Verlag Jos. A. Kienreich

Verlag Jos. A. Kienreich (Graz-Wien-Leipzig) [1]

Kienreich SignetDaß es am Anfang der jungen Republik Bestrebungen gab, jungen österreichischen Autoren die Möglichkeit zur Publikation zu geben, läßt sich an einigen Beispielen zeigen, wie etwa Ed. Strache Verlag, Wila-Verlag, Lyra-Verlag usw. Es kam aber auch vor, daß alteingesessene Verlage Gleiches initiierten, so z.B. der Verlag Jos. A. Kienreich, Graz, der aber das Vorhaben leider gleich wieder aufgab. Aus diesem Grund wird hier nur auf die kurze belletristische Phase 1918/19 näher eingegangen.

Es war vermutlich im Jahre 1790, daß der aus einer alten steirischen Familie stammende konzessionierte Buchhändler Josef Andreas Kienreich die Bruckmayersche Buchhandlung in Graz erwarb. Bereits zwei Jahre später soll die Kienreichsche Buchhandlung eine ziemliche Ausdehnung gehabt haben. Nach einem zeitgenössischen Zeugnis soll er schon manches aus dem ökonomischen, medizinischen und auch belletristischen Fach verlegt haben. Das älteste erhaltene Werk des Kienreichschen Verlags ist das anonym erschienene Buch Der vollkommene Weinwirth, nur eines von einer ganzen Reihe von „Anleitungsbüchern“, auf die sich Kienreich spezialisierte. Andere Schwerpunkte waren pädagogische Literatur, Kinderbücher, wissenschaftliche Werke, Werke landwirtschaftlichen, gewerblichen und technischen Inhalts, Kalender, Gebetbücher sowie Nachdrucke von Dichtungen und Romanen. Ein 1830 ausgegebenes „Verzeichnis derjenigen Bücher, welche bei Jos. Andreas Kienreich, Buchhändler in Grätz, verlegt oder in Menge zu haben sind“, verzeichnete nicht weniger als 629 Bücher verschiedenen Inhalts und 232 Theaterstücke. Der Gründer des Hauses dürfte auch um das Jahr 1830 gestorben sein. Das Geschäft ging auf seinen Sohn Josef Johann Kienreich über, und die Firma „Joh. Andreas Kienreich“ wurde im Jahre 1831 in Graz protokolliert. Kienreich betrieb auch eine eigene Druckerei und hatte einträgliche Drucksortenaufträge, die allerdings 1869 durch die vom Katholischen Preßverein für Steiermark errichtete „Vereinsdruckerei“ (s. Styria-Verlag), an die Kienreich die Druckarbeiten für das bischöfliche Ordinariat abgeben mußte, übernommen wurden. Kienreich sah sich daher veranlaßt, das Geschäft auf eine andere Grundlage zu stellen. 1870 verkaufte er die Druckerei samt dem Schreibkalender für Advokaten und Notare sowie die Papierfabrik an die Firma Leykam und behielt das Verlagsgeschäft für sich, das er bis zu seinem Tod 1874 weiterführte. Die Firma wurde nun vom Sohn Josef Kienreich übernommen, und nach dessen Tod 1888 ging sie an die Witwe über, die die Firma zusammen mit ihrer Tochter bis zu ihrem Tod 1893 gemeinsam führte.

In diesem Jahr ging die Firma in den Besitz Karl Schmelzers über, der ganz neue Akzente setzte und die Firma rasch ausbaute. So bemühte er sich, sein Unternehmen in den Dienst des Reiseverkehrs zu stellen. Im Jahre 1898 eröffnete er in Graz ein Sortimentsgeschäft und ließ zum ersten Mal die Kienreichschen Taschenfahrpläne erscheinen. Auf Grund des großen Erfolgs des Sortimentsgeschäfts ließ Schmelzer im Laufe der nächsten Jahre Filialen an mehreren Bahnhöfen eröffnen. 1899 kam der Kienreichsche Zeitschriften-Lesezirkel hinzu. 1903 errichtete Schmelzer auch in Wien eine Zeitschriftenleihanstalt und erwarb die Buch- und Kunsthandlung des Ignaz Scheuble. Die Tätigkeit seiner Wiener Firma erstreckte sich hauptsächlich auf das Gebiet des Bahnhofsbuchhandels. Somit wurde die Basis für die spätere Zusammenarbeit mit der nachmaligen Firma „Morawa & Co.“ geschaffen.

