Vorwort [zur Druckausgabe]

Vorwort [zur Druckausgabe]

Eine österreichische Verlagsgeschichte der Zwischenkriegszeit? Besteht Bedarf nach einem solchen Buch? Wir schränken einmal ein, und zwar auf den belletristischen Verlag. Dem wäre entgegenzuhalten, daß österreichische Literatur bzw. literarische Werke österreichischer Autoren traditionell, d.h. ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, im Deutschen Reich verlegt wurden, so z.B. bei S. Fischer, bei Insel, bei Egon Fleischel und zunehmend bei L. Staackmann, bei Kurt Wolff u.v.a.m. Mit diesen Verlagen ist die Geschichte bedeutender Autoren verbunden. Das gilt beispielsweise für Peter Altenberg, Arthur Schnitzler, Richard Beer-Hofmann, Peter Rosegger, d.h. für Autoren unterschiedlicher literarischer Genres und verschiedener ideologischer Observanz.

Der auffallende Gegensatz zwischen einer bedeutenden literarischen Produktion, deren Ergebnisse weithin rezipiert wurden, und den geringen Vermarktungsmöglichkeiten im Mutterland stellt vorab ein erklärungswürdiges Paradoxon dar. Diese Vorüberlegung führte über einen bloß literaturgeschichtlichen Zusammenhang weit hinaus. Um die Literaturgeschichte überhaupt zu schreiben und die paradoxe Situation österreichischer Autoren zu fassen, war es notwendig, die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen zu erforschen und darzustellen, innerhalb deren die Literatur entsteht: Es geht also um Gesetzestexte (Urheberrecht, Preßgesetze etc.) und die Analyse politischer Ereignisse aus einer oft ungewohnten Perspektive, Fragen des Devisenrechts, des zwischenstaatlichen Handels, Handelsabkommen, Kulturabkommen, Papierindustrie und Standort der Druckereien, um nur einige Punkte zu nennen. Es ist irgendwie klar, daß diese Voraussetzungen, über die es so gut wie keine zusammenhängende Darstellung gibt, die unabdingbare Grundlage für eine Verlagsgeschichte abgeben mußten.

Ein weiterer erklärungsbedürftiger Punkt ist die intensive Verlagstätigkeit in Österreich in der Zeit unmittelbar nach 1918. Diese politische Zäsur kann auch als eine verlagsgeschichtliche Zäsur betrachtet werden und ist ebenso in Beziehung zu setzen zu den vorhin erwähnten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Diese Verlagshausse, die namhafte Autoren und Verlage zu kurzer Blüte brachte, wäre schon Gegenstand einer Untersuchung für sich. Der notwendige Kontext aber fehlte, wenn man dieses Phänomen isoliert betrachtet. Es erwies sich als notwendig, das Verlagssterben und die kulturpolitische Situation Österreichs vor allem in den 30er Jahren in diesem Zusammenhang einzubringen, um so eine geschlossene literarhistorische Studie vorzulegen.

