Haybach-Verlag (Wien)
Dieser Einmann-Verlag war eine Gründung des am 29. Dezember 1886 in Wien geborenen Ing. Rudolf Haybach. Dem Entschluß Haybachs, einen Verlag zu gründen, ging eine Karriere als Bauingenieur voraus, denn der Verlegerneuling hatte vor dem Ersten Weltkrieg die Verantwortung für die Errichtung der Wasserleitung Bad Gastein bis Hofgastein innegehabt. Während des Ersten Kriegs geriet er in russische Gefangenschaft und lernte in Sibirien nicht nur den akademischen Maler Erwin Lang (22.7.1886-10.2.1962), sondern auch Heimito Doderer kennen. Haybach nahm sich vor, nach seiner Rückkehr nach Wien einen Verlag zu gründen. Er bemühte sich im Frühjahr 1922 um die Verleihung einer Konzession zum Betrieb des Buch- und Kunstverlags, doch wurde sein Ansuchen zunächst „mangels Lokalbedarfs“ (!!) abgelehnt. Das MBA XVIII verwarf diese Entscheidung der Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler, und Haybach erhielt die ersehnte Konzession im Herbst desselben Jahres. [1]
Nicht zuletzt wegen kleiner Auflagen und geringer Produktion, schmalen Werbebudgets sowie der Tatsache, daß Haybach den Verlag allein aus eigener Tasche finanzierte, war das Unterfangen für ihn vom Anfang bis zum Ende ein „Verlustgeschäft“, [2] das ihm viel Idealismus abnötigte. Das zeigen seine diversen Aussagen im Schriftverkehr mit der Korporation zwischen 1925 und 1935. Die Korporation hatte ihn nämlich wiederholt wegen nicht gezahlter Jahresvorschreibungen gemahnt. Ende Oktober 1925 etwa meinte Haybach, er hätte schon längst gezahlt, „wenn ich überhaupt die geringsten Eingänge gehabt hätte“, und weiters:
Der Gesamtumsatz meines Verlages (1925) – ich brauche es ja nicht geheim zu halten, da Sie ja selbst wissen werden, daß sogenannte Luxusdrucke nicht gehen, – betrug gerade soviel, als Sie mir an Spesen aufrechnen: ein ill. Roman von Doderer, verkauft an die Buchhandlung R. Lányi um netto S 1,50. Sie können begreifen, daß es mir da nicht leicht fällt, einen so hohen C. Beitrag zu leisten. Daß ich keinerlei Personal beschäftige, wissen Sie ja – mir war und ist es seit jeher nur darum zu tun mir wertvoll erscheinende Kräfte nach meinen möglichen Kräften in Bewegung zu halten. [3]
Ende 1935 schreibt Haybach noch in derselben leidigen Angelegenheit an die Korporation:
(…) Vor Jahren schon erbat ich mir Sistierung der Gebühr, da ich überhaupt aus meinem Verlag, den ich nur zu dem Zwecke errichtete, um mir wichtig erscheinenden Künstlern zu helfen, keinerlei Verdienst zog und ziehe. (…) [4]
Das erste Verlagswerk erschien im Gründungsjahr 1922 und war durch eine Gemeinschaftsarbeit zwischen Haybach und Erwin Lang, der zusammen mit ihm in sibirischer Gefangenschaft eine Druckpresse geführt hatte, zustandegekommen. So erschien in einer Auflage von 600 Exemplaren Hoffnung auf China. Die Nummern 1-20 waren in Seide gebunden, mit einem handkolorierten Holzschnitt ausgestattet und trugen die Unterschrift des Künstlers. Im folgenden Jahr erschien ein Mappenwerk mit Gedichten von Richard Billinger – Erzengels Morgenruf (5 Bl.) – und 12 Blatt Lithographien von Erwin Lang. Die ersten 30 Exemplare erschienen in einer numerierten Vorzugsausgabe in Mappen. Haybach brachte auch eine mit Zeichnungen von Erwin Lang illustrierte Ausgabe von Michael Kohlhaas heraus, doch konnte er nicht die geplante Auflage von 250 Exemplaren, sondern nur 50 finanzieren. 1924 folgte die erste, auch (von Erwin Lang) illustrierte Buchveröffentlichung seines jungen Freundes aus der Kriegsgefangenschaft, Heimito Doderer, Die Bresche. Ein Vorgang in vierundzwanzig Stunden. Die Auflage soll etwa 1.000 Exemplare betragen haben (Haybach). Im selben Jahr erschien in einer Auflage von 250 Exemplaren ein Werk von Albert Paris Gütersloh, Kain und Abel. Eine Legende (Fol. 73 S.) mit insgesamt 10 Original-Lithographien. Um diese Zeit brachte Haybach weitere vier bibliophile Werke heraus:
L.H. Jungnickel, Studien. Aus der Spanischen Hofreitschule in Wien. 6 Original-Steinzeichnungen. 100 num. und sign. Exemplare (1922).
