Augarten-Verlag Stephan Szabo

Augarten-Verlag Stephan Szabo[1]

Augarten SignetDer „nationale“ Augarten-Verlag Stephan Szabo hat seinen Ursprung in einer 1884 in Wien durch Alfred Kisch gegründeten Buchdruckerei. Im Jahre 1919 wurde der Betrieb durch den am 29.3.1880 in Wien geborenen Stephan Szabo übernommen, der daselbst nach dem Besuch der Elementarschulen seit 26.3.1895 von der Pike auf tätig war. [2]

Zu Szabos politischer Einstellung ist zu sagen, daß er bis zum Jahre 1932 Mitglied der Großdeutschen Volkspartei war.

Die im selben Jahr (1932) als Ergänzung der Buchdruckerei erfolgte Gründung des Augarten-Verlags kam fast nicht zustande. Szabo suchte die Standesvertretung Anfang Oktober 1931 auf, um sich inkorporieren zu lassen und einige Wochen später, um den Antrag auf Verleihung einer entsprechenden Konzession zu stellen. Während die Korporation sich für die Verleihung aussprach, stellte sich das Mag. Bezirksamt II wegen mangelnden Befähigungsnachweises dagegen, und erst durch einen Schiedsspruch des Handelsministeriums wurde Szabo am 4. März 1932 die Konzession zugesprochen. Diese galt für den Buchhandel, beschränkt auf den Verlag und Vertrieb der in der eigenen Buchdruckerei, Wien II., Leopoldgasse 1 hergestellten Werke. Der Name des neuen Verlags war im wahrsten Sinne des Wortes „naheliegend“.

Weniger als vier Jahre später wurde dem Verleger-Buchdrucker Szabo eine für Österreich besondere Ehre zuteil. Ihm wurde nämlich mit Entschließung vom 8.2. 1936 das goldene Verdienstzeichen mit Nachsicht der Taxe vom Bundespräsidenten verliehen. [3] Die Anregung zu dieser Auszeichnung ging – um Spekulationen vorzubeugen – nicht von einer politischen Organisation, sondern vom Gremium der Buchdrucker und Schriftgießer in Wien aus, das auf Szabos Verdienste in der Berufsorganisation hinwies. Szabos Firma beschäftigte ca. 10 Personen, darunter zeitweise seine drei Söhne.

Durch den „Anschluß“ änderte sich für Szabo und dessen Augarten-Verlag nichts, und der Antrag im Juli 1938 auf Aufnahme in die RSK-Gruppe Buchhandel stellte ihn vor keine Probleme. Inzwischen hatte er wie manche seiner Berufskollegen um Mitgliedschaft in der NSDAP angesucht. Seine zwei als Angestellte in der Buchdruckerei beschäftigten Söhne, Franz (26 Jahre) und Friedrich (19 Jahre), waren bereits Parteimitglieder. Das Gaupersonalamt befand im Februar 1939 in der „Politische(n) Beurteilung“ Szabos, dieser habe „sich im früheren System indifferent verhalten“. Stephan Szabo sen. starb am 14. August 1941. Im Frühjahr des folgenden Jahres wurde der Verlag von der Witwe, Frau Franziska Szabo, für die Dauer des Krieges stillgelegt.

Die Produktion

Die Publikationen des Augarten-Verlags, der seine ersten Werke bereits 1932 auf den Markt brachte, umfassen vorwiegend, aber nicht ausschließlich Romane. Der Gründer des Verlags hatte nämlich eine Abneigung gegen Lyrik, [4] wohl nicht zuletzt, weil Gedichtbände sich schlecht verkauften. Trotzdem gab der Verlag einige später zu nennende, umfangreiche Lyrikanthologien heraus.

Es dürften insgesamt etwas über 40 Verlagswerke im Augarten-Verlag erschienen sein. Ein Blick auf die Autoren dieser Bücher läßt unschwer erkennen, daß der Verlag kein prosperierendes Unternehmen war, denn ihre Unbekanntheit in der damaligen literarischen Landschaft wird wohl nur von der Unbekanntheit dieser Autoren heute übertroffen. Zu den bekannteren Verlagsautoren zählten u.a. Heinrich Maria Seibert mit seinem Entwicklungsroman Volk in der Wiege (1932), Franz Löser mit seinem Bauernroman Erben der Erde (1932), Kurt Erich Rotter, Herta Staub, Hanns E. Schopper, Josef Leitgeb, Otto Emmerich Groh. Daß der „Jude“ Paul Stefan im Verlag vertreten war, kann nur darauf zurückzuführen sein, daß – wie die Herren beim Börsenverein bzw. in der RSK – niemand im Verlag von seiner „Konfession“ wußte. Stefan veröffentlichte zum dutzendstenmal ein Buch über die Wiener Oper. 1935 erschien der erste (und offensichtlich einzige) Band einer Schriftenreihe Zeit im Werden. Bücherei des Augartenverlages:

Otto Emmerich Groh: Baron Trenck, der Pandur. Lustspiel in drei Akten (sechs Bildern) [5]

Über die Reihe Romane österreichischer Autoren im Jahre 1934 ist nur bekannt, daß das Werk Kinderlegende von Josef Leitgeb hier erschien.

