Amalthea-Verlag

Amalthea-Verlag (Zürich-Leipzig-Wien) [1]

Unter deAmalthea Signetn vielen Verlagen, die jetzt wie Pilze aus dem Boden schießen und in der Zeit der Papiernot bedruckte Makulatur bereiten, um nach längerer oder kürzerer Zeit das Zeitliche zu segnen, ohne literarische bemerkenswerte Nachlassenschaft, macht wohl der Amalthea-Verlag, Wien und Zürich, eine rühmliche Ausnahme. [2]

Der Amalthea-Verlag ist einer der wenigen Verlage, die vom Beginn der Republik über das Ende Österreichs 1938 hinaus auch während des Krieges existierten und noch heute namentlich bestehen. Gründer und Inhaber des Verlags war der aus einer alten, bis zum Jahre 1880 am Bodensee ansässigen, begüterten Schweizer Familie stammende, am 7. März 1889 in Olten in der Schweiz als Sohn des Kaufmanns Konrad Studer geborene Dr. jur. Heinrich Studer. [3] Studer studierte Jus an den Universitäten in Zürich, München, Leipzig und Berlin, wählte aber neben der Rechtswissenschaft auch Kunst und Literatur. Bevor er jedoch am 31.7.1912 seinen Dr. jur. von der Universität Leipzig erhielt, hatte er eine kurze, aber stürmische Liaison mit Claire Goll, die in einer kurzfristigen Ehe resultierte und aus der – als unmittelbarer Anlaß zur Heirat – eine Tochter, Doralies, [4] hervorging. Die Zwangsehe wurde erst 1917 offiziell geschieden.

Im Sommer 1917, als der Weltkrieg noch tobte, gründete der 28jährige Studer den Amalthea-Verlag in Leipzig. Im Frühjahr 1918 wählte er schließlich Wien als Firmensitz. Gleichzeitig ging Studer 1917 unter die Dichter mit einer Tragödie Waldmann (2. Tsd. 1918) und ließ einen Band mit „Dichtungen“ (Die Geburt der Venus) als erstes Verlagswerk der Wiener Firma 1918 erscheinen. Das Programm des neugegründeten Verlags wird in einer „Eröffnungsanzeige“ in der Buchhändler-Correspondenz präzis formuliert:

Der Unterzeichnete erlaubt sich die hochgeehrten Herren Sortimenter auf seinen unter der Firma Amalthea-Verlag neugegründeten Verlag aufmerksam zu machen.

Hauptzweck des Verlages ist zunächst die Propagierung österreichischer und schweizerischer Autoren. Es erscheinen in den nächsten Tagen von 12 österreichischen Autoren nicht weniger wie 15 Werke schöngeistiger Richtung, auf deren Ausstattung trotz des Krieges ihrem Inhalt entsprechend die größte Sorgfalt aufgewendet wurde. Ich bitte die Herren Sortimenter im Interesse der Sache sich für den Vertrieb der Werke recht lebhaft einsetzen zu wollen. [5]

Firmenname

Es kommt nicht sehr häufig vor, daß ein Verleger den Namen seines Hauses so nachdrücklich und so oft begründet, wie dies bei Amalthea der Fall ist. Das geschah zum ersten Mal im Nachwort Studers vom 4.10.1919 im zweiten Verlagsalmanach, dem Amalthea-Almanach auf das Jahr 1920. Die Firmenbezeichnung dürfte eher eine sehr gemischte Aufnahme gefunden haben. Studer sah sich daher veranlaßt, im Amalthea-Almanach auf das Jahr 1922 („Nachwort des Herausgebers“, 29.8.1921) noch einmal auf seine Überlegungen hinzuweisen:

Für die Freunde meines Verlages, die den Amalthea-Almanach 1920, wohl den schönsten und inhaltreichsten, der seit vielen Jahren im deutschen Sprachgebiet erschien, nicht kennen und denen der Name „Amalthea“ immer noch eine „Ziege“ oder ein „Rätsel“ bedeutet, sei erneut darauf hingewiesen, daß die „Amalthea“ in der früheren griechischen Mythologie wohl die Ziege bedeutet, die Jupiter in den Gebirgen Kretas säugte, wo er, der zukünftige Beherrscher des Weltalls, von Rhea, seiner Mutter, ausgesetzt wurde, damit er nicht von ihrem Gemahl Kronos wie seine Geschwister Vesta, Juno, Ceres, Pluto und Neptun aus Eifersucht und Angst von ihren gewaltigen Kräften verschlungen werde.

In der späteren Mythologie wird die „Amalthea“ vom Jupiter zum Dank unter die Sterne versetzt und ihr Horn zum Horn des Überflusses erhöht.

In der Blütezeit der griechischen Mythologie indessen ergibt die reife Vorstellung der Amalthea eines der reizendsten Bilder der Phantasie. Die „Amalthea“ ist gleich den Musen eine Lieblingstochter der hoheitsvollen Mnemosyne (d.h. die Denkende, die Sichzurückerinnernde), der Göttin aller Geisteskräfte, welche in ihr aus der Vermählung des Himmels mit der Erde entstanden. Im Zeitalter der waltenden Gottheiten, als die Natur und die Geisteskräfte im Weltall durch das kluge und kraftvolle Regiment Jupiters in Harmonie versöhnt den Weltraum, die Götter und die Menschen des goldenen Zeitalters erfüllten, wandelte allabendlich die Ieichthinschwebende Amalthea über den Parnaß, sammelte in ihr goldenes Füllhorn alle guten und schönen Gaben der menschenfreundlichen Götter und Musen, enteilte den göttlichen Gefilden und schüttete den Inhalt desselben, wenn Helios im Osten durch die goldenen Tore sein fernhinleuchtendes Rossegespann die Himmelskuppel hinauflenkte, über die Erde.

Und diese Amalthea, die Amalthea der reifen griechischen Mythologie ist das Sinnbild meines Verlages. (…)

Amalthea Signet

Hier deuten sich Studers kämpferische und streitbare Natur und sein Streben nach öffentlicher Anerkennung an. Darauf kommen wir etwas später zurück. Erst ungefähr fünf Jahre nach der Verlagsgründung in Leipzig suchte Studer am 12.7.1922 beim Handelsgericht in Wien um Protokollierung seiner Firma an. Am 19.9.1922 wurde sodann der Amalthea-Verlag mit Betriebsgegenstand buchhändlerischer Verlag von Werken schöngeistiger Literatur unter Register A, Band 69, pagina 229 ins Wiener Handelsregister eingetragen.

