Herz-Verlag

Herz-Verlag (Wien-Leipzig)

Die mitten in der Inflationszeit gleich als Aktiengesellschaft gegründete „Herz-Verlag A.G.“ ging aus der im September 1900 gegründeten Buchhandlung Julius Herz & Cie. (1., Rotenturmstraße 19) hervor. Die konstituierende Generalversammlung der Herz-Verlag A.G. fand am 4. Juni 1923 statt, und die Gesellschaft hatte laut Statuten folgenden „Zweck“:

Das Verlagsgeschäft, d.i. die Herausgabe und der Vertrieb von Werken der Literatur in deutscher und allen anderen Sprachen, ferner von Werken der Musik, der Fotographie und anderer graphischen Reproduktion, Zeitschriften, Ansichtskarten, und dramatischer Bühnenwerke, also sowohl auf eigene Rechnung als auch kommissionsweise. [1]

Der sehr umfangHerz Verlag Signetreiche Betriebsgegenstand findet seine Parallele in der Bezeichnung „Waren aller Art“! Die Herz-Verlag A.G., deren Aktienkapital 100 Millionen Kronen betrug und die ihren Sitz in Wien I., Wiesingerstraße 3 hatte, wurde am 6. Juli 1923 unter Register B, Band 1, pagina 77 ins Wiener Handelsregister eingetragen. Präsident der Firma war der Buchhändler Julius Herz, Vize-Präsident und Geschäftsführer der Buchhändler Ernst Pisko (* 17.l.1896), [2] und beide waren neben Ing. Paul Gutfreund, Handelsgesellschafter, Dr. Berthold Lehnert, Rechtsanwalt, und Leo Dunin Kleinberg, Industrieller, Mitglieder des Verwaltungsrates. Von den insgesamt 250.000 Aktien à K 400 gehörten dem Geschäftsführer Ernst Pisko und seiner Gattin Ida 95%. Die Herz-Verlag A.G. erhielt die entsprechende Konzession von der MA 53 am 17. Oktober 1923.

Nach der Erwähnung ,Julius Herz & Cie.“ mag der Firmawortlaut „Herz-Verlag A.G.“ nicht weiter überraschen, doch kam dem Handelsgericht der Name nicht ganz geheuer vor. Der neuerrichtete Verlag wurde daher unmittelbar nach der Konstituierung aufgefordert, den Namen zu erläutern. Er teilte dem Gericht mit,

daß das in dem Firmawortlaute enthaltene Wort „Herz“ außer jedem Bezug und Zusammenhang zu den häufig vorkommenden Familiennamen Herz steht, sondern daß diesem Worte nur die primäre und sachliche Bedeutung des Hauptorganes des menschlichen Körpers, welchem vulgär der Sitz des Gemüts zugeschrieben wird, zukommt. [3]

Im selben Schreiben wird auch das geplante Verlagsprogramm umrissen. Der Name „Herz-Verlag“

wurde von den Proponenten lediglich aus dem Grunde gewählt, weil wir beabsichtigen, (…) uns hauptsächlich mit dem Verlage von Büchern zu beschäftigen, welche in das Herz und Gemüt des Menschen Eingang finden sollen, daß wir die Herausgabe einer Serie „Bücher des Herzens“ beabsichtigen. (Ebenda)

Auf dieses Programm war dann auch das Verlagsemblem bzw. -signet voll abgestimmt.

In diesem Sinne haben wir uns für ein Embleme entschieden, welches im Bilde das menschliche Herz umrahmt von den Buchstaben H.V.A.G. veranschaulicht und den von uns herauszugebenden Büchern als Verlagsmarke dienen soll. (Ebenda)

Am 23. Juli 1923 wurde dieses Verlagsemblem markenrechtlich für „Druckerzeugnisse aller Art und graphische Reproduktion“ unter Schutz gestellt. Das Emblem wurde sodann am 9. Oktober 1923 im Österreichischen Zentral-Marken-Anzeiger, Nr. 7, abgebildet.