Anthologien

1935 gab der 1900 zu Böhmzeil bei Gmünd (NÖ) geborene Hauptschullehrer Josef Pfandler eine erste Anthologie im Augarten-Verlag heraus: Lyrik der Gegenwart (Dichtungen österreichischer Lehrer). Ein Jahr danach war die „bodenständige Lyrik Österreichs“ an der Reihe. Das „große Sammelwerk österreichischer Lyrik“ nannte sich

Vom Expressionismus zur neuen Klassik. Deutsche Lyrik aus Österreich. Herausgegeben von Josef Pfandler. (256 S.) (Anhang: Kurzbiographien der Beiträger)

In der Vorbemerkung des Herausgebers Pfandler heißt es:

Österreich, das Land wo Walter von der Vogelweide singen und sagen gelernt, singt wieder. Dieses Buch, eine umfassende Überschau über die gegenwärtig wirksamen, wesentlichen lyrischen Kräfte des österreichischen Stammes, will dafür zeugen. Möge es in allen deutschen Gauen und darüber hinaus verständnisvolle Aufnahme finden.

In der Verlagswerbung unmittelbar vor der Herausgabe Ende November 1936 war man etwas weniger bescheiden:

Österreich, in letzter Zeit wiederholt „die lyrische Provinz der Deutschen“ genannt, singt wieder wie in des Vogelweiders Tagen: ein gewaltiger Chor, getragen von den starken Stimmen eines kleinen Landes. Dieses Buch, von Billinger bis Zernatto klasternd, stellt eine umfassende Überschau über die gegenwärtig wirksamen wesentlichen lyrischen Kräfte Österreichs dar und empfiehlt sich Kritik und Lesern als DIE österreichische Anthologie. [6]

Die Anthologie wies eine stattliche Zahl von „Mitarbeitern“ auf, nämlich 70. Fast vollständig vertreten sind die Mitglieder des zur gleichen Zeit gegründeten Bundes der deutscher Schriftsteller Österreichs sowie alle, die im nationalen Lager Rang und Namen hatten. Das rechte Lager wird durch vaterländisch-konservative Autoren ergänzt. Auffallend ist die Tatsache, daß Josef Weinheber in diesem Band fehlt. Das mag darauf zurückzuführen sein, daß Weinheber sich aus der „Politik“ heraushalten wollte. Hier eine Auswahl der Mitarbeiter:

Richard Billinger, Erna Blaas, Otto Brandt, Franz Th. Csokor, Hans Deißinger, Franz Karl Escuyer, Edmund Finke, Arthur Fischer-Colbrie, Siegfried Freiberg, Ludo Gerwald, Hans Giebisch, Lenz Grabner, Paula Grogger, Hans Hammerstein, Wladimir Hartlieb, Roman Hädelmayr, Rudolf Henz, Erich Landgrebe, Josef Leitgeb, Alexander Lernet-Holenia, Rudolf List, Max Mell, Hans Nüchtern, Joseph Georg Oberkofler, Josef Perkonig, Paula von Preradovic, Erwin Rieger, Ilse Ringler-Kellner, Friedrich Sacher, Walter Sachs, Ernst Scheibelreiter, Friedrich Schreyvogl, Erika Spann-Rheinsch, Franz Spunda, Herta Staub, Max Stebich, Herbert Strutz, Wilhelm Szabo, Paul Thun-Hohenstein, Franz Tumler, Heinrich Suso Waldeck, Guido Zernatto, Julius Zerzer.

Der Augarten

Der Augarten Cover

Die literarische Zeitschrift „Der Augarten“, 1940–1943 von Josef Weinheber herausgegeben.