Was sich hier als Programm liest, dessen Durchführung zu einer runden Studie realisierbar erscheint, stieß auf größere Schwierigkeiten. Zunächst einmal der Stand der Forschung. Das mangelnde Interesse in Österreich an der Geschichte des Buchhandels und Verlagswesens des 20. Jahrhunderts kann durch nichts auffälliger dokumentiert werden als durch das Fehlen nicht nur von einschlägiger Literatur, sondern an Stellungnahmen überhaupt. Und auch dort, wo ein Verlag sich selbst darstellt, wird in den meisten Fällen (vor allem anläßlich von Jubiläen) die Notwendigkeit, die anfällig gegebenen Informationen zu korrigieren oder genau nachzuprüfen, evident. Aktives Interesse besteht weder von seiten der Standesvertretung noch von seiten der Unternehmer. Versuche, zu anfälligem Quellenmaterial zu gelangen, verliefen oft stereotyp. Nach einem dutzendfachen „weiß ich nicht“, „haben wir nicht“, das den jeweils Auskunftgebenden nicht in den Verdacht eines allzugroßen Interesses geraten ließ, mußte der Versuch, zu einer Auskunft an der Quelle selbst zu gelangen, aufgegeben werden. Man kann sich sogar zur Behauptung versteigen, daß die österreichische Verlagsgeschichtsschreibung praktisch vor einem halben Jahrhundert, genauer im Jahre 1928, mit dem Tode des langjährigen Sekretärs der Buchhändler-Correspondenz, Carl Junker, aufhörte. Junker, auf dessen Arbeiten mehrfach hingewiesen wird, ja werden muß, hat wesentlich zur Beschreibung der Geschichte und Entwicklung des Buchhandels und Verlagswesens in Österreich beigetragen. Aber es ist nicht ganz korrekt, daß nach seinem Tod kein Versuch gemacht wurde, diese Geschichte zu behandeln. Im Jahre 1928 erschien eine Schrift, für die der Verfasser Adolf Stierle sogar die Doktorwürde einer österreichischen Universität erhielt. Allerdings ist das nicht mehr als ein Junker-Plagiat. Läßt man den deutschnationalen Tenor dieser Junker-Abschrift beiseite, hat sie nichts zu bieten. Um der Vollständigkeit willen gilt es, noch eine Arbeit anzuführen: Das hundertjährige Bestehen des nunmehrigen Hauptverbands des österreichischen Buchhandels im Jahre 1959 war Anlaß für ein unbrauchbares Plauderwerk von Oskar Maurus Fontana, das wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügt und in seinem Charakter als Auftragsarbeit der vorliegenden Studie keineswegs nützlich sein konnte. Davon kann sich jeder Leser überzeugen. Vereinzelt wird auf Dissertationen an österreichischen Hochschulen verwiesen, denen die Tatsache gemeinsam ist, daß sie sich kaum oder überhaupt nicht auf Quellenstudium stützen, sondern aus fünf publizierten Arbeiten eine sechste schaffen.

Dieser Forschungsstand, dem man sich so konfrontiert sah, war deprimierend. jetzt galt es, nicht mutlos zu werden, und in der Tat stellte sich in kürzester Zeit die Einsicht ein, daß es Unmengen verschiedenartiger Quellen gab, die allerdings erst entdeckt werden mußten. Auch hier ist ein kontrollierender Einschub vonnöten: Es gibt im Ausland bereits Verlagsgeschichten, unter denen vielleicht diejenige von Peter de Mendelssohn über den S. Fischer Verlag hervorragt. So etwas hätte als Modell dienen können. Peter de Mendelssohn legt Erkenntnisinteresse und Methode dar und stellt eingangs fest, daß eine Verlagsgeschichte keine Literaturgeschichte ist. Aber: „Sie ist die Geschichte eines Geschäftsunternehmens, das geistige und künstlerische Werte in materielle Werte umwandelt und ihnen einen Markt zu erschließen sucht; Auch ist eine Verlagsgeschichte nicht die Biographie eines Verlegers. Sie ist die Geschichte einer eng verflochtenen Gemeinschaft von Schaffenden, die auf kleinem Raum zusammenwirken und deren Wirken in weite Fernen auszustrahlen vermag.“ (S. 1332) In seinem Nachwort verfaßt de Mendelssohn eine Art „Kochrezept“: man nehme das wohlgeordnete Archiv, und man nehme das Bucharchiv mit der gesamten Produktion des Verlags von den frühesten Anfängen bis zur jüngsten Neuerscheinung. In der Registratur findet man den gesamten Briefwechsel des Verlegers mit seinen Autoren und Mitarbeitern samt Verlagsverträgen und Honorarabrechnungen, die Korrespondenz mit Druckereien, Buchbindereien, Papierlieferungen, Buchkünstlern und Illustratoren, die Arbeitsbelege der Werbeabteilung, der Vertriebsabteilung, der Buchhaltung usw. usw. Kurzum: der Chronist hat die Basis für eine totale Dokumentation. So jedenfalls im Idealfall.