Bereits das erste volle Geschäftsjahr, also 1924, zeigte, zu welch ungünstigem Zeitpunkt die ursprünglich kapitalkräftige, aber durch die Inflation geschwächte Firma gegründet worden war, und es erweist sich immer wieder, daß es Verlags-Aktiengesellschaften waren (Beispiele: Wila, Rikola, Rhombus, Literaria), die unweigerlich als Opfer der Wirtschaftskrise in Liquidationsschwierigkeiten gerieten. [4] Obwohl die Herz-Verlag A.G. keineswegs als literarisch bemerkenswertes Unternehmen gelten kann, erlaubt uns das zu diesem Verlag vorhandene Quellenmaterial, über den konkreten Fall hinaus die wirtschaftlichen Bedingungen und Schwierigkeiten für dieses und ähnliche Unternehmen zu veranschaulichen.

Während der Herz-Verlag 1924 gerade noch über die Runden kommen konnte, zeichnete sich bereits Anfang 1925 das Ende des groß konzipierten Verlags ab. In einem Schreiben vom Oktober dieses Jahres an die Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler entschuldigte sich der Verlag als Mitglied für die ausständigen Jahresbeiträge:

Wir haben, wie Ihnen sicherlich bekannt ist, unseren Betrieb nur mit der allergrößten Anstrengung aufrecht erhalten können, mußten unter anderem nahezu sämtliche Angestellten entlassen, wobei die Abfertigungen Unsummen verschlangen, und glauben mit dieser Leistung dem österreichischen Buchhandel einen größeren Dienst erwiesen zu haben als unsere Zahlungsverzögerung Einbusse bedeutet. [5]

Bereits im Juni 1925 war der Verlag aus Kostengründen in das Lokal der Buchhandlung Julius Herz übersiedelt. Deutlicher werden die Auswirkungen der schlechten Konjunkturlage in Österreich auf diesen und andere Verlage, wenn man etwa den „Bericht des Verwaltungsrates vor der öffentlichen Generalversammlung am 14. Juni 1926“ heranzieht. Im Bericht über das Jahr 1925 heißt es da – stellvertretend auch für andere österreichische belletristische Verlage:

Das abgelaufene Geschäftsjahr stand im Zeichen der schärfsten Wirtschaftskrise. Absatzstockung auf den für uns vornehmlich in Betracht kommenden Märkten, Geldknappheit des Publikums, das seine Büchereinkäufe auf das Mindestmaß einschränkte, Konkurse und Ausgleiche deutscher Firmen ließen es bereits zu Beginn des Jahres 1925 angezeigt erscheinen, unseren Betrieb einschneidend zu reduzieren. Im Laufe der Monate März-April v.J. wurde das gesamte Personal entlassen und das Lokal in der Wiesingerstraße aufgegeben. Die laufenden Geschäfte wurden von Herrn Ernst Pisko allein u. unentgeltlich besorgt. Da unter den obwaltenden Verhältnissen an einen Ausbau des Unternehmens im ursprünglich geplanten Ausmaß nicht gedacht werden kann und das Goldbilanzgesetz ein Mindestkapital vorschreibt, das das Verlagsvermögen um ein Vielfaches übersteigt, empfiehlt der Verwaltungsrat die Liquidation der A.G. auf Grund des Goldbilanzgesetzes und Übernahme der Verlagsbestände durch die Buchhandlung Julius Herz & Cie., die über eine Verlagskonzession verfügt. [6]

Zufolge des Generalversammlungsbeschlusses der Aktionäre vom 14. Juni 1926 trat die Gesellschaft in Liquidation – ein Vorgang, der am 22. Februar 1927 auch ins Handelsregister eingetragen wurde. Julius Herz und Ernst Pisko wurden zu Liquidatoren bestellt. Es vergingen weitere fünf Jahre, bis die Liquidation der Herz-Verlag A.G. beendet und die Firma schließlich am 3. Juni 1932 aus dem Handelsregister gelöscht wurde.

