Verlag Paul Knepler (Wallishaussersche Buchhandlung) (Wien) [1]
Der Verlag Paul Knepler ging aus der traditionsreichen, 1789 von Johann Baptist Wallishauser gegründeten Wallishauser“schen k. u. k. Hofbuchhandlung (Adolf W. Künast) hervor.[2] Die zuletzt am 7. Februar 1882 unter Band 18, pagina 85 im Register für Einzelfirmen eingetragene Firma (Inhaber Adolf W. Künast, Buchhändler in Wien) ging Anfang 1905 an den am 29.10.1879 in Wien geborenen Paul Knepler über. Knepler ging aus einer künstlerisch reich begabten Familie hervor, und bevor er die altbewährte Wallishauser“sche Buchhandlung und Verlagsanstalt am Lichtensteg 1 übernahm, bildete er sich zum Musiker aus. Heute ist er am ehesten noch als „Meister des Librettos“ bekannt.[3] Er schrieb nämlich die Texte für die Operetten von Franz Lehár, Emmerich Kálman, Leo Ascher, Richard Fall und last, but not least die Worte zu den Strauß-Walzern „G“schichten aus dem Wiener Wald“ und „Dorfschwalben aus Österreich“.
Bereits Ende Oktober 1916 erfolgte ein Besitzerwechsel. Die Firma ging von Paul Knepler an dessen Bruder, den am 11.8.1872 in Wien geborenen Hugo Knepler, über. Dieser war u.a. Impresario, Musikverleger und Kunsthändler und erhielt die nötige Konzession zum Betrieb des Buchhandels im selben Standort am 28.2.1916. Ende 1927, als der Verlag Paul Knepler nur sehr sporadisch aktiv war, ging das Unternehmen an Eugen Walter Kende über, dessen Frau Ella als Einzelprokuristin tätig wurde.
Schon Ende September 1933 mußte Kende beim Handelsgericht um Eröffnung des Ausgleichsverfahrens über das Vermögen seiner Firma bitten.[4] Der Grund:
Zufolge der heutigen schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse, bezw. des äußerst schlechten Geschäftsganges speziell im Buchhandels-Gewerbe bin ich außerstande meine Zahlungen fortzusetzen, aus welchem Grunde ich mich veranlaßt sehe um die Eröffnung des gesetzlichen Ausgleichsverfahrens über mein Firmenvermögen anzusuchen.
Wallishauser“sche Buchhandlung
A.W. Künast
Eugen Kende
Kurz vor Weihnachten wurde das Verfahren abgeschlossen (eingetragen: 28.12.1933) und Mitte März 1935 wurde die Firma verkauft, auf Register A 27, 9a umgeschrieben, und die Kendes wurden aus dem Handelsregister gelöscht.
Daß das Unternehmen noch bis 1938 weiterexistierte, ist durch eine Veröffentlichung bei „Wallishauser“ in diesem Jahre belegt.
Die Produktion
Die frühesten Publikationen sind schon 1913 (wenn nicht sogar früher) erschienen, wurden aber hier nicht systematisch erfaßt. So erschien in diesem Jahr etwa Alfons Bolz-Feigls Erlebnisse eines „Schmierenkomödianten“ mit Umschlagzeichnung von Remigius Geyling in 2. Auflage. Im folgenden Jahr kam das Erstlingswerk des 1893 geborenen Kurt Sonnenfeld (Traum und Rausch. Gedichte) heraus sowie das erste Werk in diesem Verlag von einem in der Bukowina geborenen Wiener Nervenarzt namens Wilhelm Stekel, der, wenn in diesem Fall überhaupt von „Verlagsautoren“ gesprochen werden kann, gewiß einer war. Von ihm stammen reihenweise Bücher sowohl belletristischer als auch medizinischer Natur:
Die Menschen, die nennen es – Liebe (1914).
Was im Grund der Seele ruht. Bekenntnisse eines Seelenarztes (1908), 4.-6. Aufl. 1924.
Kreislauf der Liebe. Vier neue Szenen vom Krankenlager der Liebe (1919).
Masken der Sexualität (1920).
Nervöse Leute.
Das goldene Seil. Ein Schattenspiel der Liebe in vier Akten (1919).
Der Weise und der Tor. Ein Tagebuch in Versen (1919).
Hygienische Zeitfragen usw.
Diese wie wohl die meisten Verlagswerke tragen das Impressum „Verlag Paul Knepler (Wallishauser Buchhandlung) Wien“. Schon die Werke des Verlagsautors Stekel deuten darauf hin, daß die Verlagsproduktion eher wie eine Gemischtwarenhandlung anmutet. Das heißt, es ist schwer, von einer eindeutigen Verlagslinie zu sprechen, so divers sind die Gebiete. Bleiben wir zunächst bei der Belletristik: 1917 veröffentlichte der erst 18 Jahre alte Friedl Schreyvogl seinen ersten Gedichtband Singen und Sehnen bei Knepler. Im selben Jahr geschrieben und 1918 ebenfalls bei Knepler verlegt wurden die Verse Klingen im Alltag. Auffallend bei diesem Band ist der aufwendige Buchschmuck von Adolf Gertin. 1920 erscheint von Schreyvogl Friedliche Welt. Erträumtes in Versen mit Original-Holzschnitten von Carl Schulda jun. Eine Neuauflage wird 1923 veranstaltet. 1922 folgt Flöte am Abend mit eingedruckten Zeichnungen von Hubert v. Zwickle, in 3. Auflage 1925, nachdem Schreyvogl bereits Werke im Ed. Strache Verlag, im Leonhardt-Verlag, im Verlag der Wiener Graphischen Werkstätte und im Verlag der Wiener literarischen Anstalt veröffentlicht hatte. Außerdem erschien 1925 Ruf in die Nacht. Worte an ein Kind (Dichtungen).