Die Zahl der literarisch-kulturellen Zeitschriften in den 30er Jahren in Österreich, die sich halten konnten oder einem Verbot nicht zum Opfer fielen, war relativ gering. Die Frage, ob die (ideologische) Richtung stimmte oder nicht, verblaßte hinter der Frage der Finanzierung. Zeitschriftenleichen gibt es genug. Mirko Jelusichs aufwendige, 1935 gegründete Zeitschrift Das Werk. Monatshefte zur Pflege deutschen Schrifttums (Wien) (Heft 2: Beiträge zur Pflege deutschen Schrifttums) brachte es auf zwei Hefte. [7] Lebendige Dichtung. Österreichische Monatshefte für Deutsches Schrifttum (Wien) erschien nur zwei Jahre lang (Oktober 1934 bis September 1936), bevor Adolf Luser das Erscheinen einstellte. Daher kommt einem Zeitschriftenerzeugnis des Augarten-Verlags, nämlich der Monatsschrift Der Augarten, in der heutigen literarhistorischen Forschung eine gewisse Surrogatfunktion zu. Das birgt allerdings die Gefahr in sich, daß man dem Augarten als Sammelpunkt österreichischer nationaler Schriftsteller und Kulturkritiker einen zu hohen Stellenwert beimißt. Denn nicht der dokumentarische Wert heute, sondern Verbreitung und Auflage damals ist entscheidend.

Der Augarten erschien erstmals im September 1934 mit dem Untertitel „Blätter für Schrifttum und Kunst aus Österreich“ (1936:… in Österreich). Im Doppelheft Nr. 3-4, November-Dezember 1934 zeichnete ein Dr. H. Karl Westerhorst als Hauptschriftleiter. Mit der Nr. 10-11 vom 2. Jg., Juni-Juli 1935 zeichnete Dr. Roman Hädelmayr (* 1907, Wien) als Hauptschriftleiter. Die Zeitschrift machte überhaupt manche Wandlungen – Formatwechsel, Schriftleiterwechsel, Mitarbeiterwechsel, Wechsel der Ausstattung und inhaltlichen Schwerpunkte – durch, sodaß sie kein homogenes Bild abgibt.

Aber Der Augarten sollte weitaus mehr sein als „bloß“ eine Zeitschrift. Es wurden bereits im allerersten Heft (und dann nicht mehr!) die ehrgeizigsten Pläne gewälzt. Zuerst aber zur „Aufgabe“ der Neugründung: Die zweispaltigen Ausführungen unter dieser Überschrift wimmeln geradezu von national-nationalsozialistischem Vokabular: „gesamtkulturelles Werden“, dem „Volke“, „Gesamtschicksal“, „Raum“, „deutscher Geltungsraum“, „deutsches Fühlen und Streben“, „raumgeschichtlich“, „deutsche Gesamtleistung“, „beseelte Quellen“, „deutsche Wesenheit“, „deutscher Kulturanstieg“, „überdeutscher Raum“, das „Menschheitsganze“, „die unzweifelhaft deutschen Kräfte“, „Boden“, „Volkstum“ usw. usw. Kurz: man dachte „gesamtdeutsch“. So über-deutlich die Geistesrichtung war, so unterentwickelt waren die konkreten Vorstellungen der Zeitschrift selber. Das teilte man an späterer Stelle mit:

Bestimmung.
Im tiefen Glauben an die Wirkungsmacht und Sendung der Dichtung und der bildenden Kunst für den deutschen Gedanken in Österreich, widmen wir diese unabhängige Zeitschrift. Im Bemühen die Schaffenden und die Empfangenden, die allzulange von einander entfernt gingen, wieder in einen einheitlichen Raum zurückzuführen, indem das aus dem Volke strömende Schaffen seinen Weg zum Herzen des Volkes findet, auf daß die Menschen in unserer Heimat deutlicher, als es bisher geschehen mochte, erleben, welche Kraft der Seele und des gestaltenden Geistes von jeher und so auch jetzt in unserem Volke lebendig sind.
Unseren Beziehern wollen wir bieten:
1. Besprechung von Manuskripten durch führende Schriftsteller und Künstler u. Veröffentlichung guter Arbeiten im Augarten
2. Ein jährliches Preisausschreiben. „Das beste Buch des Jahres“ erscheint in Buchform im Augartenverlag.
3. Bekanntgabe von Verlagsgesuchen.
4. Beratung. Auskunft in literarischen Angelegenheiten.
5. Veranstaltung von Autoren- und Aufführungsabenden.
6. Studienreisen.
7. Anbahnung beruflicher Verbindungen. (1. Jg., Nr. 1, 19)

Sehen wir uns einige dieser Punkte näher an: Punkt 5 sah Autorenabende vor, und zu diesen (monatlich geplanten) Veranstaltungen ist es tatsächlich drei Mal (November 1934, Jänner und Februar 1935) auch gekommen. Darüber berichtete die Wiener Zeitung vom 7.11.1934.

