Burgverlag (Wien) [1]
Im Burgverlag, einem der wenigen unter den vielen neuen Gründungen im Wiener Verlagsbuchhandel, dessen Tätigkeit Vertrauen einflößen und Zustimmung verlangen darf … [2]
Der „Burgverlag Richter und Zöllner“, wie die Firma in ihrer ersten Rechtsform genau hieß, wurde am 15. Jänner 1920 in Wien gegründet. Etwa zwei Monate später wurde die auffallende Bildmarke „Burg“ als erstes von mehreren Signets unter rechtlichen Schutz gestellt. [3] Erst am 24. November 1922 wurde die Firma unter Register A, Band 69, pagina 145 ins Wiener Handelsregister eingetragen. Der Betriebsgegenstand der Firma war der Verlags- und Versandbuchhandel mit Ausschluß des offenen Ladenverkehrs. Das erste Geschäftslokal war in Wien I., Habsburgergasse 7. Anläßlich der handelsgerichtlichen Protokollierung schied einer der zwei Gesellschafter, nämlich Karl Richter aus der Firma aus. Zurück blieb Ferdinand Zöllner als Alleininhaber der Einzelfirma „Burgverlag Ferdinand Zöllner“. Nun verlegte Zöllner den Firmensitz nach Wien I., Naglergasse 28. [4] Zöllner war, wie Hermann R. Leber schreibt, „eines jener Originale, wie sie nur der Antiquariatsbuchhandel hervorbringt. Er hatte lange Jahre in einem Leipziger Antiquariate verbracht [und war] in der ,Klassischen Abteilung‘ tätig (…).“[5] Als stiller Teilhaber – er scheint im Handelsregister nicht auf – trat ein junger Schriftsteller namens Bruno Brehm (1892-1974) mit einem „Darlehen“ in der ansehnlichen Höhe von S 17.500 in den Verlag ein. [6] Dazu Brehm viele Jahre später:
Ich trat in einen Verlag ein (der Josef Weinhebers ersten Roman und seinen zweiten Gedichtband herausgab) und verlor dort das Geld meiner Frau. Wir hatten schon zwei Kinder, und ich wußte wirklich nicht, ob ich bloß ein Pechvogel oder auch ein Lump sei. [7]
Auf Brehm kommen wir noch in Zusammenhang mit der „literarischen Verwertung“ des Burgverlags zurück.
Bis Juli 1925 führte Zöllner den Verlag mehr schlecht als recht allein weiter, dann wurde der Burgverlag vom Münchner Kunsthändler und Verleger Oscar Camillo Recht und dem Schriftsteller und Lokalhistoriker Adolf Schmieger (1883-1929) erworben. Gleichzeitig wurde die Firma „Burgverlag Ferdinand Zöllner“ am 28. August 1925 aus dem Handelsregister gelöscht und die Nachfolgefirma „Burgverlag Recht & Schmieger“ ins Handelsregister eingetragen. Von nun an ging es mit dem Verlag wider Erwarten nur mehr bergab. Vor der Übernahme im Juli 1925 sprach Zöllner von Schulden in der Höhe von ca. 200 Millionen Kronen. „In kurzer Zeit stellte sich aber heraus, daß statt 200 Millionen Kronen Passiven in fast doppelter Höhe vorhanden waren, wodurch der Betrieb an sich bedeutend erschwert wurde. Dazu kam noch, daß die allgemeine Stagnation auch auf den Buchhandel ihre Wirkung ausübte, ja denselben geradezu zerstörend beeinflußte, da das Buch für die breiten Massen zum Luxusartikel wurde. Vornehmlich in Wien äußerte sich die triste allgemeine Geschäftslage noch viel stärker auf den Buchhandel und damit auf das Verlagsgeschäft als in Deutschland, so daß selbst groß angelegte Unternehmungen derselben Branche wie die ‚Wila‘ und der Rikola-Verlag, wie aus Zeitungsnachrichten allgemein bekannt, ihren Betrieb einstellen mußten.“ [8] Im Frühjahr 1926 – es ist gerade das allerletzte Verlagserzeugnis erschienen – scheidet der Gesellschafter O.C. Recht aus der Firma aus, die nun (16. April 1926) zum letzten Mal den Firmawortlaut in „Burgverlag Adolf Schmieger“ ändert. Recht scheidet aus der Firma aus, ohne allerdings die Einlage einzubringen, zu der er sich Schmieger gegenüber verpflichtet hatte. Banken sperren alle Kredite, es hagelt Klagen und Exekutionsführungen, so daß Schmieger nach einigen Wochen nur eines übrigbleibt, nämlich die Zahlungseinstellung zu erklären und den Ausgleich anzumelden. Die Passiven liegen bei S 58.286, die Aktiven bei S 25.377. Hiernach wechselt der Verlag mehrmals die Adresse: im Juni 1926 gibt der Verlag im Anzeiger bekannt, daß er seine Geschäftsräume nach Wien VIII., Lammgasse 2 verlegt habe. 1927 sind sie in Wien VIII., Josefstädterstraße 23 untergebracht.