Studer hatte – und seine diversen Nachworte legen dafür Zeugnis ab – prononcierte Meinungen in res politica wie auf kulturellem Gebiet. Da sein Verlagsprogramm weniger populär als elitär war, blieb ihm von Anfang an breitere Anerkennung versagt. Sein Resümee vom August 1921 zeigt eine sehr konservative Weltanschauung und ist zugleich eine nicht unproblematische Selbstdarstellung. Nach einer Auflistung und Anpreisung der Produktion heißt es dort:

So bringt die Amalthea auch dieses Jahr trotz dem Hemmungen im Herstellungsverfahren, trotz der noch immer die geistige Gesundheit Europas gefährdenden Seuche der stets scharf abgelehnten literarisch-kommunistischen Revolutions-Lausbübereien und trotz der sonstigen Schwierigkeiten den Literatur- und Kunstverständigen in ihrem goldenen Füllhorn viele gute und schöne Gaben der besten Künstler und Dichtem, in deren seelischem, geistigem und künstlerischem Ausdrucks- und Gestaltungsreichtum die schöpferischen Kräfte und ewigen Werte unserer blutigen Zeit sich selbstbildend so sinn- und maßvoll manifestieren, so schön und harmonisch offenbaren wie die göttliche Idee im weltraumdurchrollenden, ewig farbig sich wandelnden Kosmos. [6]

Das Gespenst der „bolschewistischen Gefahr“ vermochte der Verleger zeit seines Lebens offenbar nicht zu verscheuchen. [7] Noch drastischer äußerte sich Studer zu seiner Zeit bzw. seinen Zeitgenossen im Almanach 1920. Im Anhang zum Almanach präsentiert er nämlich eine Art Pressespiegel zu seinen Verlagserscheinungen und findet für Österreichs hochangesehene liberale Tageszeitung, die Neue Freie Presse, nicht gerade schmeichelhafte Worte und nimmt die sonstige österreichische Tagespresse im selben Aufwaschen mit:

Neue Freie Presse, Wien: Schweigt zu dieser Publikation wie – mit einer einzigen Ausnahme – übrigens zu all den 25 bis 30 Veröffentlichungen junger und jüngster österreichischer Autoren des Amalthea-Verlages.

Seit Jahren ruft man in den buchhändlerischen Fachorganen, in den Zeitschriften und Tageszeitungen der Donauländer immer dringender nach einem tatkräftigen Verlag, der die österreichischen Meister sowohl wie die Jüngsten zu gewinnen sucht, den einheimischen Druckereien, Kunstanstalten, Buchbindereien usw. usw. Arbeitsgelegenheit verschafft und so einerseits die wirtschaftliche Produktions- und damit Exportfähigkeit Österreichs wieder befestigen hilft, andererseits durch einen raschen Umsatz seiner Verlagswerke selbst wirtschaftlich erstarkt, um im ideellen wie materiellen Sinne den Künstlern und Dichtern Österreichs dienen zu können. In wirtschaftlicher Hinsicht lag das Ziel des Amalthea-Verlages seit Anbeginn in dieser Richtung. Aber die Lust und Freude, in diesem Sinne selbst mit Opfern zu arbeiten, um dafür nur die halborientalische Indolenz und den Nepotismus der österreichischen Tageszeitungen und Sortimenter einzutauschen, muß ich heute leider schon selbst belächeln. Nichts leichter als eine Rückorientierung zum bloß Geschäftlichen! Verantwortlich dafür darf dann aber nicht der Verlag gemacht werden – überhaupt nicht die österreichische Verlegerschaft -, sondern in erster Linie die wundervoll künstlerische Sachlichkeit und die bodenständig orientierte heimische Presse, sowie der begeisternde Idealismus und das tief eingewurzelte Pflichtbewußtsein der österreichischen Buchhändler, womit diese guten und – trotz der denkbar schwierigsten Herstellungsverhältnisse – gut ausgestatteten Werken ihrer Heimatsgenossen zum Durchbruch und Erfolg zu verhelfen pflegen.

Müssen sich denn die „österreichischen“ Schicksale der Mozart, Waldmüller, Grillparzer und Lenau immer erneut wiederholen?!

Doch das ist nicht das Ende der Leviten, die der Kulturretter Studer liest:

Nun, eine Hoffnung, österreichische Künstler und Dichter, eine schöne Hoffnung ist euch geblieben! Ihr wißt, alles Licht kommt aus dem Osten! Vielleicht geht von der Flut unverfälschten Judenbluts, die sich letztlich daher über die österreichischen Länder ergossen, doch genug in die verkalkten Adern der Wiener „Kultur“-Judenschaft ein, so Szepter- und Schlüsselgewalt im heimischen Kunstreich an sich gebracht zu haben vermeint, vielleicht treibt das neue Blut die Kulturmüden zu neuer kunstfördernder Tat. Vielleicht – vielleicht! Laßt euch an dieser morgenschönen Hoffnung genug sein, O Dichter und Künstler Österreichs!

Auch Studers Nachwort zum Amalthea-Almanach 1924, datiert 1. Oktober 1923, trieft von Ressentiment. Es ist als – subjektive – Marktanalyse nicht weniger polemisch, aber höchst aufschlußreich und wesentlicher Beitrag zur Firmengeschichte. Hier einige Auszüge aus diesem Nachwort:

Mit der Rhein- und Ruhrbesetzung durch die Franzosen wurde das deutsche, ja das ganze europäische Wirtschaftsleben in Unruhe und Unordnung versetzt.

Die am wirtschaftlichen Horizont aufsteigenden Sturmzeichen wurden im Buch- und Druckgewerbe durch die deutschen Verleger noch dadurch verstärkt, daß sie – unbelehrt durch den österreichischen Zusammenbruch – im Inlande die Preise künstlich (Außenhandelsnebenstelle und Wechselwirtschaft bei jäh fallender Währung) niederhielten und damit die ausländische Konkurrenz durch viele Monate lahmlegten. Auf die heranziehende Gefahr schon Weihnachten 1922 eingestellt, schränkte ich die Produktion scharf ein. Trotzdem standen schon im April die Eingänge nicht mehr im Einklang mit den Ausgaben, und heute ist überdies – hoffentlich auf kurze Dauer – das Hauptabsatzgebiet, Deutschland, so gut wie ausgeschaltet.