Erwin Lang, Der Morgen. 8 Original-Steinzeichnungen. 125 num. und sign. Exemplare.
Franz Zülow, Der heilige Franciscus. 11 Original-Steinzeichnungen. 80 num. und sign. Exemplare.
Lang, der an der Kunstgewerbeschule in Wien bei Prof. Alfred Roller studiert hatte und nach sechs Jahren Kriegsgefangenschaft 1920 nach Wien zurückgekehrt war, war in erster Ehe mit der Tanzkünstlerin Grete Wiesenthal verheiratet. Daher veröffentlichte Lang – ebenfalls bei Haybach – das Werk Grete Wiesenthal und ihre Schule, mit 12 Original-Steinzeichnungen und Gedichten von Richard Billinger. Als Vorzugsausgabe wurden 30 numerierte und signierte Exemplare hergestellt.
Nach diesen vielen Publikationen ging die „Produktion“ aus finanziellen Gründen stark zurück. 1928 brachte der Haybach-Verlag Albert Paris Güterslohs Der Maler Alexander Gartenberg (23 S., 20 z.T. farb. Taf.) heraus. Das letzte Werk – und Haybach erzählte, daß er mit ihm Pleite gegangen ist – stammte wiederum von Heimito Doderer, Der Fall Gütersloh – und ist 1930 erschienen. Danach konnten keine Publikationen mehr nachgewiesen werden. Der Verlag existierte theoretisch nur mehr auf dem Papier. „Viele Projekte des Haybach-Verlags scheiterten an materiellen Schwierigkeiten, u.a. Doderer im Taschenbuchformat, Illustrationen von Hofmannsthal, Ausgaben von Franz Blei und Konrad Weiss.“ [5]
Der Haybach-Verlag stellte insofern ein Unikum dar, als er anspruchsvolle bibliophile Werke produzierte, die nicht wie bei ähnlichen Unternehmen in einer verlagseigenen Druckerei hergestellt wurden.
In den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens betätigte sich Haybach nur mehr als Maler. Er starb in Wien am 15.2.1983.
Anmerkungen
[1] Dem Akt Rudolf Haybach im Gremium für den Handel mit Büchern in Wien (ehemals: Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler) entnommen.
[2] Aus einem Gespräch des Verf. mit Ing. Rudolf Haybach im Jahre 1980.
[3] Schreiben des Verlags Rudolf Haybach an die Korporation 30. Oktober 1925. In Gremium/Haybach.
[4] Schreiben Rudolf Haybachs an die Korporation vom 23. Dezember 1935. In: Gremium/Haybach.
[5] Rudolf Haybach 85 J. In: Anzeiger, Nr. 1, Anfang Jänner 1972, S. 4. Siehe auch Anzeiger, Nr. 1/2, Jänner 1977, S. 2 und Wiederentdeckung eines bibliophilen Verlages. In: Anzeiger, 105. Jg., Jänner 1970, Nr. 1, S. 5.
Ergänzungen zur Buchveröffentlichung von 1985
Neueste Forschungsliteratur
- Murray G. Hall: Der Haybach Verlag. In: Rudolf Haybach. 1886–1983. Eine Schlüsselfigur in der österreichischen Kulturgeschichte.Hrsg. v. Gerlinde Michels. Wien–Köln–Weimar Böhlau 2000, S. 118–124.
Illustrationen