Punkt 2 wurde mit der Fanfare „Augarten-Stiftung“ eingeleitet. Es folgten die „Bestimmungen des Jahrespreises für Dichtung und Erzählung“ bzw. des „Preisausschreibens ‚Das beste Buch des Jahres““, das dann nie gefunden wurde. Diese Bestimmungen wiederum verdienen eine nähere Betrachtung, zumal sie für den „Zeitgeist“ aufschlußreich sind. Zuerst die „Preisrichterschaft“. Diese bildete der „Verein österreichischer Schriftsteller und Künstler ‚Die Augartengesellschaft“ in Wien“. Daß „österreichische Abkunft und Staatszugehörigkeit“ eine Bedingung zur Teilnahme war, ist klar, aber es darf gezweifelt werden, ob „Juden“ die nächste Hürde schaffen konnten:

b) Zugehörigkeit zum österreichischen Geistesleben auf Grund des gesamten bisherigen Schaffens oder doch seiner vorwiegenden Auswirkung nach …

Wie sollte „das beste Buch des Jahres“ eigentlich aussehen?

§ 4 (…) c) das Werk muß im wesentlichen für die Förderung des österreichischen Kulturgedankens wichtig sein, einen österreichischen Stoff der Landschaft, des Volkstums, der Geschichte, eines einzelnen Zweiges der kulturellen Entwicklung, besondere Persönlichkeiten des österreichischen Leistungs- und Schicksalsraumes betreffen oder behandeln oder doch wenigstens einen dem österreichischen Wesen und der österreichischen Weltstellung gemäßen Gesichtspunkt für die Behandlung des gewählten Gegenstandes bei dessen zeitlicher, räumlicher oder sachlicher Entlegenheit zur Geltung bringen. Tendenzschriften sind jedenfalls unbedingt ausgeschlossen;

Die Zeitschrift Der Augarten verlor in den nächsten Heften und Jahrgängen nie mehr ein Wort über den „Augartenpreis“ oder über die hochtrabende „Augarten-Stiftung“ [8]

Der Augarten stellte sein Erscheinen mit dem Heft Nr. 12 vom August 1937 vorerst und ohne Vorankündigung ein. Auskunft über den wahren Grund für diesen Schritt Stephan Szabos verdanken wir einem gewissenhaften Tagebuchschreiber und Augarten-Kritiker und -Glossator namens Wladimir v. Hartlieb (Ps. „Dominikus“, „Rimidalw“). Sieht man davon ab, daß diese Tagebücher das Leiden des nicht anerkannten nationalen, sich selbst bemitleidenden Autors festhalten, sind sie u.a., was den Augarten betrifft, auch informativ. Am 29. September 1937 notiert Hartlieb folgendes:

Heute vormittag fragte ich telephonisch Szabo, den Verleger des „Augartens“, wann das nächste Heft erscheinen solle. Szabo antwortete mir, daß das eben erschienene, das meinen Hofmannsthal-Aufsatz enthält, das letzte sei, da der „Augarten“ wegen mangelnden Absatzes endgültig eingestellt werde. [9]

Und die persönliche Reaktion:

Es tobt in mir. Alle Mühe wieder umsonst. Ein halb getanes Werk, dem ich mich mit Leidenschaft hingab, wieder nichts – wie so oft in meinem Leben. (ebda.)

Bereits seit 1935 begann sich Der Augarten in ein „Freunderlmagazin“ zu verwandeln, nachdem er seit dem Beginn, etwa durch Berichte über die Aktivitäten der verschiedensten Schriftstellerorganisationen und Theaterveranstaltungen, versucht hatte, auch Informationsmedium zu sein. Die „nationalen“ Autoren Österreichs bzw. diejenigen, die sich zum nationalen Lager zählten, hatten sich fortwährend und gegenseitig in Würdigungen oder „Buchrezensionen“ jeweils in den Himmel gelobt. Schrieb Erika Spann-Rheinsch einen Lobbericht über Wladimir von Hartlieb, so revanchierte sich Hartlieb mit dergleichen über sie; lobte Franz Spunda seinen Kollegen Mirko Jelusich, zögerte Jelusich keine Sekunde, Entsprechendes über Spunda zu schreiben. Ernst Scheibelreiter ließ sich kollegial über Erich Landgrebe aus, über Otto Emmerich Groh schrieb Robert Hohlbaum, den man im Augarten freilich zum 50. Geburtstag lobte. Erich August Mayer wußte nur Lobendes über Karl Hans Strobl zu berichten, desgleichen Karl Wache über Josef Wenter, Friedrich Schreyvogl über H.H. Ortner, Erika Spann-Rheinsch über Max Millenkovich-Morold, bis sich der Reigen einmal wieder schloß. Neben den bereits erwähnten kamen phasenweise auch Hermann R. Leber (Kunstkritik), Max Mell, Egmont Colerus, Hermann Graedener, Othmar Spann, Rafael Spann u.a., denen man nationale Gesinnung nachsagen konnte, zu Wort. So konnte der Hauptschriftleiter Roman Hädelmayr zu Beginn des dritten Jahrgangs im September 1936 erklären, es seien

die bedeutendsten Schriftsteller und Künstler unserer Heimat im „Augarten“ mit Beiträgen vertreten und haben der Zeitschrift in kurzer Zeit eine Bedeutung gegeben, die weit über die Grenzen unseres Vaterlandes hinausreicht. Der „Augarten“ hat jetzt schon eines seiner Hauptziele erreicht, in der Führung des deutschen Geisteslebens in Österreich einen hervorragenden Platz einzunehmen. [10]