Im Licht des vorher Ausgeführten scheint die Ankündigung von Kienreichs Bücherei Österreichischer Schriftsteller im Herbst 1918 einigermaßen aus dem Rahmen zu fallen, obwohl der Jos. A. Kienreich Verlag 1918/19 Belletristik offensichtlich forciert hat.

Im September 1918 kündigte der Verlag in der Buchhändler-Correspondenz neben einem „Roman aus den nordischen Königreichen“, Das Erbe von Lindström von Hans Seefeld den ersten Band der Bücherei Österreichischer Schriftsteller, nämlich Frauen, in einer Auflage von 5.000 Exemplaren, an.[2] Er enthielt folgende drei Erzählungen bzw. Novellen:

Rud. Hans Bartsch, Korbinian von Mursch
Jul. Franz Schütz, Frau der Verheißung
Franz Karl Ginzkey, Maddalena Gondi

Der Buchschmuck stammte von Mara v. Malliczky, die Umschlagzeichnung von Prof. Rudolf Geyer. Die Werbung für die Buchhändler entbehrte nicht eines gewissen Lokalpatriotismus:

Die Namen Bartsch und Ginzkey sind allen wohl bekannt und haben guten Klang. Es erübrigt sich daher, über die fein abgestimmten und fesselnden Novellen Näheres zu sagen. Die beiden großen Meister der Erzählungskunst lassen im Buche einen jungen Grazer Schriftsteller zu Worte kommen, dessen Name bald über die engeren Grenzen seines Vaterlandes durch seine reizende und farbenprächtige Erzählung bekannt sein wird.

Bei dem großen Mangel an schöngeistiger Literatur sind die Bücher leicht absetzbar und erwächst auch dem kleinsten Sortimenter bei Bezug einer Partie (11/10) kein Risiko. Infolge der künstlerischen farbigen Umschläge aus dem Schaufenster spielend zu verkaufen.[3]

Die 2. Auflage (6.- 10. Tsd.) konnte bereits Mitte März 1919 erscheinen. Im April kündigte der Verlag zwei weitere Bände dieser Reihe an, und zwar Liebesmären mit drei Novellen von Otto Hödel, Karl Bienenstein und Emil Hadina sowie Paul Bussons Seltsame Geschichten. Umschlagzeichnung und Buchschmuck besorgte jeweils Rudolf Posch, Graz.[4]

Mehr Bände in dieser Reihe sind nicht erschienen, wohl aber kam es 1918/19 zur Verlegung einer Reihe von belletristischen Werken wie z.B.:

J.H. Königsfeld, Jan Derriksens Dienstjahr. Roman.
Gerard, Die lockende Stadt. Roman. (Umschlagzeichnung nach Entwürfen Professor L.H. Jungnickels, Wien)
Volkmar Iro, Marietta. Ein Görzer Roman.
Robert Nagel, Immer ist Sonntag. Roman.[5]

Trotz dieser Versuche, zu diesem Zeitpunkt auch Belletristik in das Verlagsprogramm miteinzuschließen und trotz der Tatsache, daß der Verlag auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht ganz auf Belletristik verzichtete, ist eine ausführliche Darstellung der Verlagstätigkeit nicht notwendig, weil es sich im Fall Belletristik hier nur um eine nicht kontinuierlich gepflegte Sparte handelt.

Anmerkungen

[1] Verfasser stützt sich hier ausschließlich auf die firmeneigene Darstellung der Geschichte in: Festnummer der Österr.-Ungar. Buchhändler-Correspondenz, Wien 1910, II. Teil, S. 93 f.

[2] BC, Nr. 38, 18.9.1918, S. 442.

[3] Ebenda.

[4] BC, Nr. 18, 30.4.1919, S. 260.

[5] Laut Verlagsanzeigen in der BC wie in Anzeigenteilen der einzelnen Bücher. Auf eine vollständige Anführung wird bewußt verzichtet, da der Verlag Jos. A. Kienreich nicht als belletristischer Verlag angesehen werden kann und hier lediglich auf die Bestrebungen, bewußt österreichische Autoren zu verlegen, hingewiesen werden sollte.

Kommentare sind geschlossen.