Bastei-Verlag

Bastei-Verlag (Wien-Leipzig)

Der Bastei-Verlag war die letzte (belletristische) Verlagsneugründung in Österreich vor dem „Anschluß“. Er wurde in Wien am 22. Oktober 1936 (Gesellschaftsvertrag) zum Betrieb des Buchhandels sowie von Verlagsgeschäften aller Art, insbesondere solcher auf dem Gebiet des Buch- und Kunsthandels gegründet. Am 17. November 1936 wurde die „Bastei-Verlag Ges.m.b.H.“ unter Reg. C, Band 20, pagina 45 ins Wiener Handelsregister eingetragen. Der Verlag hatte seinen Sitz in Wien (1., Wallnerstraße 4), war aber berechtigt, in anderen Ländern des In- und Auslandes Zweigniederlassungen zu errichten. Finanziert wurde diese neuerrichtete Firma mit einem Stammkapital von S 20.000 durch Paul Maric-Mariendol, Direktor in Wien (S 12.000) und Rudolf Lichy, Major a.D. (S 8.000). Zum Geschäftsführer – und nicht mit einer Sach- bzw. Bareinlage nach außen hin vertreten – wurde anläßlich der Generalversammlung am 22. Oktober 1936 in Wien der „Verlagsbuchhändler Dr. Robert Freund, Wien“ bestellt. [1] Ein Entgelt wurde ihm für seine Tätigkeit allerdings nicht zu-gesichert.

Bastei Signet

Der am 29.5.1886 in Saaz, Böhmen, C.S.R. als Sohn von Sigmund und Clara Guttmann-Freund geborene Kunstverleger Dr. Robert Freund war schon seit dem Jahr 1926 (nach Studium in Wien und München) Teilhaber des R. Piper & Co. Verlags in München. Für Freund, der „Jude tschechoslowakischer Staatsangehörigkeit“ war, änderte sich die Lage im Jahre 1935, als die Nürnberger Rassengesetze in Kraft traten. Die Reichsschrifttumskammer drängte auf ein Ausscheiden Freunds aus dem Verlag. In einem Schreiben vom 14. November 1935 an den Piper-Verlag heißt es zum Beispiel: „Ich bitte, mich über die Besitzverhältnisse Ihres Verlages zu unterrichten. Angeblich arbeitet in Ihrem Unternehmen nichtarisches Kapital.“ [2] Auch von seiten der „Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums“ wurde auf den Verlag Druck ausgeübt: „Sie müssen unsere Grundsätze verstehen, daß wir als Parteidienststelle eine schärfere Einstellung zur Judenfrage haben, als sie vom Staat vertreten wird.“ (Schreiben an den Piper-Verlag vom 18.1.1936). [3] In der weiteren Chronik des Piper-Verlags heißt es: „In der Folge wurden die verschiedensten Modelle erwogen (unter anderem ein Verlag unter Leitung Freunds in Wien), doch zu einer Lösung kam es erst 1937.“ [4] Diese Feststellung ist teils zutreffend, teils nicht.

Der Bastei-Verlag war zwar im Oktober 1936 gegründet worden, aber zur Führung des Verlags bedurfte man einer Konzession, die – erst im Jänner 1937 – erteilt wurde. Und erst im März/April 1937 nahm der Bastei-Verlag seine Tätigkeit auf. [5] Freunds Verbleib im Verlag war nur von kurzer Dauer: bei der Generalversammlung am 30. Juli 1937 wurde er nämlich „über sein Ersuchen seiner Stelle als Geschäftsführer enthoben“. [6] Am 6. August wurde er aus dem Handelsregister gestrichen und an seiner Stelle Rudolf Lichy eingetragen.

Warum Freund so bald ausschied, wissen wir nicht genau, es muß aber handfeste Gründe gegeben haben, denn er hat wohl sehr bald eingesehen, wie zwecklos es für ihn sei, als emigrierter „deutscher“ Verleger in Österreich einen auf den deutschen Markt angewiesenen Verlag aufzubauen. So war der Nazi-Literatursheriff Will Vesper etwas spät dran, als er erstmals im März-1938-Heft der Neuen Literatur in seiner Rundschau von Inseraten jüdischer Verlage im Börsenblatt zum „jüdischen Bastei-Verlag, Wien“ (Vesper) folgendes von sich gab:

Hinter diesem Bastei-Verlag, Wien, steht der vor einiger Zeit aus dem R. Piper-Verlag ausgeschiedene Jude Dr. Freund, der so seinen aus dem Piper-Verlag ausgeschifften Rasse- und Gesinnungsgenossen eine neue „Bastei“ schuf, übrigens ein bemerkenswerter Verlagstitel, der nicht harmloser wird, wenn man an Dr. Freunds gute Beziehungen zu Prag denkt. [7]

(Ein Blick auf die tatsächlich erschienenen Verlagswerke zeigt, wie lächerlich dieser Vorwurf in Wirklichkeit war.)

