Europäischer Verlag

Europäischer Verlag

Unter dem Namen „Europäischer Verlag“ gab es in Wien in den 20er und 30er Jahren zwei verschiedene Verlage, die indirekt miteinander in Verbindung standen.

1. Europäischer Verlag Dr. Friedrich Wallisch

Europäischer Verlag SignetGründer dieses Verlags war der am 31. Mai 1890 geborene Schriftsteller Friedrich Wallisch. Er begann seine literarische Karriere im Alter von 24 Jahren mit dem Reisebuch Der Adler des Skanderberg, diente im Ersten Weltkrieg als Frontkämpfer, studierte danach Medizin und promovierte, ohne allerdings den Arztberuf tatsächlich auszuüben. Bis zu seinem Tod im Februar 1969 schrieb Wallisch Lyrik, Essays, Novellen, Biographien, Reisebücher und Bühnenwerke.

Im Frühjahr 1923 machte sich Wallisch an die Gründung eines Verlags, und am 2. März wurde die Firma „Europäischer Verlag Dr. Friedrich Wallisch“ unter Register A, Band 71, pagina 81 ins Wiener Handelsregister eingetragen. Der Betriebsgegenstand war „Verlagsbuchhandlung“, und Sitz der Firma war Wien 8., Pfeilgasse 7. Mitte Juni wurde eine Zweigniederlassung in Berlin errichtet, die im März 1925, als der Verlagsstern wieder im Sinken war, gelöscht wurde. Während die Firma weiterhin aufrecht blieb, dürfte Wallisch den Verlag nur bis 1926 betrieben haben – so jedenfalls angesichts der Tatsache, daß die letzte nachweisbare Publikation aus diesem Jahre stammt. Ende November 1941 wurde Wallisch vom Registergericht aufgefordert, die Löschung seiner Firma im Handelsregister anzumelden. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1941[1] kam Wallisch dieser Aufforderung nach, und die Firma wurde schließlich am 2. Jänner 1942 gelöscht.

In den vier Jahren 1923-26 war die Produktion nicht sehr umfangreich, ja, sie dürfte kaum mehr als eineinhalb Dutzend Werke überstiegen haben. Mit geringen Ausnahmen brachte der Europäische Verlag, der von der Programmrichtung her nicht besonders „europäisch“ war, Werke lebender österreichischer Autoren, wie etwa Friedrich Wallisch (drei Mal), Karl Hans Strobl (ein Werk, an einem beteiligt), Rudolf Hans Hammer, Roda Roda, Pankraz Schuk, Rudolf Oertel, deren Werke den größten Teil des Verlagsprogramms ausmachten, heraus. Am auffallendsten unter den Verlagswerken, d.h. neben Grasers naturwissenschaftliche und landwirtschaftliche Tafeln und Liesches Taschenatlanten war wohl die aus drei Bänden bestehenden Reihe Die Grünen Bücher des Europäischen Verlages, deren Ausstattung ihren Namen alle Ehre machte. In einer Auflage von 5.000 Exemplaren erschienen 1924 Band 1 und 2:

Karl Hans Strobl, Beelzebubs Meerschaumkopf. Phantastische Novellen. Roda Roda, Die schöne Hedy Herz.

1925 dann: Friedrich Wallisch, Die Gewalt. Ein Frauenschicksal aus höfischer Zeit.

Das Titelbild und der künstlerische Entwurf stammten von Karl Alexander Wilke. Die Titelseiten trugen jeweils das Verlagssignet von „H.K.“ [2] das Impressum lautete etwas angeberisch: Europäischer Verlag. Wien Berlin Leipzig Bern. Karl Hans Strobl und Friedrich Wallisch beteiligten sich nebenbei an der Herausgabe der Schriften von Max Foges im Europäischen Verlag, von dem drei Werke 1923 f. erschienen. Das letzte nachweisbare Werk – das Drama Catilina von Rudolf Oertel – erschien 1926. Aus welchen Gründen Wallisch sich entschloß, den Betrieb einzustellen, ist nicht bekannt.