All das lag de Mendelssohn nicht vor, andererseits genügte das Vorhandene, um 1600 Seiten zu schreiben – über einen einzigen Verlag. Würde man das hier dargetane Verfahren auf eine österreichische Verlagsgeschichte umwälzen, wäre das ein Unding, und dies aus mehreren Gründen. Die vorliegende Arbeit konnte sich auf kein einziges solches ideales Archiv stützen, ja nicht einmal auf ein solches, das dem des S. Fischer Verlags gleich wäre. Es könnte nun bei manchen der Verdacht aufkommen, daß eine solche Arbeit keine seriösen Ergebnisse liefern könnte. Doch das Manko braucht nicht als allzu gravierend empfunden werden. Der Grund liegt in der Zielsetzung dieser Arbeit, die mehr als eine Huldigung an den Superpositivismus sein will und ist, wobei man ohne Liebe zum Detail, ohne eine kräftige Portion „Faktenwut“ an eine solche Aufgabe gar nicht erst heranzugehen braucht! Als der Verfasser erste Überlegungen zu dieser Arbeit anstellte, stand freilich die Auswertung von Verlagsarchiven naturgemäß auf der Liste der Prioritäten. Nur mußte dieser wohlgemeinte Vorsatz bald fallen gelassen werden. Denn die Frage, die sich stellte und noch stellt, war nicht etwa: Wo finde ich diese Verlagsarchive, sondern: Wo fange ich nach 40, 50, ja 60 Jahren der Nichtexistenz dieser Verlage zu suchen an? Was blieb übrig nach Liquidationen, „Arisierungen“ und Kriegszerstörungen? Sollten etwa mehr Archive sich erhalten haben als beispielsweise in Deutschland, wo große Verlage wie Rowohlt, S. Fischer, Drei Masken Verlag, Langen-Müller usw. ihre Archive großteils oder zur Gänze verloren? Selbst wenn es den Idealfall eines gut erhaltenen Verlagsarchivs gäbe, so besteht doch ein großer Unterschied zwischen der Geschichte eines einzelnen Verlags in einem einzigen Buch und dem Versuch, das Verlagsleben der Ersten Republik im Überblick zu präsentieren.

Bevor wir auf die „Quellen“ nun näher eingehen, müssen wir klarstellen, was die einzelnen Verlagsgeschichten sollen und zugleich nicht sollen. Sie sollen und können keine Verlagsmonographien, keine in allen Einzelheiten erschöpfende Darstellung eines einzelnen Verlags sein. Ob auf Grund der Materiallage ein solches Projekt jemals realisierbar ist, scheint zwar fraglich, doch kann und soll die Möglichkeit eines glücklichen Fundes nicht ausgeschlossen werden. Die einzelnen Kapitel über die Verlage wollen allgemein die Produktion charakterisieren, deren Umfang umreißen, die wichtigsten Autoren und Bücher nennen, die Verlagsrichtung oder Verlagslinie beschreiben, die Firmengeschichte verfolgen und die Verleger/Inhaber identifizieren. Wo dies möglich ist, werden Verlagswerbung, finanzielle Gebarung, Buchillustration, Preisgestaltung, Korrespondenz mit Autoren berücksichtigt. Nicht geboten werden können Verlagsinterna.