Drei Monate nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens beim Handelsgericht Wien zieht der Verlag seinen Ausgleichsantrag zurück. Es sind nicht genug Mittel vorhanden. Im Juli beantragt ein Hauptgläubiger beim Handelsgericht die Eröffnung des Konkursverfahrens über die Firma „Burgverlag Adolf Schmieger“. [9] Es geschieht mit dem Verlag nun längere Zeit überhaupt nichts. Am 12. August 1929 stirbt der Inhaber Adolf Schmieger im Alter von nur 46 Jahren. Behördlicherseits rührt sich etwas erst sechs Jahre später, als das Konkursverfahren am 18. Juni 1935 mangels Deckung der Kosten aufgehoben wird. Am 10. September 1935 – also gut neun Jahre nach dem Untergang des Burgverlags – wird die Firma aus dem Handelsregister gelöscht.
Dieser eher trockenen Darstellung des kontinuierlichen Niedergangs eines jungen Wiener Verlags stehen zwei komplementäre „Verlagsgeschichten“ zur Seite. Obwohl der Burgverlag, wie wir an späterer Stelle auch sehen werden, keine außerordentliche verlegerische Leistung erbrachte, kommt es im Verlagsleben der Ersten Republik sonst nicht vor, daß zwei Autoren, die zudem mit Verlagsinterna vertraut waren, ihren Verlag als Vorlage zur literarischen Darstellung, zur Dichtung, gebrauchen. Es handelt sich hier um den bereits erwähnten Bruno Brehm, der dem Burgverlag einen ganzen Roman widmet, und Josef Weinheber, der nach dem Mißerfolg seines ersten Lyrikbandes Der einsame Mensch im E.P. Tal Verlag (1920) über eine Empfehlung Robert Hohlbaums[10] zum Burgverlag stieß und hier seinen ersten Roman Das Waisenhaus (1925) und seinen zweiten Lyrikband Von beiden Ufern (1923) veröffentlichen konnte.
1925 erschien im Burgverlag eine Verlagsgeschichte eigener Art – Der Sturm auf den Verlag – und wurde vom jungen Verlagsfinanzier Brehm unter dem Pseudonym Bruno Clemens herausgebracht. Dieses Werk stellt zugleich seine erste Buchveröffentlichung und eine humoristische Abrechnung mit der eigenen tragikomischen Erfahrung als Pseudoverleger dar. Man vergleiche z.B. den vorhin zitierten Rückblick Brehms („Ich trat in einen Verlag …“) mit dem Anfang des Romans Der Sturm auf den Verlag:
Warum ich aus Wien geflohen bin, wollen Sie wissen? Weil ich fliehen mußte: Schulden waren mir über den Kopf gewachsen. (…) Ich hatte im Herbst vergangenen Jahres eine Erbschaft von einer alten Tante in Böhmen gemacht und mit diesem Geld im Jänner den Sieben Gipfel-Verlag gegründet. Die ersten Werke, zu denen ich mich überreden ließ und die mein Geld zum größten Teil verschlungen hatten, lagen alle schwer wie Blei im Magazin und gingen nicht. (S. 5) [11]