Um 1920 begann der Paul Knepler Verlag eine kleinformatige bibliophile Serie (Plantin-Drucke) mit ausgewähltem Vorsatzpapier, erstklassiger Bindung und künstlerischer Ausstattung. Die Bändchen, die beinahe nur halb so groß sind wie Reclamhefte vereinen Werke von tantiemenpflichtigen und tantiemenfreien Autoren. U.a. erschienen Arthur Schnitzlers Novelle Der Mörder (Mit 8 Holzschnitten von Ernst Huber), Schreyvogls Friedliche Welt und Flöte am Abend, E.T.A. Hoffmanns Doge und Dogaressa (Mit Orig.-Lith. von Ernst Huber) und Das fremde Kind (Orig.-Lith. von Ernst Huber), Clemens Brentanos Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl sowie Wilhelm Hauffs Othello (ill. Ernst Huber). Die Herstellung erfolgte in der Offizin F. Rollinger.
Daneben erschienen bei Knepler Werke von Dora Böck-Greissau (Kleine Ereignisse. Bilder und Verse, 1922), Paul Czinner (Die vierte Wand. Satans Marke. Der Sektkübel. Drei Grotesken, 1922), Lily Spielberg (Das Wunder des Lebens. Entstehen und Werden in der Natur. Der Jugend erzählt, 1920), Lothar Ring (Das lächelnde Bildnis, 1918), Heinrich Husserls Gedichte Die stummen Wünsche, 1922, Ludwig Herzers Morphium. Ein Notturno in 4 Teilen. Mit einem Geleitwort von Julius Wagner-Jauregg, 1921 u.a.
Sieht man vom Versuch ab, eine Esperantobibliothek (Nova biblioteko esperanto) ins Leben zu rufen und 1920 die Nova Tempo-Schriften zu verlegen – der Verlag Paul Knepler verlegte z.B. 1924 Coudenhove-Kalergis Manifest der Pan-Europa-Bewegung in Esperanto! – läßt sich die übrige, bis 1938 erfaßte Produktion unter „Viennensia“ „Theater“ und „Musik“ subsumieren. Es erschienen 1921-26 z.B. eine Reihe von Werken Siegfried Löwys (Aus Wiens großer Theaterzeit, Das Burgtheater im Wandel der Zeiten etc.), Werke in der gemeinsam mit der Universal-Edition herausgegebenen Wiener Taschenbibliothek, Richard Spechts Das Wiener Operntheater (1919), die Blätter des Operntheaters (1920) und 1929 gar die Schriftenreihe Österreichisches Volkstheater. Zum Gebiet Viennensia zählen etwa zwei Werke Paul Wertheimers (Alt-Wiener Theater, Das war mein Wien) und Franz Gräffers (Alt-Wiener Guckkasten, Aus dem Wien des Kaiser Joseph. Josephinische Curiosa).
In den 30er Jahren sind nur wenige Publikationen herausgekommen: es sind zumeist leichtere Bühnenwerke. 1937 (Impressum 1938) gibt der Verlag sogar eine Ausgabe von Johann Nestroys Gesammelten Briefen heraus.
Aus dem eben Gesagten geht hervor, daß eine bestimmte Verlagsrichtung nicht erkennbar ist. Bei den damals noch lebenden Autoren handelt es sich mit wenigen Ausnahmen um solche, die heute völlig in Vergessenheit geraten sind …
Anmerkungen
[1] Quellenhinweise: Handelsgericht Wien. Register für Einzelfirmen 18, 85; Handelsgericht Wien. Register A 27, 9a; Handelsgericht Wien. Ausgleich Sa 449/33 (WrStLa); Gremium/Wallishauser/Knepler.
[2] Hingewiesen wird auf den Aufsatz von WERNER M. BAUER, Die Verleger und Drucker Joseph Vinzenz Degen und Johann Baptist Wallishauser und ihre Stellung in der österreichischen Literatur ihrer Zeit. In: Die österreichische Literatur. Ihr Profil an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert (1750-1830), Hg. Herbert Zeman. Teil I, S. 179-202; ANTON DURSTMÜLLER d.J., 500 Jahre Druck in Österreich. Die Entwicklungsgeschichte der graphischen Gewerbe von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hauptverband der graphischen Unternehmungen Österreichs, 1982, S. 265-267.
[3] Dazu die Würdigung „Ein Meister des Librettos“ von PETER HERZ zu Kneplers 80. Geburtstag in Neues Österreich, So., 25.10.1959, S. 16. Siehe auch ebda., 28.10.1959, S. 6. Knepler verbrachte die lange Emigrationszeit in London und kehrte erst kurz nach seinem 75. Geburtstag wieder in die Heimat zurück. Er starb am 17.12.1967 in Wien.
[4] Handelsgericht Wien. Ausgleich Sa 449/33 (WrStLa); Schreiben Kendes an das Gericht.