Die vorhin erwähnte Wandlung im Augarten wird auch im Vorwort „Zum dritten Jahrgang“ angeschnitten:

Viele neue Kräfte sind zu uns gestoßen. Sie werden uns helfen, einen geschlossenen Kulturwillen zu befestigen, der getragen ist von lebendigem Gottempfinden und heißer Liebe zu unserer deutschen Heimat. (ebda.)

So trifft die folgende Analyse F. Aspetsbergers nur für die ersten paar Jahrgänge des Augartens zu:

Der „Augarten“ wurde als Zeugnis für diese Polemiken der Heimattreuen (welcher Richtung dann immer, und die Positionen: christlich oder völkisch oder national oder eine Mischung daraus waren weder in der Ersten Republik noch im Ständestaat aus der damaligen Situation gegeneinander abzuwerten) auch deshalb gewählt, weil selbst Bundeskanzler Schuschnigg im ersten Jahrgang dieser 1934 gegründeten Zeitschrift publizierte, ebenso wie der Staatssekretär und spätere Unterrichtsminister Pernter, weil ihrem Begründer (und Leiter des Augarten-Verlages) Stephan Szabo 1936 das goldene Ehrenzeichen für Verdienste um den Bundesstaat Österreich verliehen wurde (…).[11]

Man darf allerdings die Tatsache nicht überbewerten, daß ein „Text“ von Schuschnigg oder Pernter im ersten Jahrgang abgedruckt wurde. So unüblich waren solche Begleitworte etwa von Schuschnigg nicht, wie ein Blick auf verschiedene Periodika und Bücher dieser Zeit zeigt. Auch folgende, sehr interessante Analyse geht von den erwähnten, meiner Meinung nach unsicheren Prämissen aus:

Die Verträglichkeit der Repräsentanten des christlichen Ständestaates mit den Invektiven im „Augarten“ erklärt sich – abgesehen davon, daß sie teilweise dem Nationalsozialismus nicht ferne standen – vor allem auch daraus, daß die katholischen Dichter in einer gleich abgedrängten Lage und in der Atmosphäre des Schlicht-Provinziellen agierten wie die Nationalen und Völkischen. Das Feindbild des Liberalismus bzw. der größeren bürgerlichen Literaturtradition verband sie beide mehr als die durch anderes getrennt waren. (ebda.)

So zutreffend diese Beobachtung ganz allgemein ist, die Publikation Der Augarten scheint angesichts der Inhomogenität über vier Jahrgänge bzw. angesichts des weitgehenden Fehlens von katholischen, konservativen Beiträgen nicht völlig geeignet, diese These Aspetsbergers zu stärken.

Kommen wir aber nun auf das Eigenlob Hädelmayrs „Zum dritten Jahrgang“ zurück. Was die grenzüberschreitende Bedeutung des Augarten betrifft, war der Glossator mit Burgtheatererfahrung Wladimir von Hartlieb im Jänner des folgenden Jahres (1937) entschieden anderer Meinung:

Seit über einem Jahr schreibe ich nun diese Kritiken. Kein Echo kommt zu mir. Mich umgibt teils stumpfsinniges, teils lärmendes Schweigen. Der „Augarten“ dringt nicht in weitere Kreise, er hat ein paar hundert Abonnenten. Ich bekomme kein Honorar, muß mir sogar jedesmal die Theaterkarte zahlen, da, wie Dr. Hädelmayr mir sagte, die Direktion des Burgtheaters auf dem Standpunkt steht, daß eine Rezensentenkarte für mich sich geschäftlich nicht „rentiert“. (a.a.O., Eintragung, 9. Jänner 1937)

Drei Monate später ist dieser für Hartlieb unerfreuliche Tatbestand wieder Gegenstand einer Tagebucheintragung (1. April 1937). Ein offensichtlich einflußreicher Herr hat seine Burgtheaterreferate bewundert:

Aber gleichzeitig klagt er, wie schade es sei, daß diese Aufsätze wirkungslos verpuffen, daß sie in die Öffentlichkeit kaum hinausdringen. Es sei jammervoll: der „Augarten“ habe – 300 Leser! 300! Das ist noch viel weniger als ich dachte. Und ich glaube, es sind nur 300 Esel, die die Zeitschrift deshalb halten, weil Rafael sie ihnen aufdrängt. Der Herr meinte auch, daß es keinen Sinn habe, diese Zeitschrift finanziell weiter zu unterstützen: sie sei zwecklos. Schuld an der armseligen Lage des Blattes habe der Verlag und die unfähige Schriftleitung. So stehe ich auch mit diesen Aufsätzen in einem toten Winkel. Was immer ich abgreife, es wird nichts daraus; ich komme nicht weiter. Auch die Stelle in München, der Floerke die Referate vorlegt, rührt sich nicht. Keine Luft von keiner Seite, Todesstille fürchterlich. Warum lebe ich noch?
Der oben erwähnte Herr wäre dazu berufen, dem „Augarten“ Schwung zu geben. Er könnte viel dazu tun. Aber er tut nichts. Er klagt nur.

Wenn also, wie es hier mehrmals heißt, Der Augarten eine derart geringe Verbreitung aufweisen konnte – so wenige Leser bzw. Abonnenten hatte – und die Notwendigkeit, die Zeitschrift im August 1937 einzustellen, würde in diese Richtung deuten – dann wird die Stellvertreterfunktion (s.o.) aus heutiger Sicht notgedrungen etwas geschmälert. Wladimir von Hartlieb schreibt davon, daß Rafael Spann Abonnenten die Zeitschrift aufzudrängen pflegte, was ein Weiterleben überhaupt ermöglichte. Einige Zeit später, nämlich im Jänner 1938, als es in einem anderen Gewand zum Wiedererscheinen der Zeitschrift kommt, kommentiert Hartlieb:

Das erste Heft des neuen „Augartens“ ist erschienen. (…) Der „Augarten“ wird jetzt auch streng national geführt. Die Spann-Clique, die ihn früher in Händen hatte und ihn zugrunde gehen ließ, ist eliminiert. Leider kommen meine Burgtheater-Aufsätze für die neue Leitung nicht in Betracht. Honorar wird wieder keines gezahlt. (Eintragung, 31. Jänner 1938)

Der neue (aber auch nicht der letzte) Herausgeber bzw. Hauptschriftleiter der „Zeitschrift für Kunst, Kultur, Schrifttum und Geisteswissenschaften. Der Augarten“ ist der nationalgesinnte, ehemalige Major, Weinheber-Kompagnon, Krimi-Autor und Freizeitlyriker Edmund Finke (1888-1968). Für den neuen Augarten, der bezeichnenderweise den früheren Namen an zweiter Stelle führt, hatte man in nationalsozialistischen Kreisen in Österreich andere Pläne. Er erschien zwar im Augarten-Verlag, aber vierteljährlich. Wenige Monate nach Einstellen des „alten“ Augartens im September 1937 dürfte man mit den Plänen, die Gedankenwelt des neuen Deutschland in Österreich auszubreiten, begonnen haben. So heißt es in einem Bericht aus Österreich an die RSK Leipzig über die Nazifizierung des literarischen Lebens:

Bezüglich Zeitschriften wird auf die Unterstellung der Zeitschrift „Der Augarten“ hingewiesen. Diese Zeitschrift, die sich uns ganz zur Verfügung stellt, wird gänzlich umgestaltet und als kulturell-kritisches Organ weitergeführt. Für ein klares Gesicht und für besten Mitarbeiterkreis ist Sorge getragen. Ein Prospekt und ein Probeheft wird den Empfängern dieses Berichtes demnächst zugehen. Die bisher fast bedeutungslose Zeitschrift dürfte in ihrer jetzigen Umgestaltung (angesichts des Verbotes neuer Zeitschriftengründungen) ein wichtiger Faktor des kulturpolitischen Kampfes hier werden. [12]

Dieser „wichtige Faktor“ muß auch in Zusammenhang mit einem anderen Unterfangen gesehen werden. Bruno Brehm und Mirko Jelusich haben Ende 1938/Anfang 1938 einen „Bühnenverein“ gegründet, um ihre Arbeit zu erleichtern, und Hartlieb sollte

der ständige Referent für diese Bühne im „Augarten“ werden, der ihr offizielles Organ darstellen würde. (Hartlieb, a.a.O., Eintragung, 31. Jänner 1938)

Davon war im Augarten nichts zu merken, und am 12. März war Jelusich schon Burgtheaterdirektor.