Für einen Neuling in der österreichischen Verlagslandschaft erfolgte die Gründung zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Wie an anderer Stelle dieser Arbeit ausführlich dargestellt, begannen die deutschen Behörden 1936 Einfuhren zu kontingentieren, und als der neugegründete Verlag sich Anfang 1937 beim Leipziger Kommissionär Carl Fr. Fleischer erkundigte, wurde mitgeteilt, daß es derzeit unmöglich sei, Devisengenehmigungen für die Einfuhr von Werken des Bastei-Verlags zu erhalten. Im Klartext hieß das: der Bastei-Verlag war vordergründig aus devisentechnischen Gründen vom deutschen Buchmarkt ausgesperrt. Die Aussichten, die Herbstproduktion wie erforderlich schon im Frühjahr in Auftrag geben zu können, waren düster.

Nach Erhalt des enttäuschenden Bescheids aus Leipzig wandte sich Freund zunächst an das Handelsministerium. Von dort ging der Fall des benachteiligten Bastei-Verlags an das BKA (Auswärtige Angelegenheiten) und weiter an die Österreichische Gesandtschaft in Berlin, an das Auswärtige Amt in Berlin und wieder zurück. Es verging hiebei fast ein halbes Jahr, nicht zuletzt wegen des vorgeschriebenen diplomatischen Weges und der Tatsache, daß das Auswärtige Amt in Berlin sich schließlich zwei Monate Zeit ließ, um am 5. August 1937 (!) auf eine Verbalnote der Österreichischen Gesandtschaft in Berlin zu antworten. Fazit: trotz allem erhielt der Leipziger Kommissionär des Bastei-Verlags kein Kontingent für entsprechende Einfuhren. Die Wertgrenze für österreichische Bücher werde fortlaufend ausgenutzt, und man wolle nicht Fleischer zur Benachteiligung der anderen Kommissionäre Beträge zuteilen. So wurde Fleischer anheimgestellt, Importe des Bastei-Verlags allenfalls unter Kürzung anderer österreichischer Verlagsanstalten zu ermöglichen. Nach Jahresmitte gelang es Fleischer schließlich, „einen Betrag von 600 RM für das Jahr 1937 aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu entnehmen und für die Verlagserzeugnisse der Firma Basteiverlag zurückzustellen.“ [8] Im März d. Jahres hoffte der Bastei-Verlag auf ein Kontingent von RM 100.000 für das Jahr 1937 (!) und war der Ansicht, die Bitte sei „gewiß bescheiden“. [9] Das Ausscheiden Freunds aus dem Verlag fiel zeitlich mit der Gewährung dieses kleinen Betrags zusammen. Er war eben kein Sonderfall wie Gottfried Bermann-Fischer.

Die Produktion

Zum Zweck und Programm des neugegründeten Verlags liest man in einer Eingabe an das Handelsministerium vom 11. März 1937 folgendes:

Der geschäftsführende Gesellschafter des Piper-Verlages in München, der dort auszuscheiden beabsichtigt, hat die Geschäftsführung des Bastei-Verlages übernommen und beabsichtigt in Wien einen Kulturverlag zu gründen, der das Beste österreichischer Kultur zeigt und die Verbindung mit dem westlichen Abendland aufrecht erhält. In gleicher Weise, wie die Salzburger Festspiele gezeigt wurden, soll in großen grundlegenden Publikationen gezeigt werden, was das Burgtheater für die Entwicklung des deutschen Theaters bedeutet und die Staatsoper für die Opern der Erde. Mit führenden Geistern des Auslandes sind Verlagsverträge abgeschlossen. André Maurois großes neuestes Werk:

Die Geschichte Englands wird im Bastei-Verlag erscheinen, wie überhaupt das Oeuvre Maurois. Ebenso werden alle Werke von W. Somerset Maugham, Briffault, Bridge und von dem in Wien lebenden Mac Callum im Bastei-Verlag erscheinen, dann Romane von Egon Friedell und jungen österreichischen Dichtern. [10]