Dem Leser muß dabei auffallen, daß die Abschnitte von sehr unterschiedlicher Länge sind, Diese reicht manchmal von einigen Sätzen bis zu 60 und mehr Seiten. Das liegt zwar großteils am vorliegenden Material, aber es drängte sich während der Arbeit von selbst die Frage des Erkenntnisinteresses und der Wertung auf. D.h. Ausführlichkeit der Darstellung stand nicht zwangsläufig direktem Verhältnis zum Umfang des Materials. Der Gradmesser für die Ausdehnung eines Kapitels war die klar zutage liegende literaturgeschichtliche und sozialgeschichtliche Bedeutung des jeweiligen Verlags. In diesen) Sinne kommt es beispielsweise beim Paul Zsolnay Verlag zu fast 100 Seiten Text. Nicht nur der Umfang schwankt, auch das verfügbare Material in seinem Aussagewert. So banal das klingen mag, es mußte in ca. 130 Fällen zunächst einmal festgestellt werden, von wann bis wann ein bestimmter Verlag überhaupt existierte, und, leichter gesagt als getan: Es mußte als Voraussetzung für die Angabe der Größenordnung die gesamte Produktion jedes einzelnen Verlags ermittelt und erfaßt werden. Und wer hier glaubt, einfach auf die damaligen Verlagsprospekte zurückgreifen zu können, wird eines besseren belehrt, denn da Archive sich auch nicht erhalten haben, waren die Chancen, solcher Verzeichnisse habhaft zu werden (sollten die betreffenden Verlage sie überhaupt herausgegeben haben), genau so gering. Eine große Hilfe in vielen Fällen leistete hier der Verleger- und Institutionenkatalog der Deutschen Bücherei in Leipzig, der, da er nach dem Krieg rekonstruiert werden mußte, auch nicht immer vollständig bzw. lückenlos war. So blieben nur Verlagsanzeigen als Korrektur und Ergänzung.

Um nun die Problematik dieser Arbeit klarzustellen, ist es notwendig, die Quellenlage, mit der ich mich konfrontiert sah, zu charakterisieren.

Die Grundinformation für die Geschichte der einzelnen Verlage lieferten zwei Institutionen. Wenn eine Firma protokolliert war, konnten wertvolle Informationen aus dem Registerakt (in seltenen Fällen: dem Registerband) des Handelsgerichts Wien gewonnen werden. Problematisch waren manche Angaben insofern, als die Daten der ersten Eintragung in das Register oder das Datum des Gesellschaftsvertrags und das Datum der Löschung nur äußere Grenzen darstellen und manchmal wenig über den tatsächlichen Beginn und die Betriebseinstellung des Verlags aussagen. Aber in Ermangelung sonstiger konkreter Daten haben selbst diese Angaben einen Aussagewert. Neben den Registerakten wurden gegebenenfalls auch die Ausgleichs- und Konkursakten des Handelsgerichts ausgewertet, die, da sie eine Begründung des Ansuchens enthielten, über die geschäftliche Entwicklung Aufschluß gaben. Wenig ergiebig war dabei die Suche nach Unterlagen der Gewerbebehörde. Zweite wichtige Quelle waren die Firmenakten jener seinerzeit bei der Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler inkorporierten Unternehmen, aber auch hier waren nicht immer Unterlagen zu jedem Verlag vorhanden bzw. auffindbar. Manche Akten waren ausgesprochen dürftig. In Fällen, wo Verlage als Aktiengesellschaften gegründet oder in eine solche umgewandelt wurden, war die Genehmigung u.a. des Bundeskanzleramtes (Inneres) erforderlich. Daher werden die diesbezüglichen Akten über die Errichtung und Wandlungen der Aktiengesellschaften als Quelle herangezogen. Als vor allem ab 1935 handels- und außenpolitische Maßnahmen des Dritten Reichs den Bücherverkehr zwischen Österreich und dem Deutschen Reich sehr erschwerten, kam einer Reihe von Bundesministerien in Wien große Bedeutung zu, als Verlagsinhaber ihre Beschwerden und Probleme an diese herantrugen. Hier lieferten die Archivbestände des Bundeskanzleramts (Auswärtige Angelegenheiten), des Bundesministeriums für Unterricht, des Bundesministeriums für Justiz und vor allem des Bundesministeriums für Handel und Verkehr wichtige Unterlagen. Die Verfolgung der Entwicklung eines Verlags nach dem März 1938 brachte besondere Schwierigkeiten mit sich, aber hier kam dem Chronisten die (österreichische) Bürokratie zugute. So wurde der Bestand „Vermögensverkehrsstelle“ des Allgemeinen Verwaltungsarchivs nach Verlegern und Verlagsunternehmen abgesucht.