2. Europäischer Verlag

Sechs Jahre nach der letztbekannten Geschäftstätigkeit des Europäischen Verlags Dr. Friedrich Wallisch kam es zu einer Neuauflage des Verlags, als der gelernte Tonkünstler und Verleger Dr. Anton Popovici (14.10.1896-4.11.1979) Mitte 1932 um eine Konzession für den Verlagsbuchhandel mit Ausschluß des offenen Ladengeschäfts ansuchte und sie am 27. Oktober 1932 erhielt. Nach einer Darstellung von Popovici selber soll er den „Europäischen Verlag“ von Wallisch im Laufe dieses Jahres erworben haben, doch kann es sich nur um den Firmanamen und nicht um Verlagswerke gehandelt haben. Die Umstände um den Erwerb sind überhaupt unklar. Eines geschah aber nicht: weder die Korporation noch das Handelsgericht wurden hinsichtlich der Neuübernahme verständigt. Popovici ließ den Verlag nicht auf seinen Namen registrieren. Dies hatte, wie erwähnt, zur Folge, daß der gesetzlich noch immer als Firmainhaber geltende Wallisch 1941 die Aufforderung erhielt, seine Firma löschen zu lassen, was auch geschah. So kam es auch, daß, als Popovici den Europäischen Verlag nach Kriegsende neu aufbauen wollte, die Firma rechtlich gar nicht mehr existierte. Da Popovici die Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer aus bestimmten Gründen verweigert wurde, war er gezwungen, den Verlag entweder 1939 oder 1943 zumindest für die Dauer des Kriegs stillzulegen.

Es ist schwer, den Umfang der Produktion dieses Verlags 1933-1939 einzuschätzen. [3] Es scheint jedenfalls festzustehen, daß der Europäische Verlag unter Popovici kein gewöhnlicher Verlag war, insofern als der Verleger die Notwendigkeit des Verkaufs und Vertriebs, ja das Risiko übernahm. Vielmehr scheint es Usus gewesen zu sein, daß nebenberufliche Autoren an den Verlag herangetreten sind, mit dem sehnlichen Wunsch, ihr Geisteswerk als gedrucktes Buch zu sehen. Popovici kam ihnen entgegen. Es wurden dann meist Kleinauflagen auf Kosten des Autors veranstaltet, und dieser mußte Subskriptionen bzw. Abnehmer in seinem Bekanntenkreis finden. Der Autor dürfte auch allenfalls am Reingewinn beteiligt gewesen sein. Ob alle „Autoren“ mit dieser Praxis gut gefahren sind, mag dahingestellt bleiben.

Wenn man die etwa zwei Dutzend Verlagswerke aus den Jahren 1936-37 näher ansieht, kann man feststellen: erstens, daß das Schwergewicht auf lebende Österreicher gelegt wurde, und zweitens, daß es sich nicht durchwegs um „unbekannte Talente“ handelt. So sind z.B. Kurt Sonnenfeld, Fritz Stüber, Gisela von Berger und Egon Dietrichstein mit Büchern vertreten. Erwähnenswert scheint eine 5bändige Reihe zu sein, die zwischen 1933 und 1937 erschien und sich Österreichische Lyrik nannte.

Der Europäische Verlag wird auf ähnlicher Basis wie in den 30er Jahren vom Sohn des 1979 verstorbenen Dr. Anton Popovici, Livius, weitergeführt.

Anmerkungen

[1] Siehe Handelsgericht Wien. Registerakt A 71, 81 (WrStLa).

[2] Dieses Signet wird noch heute gebraucht, d.h. es ist vom heutigen Europäischen Verlag 1964 markenrechtlich geschützt worden.

[3] Auf entsprechende Anfragen beim Sohn des ehemaligen Verlagsinhabers hinsichtlich Richtung, Programm, Autoren, und Umfang des Verlags wurde überhaupt nicht reagiert. Auf einem Fragebogen der RSK 1940 (Gremium/Europ. Verlag) heißt es punkto „Warenlager“: „Ca. 400 Werke, Auflagen 500-2.000.“ Diese Werkzahl erscheint, wenn eigene Verlagswerke gemeint sind, wenig realistisch. Popovici gab als Jahresumsatz an: 1935: RM 33.000; 1936: RM 33.600; 1937: RM 34.800.

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