Die Anspielung auf die Bildmarke bzw. die diversen Signets des Burgverlags mit den „Gipfeln“ ist unübersehbar. Und es gibt in der Roman- bzw. Persiflagehandlung so manchen Realitätsbezug, der aus der eigentlichen Verlagsgeschichte bzw. Produktion ersichtlich wird. [12] Die Handlung verläuft kurz umrissen folgendermaßen: Der Jungverleger G.A. Hutter führt einen schlechtgehenden Verlag, ja er produziert sogenannte „Bumerang-Bücher“: „Ich konnte sie versenden, wohin ich wollte, sie kehrten immer wieder.“ (S. 17) Er entwirft den satanischen Plan, einen „Luftschloßverlag“ aufzubauen, gibt für eine Anzeigenkampagne große Summen aus, in der Hoffnung, daß diese sich rasch amortisierten, und gründet eine große „Deutsche Bibliothek“ und einen zweiten Verlag, „Pneuma-Verlag“ genannt, um hier eine Kunstzeitschrift zu veröffentlichen. Es geht Hutter vor allem darum, den Autoren Geld zu entlocken. Einsender werden aufgefordert, mit der Hand geschriebene Manuskripte um 50 Schilling in die Maschine schreiben zu lassen und Vorauszahlungen zu leisten. Verleger Hutter wird mit Einsendungen überschwemmt:
Aber der Zustrom der Manuskripte wollte nicht versiegen. Nach einer Woche hatten wir 528 Bände lyrische Gedichte, 156 Romane, 279 humoristische Werke, 37 Kriegserinnerungen, 48 Bücher gegen den Krieg, 10 Werke gegen den Sozialismus, 33 Verbesserungsvorschläge für den Sozialismus, 34 Alpenerinnerungen, Faltbootfahrten, Fußballerlebnisse und 92 Lebensreformwerke. (13 Bücher allein wollten die Unzucht und Schundliteratur mit anderer Schundliteratur bekämpfen.) (S. 120)
Und Hutter kassiert dementsprechend:
Bisher waren für ungefähr tausend Manuskripte die Beträge eingegangen, was 50.000 Schillinge ausmacht. Der kleine Annonceagent hatte durch intensive Arbeit schon über 25.000 Schilling eingenommen (…). (S. 121)
Als er nach Abzug seiner Spesen alles zusammenrechnete, blieben ihm „122.000 Schillinge, mit denen ich zu fliehen beschloß“ (S. 129). Doch kurz vor dem Flug nach Bukarest bestellt er alle Autoren in das Verlagsbüro für eine bestimmte Zeit. Da liefern sie sich eine wahre „Schlacht um den Verlag“. Was das eingelaufene Papier betrifft, so hat der Flüchtling vorgesorgt: „Die Riesenstöße mit Manuskripten waren bereits an Altpapierhändler verkauft“ (S. 129).
Wiewohl es schwer ist, Wahrheit von Fiktion zu trennen, wendet sich der Grundtenor der Persiflage gegen die Art von Büchern, die der Burgverlag anno 1924 zu produzieren pflegte, nämlich Viennensia und Schriften von universitätsnahen Institutionen. Bei Weinheber lernen wir den Verlag von der Autorseite kennen.