Die von allen Juden abzuliefernde Vermögensanmeldung brachte neben den ansonsten nicht verfügbaren Geburtsdaten etc. auch Aufschluß über den jeweiligen Verlag. Noch aufschlußreicher war – soweit nicht nur nachweisbar, sondern auch auffindbar – der Bestand „Handel“ der Vermögensverkehrsstelle, der meist eine lückenlose Verfolgung der „Arisierung“ ermöglichte. Wesentliches förderte in einzelnen Fällen das Aktenstudium im Finanzarchiv des Bundesministeriums für Finanzen zutage.

Die genannten Bestände der diversen Ministerien sind mit Gewißheit nicht die Quellen, auf die man auf Suche nach Auskunft über bestimmte Verlage reflexmäßig zurückgreifen würde. Weiters wurden sämtliche Jahrgänge des offiziellen Organs des Vereins der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler, der Österreichisch-ungarischen Buchhändler-Correspondenz (ab 1922: Anzeiger für den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel) etwa 1900-1938 und ab 1946 auf Geschäftsberichte, Notizen zu Jubiläen usw. durchgesehen. Zum selben Zweck wurden “Der blaue Bücherkurier (früher: Novitäten-Anzeiger), die Österreichisch-ungarische Buchhändler-Zeitung, der Österreichische Buch- und Steindrucker, die Buchdruckerwehr usw. wie auch die „Wiener Briefe“ des Börsenblatts für den deutschen Buchhandel durchgesehen. Für Buchmarktfragen allgemein und für das Jahr 1938/39 trugen die Unterlagen im Archiv des Buchgewerbehauses in Wien Wesentliches bei. Unentbehrliches Nachschlagewerk war natürlich das Adreßbuch des österreichischen Buchhandels. Zu Einzelfragen und zu bestimmten Anlässen wurde eine Unzahl von Tageszeitungen und Zeitschriften herangezogen, die im Vergleich zur österreichischen Situation heute sich am Verlagswesen außerordentlich engagiert und interessiert zeigten, und das nicht nur, wenn ein Unternehmen ins Gerede kam.

Das erste Kapitel dieser Arbeit unternimmt den Versuch, anhand gedruckter Quellen (genauer: unselbständiger Publikationen) die Entwicklung des Verlagsbuchhandels in Österreich etwa vom 15. bis zum 20. Jahrhundert in groben Zügen zu skizzieren. Dabei tritt zutage, daß diese Phase einer Buchhändler- oder Buchhandelsgeschichte gleicht, d.h. daß wir im 18. und 19. Jahrhundert dem „Auch-Verleger“ und erst Anfang des 20. Jahrhunderts dem zögernden Beginn des „Nur-Verleger“-Typus in Österreich begegnen. Es wird auf Fragen wie Konzessionspflicht, Urheberrecht und Preßgesetzgebung – drei Faktoren, die als Hemmschuh wirkten – näher eingegangen. Besonderes Augenmerk wird den allgemeinen Produktions- und Marktbedingungen der letzten zehn Jahre vor 1918 geschenkt, um die Übergänge von der Monarchie zur Republik, von Kriegs- zu Friedenszeiten zu dokumentieren.

Ebenfalls zu diesem letzteren Abschnitt zählt der Überblick über 20 repräsentative Verlage vor 1918, um erstens die in dieser Zeit oft geäußerte Meinung zu untermauern, es gäbe keinen namhaften belletristischen Verlag in Österreich, und zweitens (und umgekehrt) zu sehen, welche Arten von Verlagen es denn gegeben hat. Diese Abschnitte über einzelne Verlage werden bewußt nur mit den nötigsten Informationen versehen.