Augarten Signet

Auch über die Finanzierung der Zeitschrift Der Augarten gibt das Tagebuch Hartliebs Aufschluß. Die nach dem September 1937 eliminierte „Spann-Clique“ (Hartlieb) – auch als „Spann-Kreis“ berüchtigt – bestand aus Dr. Othmar Spann und den Brüdern Dr. Adalbert Spann (* 1907) und Dr. Rafael Spann (* 1909-21.10.1983) sowie indirekt aus deren Mutter (Gattin von Othmar Spann), der 1880 zu Trennfeld in Bayern geborene Dr. phil. Erika Spann-Rheinsch. Letztere, die vornehmlich Lyrik veröffentlichte und 1936 sich mit einem Lyrikband (Gestalt und Geheimnis. Lieder und Gedichte) zu den „nationalen“ Autoren des Paul Zsolnay Verlags gesellte, gehörte zu den nationalen österreichischen PEN-Dissidenten des Jahres 1933 und leitete – was für ihre politische Einstellung bezeichnend sein mag – 1934 die Sonntags-Beilage „Der Bergkristall“ des kurzlebigen nationalsozialistischen Österreichischen Beobachters. Was die Finanziers der Zeitschrift Der Augarten betrifft, so galt Adalbert Spann als „radikaler Nationalsozialist“, sein Bruder Rafael als „Anhänger der nationalsozialistischen Bewegung“ in Österreich. [13] Beide fühlten sich wegen diverser Delikte vor der österreichischen Polizei nicht sicher und begaben sich 1935 nach Paris. So weit der politisch-finanzielle Hintergrund des Augartens.

Der Augarten stellte sein Erscheinen im Frühjahr 1943 im 8. Jahrgang ein.

Anmerkungen

[1] Quellenhinweise zur Firma bzw. zur Person Szabos: ÖSta, AVA, Präsidentschaftskanzlei, Jahr 1936, Aktenzahl 2019, Verleihung des goldenen Verdienstzeichens; ÖSta, AVA, BMfHuV, Präsidium. Grundzahl: 11.918/1935; Geschäftszeichen: 1, Geschäftszahl 15.595-Pr./35; Akt Gremium/Szabo. Der Verlag war nicht handelsgerichtlich protokolliert.

[2] Siehe die kurze Firmengeschichte der Buchdruckerei Stephan Szabo in: Das Neue Wien. Städtewerk. Hg. unter offizieller Mitwirkung der Gemeinde Wien. Band II, Wien 1927, S. 722.

[3] Siehe Anm. 1 sowie Der Augarten (Wien), 2. Jg., Nr. 7, März 1936, S. 229.

[4] „Als sich der Gründer unseres Verlages trotz seiner Abneigung gegen Lyrik im Jahre 1932 entschloß, den Gedichtband ‚Herbstliche Sonate“ des jungen KURT ERICH ROTTER herauszugeben, konnte er nicht ahnen, zu welcher Höhe Rotters Lyrik steigen würde.“ ‚Zum Geleit“ von Franz Szabo in: Bemühungen. Der Weg eines Dichters, geschildert an Hand von Buchbesprechungen und Briefen. Kurt Erich Rotter zum 70. Geburtstag. Wien: Augarten-Verlag Stephan Szabo, 1976.

[5] Die Reihe ist nicht im Deutschen Bücherverzeichnis verzeichnet.

[6] Der Augarten, 3. Jg., Nr. 3, November 1936.

[7] Die Zeitschrift sollte zehnmal jährlich erscheinen. Das erste Heft ist Oktober 1935 erschienen, das zweite nicht datiert. Eigentümer und Verleger war der Österreichische Wirtschaftsverlag KG Payer &. Co. Das erste Heft enthielt Beiträge von Alma Holgersen, Siegfried Freiberg, Franz Spunda, Mirko Jelusich, Robert Hohlbaum u.a. Heft 2: Paul Anton Keller, Alma Holgersen, Siegfried Freiberg, Karl Springenschmid u.a.

