Deutsch-Österreichischer Verlag (Wien-Leipzig) [1]
Der „Deutsch-Österreichische Verlag“ war neben dem 1907 eingegangenen „Wiener Verlag“ einer der rührigsten und profiliertesten belletristischen Verlage in Österreich zumindest vor 1918. Die Vorgeschichte dieser Firma reicht bis zum Jahr 1842 zurück, [2] während der unmittelbare Vorgänger die 1877 gegründete (bzw. umbenannte) Sortiments- und Verlagsbuchhandlung „Huber & Lahme“ (1., Herrengasse 6) war. Inhaber: Johann Huber und Eduard Lahme. Nach einigen Besitzerwechseln wurde die Firma von Adolf Schlesinger und Miecislaus Patkiewicz käuflich erworben und unter „Huber & Lahme Nachf.“ weitergeführt (handelsgerichtliche Eintragung: 20.3.1906). [3] Im September 1911 wurde dieser Firma eine Verlagsabteilung unter dem Namen „Deutsch-Österreichischer Verlag“ angegliedert. Der neue Verlag sollte „vorerst der schöngeistigen Literatur gewidmet sein“. [4] Gleichzeitig kündigte der ,Deutsch-Österreichische Verlag (Huber & Lahme Nachf.), das Erscheinen der ersten Verlagswerke an, sechs an der Zahl, für die Professor Josef Hoffmann von der Wiener Werkstätte die Umschläge entwarf. Darunter befinden sich Novellenbände von Alfred Freiherr v. Berger, Max Burckhard, Philipp Langmann und Felix Salten sowie ein Drama von Langmann und ein Roman von Karl Hans Strobl (Isgard Gestettner). Etwa sieben Monate später wurde der Verlag in ein selbständiges Unternehmen umgewandelt. Anläßlich einer Generalversammlung Ende April 1912 wurde ein Gesellschaftsvertrag aufgestellt. Gegenstand der zu protokollierenden Firma „Deutsch-Österreichischer-Verlag G.m.b.H.“ mit Sitz in Wien 1., Krugerstraße 8 war demnach:
die Erwerbung und der Betrieb des dermalen eine Abteilung der Firma „Huber & Lahme Nachfolger in Wien“ bildenden, unter der Bezeichnung Deutsch-Österreichischer Verlag von derselben betriebenen Verlages, ferner der Betrieb von allen Verlagsgeschäften inklusive des Bühnenvertriebes von dramatischen Werken sowie die Beteiligung an gleichen oder verwandten Unternehmungen. Der Betrieb des Sortimentsbuchhandels ist ausgeschlossen. [5]
Am 10. Mai 1912 wurde die neue Firma unter Register C, Band 11, pagina 121 ins Wiener Handelsregister eingetragen. Das Stammkapital betrug K 200.000 und wurde von den zwei Geschäftsführern Adolf Schlesinger-Kolm, Buchhändler in Wien, und Otto Schlesinger-Kolm, Privater (*15.6.1890), sowie in erster Linie vom Vater, dem Wiener Gerichtsadvokaten Dr. Oskar Kolm, aufgebracht. 1915 wurde der Sitz des Verlags nach Wien 4., Johann Strauß-Gasse 35 verlegt, 1916 wurden die Nachnamen der Geschäftsführer auf Adolf und Otto Kolm umgeändert.
Durch eine Reihe von einzelnen Abtretungsverträgen[6] ging der Deutsch-Österreichische Verlag in den Besitz des Wiener Buchhändlers und Verlegers Dr. Mayer (Max) Präger (*2.10.1889, Galizien, Todesdatum unbekannt) über. Geschäftsführer und Alleininhaber[7] Präger (Eintragung: 13.9.1918) behielt den Verlag nicht lange. Im Juni 1921 wurde der Deutsch-Österreichische Verlag an den nunmehrigen alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer Dr. Richard Ornstein (23.2.1889, Kremsier (CSSR), Selbstmord durch Erschießen, Wien, 2.5.1932) abgetreten. Der Firmensitz wurde nach Wien 1., Fischerstiege 6 verlegt, während die Firma nun drei Gesellschafter hatte: Ornstein, Rudolf König (18.4.1865-30.1.1927, Wien) und Verlagsbuchhändler Karl König.
Nach mehreren Jahren Untätigkeit wurde bei einer a.o. Generalversammlung am 25. März 1927 der Beschluß gefaßt, die Gesellschaft aufzulösen und in Liquidation zu treten. Zum Liquidator wurde Dr. Richard Ornstein bestellt. Nach Beendigung der Liquidation wurde der Deutsch-Österreichische Verlag am 31. Dezember 1928 aus dem Handelsregister gelöscht. [8]
Die Produktion
In der Zeit bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs leistete der Deutsch-Österreichische Verlag erstaunlich viel. Im ersten vollen Geschäftsjahr erschienen z.B. 22 Werke, im Jahre 1913 weitere 17. [9] Nach Kriegsbeginn und bis 1918 fiel die Produktion deutlich ab, und bis 1924 erschienen wahrscheinlich nicht wesentlich mehr als ein Dutzend neue Verlagswerke.