Als vernünftiger Kaufmann sollte ich meine sorgen- und lastenbringende „Amalthea“ nach den seligen Gefilden des Parnasses beurlauben, ihr Personal entlassen, um in beschaulicher Ruhe – unter einem Birnbaum im Grase meditierend ausgestreckt – nachforschen zu können, warum eigentlich Kritik und Publikum von der „Kleinen Amalthea-Bücherei“ verhältnismäßig so beschämend wenig Notiz nimmt. (…) Schuldet Presse und Publikum diesen Künstlern nicht mehr Dank? (…)

Nachdem sich Studer überlegt hat, warum er so. wenig absetzt, denkt er auch darüber nach, was daran schuld sein könnte. Sein anspruchsvolles Programm kann es offensichtlich nicht sein:

Leider versagt das gebildete Publikum die Gefolgschaft: Krieg und Nachkriegszeit-Krieg zertrümmerten dem Mittelstand die wirtschaftliche Existenz. Die Arbeiterschaft und die neuen Reichen schwelgen in Sachgütern, Kino oder schaler materialistischer Tendenzliteratur: und den Adel in Österreich und Deutschland, den natürlichen Verbündeten jeder wahrhaften Kunst und Kultur, Philosophie und Religion, beschäftigt zu sehr die Erhaltung und Wiedergewinnung eingebüßter territorialer oder machtpolitischer Positionen. Wie durch Jahrzehnte, so verkörpert in hervorragendem Maße der regierende Fürst von Liechtenstein eine ehrwürdige, rühmliche Ausnahme. (…)

Allein nicht einzelne, sondern der Adel als ganzer Stand, das ganze Bürgertum muß, soweit sie sich als bewußte Werkzeuge einer sie überragenden und erfüllenden Idee fühlen, die Notwendigkeit erkennen und befolgen, der Philosophie, Kunst, Literatur und Religion Aufmerksamkeit, Interesse, ja Opfer darzubringen. Und wäre es – von unserem Standpunkt aus – auch nur indirekt: durch den Kauf geistig und künstlerisch wertvoller Werke. An diese Kreise wendet sich insbesondere die „Amalthea“. Ob mit Erfolg, wird die Zukunft lehren. Vorläufig baut sie, wie bisher, auf die eigene Kraft, im Rücken in Reservestellung meinen stets opferbereiten Vater, dem ich auch an diese Stelle erneut meinen herzlichsten Dank ausspreche.

Solange aber Kritik und Publikum den Bestrebungen der „Amalthea“ nicht mehr Interesse und Verständnis entgegenbringen, darf ich gerade im Interesse der wahrhaften Gelehrten und Künstler nicht mehr – wie bis 1922 – im weitgehendsten Maße den Wünschen der Autoren stattgeben, sondern muß mich zwangsläufig ausschließlich zeitlosen kunst- und kulturschaffenden Kräften zuwenden.

Die Situation des Verlags verbesserte sich aus der Sicht Studers auch in den folgenden Jahren nicht. Und ein Verlagsalmanach diente erneut als Forum seiner Unmut. Studer führt eine Reihe von Werken an und schließt:

Alle diese Publikationen brachten dem Verlagsinhaber ideell viel Freude und Anerkennung, materiell aber bedeutende Opfer. Und der Dank dafür?

Die von Sozialisten regierte Gemeinde Wien hätte – wie jede vernünftige und gesunde Verwaltung – dem Wohle des Ganzen, und damit auch den Interessen jedes Einzelnen zu dienen, sofern diese die materiell-wirtschaftlichen oder gar ideellen Interessen der Gesamtheit opferfreudig fördern. Seit Jahren aber bekämpft die Gemeinde Wien, in gleicher Weise wie sie Handel, Gewerbe, Industrie, Fremdenverkehr, Theater- und Konzertwesen usw. unterbindet, auch den Amalthea-Verlag. Trotzdem dieser ausländisches Kapital ins Land bringt, die ideellen und künstlerischen Werte des Landes anerkanntermaßen fördert, vielen Dutzenden von Arbeitern und Beamten Brot und Lohn verschafft und bis zum heutigen Tage materiell vorwiegend Opfer brachte, wurde ihm in zeitraubenden und sehr kostspieligen Prozessen, Vorladungen usw. jede Ausdehnung im eigenen Hause und jede sach- und fachgemäße Organisation des Betriebes unterbunden und bekämpft.

Mit dem Aufstieg und der Expansion des Amalthea-Verlages genießt Österreich und Wien unmittelbar Vorteile, und so hoffen wir nunmehr im zweiten Dezennium unserer Tätigkeit von seiten der interessierten amtlichen – insbesondere des Bürgermeisters von Wien – und privaten Kreise auf Verständnis, Wohlwollen sowie auf deren positive Unterstützung zur Verbreitung der geschaffenen Kulturgüter rechnen zu dürfen.

Wien, Ende August 1926 Dr. jur. H. Studer[8]

Es erfolgt bereits der Bruch mit dem Vorhaben, österreichische und schweizerische Autoren zu propagieren; die Produktion verlagert sich auf historische Werke für gehobene Schichten, auf repräsentative Kulturgüter.

Die Weltwirtschaftskrise Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre führte zu einer großen Anzahl von Konkurs- und Ausgleichsverfahren. Auch eine Reihe von österreichischen Verlagen, darunter der Amalthea-Verlag, hatte mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Bereits im Herbst 1931 mußte sich Studer mit Liquiditätsschwierigkeiten herumschlagen. Geld und Kredite waren schwer zu bekommen, als eine Firma weitere Unternehmen in den Strudel der Zahlungsunfähigkeit mitriß. Unmittelbar vor Jahresende 1931 mußte der Verlagsinhaber den Gang zum Handelsgericht antreten.

Mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten, welche die Weltwirtschaftskrise auch in der Schweiz verursacht hat, sind die von mir im Herbst d.J. erfolgversprechend eingeleiteten Verhandlungen wegen Gewährung neuer Betriebskredite für den Amalthea-Verlag zum Stillstand gekommen. Die Verschärfung der Verhältnisse auf dem Gebiete des Buchhandels und verschiedene Zwischenfälle im Betriebe haben dann eine Zahlungsstockung herbeigeführt, die auch zu Exekutionen und Konkursanträgen Anlaß gab. [9]

Obwohl die überwiegende Mehrzahl der Gläubiger des Amalthea-Verlags in den seit ungefähr Oktober 1931 geführten Verhandlungen die Zustimmung zu einem außergerichtlichen Stillhalteabkommen erteilte, sah sich Studer „doch durch die unnachgiebige Haltung einiger Gläubiger genötigt, die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens zu beantragen“ (ebda.).