Mit 1. Jänner 1928 übernahm der Krystall-Verlag des Dr. Franz Juraschek (s.d.) die Herausgeberschaft der vom Volksbildungshaus Wiener Urania ins Leben gerufenen und bislang redigierten Monatsschrift Der neue Pflug. Und vom ersten Heft im Jänner 1928 an erschien in Fortsetzungen und gekürzt die Erstveröffentlichung eines Wiener Romans von Josef Weinheber, Der Nachwuchs. „Es ist uns nun gelungen“, liest man in der Vorbemerkung,
sein zweites großes Prosawerk zu erwerben, einen Roman, der besonders durch das farbig und lebensecht geschilderte Milieu allgemeinem Interesse in unserem Leserkreise begegnen wird: Auf dem Boden Wiens, in dem Bereich der traditionsbewahrenden ,enteren Gründ‘ spielt der Roman. [13]
Dieser Roman trug später den definitiven Titel Paradies der Philister. [14] Der Verlag, um den sich ein Teil der Handlung dreht, heißt bei Weinheber „Hanim-Verlag“. Friedrich Jenaczek entschlüsselt diesen Firmanamen so: Hanim setzt sich aus HAwenit (= Zöllner) und Dr. NIMlieb (= Dr. Bruno Brehm) zusammen. [15] In der Erstveröffentlichung dieses Romans 1928 im Neuen Pflug wie auch in Paradies der Philister trägt das sechste Kapitel die Überschrift „Handelt sozusagen von Literatur“. [16] Der junge Autor Günther Rappolt sucht einen Verlag für sein neues Werk Die Kugelperspektive und spricht darüber mit dem „Plebejer Johann Christian Wimmer“:
‚Ich wünsche also einen Verleger für das Werk, möchte aber, Sie verstehen, nicht hausierengehen damit. Es ist, denke ich mir, vielleicht auch ein bißchen schwierig, weil es sich eben um eine ausgesprochen wissenschaftliche Sache handelt, die naturgemäß nicht das allgemeine Interesse des Publikums in dem Maße beanspruchen kann wie ein Unterhaltungsroman. (…) Und wüßten Sie mir da vielleicht einen Verlag in Wien?“ ,Aber ja, gleich ums Eck. Sozusagen. In der Naglergassen. Hanim-Verlag.“ (…) Günther war mürbe. Wie alle Erstlingsautoren war er, da er die Hoffnungslosigkeit, sein Buch auf normale Art an den Verleger zu bringen, eingesehen hatte, zum Letzten bereit, um nur die Geburt seines Werkes, die ihm mit jeder Ablehnung notwendiger zur Bestätigung seines Talents, seiner Weitfähigkeit, ja seines Lebens schlechtweg erschien, durchzusetzen. Vornehm verzichtete man auf jedes Honorar, ja, war bereit, die Kosten der Auflage selbst zu bezahlen, wenn nur nach außenhin ein Verlag für die Herausgabe des Buches zeichnete. (…) Johann Christian Wimmer trank aus, Günther zahlte, und dann ging’s in den Verlag. Sie brauchten nur über den Platz Am Hof zu gehen, im Zickzack durch die Buden. In dem Eckhaus Heidenschuß 1, im ersten Stock, war der Verlag. Da war schon die Blechtafel neben der Glastür, durch die man unmittelbar zu einer Treppe gelangte, von der im Halbstock, von einer Art offenen kleinen Vorzimmers aus, (links eine Tür in den Hanimverlag führte. (…) „Servus Hawenit!“ begrüßte Wimmer den Walroßbart. „Da bring‘ i dir den Ingenieur-Architekten Herrn Günther Rappolt, sucht ein‘ Verleger für sein hochwissenschaftliches Werk ,Die Kugelperspektive‘.“
Dabei zwinkerte Wimmer dem Samtrock heimlich und beziehentlich zu.
Jetzt stand der Mann vom Schreibtisch auf, wand sich zu Günther durch und sagte in rasch erwachter Höflichkeit: „Meun Name öst Hawenit. Fördinand Hawenit, es froit mich, daß Sö in unseren Verlach gefunden haben.“
Günther verbeugte sich gemessen. „Sie sind der Verleger?“
„Jawoll, meun Herr, ich bin der Verlächer. Wollen Sö sich bitte weuter bemühen.“
Der Verleger Hawenit ist mit einer Veröffentlichung sofort einverstanden:
„Warum nöcht? Ich schmeuchle mir, eun Mann von Mänschenkenntnis zu sein. Ich sähe den Autor, und kenne das Wärk. Ich habe Sie gesähen. Es genücht mir. – Wann kann ich das Manoskröpt haben, Härr Architekt?“
Und was die Auflage betrifft, so ist Hawenit sehr gewieft:
„Drucken tu ich natürlich nur fünfhundert, schad’s ums Papier, kalkulieren werden wir zweitausend. Zahl’n soll er tausend, die Klischees eingerechnet, machen wir ganz ein gutes Geschäft. Hausieren soll er sich dann selber gehn mit dem Schmarrn, wenn er einmal heraußen ist.“
So weit Weinhebers Persiflage von Ferdinand Zöllner und seinem Burgverlag. Wie Brehm berichtet, [17] gingen Weinhebers Bücher im Burgverlag nicht, aber diese waren nicht die einzigen!
