Kollektiv-Prokurist des Ende 1866 in Wien gegründeten Verlags- und Sortimentshandels für Medizin und Naturwissenschaft in Wien 9, Urban & Schwarzenberg.

[17] P. war Mit-Besitzer (zusammen mit Karl P.) der Beck’schen Universitäts-Buchhandlung Alfred Hölder in Wien.

[18] M. war Geschäftsführer der Firma „Buchhandlung und Zeitungsbüro Morawa & Co., Zeitungszentrale und Sortiment, Zeitschriften-Lesezirkel“. Die Firma hatte eine vorherrschende Stellung im Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftenvertrieb in ganz Österreich. Politisch nicht unbedeutend war Morawas Monopolstellung bei der Auslieferung reichsdeutscher illustrierter Zeitschriften und nicht verbotener Zeitungen. Morawa & Co. hatte von allen hier vorgestellten Vereinsfunktionären das größte (finanzielle) Interesse an der reichsdeutschen Preissenkung. Von Morawas wandlungsreicher Karriere wird noch etwas später die Rede sein.

[19] F. als „Verleger“ war gewissermaßen ein Grenzfall. Einerseits stieg er in das Verlagsgeschäft relativ spät ein, andererseits spielte die Belletristik in seinem Programm eine untergeordnete Rolle. Der „Verlag Wilhelm Frick“ Wien-Leipzig-Olten kündigte in einem Prospekt 1937 12 Neuerscheinungen, darunter drei Romane, an.

[20] H. hatte vielverzweigte Verlagsgeschäfte. Sein Vater, Bernhard H. sen., war seit 1876 Besitzer der 1835 gegründeten Firma „Musikhandlung, Verlag, Antiquariat und Leihanstalt Ludwig Doblinger (Bernhard Herzmansky)“. Nach dessen Tod übernahm B. H. jun. das Geschäft im Jahre 1921. Er war u.a. Mitglied des Sachverständigen-Kollegiums in Sachen des Urheberrechts im Bereich der Tonkunst, ferner Geschäftsführer der Musikalien-Sortimenthandlung Otto Maass Ges.m.b.H. in Wien und Präsident der 1921 gegründeten Zentralgesellschaft für buchgewerbliche und graphische Betriebe AG, einer Art Vertikalkonzern, der Verlagsunternehmungen (L. Doblinger, A. Hartleben, A. Pichler’s Witwe & Sohn, Artaria, Freytag & Berndt, Hölder-Pichler-Tempsky), Produktionsfirmen (A. Holzhausen, Ferd. v. Kleinmayr) und Sortimentsfirmen (L. Doblinger, Wilhelm Frick, A. Hartleben, Rud. Lechner & Sohn O.W. Lechner, A. Pichler’s Witwe & Sohn, sämtlich in Wien , Ferd. v. Kleinmayr, Klagenfurt) umfaßte. Viel bedeutender war in unserem Zusammenhang deren Abteilung „Auslieferung deutscher Verleger“, Kommissionsbuchhandlung, die ca. 30 (Stand 1937) vorwiegend deutsche Verlage in Österreich vertrat. Die Zentralgesellschaft, die im April 1921 als Ges.m.b.H. gegründet wurde und 1923 in eine AG umgewandelt wurde, nahm vor allem als Auslieferer an Bedeutung zu, als z.B. 3 größere Unternehmen (Rikola-Verlag AG, WILA AG und Literaria AG) Mitte der 20er Jahre eingingen. (Zur Aufgabe und Organisation siehe u.a. Anzeiger, Nr. 43, 24.10.1924, S. 509). H. war schließlich noch Präsident der Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger und in dieser Eigenschaft auch Gegner des Buchdumpings. Auf H., der nach Ende des Zweiten Weltkriegs wegen seines politischen Verhaltens ins Gerede kam, werden wir noch bei den Mitgliedern der Verwaltungskommission des Verlagsförderungsfonds stoßen.

[21] Rudolf Crncic (21.4.1869-30.11.1948) trat im September 1891 bei Freytag & Berndt ein, wurde im Dezember 1910 Verlagsleiter, 1911 Geschäftsführer der Ges.m.b.H., 1923 Prokurist bzw. kaufmännischer Direktor. Er trat im Juli 1943 in den Krankenstand und starb fünf Jahre später. Mit den Anliegen des schöngeistigen Verlags wird er nicht vertraut gewesen sein. Etwa 70% des Umsatzes dieser Anstalt wurden im Inland abgesetzt.