Der Ausgleichsantrag wurde mit überwältigender Mehrheit angenommen. Der Verlag bot 50% in 5 Quartalsraten, beginnend 10 Monate nach Beendigung des Ausgleichs. Wie der Anzeiger Ende März 1932 vermeldete, sollte der Betrieb „in vollem Umfange weitergeführt“ werden:

Wir freuen uns, daß dieser Qualitäts-Verlag, dessen Werke fast vollzählig in allen Kultursprachen übersetzt wurden und der sich speziell für die österreichische Kunst und Kultur mit großen Opfern durch Jahre hindurch erfolgreich einsetzte, weiter bestehen bleibt. [10]

Zehn Jahre später teilte der „mit deutschem Gruß!“ zeichnende Heinrich Studer dem Registergericht einen Ausschnitt aus seiner imponierenden Firmengeschichte mit:

Nur kurz zu Ihrer gefl. Orientierung. Der Amalthea-Verlag wurde von mir 1917 in Leipzig gegründet. Von 1922-1931 beschäftigte ich im Verlag ca. 30 Personen: in den Druckereien, Klischeeanstalten und Bindereien, etc. indirekt hunderte von Personen. Bei Ausbruch der Weltwirtschaftskrise und dem Zusammenbruch der Creditanstalt und Danatbank, etc. mußte ich mit meinem Verlag in den Ausgleich, wobei ich mein gesamtes Vermögen, gegen 1 Million Schweiz. Franken und von meinen Freunden überdies noch gegen eine halbe Million sfr verlor. Ich schlug mich zuletzt lediglich mit einer Sekretärin durch alle oft bodenlosen Widerwärtigkeiten des Ausgleichsverfahrens. Ich vermochte dann hauptsächlich dank der Kollegialität der alten Geschäftsfreunde in Leipzig (Druckerei Spamer A.-G., K. F. Koehler, Offizin Haag-Drugulin, etc.) und der Großzügigkeit meiner Schweizer Freunde die Krise durchzustehen (…)[11]

Obwohl der Verlag unter keineswegs günstigen finanziellen Verhältnissen weiter existierte, konnte Studer der Nazi-Okkupation Österreichs dank seiner konsequent geführten anti-bolschewistischen Linie und einer entsprechenden Einstellung zu den Juden mit Gelassenheit entgegensehen. Während der Krieg tobte, erledigte er die kulturellen und laufenden Arbeiten des Verlags und betreute die Herstellung der internationalen Kunstzeitschrift Belvedere als Schriftleiter, die seinerzeit vom Belvedere-Verlag übernommen worden war. [12] Von einer allfälligen Stillegung des Verlags ist nichts bekannt.

Die Okkupation Österreichs und der Zweite Weltkrieg fügten dem Verlag aber materiellen Schaden zu: Es begann damit, daß Studer sein Verlagsprogramm „entjuden“ mußte. Ebenso mußte sich der Verlag von klerikalen und mehreren monarchistischen Autoren trennen. Wie auch bei anderen Verlagen zu beobachten ist, führte diese Säuberung zu einer oft beträchtlichen Verminderung des Betriebswerts, vom Umsatzentfall ganz zu schweigen. Ein Verlagsverzeichnis des Amalthea-Verlags aus den Jahren 1939/40 trägt auch der neuen Zeit Rechnung. Nach dem Anschluß vernichtete die Gestapo in Leipzig und Wien – wie üblich ohne Entschädigung – alle in diesem Bücherverzeichnis mit einem E (= eingestampft) bezeichneten Werke über Rußland im Wert von sfr 250.000. Wie Studer weiters im Almanach Dreißig Jahre Amalthea- Verlag 1917-1947 schreibt, habe es darüber hinaus Schäden gegeben:

Weitere, aus der Weltwirtschaftskrise 1931/32 mit unendlicher Mühe geretteten Retentionslager im Nettowert von S.Frs. 150.000 gingen beim Fliegerangriff auf Leipzig am 4.12.43 in Rauch und Asche auf. Das Verlagsarchiv, die Privatbibliothek (über tausend Bände) und die repräsentative Wohnung des Verlagsinhabers[13] in der evangelischen Schule, Wien IV, gingen am 9.4.45 durch Plünderung und Brand zugrunde. Von zwei Ausweichlagern in Thüringen (russische Zone) fehlt bisher jede Nachricht. Wir können deshalb vorläufig nur Neuerscheinungen ausliefern.

Anläßlich des 65. Geburtstages von Heinrich Studer am 7.3.1954 schrieb die Zeitschrift Das Antiquariat etwas unkritisch über die Aufnahme des Betriebs nach dem Zweiten Weltkrieg:

Man muß es Dr. Studer daher hoch anrechnen, daß er nach dem Zweiten Weltkriege es nicht vorgezogen hat, vom sicheren Port seines schweizerischen Heimatlandes aus unter den dort soviel günstigeren Handelsauspizien seine verlegerische Tätigkeit fortzusetzen. Er hat im Gegenteil alle Mühsal und die tausenderlei Schwierigkeiten auf sich genommen, um – trotz allem – die Luft dieser unvergleichlichen Stadt weiter zu atmen. [14]

Der Gründer und Inhaber des Amalthea-Verlags starb am 21. Jänner 1961.

Die Produktion

Was den Umfang der Produktion betrifft, so zählt der Amalthea-Verlag in der Ersten Republik neben dem Paul Zsolnay Verlag zu den aktivsten österreichischen Verlagsunternehmen überhaupt. Eröffnet wurde die Verlagsproduktion im März 1918 mit 15 Werken schöngeistiger Richtung. [15] Im November des ersten Geschäftsjahres umfaßte das Programm bereits 42 Werke, von denen 10 noch in Vorbereitung waren. [16] Bis Oktober 1920 hatte der Verlag ca. 62 Titel im Programm, [17] wobei ganz allgemein anzumerken ist, daß der Verlag von jedem Werk mindestens zwei (broschiert, gebunden) und bis zu vier Ausgaben produzierte. 1921 kam es zu nicht weniger als 40 Neuerscheinungen. [18] Ab Weihnachten 1922 wurde die Produktion laut Studer (a.a.O.) scharf eingeschränkt, vor allem, als feststand, daß die Bücher keinen schnellen Absatz fanden. Bis Februar 1924 war die Produktion ohne Zählung der einzelnen Bände diverser Serien auf ca. 124 angewachsen. [19] Im September 1926 hatte man bereits rund 180 Verlagswerke in einer Gesamtauflage von ungefähr 700.000 Bänden auf den Büchermarkt gebracht. [20] 1930 zählte man bereits rund 220 Werke. [21] Bis 1947 hat sich die Zahl fast verdreifacht auf 600 Bände, [22] zehn Jahre später auf 700 Bände. [23]

Von dieser sehr umfangreichen, vor allem breitgefächerten Produktion war nur ein Bruchteil (österreichische) Belletristik. Den Hauptzweck des Verlags, zunächst die österreichischen und schweizerischen Autoren zu propagieren, gab Studer spätestens im Jahre 1923 wieder auf, [24] obwohl er auf diesem Gebiet, wie überhaupt, eine sehr konservative Linie verfolgte und keineswegs im Strom der modischen Literatur schwamm. Der Amalthea-Verlag gab mehrere Reihen heraus, die hier kurz genannt werden sollen.