Die Produktion
Die Produktion des Burgverlags in den Jahren 1921-26 umfaßte ca. 32 Titel, und wenn man überhaupt von einem Schwerpunkt sprechen kann, so lag der Akzent auf „Wienerischem“ und „Heimatbüchern“. Die Jahresproduktion entwickelte sich beim Burgverlag folgendermaßen: 1921: 4 Publikationen; 1922: 6; 1923: 6; 1924: 12; 1925: 3; 1926: 1. Was „Wienerisches“ betrifft, so sind es zwei Autoren, die besonders hervorgetreten sind: Rudolf Stürzer und Alfred Gerstenbrand. Von Stürzer allein erschienen folgende sechs Bücher:
Die Lamplgasse. Heiteres Kunterbunt aus der Wiener Vorstadt. Mit 34 Bildern von Alfred Gerstenbrand. Anhang: Erklärung der mundartlichen Ausdrücke (1921). (Aufl. 10.000) Auf stolzen Rossen und andere lustige Geschichten. Umschlag von Oskar Laske (1922). Der tote Hund und andere lustige Geschichten. Umschlag von Oskar Laske (1923). Engelszungen. Umschlag von Erichsen (1924). Szenen und Gespräche. (1924). Schwankende Gestalten. Einband nach einem Entwurf von Franz Probst (1926) und von Alfred Gerstenbrand folgende zwei:
Die Leut vom 22er Haus (1922). Aus dem halbvergangenen Wien. Originallithographien von Alfred Gerstenbrand. 20 Blatt in Folio (1921). Der Rest der Belletristik setzte sich aus Alpenländischem und Lokalem zusammen und erinnert stark an die zitierte Passage aus dem Roman Der Sturm auf den Verlag (1925). So erschienen Bücher wie Die Weiber von Schorndorf Schauspiel von Franz Sommer (1924), Hans Stifteggers Die Rax. Ein Wiener Volksstück in vier Akten (1921), Fritz Stüber-Gunthers Das Wirtshaus an der Gams. Eine heitere Geschichte (1922), Franz Turbas Die Alpenweise (1924) und Der verzauberte Ziegenbock und andere heitere Dorfgeschichten aus Österreich (1924), Frau Haberditzl. Wiener Vorstadtgeschichten von Joseph Vincenz (d.i. Jerzabek) (1923) usw. Zu den bereits erwähnten Büchern Weinhebers und Brehms kommt noch Roland. Roman aus dem karolingischen Zeitalter (1923) von Karl Wache.
In den Anfangsjahren unter Richter und Zöllner bestand eine Verbindung zur weltberühmten Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums in Wien. 1922 erschien eine hübsche Veröffentlichung der Klasse für Jugendkunst: Weihnacht. Vierzehn farbige Original-Steinzeichnungen. Im selben Jahr erschien das Buch Der Formwille der Zeit in der angewandten Kunst von dem Kunsthistoriker L.W. Rochowanski. Die einzige weitere Publikation des Burgverlags auf diesem Gebiet kam 1925 heraus: Richard Rothe, Das Märlein vom Wunderscherlein. Ein Beschäftigungsbuch für große und kleine Kinder. Aber es gab auch Verlagskuriositäten, die den bereits umrissenen Rahmen sprengten. So kam 1923 das Werk Bei der Wiener Roten Garde von Peter Waller im Burgverlag heraus. 1921 brachte man die Übersetzung Der babylonische Talmud von Nivard Schlögl auf den Markt, ein Jahr danach übersetzte Schlögl die Bibel neu: Die heiligen Schriften des Alten Bundes. Aus dem kritisch wiederhergestellten hebräischen Urtexte übersetzt und kurz erläutert. Zwei Bände. [18]
Der Burgverlag versuchte sein Glück auch mit drei verschiedenen Reihenwerken. 1923 startete man die Reihe Urgeschichtliche Volksbücher. Im Auftrage der Wiener prähistorischen Gesellschaft, herausgegeben von Univ.Prof. Dr. Oswald Menghin. Band 1, der es zu einer Auflage von 7.000 Exemplaren brachte, stammte von Gustav Kraitschek und hieß Rassenkunde mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Volkes, vor allem der Ostalpentäler. Band 2, Urgeschichte Wiens von Oswald Menghin und Viktor Wanschura, kam 1924 heraus.