[22] Die Umbildung des Vereins erfolgte durch Statutenänderungen, die in der Vereinsversammlung vom 26. 10. 1935 beschlossen und mit Erlaß der M.A. 2 in Wien vom 6. 12. 1935 genehmigt wurden. „Der Verein darf daher künftig nur mehr jene wirtschaftlich-fachlichen Aufgaben erfüllen, welche nicht dem Handels- und Verkehrsbund obliegen und hat im übrigen den kollegialen, kulturellen und gemeinnützigen Zusammenschluß der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler zu pflegen.“ (Anzeiger, 76. Jg., Nr. 32, 21.12.1935, S. 199.)

[23] „Ihr Wirkungskreis erstreckt sich auf den gesamten Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhandel; es deckt sich also der örtliche Wirkungsbereich mit dem der früheren Wiener Korporation und der sachliche mit dem des Vereines der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler. Aus dem sachlichen Wirkungsbereich der Wiener Korporation fehlen unserer Wiener Zwangsgilde die Inkorporierung und die Begutachtung.“ (Anzeiger, 77. Jg., Nr. 32, 31.12.1936, S. 205.)

[24] K. war Geschäftsführer der Verlagsanstalt Tyrolia AG Buchhandlung in Wien, und zwar der Auslieferungsstelle des Tyrolia-Buch- und des Tyrolia-Zeitschriftenverlages.

[25] M. war Direktor des Verlags Styria in Graz, der Buchhandlung Styria in Graz, von Ulrich Mosers Buchhandlung in Graz, der Universitäts-Buchdruckerei „Styria“ in Wien sowie der Verlagsbuchhandlung Anton Pustet in Salzburg.

[26] R. war Geschäftsführer von Anton Schroll & Co. in Wien sowie von L.W. Seidel & Sohn in Wien.

[27] St. war ehem. Geschäftsführer der Firma W. Karczag in Wien, eines Musik- und Bühnenverlags.

[28] U. war Teilinhaber des Verlags und Sortimentsbuchhandels für Medizin und Naturwissenschaften in Wien, Urban & Schwarzenberg.

[29] Anzeiger, 77.Jg., Nr. 32, 31.12 1936, S. 206.

[30] Siehe die „Verhandlungsschrift der 1. Sitzung“. In: Anzeiger, 78. Jg., Nr. 4, 6.2.1937, S. 15 f.

[31] Anzeiger, 78. Jg., Nr. 7, 20. 3. 1937, S. 42.

[32] Es mutet auf den ersten Blick eher seltsam an, daß Coudenhove-Kalergi in der Sektion „Zeitschriften- und Zeitungsverlag“ vertreten sein sollte. Doch war er Inhaber des Verlagsbuchhandels „Pan Europa-Verlag Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi“, der am 30.6.1924 nach Konzessionserteilung des Wiener Magistrats offiziell gegründet wurde. In diesem Jahr begann der Verlag die Zeitschrift Pan-Europa herauszugeben, die dann bis 1938 erschien. Im Juli des folgenden Jahrs (1925) wurde die Firma in das Register für Einzelfirmen beim Wiener Handelsgericht eingetragen. Der Zusatz „Pan Europa-Verlag“ diene „ganz unzweifelhaft zur näheren Bezeichnung des Geschäftes, (…). Es ist gerade bei den Büchern meines Verlages, die alle der paneuropäischen Bewegung und Idee gewidmet und auf den internationalen Betrieb berechnet sind, unbedingt notwendig, daß die Verlagsfirma als solche auch das Wort ‚Pan Europa’ enthält. Die ganz spezielle Art meines Verlages, der eben kein auf Gewinn berechnetes Geschäftsunternehmen ist, sondern nur der paneuropäischen Idee dienen soll, erfordert dringend zur näheren Bezeichnung sowohl der Person als auch des Geschäftes den Zusatz ‚Pan Europa-Verlag’“. (Schreiben Coudenhoves an das Handelsgericht Wien vom Juli 1925.) Am 28. Juli 1925 wurde die Firma unter Register A 46, 91a ins Wiener Handelsregister eingetragen. Neben den der Bewegung dienenden Werken wie Krise der Weltanschauung und Adel gab der Verlag auch die Zeitschrift Pan Europa heraus, das wohl zu Coudenhoves Berufung in die Sektion führte. Coudenhove-Kalergi war laut Zentralmeldeamt vom 12.4.1941 „am 12.3.1938 geflüchtet“ (Registerakt). Seine Firma wurde „arisiert“ und erst am 16.5.1942 von Amts wegen gelöscht. Auf den Verlag wird in der weiteren Arbeit nicht mehr eingegangen.