Almanache

Der Amalthea-Verlag hat unter allen belletristischen Verlagen in Österreich mit Abstand die meisten Verlagsalmanache herausgegeben. Und was die Amalthea-Almanache vielfach von anderen unterscheidet, ist die besondere Sorgfalt in der Herstellung. Neben einer „gewöhnlichen“ Ausgabe gab es mehrere Jahre hindurch zusätzlich solche auf Büttenpapier, im Halbpergament, Ganzpergament, in Halbleder bzw. Ganzleder gebunden, und das vor allem in den Anfangsjahren. Was die Verlagsalmanache ebenfalls auszeichnet, sind die polemischen, aber informativen Nachworte des Herausgebers Heinrich Studer. Almanache erschienen in Auflagen bis zu 10.000 Exemplaren in den Jahren 1919, 1920, 1921, 1922, 1923, 1924, 1925, 1926, 1930, 1933, 1947 (Dreißig Jahre Amalthea-Verlag), 1957 (Vierzig Jahre Amalthea-Verlag).

Die einzelnen Almanache sind relativ reichhaltig und gut illustriert und enthalten Beiträge sowohl von Verlagsautoren als auch von verlagsfremden Autoren.

Neue Österreichische Biographie 1815-1918/, Wiener Drucke

Im November 1921 errichtete der E.P. Tal & Co. Verlag unter der Leitung von Otto Erich Deutsch eine besondere Abteilung, die sich mit der Herausgabe von Werken befassen sollte, die den Kulturkreis des alten Österreich, insbesondere des alten Wien, behandelten. [25] Darunter befanden sich der Alt-Wiener Kalender und ein Nestroy-Band (Das ist klassisch), der von Egon Friedell herausgegeben wurde. Die „Wiener Drucke“ wurden 1923/24 von Otto Erich Deutsch übernommen und gingen im Oktober 1924 mit allen Aktiven und Passiven in den Besitz des Amalthea-Verlages über. [26] Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 12 Bände auf dem Markt, darunter Werke von Daniel Spitzer, Franz Grillparzer, Eduard Bauernfeld, Joseph Gregor und Josef Strzygowski. Der Alt-Wiener Kalender wurde vom Amalthea-Verlag in dieser Reihe dann fortgesetzt.

Der erste Band der Neuen Österreichischen Biographie 1815-1918, geleitet von Anton Bettelheim, die den Anteil Altösterreichs an den kultur- und weltgeschichtlichen Ereignissen seit dem Wiener Kongreß 1814 bis zum Zusammenbruch der Monarchie spiegeln sollte, erschien 1923 mit dem Impressum „Wiener Drucke“. Band 2, der zwei Jahre später herauskam, trug bereits das Impressum „Amalthea-Verlag Abteilung Wiener Drucke“. Weitere Folgen, die teilweise von der Gemeinde Wien und dem BM für Unterricht subventioniert wurden, erschienen 1926 (3), 1927 (4), 1928 (5), 1929 (6), 1931(7; ohne Zusatz „Abteilung Wiener Drucke“) und, durch das Mißgeschick des Verlags bedingt, als letzter Band vor 1938, Band 8, im Jahre 1935. Im August 1926 hatte Studer darüber berichtet, daß das ganze Unternehmen „40 bis 60 Bände umfassen und über 26.000 Persönlichkeiten behandeln“ würde. Immer wieder aber geriet das Unternehmen wegen Finanzschwierigkeiten und Ablebens leitender Mitarbeiter ins Stocken. Erst 1956 konnte die Neue Österreichische Biographie fortgesetzt werden.

Theater und Kultur

1923 übernahm Heinrich Studer die anspruchsvolle Sammlung Theater und Kultur von der WILA und setzte sie fort.

Der Amalthea-Verlag verlegte außerdem das Jahrbuch deutscher Bibliophilen, das Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft (Hg. Karl Glossy) und die Chronik des Wiener Goethevereines.

Amalthea-Bücherei

Von zentraler Bedeutung in der Amalthea-Produktion waren zwei Großserien, die Amalthea-Bücherei und die Kleine Amalthea-Bücherei. Letztere Serie, die von Karl Toth betreut wurde, brachte Werke der Weltliteratur mit Originalgraphiken und war auf geschmackvolle Liebhaberbändchen, die in erlesener Ausstattung (Seide oder Halbpergament) nicht selten 4-5 Mal teurer waren als andere Verlagswerke, spezialisiert. Die Bücherei brachte es auf 3 Reihen, und zwar Reihe 1 (Band 1-6), Reihe 2 (6 Bände), Reihe 4 (Bd. 1/2 und 3). Die einzelnen Ausgaben wiesen auffallenden Buchschmuck und Graphiken erster Künstler auf. Zu den in dieser Serie vertretenen Autoren zählten u.a.: Cervantes, Barbey d“Aurevilly, Jens Peter Jacobsen, Iwan Turgenjeff, Gottfried Keller, Annette v. Droste-Hülshoff, E.T.A. Hoffmann.

Ebenfalls zu Geschenkzwecken geeignet war die 1923 initiierte Reihe „Amalthea-Damen-Breviere“, die in zierlichem Sedez-Format und auf bestes Papier nach Japanart gedruckt wurden. Dem Untertitel dieser 8bändigen Serie „Kleinodien der Liebe“ trug der Inhalt Rechnung: Das deutsche Liebeslied, Die Liebeslyrik von Heine bis zu Liliencron, Altdeutsche Minnelieder usw.

Wesentlich umfangreicher, aber keineswegs populärer war die Serie „Amalthea-Bücherei“, in der insgesamt fast 50 Nummern erschienen. Diese Serie brachte eine Reihe literar- und kulturhistorischer, reich illustrierter Monographien. Wenn es unter den einzelnen Werken ansonsten eine gemeinsame Linie gibt, so doch in ihrer Abkehr von der Gegenwart und Hinwendung zur Vergangenheit. Mit Werken sind u.a. folgende Autoren vertreten: Hermann Bahr, Robert Faesi, Benedetto Croce, Max Hochdorf, Stefan Hock, Karl Kobald, Max Auer, Jakob Minor, Robert Haas, Richard von Schaukal. Es findet sich in dieser Bücherei keine Literatur im engeren Sinne.