Der Verlagsname war insofern zutreffend für die Produktion, als fast ausschließlich deutschsprachige Österreicher vertreten sind. Hierunter befinden sich bis 1918 u.a. Hans Adler, Karl Adolph (Töchter. Ein Wiener Roman), Gisela v. Berger, Ludwig Biró (2 Werke), Paul Farkas, Rudolf Holzer, Franz Molnár (drei Werke, darunter Liliom, bearb. v. Alfred Polgar), Hans Müller, Otto Myller, Alfons Petzold (Erde. Ein Roman), Hugo Wolf (2 Werke), Max Burckhardt, Philipp Langmann (2 Werke), Emil Lucka (2 Werke), Robert Michel, K.H. Strobl, Felix Salten, Sophie Gerstel, Hedda Sauer, J.S. Machar, Fr. Th. Csokor, Arthur Schnitzler, [10] Heinrich Husserl, Max Mell, Paul Wertheimer, Paul Leppin. Als echter Verlagsautor kann wohl Thaddäus Rittner gelten, von dem zwischen 1912 und 1922 zehn Werke im Deutsch-Österreichischen Verlag erschienen. Ende 1913 gab der Verlag einen eleganten Almanach heraus: Der bunte Almanach auf das Jahr 1914. Er enthielt literarische Beiträge von Hugo Wolf, Emil Lucka, Wilh. v. Appel, Stefan Zweig, Thaddäus Rittner, Alfons Petzold, Otto Myller, F. Th. Csokor, Robert Hohlbaum, Robert Michel, Arthur Schnitzler, Franz Molnár, Hans Müller und Franz Nabl. Die hübschen Bildbeilagen wurden von Dagobert Peche angefertigt.
Nach 1918 und bis 1924, dem Jahr, in dem das wahrscheinlich letzte Werk erschienen ist, sind Werke von u.a. folgenden Autoren auf den Markt gekommen: Paul Wertheimer (Brüder im Geiste, 1923), Erwin Weill (Der Chinchillamantel. Roman, 1923), Wilma v. Vukelich Die Heimatlosen. Ein Roman, 1923), J. Speyer (Jakob Wassermann und sein Werk, 1923), Emil Lucka (Die steinernen Masken. Erzählungen, 1924).
Der Deutsch-Österreichische Verlag verwendete mehrere Signets, die sich alle aus den Buchstaben „DÖV“ bzw. „DoeV“ (s. Abb.) zusammensetzten.
Zum Schluß sei darauf hingewiesen, daß der Verlag mit leserfreundlichen Maßnahmen versuchte, den Absatz zu erhöhen, und zwar mittels „Geschenkkartons“. „Die DÖV-Geschenkkartons sind Zusammenstellungen unserer besten Verlagswerke zu Geschenkszwecken in der unten verzeichneten Anordnung. Sie ermöglichen es, zur Weihnachtszeit hervorragende Novitäten mit bedeutendem Preisnachhaß zu erwerben.“ Der erste Geschenkkarton enthielt Werke von Berger, Langmann, Salten und Strobl, der zweite Lucka, Michel, Rittner, Briefe von und an Carl Rahl.
Anmerkungen
[1] Quellenhinweis: Handelsgericht Wien. Registerakt C 11, 121 (WrStLa).
[2] Siehe: Festnummer der österreichisch-ungarischen Buchhändler. Wien 1910, Teil I, S. 22 und detaillierter: BC, Nr. 52, 25.12.1901, S. 811 (Nachruf auf Johann Huber). Huber starb am 26.11.1901 in Mödling.
[3] BC, Nr. 13, 28.3.1906, S. 164.
[4] BC, Nr. 40, 4.10.1911, S. 530.
[5] BC, Nr. 22, 29.5.1912, S. 306.
[6] Präger erwarb alle Geschäftsanteile durch ein Pauschalentgelt, mußte aber mehrere autoren-rechtliche Verpflichtungen übernehmen. Betroffen waren u.a. Werke der Autoren Gisela v. Berger, Robert Michel, Alfons Petzold, Otto Myller, Hans Adler und Sophie Gerstel v. Ucken (s. Registerakt, Anm. 1).
[7] Das Buchhandelsadreßbuch gibt 1918 als Beisitzer die Firma „R. Löwit in Wien“ an, die wiederum Präger gehörte. In der Folge 1919/20 heißt es: „Besitz: Dr. M. Präger seit 1. August 1919.“
[8] Nach den Angaben im Buchhandelsadreßbuch blieb die Konzession Ornsteins aufrecht. Nach dem Tod Ornsteins 1932 wurde ein Buchverlag und Bühnenvertrieb als „Witwenfortbetrieb“ in Wien I, Fischerstiege 6, geführt.
[9] Grundlage bilden die Werkverzeichnisse in: Der bunte Almanach auf das Jahr 1914. Wien-Leipzig: Deutsch-Österreichischer Verlag, o.J. (1913).
[10] Die Hirtenflöte. Mit 9 Originalradierungen von Ferdinand Schmutzer. 400 numerierte Exemplare, von der Wiener Werkstätte nach einem Entwurf von Prof. Josef Hoffmann mit der Hand in Halbleder gebunden.