[33] Abgezogene Einladung, in V 1935, Mappe 422, vom Syndikus Dr. Sigmund Wisloschill unterzeichnet. In Vorbereitung auf diese Besprechung kam es am 17. August zu einer Vorsprache im Finanzministerium wegen der Ziffern der von Buch-, Kunst- und Musikalienhändlern 1934 abgeführten WUST. Es galt nun festzustellen, ob eine Erhöhung dieser Steuer auf Büchern einen Fonds zur Stützung des österreichischen Verlags speisen könnte. Da aber diese Steuer nicht branchenmäßig, sondern nur gebietsweise behördlich erfaßt wurde, konnte sodann die Zweckmäßigkeit eines erhöhten Satzes nicht festgestellt werden. (V 1935, Mappe 423.2; Gedächtnisprotokoll der Vorsprache vom 17.8.1935.)

[34] Siehe „Präsenzliste für die am Montag, dem 19. August 1935, um ½ 6 Uhr abends stattfindende Sitzung der Fachgruppe Verlag des Vereines in Angelegenheit der Preissenkung des reichsdeutschen Buches“, V 1935, Mappe 422.

[35] Protokoll, ebenda.

[36] Der Staatssekretär im Unterrichtsministerium reagierte auf die Eingabe des Verlegerverbandes in einem Schreiben vom 6.9.1935 an das BMfHuV (Z. 28.182-1-6b) folgendermaßen: „(…) Da das h.o. Ressort vom Standpunkte der Auswirkung der Maßnahme auf die österreichischen Schriftsteller und Komponisten sowie überhaupt auf das Kulturleben an der Angelegenheit interessiert ist, wird um gefällige Bekanntgabe der bezüglichen do. Absichten ersucht. Der Staatssekretär: Pernter.“ (AVA, BMfHuV, Geschäftszeichen: 570; Grundzahl: 106.248-9/35; Geschäftszahl: 107.299-35)

[37] Durchschläge dieser Schreiben in V 1935, Mappe 422.

[38] Nach einem hs. Vermerk (V 1935, Mappe 423-2) vom 23. 8. 1935 wurde die Eingabe für den Handelsminister anläßlich einer Vorsprache bei Ministerialrat Dr. Max Herget einer Schlüsselfigur in den Verhandlungen wie bei der Vorbereitung für das Verlagsförderungsfonds-Gesetz – überreicht. Der Durchschlag dieses Schreibens an Sr. Hochwohlgeboren Herrn Bundesminister für Handel und Verkehr Friedrich Stockinger befindet sich in AVA, BMfHuV, wie Anm. 36, Geschäftszahl 106.248-9/35. Gegenstand: Deutsches Buchdumping. Die Eingabe ist von Hans Deuticke und Karl Fr. Ahlgrimm unterzeichnet.

[39] Mehrere Klein- und Kleinstverlage teilten dem Verband mit, daß sie ohnehin zu 100% den heimischen Markt belieferten. Die Unterlagen zur folgenden Tabelle befinden sich in V 1935, Mappe 423.2.

[40] So z.B. am 6.9. beim Min.Rat Ballacs im Handelsministerium. Ein Vertreter des Vereins schlug vor, die Exportförderung durch Zuwendung von Mitteln aus der Arbeitsbeschaffung zu finanzieren, da die Voraussetzungen für die Exportförderung nach dem Exportförderungsgesetz nicht gegeben waren. Ballacs lehnte dies ab und schlug einen Retorsionszoll oder eine Einfuhrsperre für Bücher mit Abgabe vor. Dies lehnte der Vereinsvertreter seinerseits ab. Von seiten der Handelskammer wurden dein Verein am 10.9. weitere Optionen unterbreitet: a) Ablehnen, wie es die Schweiz gemacht hat, b) Vorstellung bei deutschen Stellen, Einführung von Einfuhrkontrollen, c) Preisstützung entweder durch Selbsthilfe des Buchhandels oder durch staatliche Maßnahmen. Letzteres sei aussichtslos mit Geld. „Da es kaum möglich ist, daß die Buchhändler dem Beispiel der Schweiz folgen, könne es nur eine Einfuhr- bzw. Ausfuhrkontrolle geben, bzw. eine Ausfuhrabgabe.“ (Gedächtnisprotokoll der Vorsprache, V 1935, Mappe 423.2.)

[41] Siehe Protokoll der Sitzung des Verlegerverbandes am 10. 9. (V 1935, Mappe 422), in dem es u.a. heißt: ,,Dir. Winter und Meyer erklären, daß sie legitimiert durch den Verlegerverband beim Bundeskanzler waren.“

[42] Schreiben der Verlagsanstalt Tyrolia vom 18.9.1935 an den Syndikus des Vereins in Wien, Dr. S. Wisloschill. (V 1935, Mappe 423.2)

[43] Durchschlag in V 1935, Mappe 422, „Eingaben“.