[8] Der Grund dafür ist einfach erklärt, wenn man den entsprechenden Akt aus dem Vereinskataster heranzieht, denn auf die Errichtung des Vereins wurde trotz eingehender Vorarbeit verzichtet. Der Aktenverlauf zeigt folgendes Bild: Am 22. Dezember 1934, also einige Monate nach der ersten Ankündigung im Augarten, wandte sich ein Dr. Harald E. Braum, Rechtskonsulent der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in Wien, im Namen eines Proponentenkomitees, bestehend aus Augartenverlag Stephan Szabo, Karl Franz Escuyer, Schriftsteller, und Frau Dr. H.A. Vonwald, an die Vereinsbehörde (M. Abt. 2), um die Genehmigung zur Bildung des Vereins „Augarten-Gesellschaft“ zu erlangen. Es wurde eine „beschleunigte Behandlung des Antrages“ erbeten und „auf eine beabsichtigte Zusammenarbeit mit der D.Ö. Schriftsteller-Genossenschaft“ hingewiesen. Die Behandlung verlief vergleichsweise sehr rasch, denn bereits am 12. Jänner 1935 meldete die Bundes-Polizeidirektion Wien, daß gegen die Proponenten des Vereins „hier Bedenken nicht erhoben“ werde. Drei Tage später erging ein Bescheid über die Nicht-Untersagung an die Proponenten (obwohl diese vom Bescheid angeblich nie Kenntnis erhielten). Die Statutenentwürfe dieses „Vereins für Kunst und Literatur“ sind nicht uninteressant und sind über weite Strecken ein Komplementärstück zu den bereits erwähnten Zielen des Augartens. Hier einige Auszüge: „§ 1.2. Die Gesellschaft verfolgt den Zweck, unter vollständigem Ausschluß jeglicher politischen Betätigung das deutsche Schrifttum und die deutsche Kunst in Österreich zu fördern, den gesellschaftlichen, geistigen und materiellen Interessen der Mitglieder zu dienen und nach Möglichkeit zur Unterstützung notleidender heimatlicher Künstler und Schriftsteller beizutragen. – 3. Im Rahmen dieser Aufgaben widmet sich die Gesellschaft in erster Linie der Leitung der Zeitschrift Der Augarten, Blätter für Schrifttum und Kunst aus Österreich und der jährlichen Verleihung des von ihr zu stiftenden ,Augartenpreises“ gemäß den für diesen festgelegten Satzungen. Im weiteren strebt die Gesellschaft die Erreichung ihres Zweckes insbesondere auch an durch Herausgabe selbständiger Schriften schöngeistigen und wissenschaftlichen Inhaltes, Veranstaltung von Ausstellungen, Vorträgen, Sprechabenden und Kursen für die Mitglieder, Beratung der Mitglieder in künstlerischen und wirtschaftlichen Standesfragen, unentgeltliche Vermittlung beruflicher Verbindungen. (…) § 4.4. Den Gründern ist vorbehalten: a) die Führung der Zeitschrift ,Der Augarten“; b) die Einsetzung von Preisrichtern für die Verleihung des ,Augartenpreises“; c) die Entscheidung über die Auswahl der Mitwirkenden und der Darbietungen bei künstlerischen Veranstaltungen der Gesellschaft sowie über die Drucklegung der vom Vorstande vorgeschlagenen literarischen Veröffentlichungen.“ Die Tatsache, daß die Proponenten sich, wie es scheint, nicht um die Errichtung des Vereins weiter kümmerten, scheint die These zu untermauern, daß hinter den Kulissen Bemühungen diverser Interessenten im Gange waren, die Zeitschrift an sich zu reißen. Der geplante Verein beanspruchte ja laut Statuten die „Leitung der Zeitschrift ,Der Augarten““, hat aber offensichtlich den kürzeren gezogen und von der Errichtung des Vereins Abstand genommen. Der Akt des Vereinskatasters enthält noch einen interessanten Brief vom 15. Mai 1941, nachdem die Auflösung des (nicht errichteten) Vereins durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände beschlossen worden war. Der Brief stammt von Dr. Harald Braum, und in seinem Brief gibt dieser eine wenig plausible Erklärung für das Nichtzustandekommen des Vereins: „(…) Der Gegensatz zwischen den den Proponenten vorschwebenden Zielen und den damals immer schärfer zum Ausdruck kommenden Richtlinien der österreichischen Behörden hat dazu geführt, daß die Genehmigung der Satzungen nicht abgewartet und die Errichtung des Vereines nie vorgenommen wurde.“ Angesichts der Tatsache, daß die Bildung des Vereins trotz der dazwischen liegenden Weihnachtsfeiertage innerhalb von drei Wochen, also in Rekordzeit, genehmigt wurde, scheint es mir glaubwürdiger, daß interne Gegensätze unter Personenkreisen, die für den Augarten andere Pläne hatten, zur Aufgabe geführt haben. Deutliches Indiz ist der vorgenommene Wechsel bei Mitarbeitern bzw. in der Schriftleitung. (Quelle: Vereinskataster. WrStLa, Zl. 10.732/1934.)

[9] Österr. Nationalbibliothek, Nachlaß Wladimir von Hartlieb, Tagebuch November 1936 bis Februar 1938, Cod. ser. nov. 19.226.

[10] Der Augarten, 3. Jg., Nr. 1, September 1936, S. 3.

[11] FRIEDBERT ASPETSBERGER, Literarisches Leben im Austrofaschismus. Der Staatspreis. Königstein/Ts.: Hain, 1980, S. 40. (= Literatur in der Geschichte. Geschichte in der Literatur. Band 2.)

[12] BDC/Paul Zsolnay.

[13] AVA, BKA (Gendion), Karton 4930, 22 gen, Zl. 327.726/G. D. St.B./1935. Rafael Spann, der nach dem Krieg Geschäftsführer der Österr. Studiengesellschaft für Atomenergie war, ist am 21.10.1983 tödlich verunglückt.

Kommentare sind geschlossen.