Ein weiterer Teil der vorliegenden Arbeit befaßt sich mit der Zeit zwischen 1933 und 1938/39. Vieles davon ist nicht rein literarischen Dingen gewidmet. Der Grund dafür ist einfach ein Gemeinplatz: 1933 bedeutete den Beginn der intensiven Politisierung von Kunst und Literatur in Österreich und Deutschland.

Aber die Mechanismen sind nicht einfach mit Schlagworten zu erklären. Hier zeigt sich, um eine bestimmte Forschungsrichtung anzusprechen, daß eine Darstellung der Verfolgung der Sozialdemokratie durch Dollfuß/Schuschnigg und eine Geschichte der „Säuberungen“ in verschiedenen, vor allem Arbeiterbüchereien dazu geeignet ist, Mißverständnisse hervorzurufen und den Blick für andere Facetten des Verlags- und Buchwesens dieser Jahre zu verstellen. Nach der Devise pars pro toto wird in den meisten Fällen ein wichtiges Symptom für den Gesamtzustand genommen. Nicht um der Kosmetik willen wird hier versucht, die verschiedensten Seiten der offiziellen und inoffiziellen Politik im Bereich Buchwesen und Verlagsbuchhandel zu analysieren. Da oft irrige Ansichten über Zensur und Beschlagnahme im „Ständestaat“ zirkulieren, sind die Kriterien für Verbote zu erörtern und im weiteren Verlauf deren Handhabung zu schildern. Damit wird keine Lanze für Konfiskation gebrochen, auch keine Apologie für ein autoritäres System verfaßt, doch erscheint es notwendig, einer simplifizierenden und tendenziösen Darstellungsweise entgegenzutreten, die darauf hinausläuft, die Bedrohung der Eigenständigkeit Österreichs als allein durch den autoritären Kurs eines Dollfuß oder Schuschnigg gegeben zu sehen.

Das Schwergewicht an dieser Stelle der Arbeit liegt daher auf den Beziehungen zwischen Österreich und dem Deutschen Reich, auf der Rolle, die NS-Schrifttumspolitik im Verlagsleben in Österreich spielte. Breiter Raum muß dem Komplex des reichsdeutschen Buchdumping im Jahre 1935 gewidmet werden, weil es eine weitere Folge der versuchten Gleichschaltung darstellt und die Situation der österreichischen Verlage, Autoren und Buchhändler verdeutlicht. Darüber hinaus wird auf die Antwort auf diese Dumpingpraxis, den Verlagsförderungsfonds, eingegangen. Als nächstes wird das Juli-Abkommen des Jahres 1936 als möglicher Beginn des kulturellen „Anschlusses“ eingehend behandelt.

Die Beschreibung der Tätigkeit des Ausschusses für kulturelle Angelegenheiten zwischen Österreich und Deutschland führt wiederum zur Erläuterung der Verbotspraxis in Österreich und der diversen Behinderungen österreichischer Verlage im Reich. In diesem Zusammenhang wird eine kleine Wirtschaftsfibel geboten, um Vorgänge im zwischenstaatlichen Buchhandel verständlich zu machen. Auch die wichtige Frage der Transferierung von Autorenhonoraren nach Österreich und die besondere Lage der „emigrierten“ Verlage werden behandelt.

Der letzte Abschnitt nennt sich „Das angeschlossene Österreich“ und versucht über die Entwicklungen und Ereignisse im Buchhandel und Verlagswesen und in der Standesvertretung einen Überblick zu bieten. Besonderes Augenmerk verdient dabei die „Arisierung“ und Liquidation von Verlagen und Buchhandlungen, wobei stellvertretend für andere Firmen einzelne Beispiele der Arisierung von innen und außen dokumentiert werden.