Die 1924 begonnene Reihe Volkskundliche Bücherei, herausgegeben vom Verein für Volkskunde in Wien, brachte es nur auf einen Band, nämlich Einführung in die Volkskunde von Michael Haberlandt.
Die letzte Serie war die 1924 gestartete Deutschösterreichische Bücherei. In dieser Reihe erschienen im selben Jahr vier Bände mit sehr unterschiedlichen Themen. Sie reichen von Wiener Hauszeichen und Ladenschilder, Drei Hundert Jahre Wiener Humor in Prosa bis zu Lieder der Einserschützen und Bankenwesen in Österreich. Alles in allem zeigt die Produktion des Burgverlags vielleicht durch den oftmaligen Besitzerwechsel eine sehr bunte Mischung, mit der er allerdings nicht lange im Geschäft bleiben konnte.
Zwischen 1921 und 1925 wurden insgesamt vier Signets oder Bildmarken verwendet. Es ist nur in einem Falle mit Sicherheit bekannt, wer das Signet entwarf. Das 1922 gebrauchte Signet stammt von Alfred Gerstenbrand. Zu den Künstlern, die Buchschmuck für den Burgverlag anfertigten, zählen neben Gerstenbrand Fritz Gareis (*1872), Karl A. Wilke (*1879), Franz Probst, Edwin Grienauer (*1893), Richard Rothe und Oskar Laske (*1874).
Anmerkungen
[1] Quellenhinweise: Handelsgericht Wien, Registerakt A 69, 145 (WrStLa); Handelsgericht Wien, Ausgleich Sa 280/26 (Akt; WrStLa); Konkurs S 159/26 v. 12.10.1926 (WrStLa); siehe auch die folgenden Angaben.
[2] DR. JOSEPH PAPESCH, Gute und andere Bücher. In: Alpenländische Monatshefte, (Graz), 1. Jg., 1924, 11. Heft, November 1924, S. 718-720; bes. S. 719. Vgl. dazu: Der Burgverlag in Wien, In: Österreichische Woche (Wien), hg. Roderick Müller-Guttenbrunn, 1. Jg., Heft 37, 14.12.1924, S. 19.
[3] Österreichischer Zentral-Marken-Anzeiger. Hg. vom Staatsamt für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten, Wien, Nr. 3, 1920, ausgegeben am 5. Juli 1920, S. 89. Tag der Eintragung war der 29.3.1920.
[4] Anzeiger, Jg. 1922-23, Nr. 12, 26.1.1923, S. 2.
[5] HERMANN R. LEBER, Josef Weinheber als Sammler und Bibliophile. In: Das Antiquariat (Wien), VIII. Jg., Nr. 5/6, 10.3.1952, S. 1.
[6] Handelsgericht Wien. Ausgleich Sa 280/26 (WrStLa). Gläubigerforderung Dr. Bruno Brehm. Die Forderung wurde nicht anerkannt, da Brehm als Mitinhaber galt. Seine beim Konkurs auf S 15.000 reduzierte Forderung wurde ebenfalls nicht anerkannt.
[7] Zitiert nach HERBERT GÜNTHER, Leben und Werk des Dichters. In: Buch des Dankes. Bruno Brehm zum fünfzigsten Geburtstag. Karlsbad/Leipzig: Adam Kraft Verlag, 1942, S. 348-362; hier S. 352. Bei Günther fehlt eine genaue Quellenangabe. Die Kinder Brehms waren 1924, 1925 und 1930 geboren worden.
[8] Antrag des Verlagsinhabers Adolf Schmieger vom 19. April 1926 auf Eröffnung des Ausgleichsverfahrens über die Firma ‚Burgverlag Adolf Schmieger‘. (Siehe Anm. 6.) Zu den vielen Gläubigern zählt interessanterweise ein gewisser Rechtsanwalt namens Dr. Arthur Seyss-Inquart, Wien 1, Am Hof 5.)
[9] Handelsgericht Wien. Konkursakt S. 159/56 (WrStLa).