[44] Der 1885 in Wien geborene Hugo Winter war an sich von Beruf Bankbeamter. Er waltete über ein großes Musikverlagsimperium und war (1937) verantwortlicher Geschäftsführer und Direktor der Universal-Edition A.G. in Wien, Geschäftsführer des Friedrich Hofmeister-„Figaro“-Verlags in Wien, des Wiener Operetten-Verlags in Wien sowie der Musikalienhandlung Th. Schmidt’s Nachf., Josef Blaha in Wien. Als Lobbyist in eigener Sache beeinflußte Winter die Abfassung des Gesetzestextes für den Verlagsförderungsfonds. Seine Universal-Edition wurde mit Abstand der größte Nutznießer des so geschaffenen Fonds.

[45] Der 1896 in Wien geborene Ernst P. war ursprünglich Geschäftsführer, Vize-Präsident, Mehrheits-Aktieninhaber, Gründer und Verwaltungsrat der im Mai 1923 gegründeten Herz-Verlag A.G. Die Firma, die auf schöne Literatur, Kunst und Wissenschaft spezialisiert war, wurde bereits im Juni 1926 liquidiert. P. war 1935 Direktor des Steyrermühl-Verlags und betreute die ‚Tagblatt-Bibliothek’.

[46] V 1935, Mappe 422. Vermerk auf der „Präsenzliste zur Sortimenterbesprechung am 26. September 1935“.

[47] Gedächtnisprotokoll einer Rücksprache Dr. Wisloschills mit Min.-Rat Dr. Herget vom Handelsministerium am 20.9.1935. (V 1935, Mappe 423.2)

[48] Anzeiger, 76. Jg., Nr. 25a, 12.10.1935, S. 132.

[49] Protokoll. Sitzung vom 4.10.1935. (V 1935, Mappe 422)

[50] „Unsere Stellungnahme zur Buchpreissenkung.“ (V 1935, Mappe 423.2)

[51] Wien, am 7.10 35, in: V 1935, Mappe 423.2.

[52] Aus dem Sitzungsprotokoll in: Anzeiger, 76. Jg., Nr. 26, 26.10.1935, S. 141.

[53] Siehe die gleichlautenden Schreiben vom 23. bzw. 22. Oktober in: AVA, BMfHuV, Geschäftszeichen 570; Grundzahl: 106.248-9/35; Geschäftszahl: 109.811-9/35 bzw. Geschäftszahl: 107.299-9/35.

[54] Dafür zwei Beispiele aus der Berichterstattung in WZ, 23.10.1935, S. 7 und Reichspost, 23.10.1935, S. 4.

[55] Zitiert nach dem Protokoll vom 28.10.1935; in: V 1935; Mappe 422. Anwesend waren die Herren: Meyer, Reisser, Deuticke, Stein, Zsolnay, Winter, Kalmus, Wiedling, Herzmansky, Fiala. S. Abteilung 9, Information für den Herrn Bundesminister, Oktober 1935, in: BMfHuV, Geschäftszeichen: 570; Grundzahl: 106.248-9/35; Geschäftszahl: 109.811-9/35: „Mit Vertretern des Vereines der österreichischen Buchhändler wurde seitens des gefertigten Referenten [Herget) sofort auftragsgemäß verhandelt. Es liegt nun der Plan vor, daß sich freiwillig alle Sortimenter dazu verpflichten sollen, gleichzeitig mit der Entrichtung der Warenumsatzsteuer 1% ihres Verkaufsumsatzes einer noch zu ermittelnden Stelle zu überweisen und daß die Verleger anläßlich der Auszahlung der Rückvergütung der WUST 5% der gleichen Stelle übermitteln. Auf diese Weise sollen die Mittel zu einer bescheidenen Unterstützung des Exportes der österreichischen Verleger gewonnen werden. Die Vertreter erklärten aber, daß sie noch eine Woche Zeit brauchen, um genaue Erhebungen über den Geldbedarf und die Höhe des Gesamtumsatzes durchzuführen und bitten insolange mit der Durchführung des Verlagsförderungsfondsgesetzes zuzuwarten.“