Alles in allem liegt das Schwergewicht dieser „österreichischen“ Verlagsgeschichte auf der Hauptstadt Wien, was keineswegs bedeutet, daß belletristische Verlage in den einzelnen Bundesländern keine Berücksichtigung fänden. Im Gegenteil. Wien war aber die Verlagsmetropole Österreichs, wies rein zahlenmäßig die allermeisten Verlage auf und stand in engster Verbindung zum Verlagsbuchhandel im Deutschen Reich. Die eigene Rolle der Verlage in den Bundesländern – seien sie nationaler und/oder katholischer Observanz – müßte vor allem in Hinblick auf deren spezifischen Beitrag zur österreichischen Literatur vornehmlich in den 30er Jahren in einer weiterführenden Arbeit ausführlich analysiert und gewürdigt werden.

Bei einer Arbeit dieser Größenordnung waren mir eine ganze Reihe von Einzelpersonen und Institutionen bei Recherchen und Materialbeschaffung behilflich, und daher möchte ich ihnen an dieser Stelle meinen Dank aussprechen.

Zu Beginn möchte ich dem Leiter und den Mitarbeitern der Deutschen Bücherei in Leipzig danken, namentlich Herrn Dr. Helmut Lohse, der es mir gestattete, mit dem Verleger- und Institutionenkatalog zu arbeiten und somit einen Grundstock der Verlagsproduktion der behandelten Unternehmen zu bilden, ferner Frau Schroeter von der Abteilung Auskunft, die – zusammen mit ihren Mitarbeitern – mir in den letzten Jahren immer wieder bei der Vermittlung von schwer auffindbaren Fachschriften und Werklisten verschiedener Verlage unentbehrliche Hilfe leistete, ferner Frau Quaasdorf, die mir beim Besuch der Deutschen Bücherei die benötigten Unterlagen aussuchte.

Weiters bin ich Herrn Dr. Karl Megner, dem Archivar des Buchgewerbehauses in Wien, für seine Geduld und wohlwollende Unterstützung bei der Sichtung des Archivs des Vereins der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler zu Dank verpflichtet.

Meine Arbeit im Allgemeinen Verwaltungsarchiv in Wien wurde durch die freundliche Hilfe der dortigen Beamten wesentlich erleichtert. Mein Dank gebührt besonders Herrn Dr. Lorenz Mikoletzky, ferner Herrn Peter Clement, Herrn Karl Höpfinger sowie Herrn Alfred Lechner. Ebenfalls möchte ich den Referenten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, des Wiener Stadt- und Landesarchivs sowie der Wiener Stadt- und Landesbibliothek meinen Dank aussprechen.

Mein besonderer Dank gilt Frau Erika Bleier vom Landesgremium Wien des Handels mit Büchern, Kunstblättern, Musikalien, Zeitungen und Zeitschriften (Landesgremialvorsteher und Bundesgremialvorsteher Komm.-Rat Dr. Herbert Borufka), deren zuvorkommende Hilfe einen wichtigen Beitrag zu dieser Arbeit darstellte.

Ferner möchte ich mich beim Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich bedanken, der meine Forschungsarbeit über 1 3/4 Jahre großzügig finanziell förderte und es mir ermöglichte, mich mehr oder weniger „hauptberuflich“ diesem Projekt zu widmen.

Für die sorgfältige Durchsicht des Manuskripts bin ich Herrn Dr. Christian Loidl zu Dank verpflichtet.

Außerdem möchte ich meine Freunde Dr. Gerhard Renner und Werner J. Schweiger nennen. Beide haben mir nicht nur beim Austausch von Materialien und Erfahrungen geholfen, sondern mir auch wertvolle Hinweise gegeben und in stundenlangen Gesprächen mich zu wichtigen Einsichten geleitet. Für zahlreiche, wertvolle Informationen bin ich einer ganzen Reihe von Personen verpflichtet, die in den jeweiligen Anmerkungen gesondert genannt werden.

Last, but not least möchte ich Herrn Univ.-Prof. Dr. Wendelin Schmidt-Dengler, der diese Arbeit nicht nur anregte, sondern mir auch moralische und fachliche Unterstützung gab und jede Phase meiner Arbeit mit Interesse und Engagement verfolgte, meinen großen Dank aussprechen.

Wien, im Herbst 1984

Murray G. Hall

Kommentare sind geschlossen.