Memoirenliteratur war im Programm des Verlags besonders stark vertreten („Memoirenbibliothek“). Neben den verschiedenen Übernahmen vom Rikola-Verlag wären zu nennen die Tagebücher von Friedrich von Gentz und die Memoiren der Fürstin Pauline Metternich. Werke für Bibliophile, Luxusdrucke, illustrierte Werke der Weltliteratur, indische Kunst, Originalgraphik, Faksimiledrucke, Mappenwerke, Kinderbücher, Werke über Politik, Wirtschaft und Philosophie, Literaturgeschichte, Theater, die Seldwyla-Drucke usw. rundeten das Programm ab.

Es kann kein Zweifel bestehen, daß der Amalthea-Verlag für ein Elitepublikum produzierte. Das schlug sich auch in den Preisen und in der Ausstattung etwa von Luxuswerken nieder. Eine verlegerische Leistung, auf die Studer stolz sein konnte, war das Werk Dantes. So erschien als Festgabe zum 600. Todestag die Göttliche Komödie, und zwar deutsch-italienisch in drei Bänden. Der stolze Preis unmittelbar vor dem Börsenkrach in Wien im Frühjahr 1924 betrug 5 Millionen Kronen (Ganzpergament) bzw. 2.6 Millionen (Halbpergament) bzw. 5.5 Millionen (Ganzleder). Im Vergleich dazu kostete ein durchschnittlicher Lyrikband im Amalthea-Verlag zu dieser Zeit K 18.000, ein Roman 30.000. Die Dante-Werke waren mit Abstand die teuersten.

Entsprechend seinem Selbstverständnis als Retter und Bewahrer der Kultur (vor den Linken und Bolschewisten!) entwickelte Studer seinen Verlag immer weiter von der Literatur und Kultur der Gegenwart weg, um sich um „ewige Werte“ zu kümmern. Dementsprechend dürftig ist also der Beitrag zur österreichischen Literatur der Zwischenkriegszeit. Wie bereits erwähnt, begann der Amalthea-Verlag 1918 mit dem Gedanken, österreichische und schweizerische Autoren zu fördern und zu forcieren, wiewohl man hier nicht ausschließlich auf Belletristik bedacht war. So erschienen in der Anfangsphase schöngeistige Literatur von Paul Bourget, Franz Theodor Csokor (Die Sünde wider den Geist, Drama; Der Baum der Erkenntnis; Aufl. 800), Wilhelm Drach, Richard Duschinsky (Arme Menschen, Drama; Mechtildis, Roman), Paul Frank (Der Gepard, Roman), Erich Freiberger (Narrenlieder, Gedichte; Aufl. 1.000), Alfred Grünewald (Das Vöglein Süzelin, Gedichte; Urians Lendenschmuck. Eine Komödie), Leo Grünstein, Stefan Hock (Deutschösterreichische Lyrik), Hugo v. Hofmannsthal (Rodauner Nachträge), Heinrich Husserl (Gedichte), Karl Kobald (Künstlerfrühling, Roman; Erde, Gedichte), Alma Johanna Koenig (Die Windsbraut, Gedichte), Paul Merzbach (Ein Kind, Drama), Richard Peter, Friedrich Reiß (Nikolaus Lenau, Tragödie), L.W. Rochowanski (Nackte Inspirationen, Novellen u.a.), Max Roden (Erlösendes Lied, Gedichte), Leonhard Stein (u.a. Die Feuerlilie), Heinrich Studer (Die Geburt der Venus, Dichtungen; Waldmann, Tragödie), Arthur Trebitsch (Die böse Liebe, Novellen), Hanno Wagner, Harry Walden, Maria Wechtlin, Josef v. Winter (Gedichte) u.v.a.

Nach der effektiven Aufgabe der Pflege der Belletristik 1922/23 erschienen vor 1938 nur mehr wenige Werke schöngeistiger Literatur, so z.B. von Benno Geiger, Ebba Langenskiöld-Hoffmann, J.J. Meyer, Heinrich Studer, L. u. S. Hartig-Attems, Herbert Hiebsch, Cuno Hofer, Erwin Hohenlohe, Ottokar Janetschek, Rudolf Löw, Karl v. Schumacher, Walter Seidl, Gräfin Stephanie Uechtritz-Amadé, Oskar v. Wertheimer.

Von der Belletristik einmal abgesehen, scheint an der Produktion des Amalthea-Verlags noch einiges erwähnenswert zu sein. Einerseits die Herausgabe und Pflege der Werke des italienischen Literar- und Kulturhistorikers Benedetto Croce, andererseits die Tendenz jener Schriften, die der forsche Antibolschewist Studer in seinem Verlag erscheinen ließ. Neben Rasputin und Rußland von Boris Almasoff erregte 1926 eine Publikation von René Fülöp-Miller, Geist und Gesicht des Bolschewismus, großes Aufsehen. Weitere Werke, die eine ablehnende Haltung einnahmen, erschienen: Smilg-Benario (Der Zusammenbruch der Zarenmonarchie), Anna Wyrubowa (Glanz und Untergang der Romanows), A.T. Wassiljew (Ochrana) usw. Dazu Willy Haas 1930:

Wer diese Bücher kennt, ist ziemlich vollständig informiert über die russische Umwälzung, soweit das vom nicht-bolschewistischen, zum großen Teil antibolschewistischen Standpunkt überhaupt möglich ist. [27]

Während Haas den diplomatischen Ton wählt, nimmt ein Feuilletonist der Schaubühne in Berlin den Verlag aufs Korn:

Daß ein Verlag antibolschewistische Bücher druckt, ist sein gutes Recht. Daß diese Bücher, besonders die Fülöp-Millers, einen, wie soll ich sagen, leicht anrüchigen Eindruck machen, mag an meiner Nase liegen. (…) Daß der Verlag gegen Rußland hetzt, muß man ihm zugestehn – er ist frei. Dagegen wäre nichts einzuwenden.

Doch hat alles seine Grenzen, und ein Verlag ist für seine Autoren verantwortlich.