[56] Abteilung 9. Information für den Herrn Bundesminister, betreffend Verlagsförderungsgesetz. In: BMfHuV, Geschäftszeichen: 570; Grundzahl: 106.248-9/35; Geschäftszahl: 109.254-9/35. Aus dieser Unterlage werden wir an späterer Stelle noch zitieren. Aber auch bei den einzelnen „Verlegern“ gab es keine einhellige Begeisterung für die geplante 5%ige Auflage. So schrieb der Salzburger Verlag Anton Pustet am 17.10.1935 an das Handelsministerium: „diese 5%ige Auflage [ist] bei der ohnedies wahnsinnigen Papierpreiserhöhung für den österreichischen Verlag so schwer belastend, daß jeder Verlag sich auf das schärfste dagegen wenden muß. Die hohe Papierpreiserhöhung schränkt ohnedies die Konkurrenz im Ausland ein, was ganz verheerende Folgen hätte durch die neue Steuer. (…) Ein Gesetz wie die geplante 5%ige Auflage müssen wir daher auf das Schärfste und Entschiedenste ablehnen und erwarten von der zuständigen Behörde, daß nichts geschehen wird, was die österreichischen Buchverlage auf das allerschwerste zu schädigen im stande wäre.“ (AVA, BMfHuV, Geschäftszeichen: 570; Grundzahl: 106.248-9/35; Geschäftszahl: 109.254-9/35.)

[57] Ebenda, Geschäftszahl: 107.685-9/35. Alle im folgenden Abschnitt zitierten Unterlagen des Handelsministeriums aus dem Jahre 1935 finden sich unter der Grundzahl 106.248-9/35. Der Einfachheit halber wird daher nur nicht die Geschäftszahl extra angeführt.

[58] AVA, Ministerratsprotokolle, Min.-Prot. Nr. 1.009 vom 25. September 1935, Karton 191, S. 38-40. Alle hier folgenden Zitate der Sitzung sind diesem Protokoll entnommen.

[59] Der 1894 geborene Stockinger war seit dem 10.5.1933, als Kanzler Dollfuß die Regierung umbildete, in diesem Ressort. Er wurde bei der Neubildung der Regierung am 3.11.1936 von Wilhelm Taucher abgelöst.

[60] Wieweit diese betragsmäßig zielführenden und geplanten Mittel im Anfangsstadium von der enttäuschenden Realität entfernt waren, zeigt die Summe der Gelder, die dann im Laufe von 2 1/4 Jahren dem V.F.F. zugeführt wurden. Statt jährlich 2,7 Millionen Schilling kamen insgesamt nur S 319.819,14 zusammen, von denen mehr als 1/3 übrigblieben!

[61] Landesgerichtsrat Odo Neustädter-Stürmer (1885-19.3.1938) war neben Emil Fey der zweite Vertreter der Heimwehr im Dollfuß-Kabinett. Am 10.5.1933 wurde er Staatssekretär für Arbeitsbeschaffung, Arbeitsdienst usw. Im folgenden Jahr wurde er Sozialminister. Die zweite Behandlung dieses Themas durch den Ministerrat erlebte Neustädter-Stürmer nicht mehr im Amte. Er schied anläßlich einer Regierungsneubildung am 17.10.1935 aus seinem Amt aus. Anläßlich der dritten Kabinettsumbildung durch Schuschnigg im November 1936 wurde er Bundesminister für die Angelegenheiten der öffentlichen Sicherheit.

[62] Pernter lebte 1887-1951.

[63] Welche Gruppierung hier gemeint ist, ist unklar, da es keinen „Autorenverband“ expressis verbis gegeben hat.

[64] Ein Beispiel für viele: hier der Wortlaut eines Telegramms an Handelsminister Stockinger vom 25.9.1935: „Verein Buch, Kunst und Musikalienhändler Steiermarks hat in seiner heutigen Sitzung einstimmig beschlossen dafür einzutreten dass gegen die bestehende Verbilligung der reichsdeutschen Bücher keine Maßnahmen ergriffen werden sollen und zwar deshalb weil die Bücherverbilligung voraussichtlich eine Umsatzsteigerung ermöglichen wird, die nicht nur dem Buchhandel sondern auch dem Staate in Form besserer Reinerträge zugute kommen wird. Verein bittet Herrn Minister deshalb in diesem Sinne zu entscheiden.“ (Mappe: „Proteste“) (AVA, BMU, Geschäftszeichen: 15 Vereine, Grundzahl: NÖ Wien, Geschäftszahl: 43.889-1-6b/1935.

[65] V 1935, Mappe 423.2. Diese letzte, gemeinsam zwischen Herget und dem Vereinsvertreter getroffene Formulierung, fand sich sodann in der „Information für den Herrn Bundesminister, betreffend Verlagsförderungsgesetz“ vom 5. November 1935. Zahl: 109.254-9/35.

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