Die Produktion

Angesichts des vorhin Geschilderten ist es nicht überraschend, daß die Produktion der Jahre 1923, 1924 und 1925 nicht allzu umfangreich wurde, geschweige denn das erwünschte Ausmaß erreichte. Sie umfaßte ca. 15 Werke, von denen der Großteil aus tantiemenfreier und Übersetzungsliteratur bestand. So hat der Verlag die 1922 von der Julius Herz & Cie begonnene ,Märchenreihe“ übernommen und bis 1925 auf fünf Bände fortgesetzt. Autoren sind Arnim, Wilde, Dickens, Tolstoi. 1923 kamen u.a. folgende neue Werke heraus: Kurt Münzers Esther Berg, Felix Saltens Der Hund von Florenz; 1924 u.a.: André Baillons Die Geschichte einer Marie, Der verlegte Nullpunkt von Rudolf Walter Kraus, Paul Morands Roman Lewis und Irene sowie R.L. Stevensons Die verkauften Träume; 1925 André Baillons In Holzschuhen und eine 2bändige ‚Auswahl für die Jugend“ Die Welt in Novellen, herausgegeben von Victor Polzer (d.i. Victor Pollitzer).

Wie in der Zeit vor 1923 hat die verwandte Firma Julius Herz & Cie. auch nach dem Liquidationsbeschluß der Herz-Verlag A.G. weitere Bücher auf den Markt gebracht.

Anmerkungen

[1] Handelsgericht Wien. Registerakt B 1, 77 (WrStLa).

[2] Wie an anderer Stelle angeführt, war Pisko zugleich Leiter der Tagblatt-Bibliothek.

[3] Schreiben an das Handelsgericht Wien im Registerakt. S. Anm. 1.

[4] Der Paul Zsolnay Verlag gilt insofern nicht als Ausnahme, als er erst viel später in der Phase der Stabilisierung in eine A.G. umgewandelt wurde.

[5] Akt Gremium/Herz-Verlag. Schreiben vom 28.10.1925.

[6] Handelsregisterakt, siehe Anm. 1. Nachgetragen hier sei die Tatsache, daß der erste Antrag beim BKA (Inneres) um Errichtung der Herz-Verlag A.G. mit dem 3. Februar 1923 datiert ist. Der Inhalt dieses Antrags ist für die Beleuchtung der wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Zeit sehr aufschlußreich und soll daher hier auszugsweise zitiert werden: „Infolge der valutarischen Zustände erscheint es sehr schwierig, Bücher aus Ländern mit hochstehender Valuta in Österreich einzuführen und zu vertreiben, weil wegen des hohen Kurses die Preise ins Unerschwingliche gestiegen sind. Auch die Einfuhr der Bücher aus Deutschland ist durch die Beschränkungen, welche in letzter Zeit eingetreten sind und den vorgeschriebenen Preisaufschlag wesentlich erschwert, ja, beinahe unmöglich gemacht worden. Unter diesen Umständen erscheinen insbesondere der Mittelstand und die Gelehrten, Professoren und Studenten benachteiligt, da das allgemeine Publikum Werke aus dem Auslande nicht mehr beschaffen kann und die Wissenschaftler und Studierenden ihrer Mittel zur Forschung und zum Studium beraubt werden. Hieraus resultiert die Notwendigkeit, den Buchverlag in Österreich zu heben und zu fördern und diesem erwächst insbesondere die Pflicht, die in anderen Ländern erschienenen Werke literarischen und wissenschaftlichen Inhaltes, sei es in deren Originalsprache, sei es in Übersetzungen in Österreich zu drucken und zu vertreiben, weil sonst der Zusammenhang mit der internationalen Literatur und Wissenschaft für Österreich ganz verloren ginge. Dieser Umstand veranlaßt uns einen neuen Buchverlag zu gründen, für welchen wir die Konzession erbitten.“ (Quelle: AVA, BKA (Inneres), Kt. 3006, Gdzl. 183.397/11/1932, Geschäftszeichen: 15/8 Wien 466.) Hierin finden sich sämtliche Statuten der A.G.

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