Und wenn ein Verlag wagt, ein Buch zu drucken, das diesen Anwurf hier enthält (…), so scheidet damit der Amalthea-Verlag aus den Reihen der ernst zu nehmenden Verlage ein für alle Male aus. (…)

Ich habe nur den Amalthea-Verlag in Wien bis heute für einen ernsten Verlag gehalten. Ich tue das nicht mehr. Die Publikationen dieses Verlags verdienen keinerlei Erwähnung. (…) [28]

Amalthea Signet

Signets/Ausstattung

Wie bereits angedeutet, scheute der Amalthea-Verlag, was Kosten der Herstellung betrifft, keine Mühe. Besonders heikle Druckaufträge gingen nach Leipzig, andere wurden in Wien erledigt. In den vielen Jahren war auch eine ganze Reihe von Künstlern für Buchschmuck, Illustration usw. herangezogen worden. Zu diesen Künstlern zählten u.a. Franz v. Bayros, der das erste Verlagssignet 1918 (eine Federzeichnung) entwarf, Maximilian Liebenwein, Oskar Larsen, Otto Friedrich, Georg Poppe, Hans Schlosser, R. Jettmar, Ferdinand Staeger, Franz Wacik, Chr. L Martin, K.A. Wilke, Bernd Steiner, Robert Pajer, Julius Zimpel.

Der Amalthea-Verlag verwendete eine Anzahl von Signets, die allesamt Variationen eines Bildnisse der Göttin „Amalthea“ darstellten.

Anmerkungen

[1] Quellenhinweise: Handelsgericht Wien, Reg. A 69, 229, umgeschrieben nach HRA 10.521; Handelsgericht Wien. Ausgleich. Akt Sa 622/31 (WrStLa); Amalthea-Almanach auf das Jahr 1919; Amalthea-Almanach auf das Jahr 1920; Amalthea-Almanach 1924; Amalthea-Almanach auf das Jahr 1922; Amalthea Almanach 1917-1927; Dreißig Jahre Amalthea-Verlag 1917-1947. Almanach 1947; Der Amalthea-Verlag in Wien. In: Alpenländische Monatshefte (Graz), Jg. 1927/28, Nr. 4, Jänner 1928, S. 269-270; Amalthea-Verlag. In: Österreichische Woche (Wien), 3. Jahr, 18.9.1926, Heft 38, S. 11; DR. HERBATSCHEK, Ein Jubiläum. Amalthea-Almanach 1917-1927. In: Der Blaue Bücherkurier (Wien), XXXVII. Jg., Nr. 585, 15.11.1926, S. 2; 10 Jahre Amalthea-Verlag. In: Anzeiger, Nr. 35, 2.9.1927, S. 205; Amalthea-Verlag, Wien. In: Berichte und Informationen, 2. Jg., Nr. 80, 7.11.1947, S. 14; 40 Jahre Amalthea-Verlag. In: Anzeiger, Jg. 92, Nr. 23, 1.12.1957, S. 106; WILLY HAAS, Eine Reise zu den Wiener Verlegern. Die Situation der österreichischen Buchproduktion 1930. In: Die literarische Welt, 6. Jg., Nr. 10, Fr., 7.3.1930, S. 7-8; Akt Gremium/Amalthea; Lexikon der deutschen Verlage. Leipzig: Carl Müller, 1930.

[2] In: Kunst- und Kulturrat. Monatsblätter für die Persönlichkeit (Salzburg). Hg. JOS. AUG. LUX, Heft 10, April 1920, S. 256 (Bücher des Amalthea-Verlag). Die Würdigung stammt mit einiger Wahrscheinlichkeit von Lux selber.

[3] Zur Biographie Studers siehe u.a.: Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Hg.: FRANZ PLANER. Verlag Franz Planer, 1928; Das Antiquariat (Wien), V. Jg., Nr. 5/6, März 1949, S. 75-76 (Walter Krieg); Ebenda, X. Jg., Nr. 7/8, April 1954, S. 97; Anzeiger, Nr. 5, 1.3.1949, S. 44.

[4] Dazu die diversen Bettgeschichten, warm aufgetischt von CLAIRE GOLL, Ich verzeihe keinem. Eine literarische Chronique scandaleuse unserer Zeit. Bern/München, Scherz 1978, bes. S. 22-29.

[5] BC, Nr. 12, 20.3.1918, S. 183.

[6] Nachwort des Herausgebers. In: Amalthea-Almanach auf das Jahr 1922. Zürich-Leipzig-Wien: Amalthea-Verlag, S. 196-201; bes. S. 200 f.

[7] So liest man mit nicht geringem Erstaunen die Firmengeschichte des Amalthea-Verlags im Lexikon der deutschen Verlage (zit. Anm. 1): „Der Amalthea-Verlag, 1917 durch den heutigen Inhaber gegründet, hat seine prinzipielle Einstellung zur Kunst, Geschichte und Literatur nie geändert. Als 1917 bis 1922 speziell in Deutschland und den Sukzessionsstaaten des alten Habsburger Reiches die sozialistischen und kommunistischen Ideen und Bestrebungen die wertvollsten Kultur- und Kunstgüter der Vergangenheit beängstigend bedrohten und zum Teil zertrümmerten, propagierte der Amalthea-Verlag – von keiner Seite weder materiell noch ideell gestutzt noch unterstützt – die kunst- und kulturschöpferischen Kräfte und Ideen der bodenständigen Persönlichkeiten, Organisationen und staatlichen Institutionen, die wohlbegründet an den alten Traditionen festhielten. (…) Trotz bescheidenen Subventionen bringt der Verlag bei jedem Bande 2000 bis 3000 Mark Opfer. Nachdem der Amalthea-Verlag sich mit sehr bedeutenden materiellen Opfern einerseits für die zeitbeständigen, aber durch die Revolution [!] beängstigend bedrohten Ideen auf allen kulturellen Gebieten einsetzte und andererseits dadurch zwangsläufig in einen Gegensatz zu den alles nivellierenden Linksparteien stellte, nie aber durch die maßgebenden Stellen zweckdienlich unterstützt wurde, stellte sich der Verlagsinhaber seit zwei Jahren völlig international ein, ohne aber seine prinzipielle Einstellung in Kulturfragen aufzugeben. (…)“. Man braucht gewiß nicht lange raten, wer diesen Text verfaßte … Ideologisch gesehen, überlebte der Verlag sowohl den „Anschluß“ als auch den Krieg relativ problemlos. Studers Ausfälle gegen die „Judenpresse“ in den 20 Jahren vor 1938 werden ihm ja nicht geschadet haben.