[10] Siehe den Brief Weinhebers an Leo Perutz von Anfang 1923: „Der Burgverlag, an den mich seinerzeit R. Hohlbaum empfohlen hat, hat sich angeboten, einen Band Gedichte von mir herauszugeben!“ JOSEF WEINHEBER, Sämtliche Werke. Hg. von JOSEF NADLER und HEDWIG WEINHEBER. V. Band: Briefe. Salzburg: Otto Müller Verlag, 1956, S. 39. Hohlbaum hat im Burgverlag nichts veröffentlicht. Auch Robert Musil wußte vom Wert einer Empfehlung Hohlbaums: „Eine Empfehlung von Hohlbaum bedeutet großen Absatz.“ (ROBERT MUSIL, Tagebücher. Hg. ADOLF FRISÉ. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag, 1976, Band 1, S. 624.)
[11] BRUNO CLEMENS, Der Sturm auf den Verlag. Mit Bildern und Umschlag von Oskar Laske. Wien: Burgverlag, 1925. (144 S.) Siehe dazu noch Brehm schriftlich an Dr. Friedrich Jenaczek, Herausgeber der Sämtlichen Werke Weinhebers, in: Sämtliche Werke. V. Band: Prosa II. Romane und Romanfragmente. Neu hg. von FRIEDRICH JENACZEK. Salzburg: Otto Müller Verlag, 1976, S. 754, Anm. zu S. 479.
[12] Clemens, recte Brehm, verewigte zwei Lokalhistoriker in diesem Roman: Emil Blümml als „Herr Pril“ und Gustav Gugitz als „Herr Glas“.
[13] Der neue Pflug. Monatsschrift der Wiener Urania, II. Jg., Heft 12, Dezember 1927.
[14] Zu den verschiedenen Textstufen, zur Entstehung sowie zu den Titeländerungen siehe die Ausführungen Friedrich Jenaczeks (Anm. 11), S. 708 ff. Der vollständige Text des Romans findet sich in diesem Band.
[15] Ebenda, S. 751.
[16] Der neue Pflug, III. Jg., Juli 1928, S. 43 ff.
[17] BRUNO BREHM, Wie ich ihn kennen lernte. In: HEINRICH ZILLICH (Hg.), Bekenntnis zu Josef Weinheber. Erinnerungen seiner Freunde. Salzburg: Akademischer Gemeinschaftsverlag, 1950, S. 21-28: „(…) War das damals eine schöne Zeit? Es war ganz und gar keine schöne Zeit. Bei Tag mußte ich ein Manuskript nach dem anderen lesen, wie es der Kompagnon aus der mittleren Lade herausholte und mir hinüberreichte – ach, was für Manuskripte! – und nachts stöhnte ich so laut, daß mich meine Frau aufweckte und fragte, ob mir schlecht sei. Ich stöhnte aber, weil wir einige von diesen eingereichten Manuskripten auch angenommen und verlegt hatten. Verlegt ist bald etwas. Aber verkauft! (…) Dichter kamen viele zu uns. Und in ihrer Reihe erschien auch ein gewisser Josef Weinheber und legte uns einen ersten Roman: ,Das Waisenhaus‘ vor (…) ,Das Waisenhaus‘ erschien, aber es ging nicht. Weinheber mochte sich nicht viel davon versprochen haben. Er brachte uns seine Gedichte.“ (S. 23 f.)
[18] Dazu BRUNO BREHM, ebenda, S. 21 f. Verwiesen wird noch auf eine neuere Publikation zu Heimito von Doderer. In einem Beitrag von Viktor Matejka ist von Bruno Brehm und dem „Zöllner-Verlag“ die Rede. Neben diesem „lapsus“ heißt es dort, Zöllner hätte „seinen Verlag auf einer ertragreichen Druckerei“ aufgebaut. Davon ist dem Verfasser nichts bekannt. Unrichtig ist auch die Mitteilung bei Matejka, der Burgverlag hätte mit einer Bibelübersetzung begonnen, von der nur ein Band erschien. Genauso unzutreffend ist die Mitteilung, der Verlag hätte sich auf Lyrik verlegt. (Siehe: Eine Dodereriade seit 1921. In: Begegnung mit Heimito von Doderer. Hg. von MICHAEL HOROWITZ. Wien-München: Amalthea-Verlag, 1983, S. 102-114; bes. S. 111 f.)