Was hier entworfen wurde, war ein ehrgeiziges und großes Programm, zu dessen Verwirklichung es in einem Jahr kaum kommen konnte. So erschienen keine Werke von Maurois und auch keine von Egon Friedell. Nur wenige der geplanten Publikationen ließen sich dann nachweisen, obwohl Freund, wie erwähnt, bei seinem Ausscheiden aus dem Piper-Verlag Autorenrechte mitgenommen hatte. Neben Somerset Maughams Roman Theater (1937), Ann Bridges Roman Frühling in Dalmatien (1937) und Robert Briffaults Roman Europa (1937) erschien eine Reihe von englischen und französischen Sprachlehrbüchern von T.W. MacCallum (Englisch perfekt, Französisch lernen – ein Genuß!).

Der „Anschluß“ scheint das Ende des kurzlebigen Bastei-Verlags besiegelt zu haben. Zwei Adressenänderungen liegen zwischen dem „Anschluß“ und der Generalversammlung vom 25. Mai 1938, bei der beschlossen wurde, die Gesellschaft aufzulösen und zu liquidieren. Zum Liquidator wurde Dr. Egon Walter, zum Abwickler Dr. Gottfried Linsmayer bestellt. Doch Liquidierung und Abwicklung zogen sich trotz der geringen Zahl von Verlagswerken über mehr als zwei Jahre hin. Erst am 4. Oktober 1940 wurde die Firma Bastei-Verlag nach Beendigung der Liquidation aus dem Handelsregister gelöscht. Heute – und seit 1940 -sucht man vergeblich nach einem Verlagsarchiv des Bastei-Verlags: „Die Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft sind (…) anläßlich einer Übersiedlung [1940] zum Altpapier gekommen und mit diesem eingestampft worden.“ [11]

Dr. Robert Freund ging von Wien in die Schweiz, wo er wahrscheinlich sämtliche Vorräte und Rechte des Bastei-Verlags an den Rascher Verlag in Zürich verkaufte. Dann machte er eine verlegerische Zwischenstation in Paris, bevor er im Juni 1941 nach Amerika ging. Hier gründete er in New York „The Twin Editions“ bzw. „Twin Prints“, eine Reihe von Kunstmeisterwerken, ähnlich den Piperdrucken. Freund starb im 65. Lebensjahr an einem Herzleiden am 29. Jänner 1952 in New York. [12] Nach dem Tod seiner Frau Grethe im selben Jahr ging das Unternehmen an die New York Graphic Society.

Anmerkungen

[1] Handelsgericht Wien. Registerakt C 20, 45. Protokoll der Generalversammlung vom 22. Oktober 1936. In welcher näheren Beziehung Freund zu den beiden genannten Gesellschaftern stand, konnte nicht ermittelt werden. Das Fehlen einer deklarierten Sacheinlage ist auffallend, zumal Freund bei seinem Ausscheiden aus dem Piper-Verlag u.a. auch die Rechte der von ihm dem Verlag zugeführten ausländischen Autoren erhielt. Über Maric-Mariendol und Lichy war leider nichts in Erfahrung zu bringen.

[2] KLAUS PIPER (Hg.): 75 Jahre Piper. Bibliographie und Verlagsgeschichte. 1904-1979. München/Zürich: R. Piper & Co. Verlag, 1979, S. 50 f.

[3] Ebenda, S. 51.

[4] Ebenda, S. 51.

[5] AVA, BMfHuV, Geschäftszeichen: 552, Grundzahl 92.040-7/37, Geschäftszahl: 96.990-7/37. Schreiben Dr. Robert Freunds vom 22. April 1937 an das BMfHuV.

[6] Zitiert nach dem Protokoll vom 30. Juli 1937. Siehe Anm. 1.

[7] Die Neue Literatur, Heft 3, März 1938, S. 154.

[8] Anm. 5. Geschäftszahl 104.464-37, Schreiben BKA (AA) an BMfHuV, 12.7.1937.

[9] Schreiben Bastei-Verlag an BMfHuV, 11.3.1937. Siehe Anm. 5.

[10] Ebenda.

[11] Schreiben der Treuhandgesellschaft „DONAU“ an das Amtsgericht/Registergericht, im Registerakt C 20, 45.

[12] Siehe den Nachruf auf Dr. Robert Freund in: The New York Times. International Air Edition. New York (Printed in Paris), Nr. 34.340, 31.1.1952, Sp. 7 sowie The New York Times, New York Edition, 31.1.1952, Sp. 2.

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