[8] Nachwort. In: Amalthea Almanach 1917-1927. Zürich-Wien-Leipzig, 1927, S. 155-161; bes. S. 160 f. Der politisierende Verleger Studer spricht hier von „zeitraubenden und sehr kostspieligen Prozessen“. Und ein solcher Prozeß war sicherlich noch in guter Erinnerung: Er fand Anfang Jänner 1926 beim Handelsgericht Wien statt. Eine Buchdruckerei strengte gegen den Amalthea-Verlag einen Prozeß an, weil Studer sich geweigert hatte, angeblich weil die Qualität der Druckarbeit zu wünschen übrigließ, eine ausstehende Rechnung zu zahlen. Die Wiener Tageszeitung Der Tag faßten den Prozeßverlauf erstmals am 7. 1.1926 unter der ironischen Überschrift „Ein Förderer der Literatur“ zusammen: „Dr. Studer, ein Schweizer und Sohn eines reichen Züricher Fabrikanten, kam einst nach Wien und gründete ein literarisches Institut, den Amalthea-Verlag. Seit der Gründung dieses Verlages schwebten um die Firma fortwährend eine Reihe von Prozessen und Verhandlungen, denn Dr. Studer hat die Gepflogenheit, als Wahlspruch über sein Verlagssignum den Ausspruch zu setzen: ‚Ich zahl nix, – ich zahl nix, – ich zahl nix!“ Bisher hörte man nur von unglaublichen Geschichten, die Dr. Studer mit seinen Autoren aufgeführt hatte. Wahrscheinlich um zu zeigen, daß er gerecht sei, blieb Dr. Studer auch den Lieferanten den Fakturenbetrag schuldig. (…) Als aber die Faktura beglichen werden sollte, da erklärte Doktor Studer, es falle ihm nicht im Traum ein, zu bezahlen. (…) Es kam im Laufe der Verhandlung zu erregten Szenen. (…)“ (S. 6.) Nach der Lektüre des Tag-Berichts dürfte Studer auch sehr erregt gewesen sein. Er ließ dem Tag eine Art Entgegnung zukommen. Der Tenor: Es sei alles nicht wahr, was da geschrieben und behauptet werde. Hier zum Vergleich Studer im O-Ton im Tag vom 14.1.1926, S. 8 f. „Vor allem sei es unrichtig, daß der Amalthea-Verlag berechtigte Zahlungen verweigerte und infolgedessen wiederholt vor Gericht belangt werde. Wahr vielmehr sei, daß der Amalthea-Verlag große Summen an Autoren und Druckereien ausbezahlt habe und fortlaufend zahle, selbstverständlich nur dann, wenn die gelieferten Arbeiten den Auftragsbedingungen entsprechen. Deshalb sei es auch unrichtig, wenn behauptet wird, daß der Verlag wiederholt mit Autoren und Lieferanten wegen verweigerter Zahlungen Prozesse geführt hätte. (…)“ Schenkt man aber dem obzitierten Traktätchen Studers von Ende August 1926 Glauben, stimmte es doch.

[9] Handelsgericht Wien. Ausgleich. Akt Amalthea-Verlag. Sa 622/31 (WrStLa). Der Antrag langte am 28.12.1931 beim Handelsgericht Wien ein. Es gab ca. 260 Gläubiger. Das Verfahren wurde am 9.7.1932 offiziell beendigt. Dem Antrag im Akt fehlt eine Seite. Dazu noch der längere Bericht im Neuen Wiener Tagblatt vom 29.12.1931.

[10]Anzeiger, 73. Jg., Nr. 13, 26.3.1932, S. 2.

[11] Handelsgericht Wien. Registerakt HRA 10.521. Schreiben Studers vom 11.3.1942.

[12] Im Registerband des Handelsgerichts wird nur noch die Umschreibung von Reg. A 69, 229 auf HRA 10.521 am 4.11.1941 vermerkt.

[13] Dazu WILLY HAAS 1930: „Schon seine Wohnung, in der er (Studer) mich empfängt, ist eine Sehenswürdigkeit. Kostbare Kunstschätze gibt es in mancher Wiener und Berliner Wohnung; aber nicht Jeder versteht es, sie in den Rahmen einer Etagenwohnung so organisch einzubauen, daß der Charakter einer komfortablen bürgerlichen Wohnung niemals durchbrochen wird.“ W.H., Eine Reise zu den Wiener Verlegern. Die Situation der österreichischen Buchproduktion 1930. In: Die literarische Welt (Berlin), 6. Jg., Nr. 10, 7.3.1930, S. 7-8; hier S. 7.

[14] Das Antiquariat (Wien), X. Jahrgang, Nr. 7/8, April 1954, S. 13. Es liegen keine Dokumente vor, woraus zu schließen wäre, daß Studer der NSDAP beitrat, obwohl er freilich – wie alle anderen Verleger auch – der RSK früher oder später beitreten mußte.

[15] BC, Nr. 12, 20.3.1918, S. 153.

[16] Almanach auf das Jahr 1919, S. 221-232.

[17] Anzeige in BC, Nr. 37-41, 13.10.1920, S. 391.

[18] Amalthea-Almanach auf das Jahr 1922, Nachwort des Herausgebers, S. 197.

[19] Ganzseitige Anzeige in Anzeiger, Nr. 9, 29.2.1924, S. 114.

[20] Amalthea-Verlag. In: Österreichische Woche, 3. Jahr, Heft 38, 18.9.1926, S. 11.

[21] Abschnitt über den Amalthea-Verlag in Lexikon der deutschen Verlage (zit. Anm. 1).

[22] Amalthea-Almanach 1917-1947 (Dreißig Jahre Amalthea-Verlag): „(…) sammelte sie aus allen Richtungen der Windrose (…) in ihr goldenes Füllhorn über 600 Geistesgaben musengeküßter Sterblichern“ (S. 30.)

[23] 40 Jahre Amalthea-Verlag. In: Anzeiger, Jg. 92, Nr. 23, 1.12.1957, S. 106.

[24] Dazu Studers Nachwort im Amalthea-Almanach 1924.

[25] Dazu: BC, Nr. 48-49, 30.11.1921, S. 367.

[26] Anzeiger, Jg. 1924, Nr. 41, 10.10.1924, S. 471.

[27]Siehe Anm. 1.

[28]PETER PANTER: Auf dem Nachttisch. In: Die Schaubühne, XXVI. Jg., Nr. 21, 20.5.1930, S. 770-772; hier S. 771 ff. Peter Panter war ein Pseudonym Kurt Tucholskys.

Ergänzungen zur Buchveröffentlichung von 1985

  • 90 Jahre Amalthea Verlag 1917–2007 (Faltprospekt 2007).

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