Otto Müller Verlag

Otto Müller Verlag (Salzburg-Innsbruck-Leipzig)[1]

Otto Müller Verlag SignetDer Verlagsgründer Otto Müller wurde am 3. März 1901 in Karlsruhe als Sohn eines Werkzeugschlossers geboren. Nach volkswirtschaftlichen Studien an den Universitäten Heidelberg und Graz war er ursprünglich als Bankbeamter tätig. Er verbrachte dann nach dem Ersten Weltkrieg sechs Jahre in Graz und Augsburg, die der Ausbildung im Verlags- und Druckereiwesen und im Sortimentsbuchhandel dienten. 1930 übernahm er im Auftrag des Styria-Verlags in Graz die Leitung des demselben gehörenden Verlages Anton Pustet in Salzburg. Unter seiner Leitung wurde dieses bisher unbedeutende Provinzgeschäft in engem geistigem Anschluß an die katholischen „Salzburger Hochschulwochen“ zu einem erstrangigen Kulturinstitut. 1937 schied Müller aus den Diensten des Verlages Anton Pustet aus und gründete im Juli 1937 einen eigenen Verlag. Da ihm aus Konkurrenzgründen eine Konzession in Salzburg verweigert wurde, scheint Innsbruck und nicht Salzburg als erster Verlagsort auf. Arbeitsort wurde aber Salzburg.

„Zuversicht und Begeisterung waren zunächst größer als die nach landläufiger Meinung nötige Grundlage – in diesem Falle die Kapitalien. Otto Müller setzte den Namen, den er sich als Leiter des Pustet-Verlages erworben hatte, als Bürgschaft ein, und das Vertrauen namhafter Autoren, Persönlichkeiten und Herstellungsfirmen ermöglichte einen raschen Aufbau des neuen Verlages. Viel trug zu der guten Aufnahme die schöne, gepflegte Gestalt der Bücher in Druck und Einband bei, die Otto Müller als passionierter Hersteller schuf. Als Vorbild galt ihm stets die Werkarbeit Jakob Hegners.“[2]

In der sehr kurzen Zeit vor dem „Anschluß“ erschienen – laut Almanach 1962 – immerhin 15 Werke, und der Verlag blieb zumindest vorderhand von den gewaltsamen Veränderungen unbehelligt. „Im Gegenteil, durch den Wegfall der Grenzen erlebten die Bücher einen gesteigerten Absatz, gerade weil sie, ohne in eine billige negative Polemik zu fallen, durch ihren Inhalt und ihre Aussage, von der Schönen Literatur bis zu den geisteswissenschaftlichen und theologischen Werken, christlich-abendländisches Kulturgut darboten und dadurch um so nachhaltiger die Ideen Rosenbergs widerlegten.“ (ebda., S. 17)

Im Herbst 1938 erweiterte der Otto Müller Verlag sein Verlagsprogramm durch den Schritt in die Weltliteratur. So übernahm Müller beispielsweise die „Dichtungen“ Georg Trakls, die früher im Kurt Wolff Verlag erschienen waren. Im Mai 1939 zeigte man bereits die 4. Auflage der Gesamtausgabe an Auch Paul Claudel (Der seidene Schuh) wurde von Müller verlegt. Bis Herbst 1939 war die Produktion des Otto Müller Verlags auf rund ein Halbes Hundert Werke angewachsen. Aber: „Aus der verlegerischen Haltung heraus verschärften sich bald die Spannungen mit den Schrifttumsstellen des nationalsozialistischen Regimes. Das ‚Amt Rosenberg‘ fand, daß hier eine kulturelle Institution bestand, die sich nicht assimilieren ließ, Will Vesper, einer der damaligen ‚Literaturpäpste‘, polemisierte heftigst gegen die Bücher des Verlages und bezeichnete sie als ‚Gift gegen den Nationalsozialismus‘. Verschiedene Werke des Verlages wurden offiziell verboten durch die parteiamtlichen Prüfungskommissionen und das ,Amt Rosenberg‘ wurden Einstellungsverbote für alle Büchereien erlassen.“ (ebda., S. 19)

In der ersten Dezemberhälfte 1939 wurde der Verlagsinhaber durch die Gestapo verhaftet. „Der Schutzhaftbefehl Heydrichs führte als Begründung an: Die Verhaftung erfolgte, weil er die verbotenen Druckschriften des aufgelösten ,Seraphinischen Liebeswerkes‘ versandt hat. Das Verhalten ist geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung zu den Anordnungen des Staates zu erschüttern, und gibt außerdem, unter Berücksichtigung der staatspolitischen Gesinnung des Genannten, zu der Befürchtung Anlaß, daß er in Freiheit seine Tätigkeit fortsetzt.“(ebda., S. 19f.)

„Am 31. Juli 1940 wurde Otto Müller mit der Weisung des Gestapohauptamtes aus der Haft entlassen, den Verlag zu liquidieren und jede verlegerische Tätigkeit einzustellen. Trotzdem legte er bei dem für Verleger zuständigen Propagandaministerium Protest und Rekurs ein und führte die Verlagsarbeit weiter. Daraufhin wurde er neuerlich verhaftet, und ein paar Monate später erfolgte der Bescheid der Reichsschrifttumskammer, daß er als unwürdig aus der Berufskammer ausgeschlossen sei und endgültiges Berufsverbot habe; den Verlag habe er binnen drei Monaten zu liquidieren bzw. zu veräußern. Das war ein gewaltsamer Stillstand, ein vorläufiges Ende.“ (ebda., 20f.) Durch einen Scheinverkauf an den Berliner Verleger Lambert Schneider – der Kaufvertrag wurde durch die RSK am 13.5.1941 genehmigt – konnte das Unternehmen als „Otto Müller Verlag, Berlin – Inhaber Lambert Schneider“ weiter firmieren, zwar einige Bücher noch verlegen, jedoch keine Werke religiösen Inhalts mehr herausbringen.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs versuchte Müller seine verlegerische Tätigkeit wieder aufzunehmen und erhielt Ende Oktober 1945 von der amerikanischen Militärregierung das „Permit“ zur Wiedereröffnung seines Verlages. Im ersten Jahr konnten noch sieben Werke erscheinen.[3] Otto Müller starb am 10. Februar 1956 im Alter von 55 Jahren.

Die Produktion

Die wohl beste Charakterisierung der Produktion dieses Verlags bzw. die beste Definition der Verlagslinie stammt von Müller und dem Verlag selber, so daß wir diese Ausführungen hier direkt übernehmen. Müller umschrieb Programm und Aufgabenstellung folgendermaßen:

Mittler eines christlich-abendländischen Geistesgutes zu sein, war Ziel und Aufgabe meines Verlagsprogramms. Und hierin wieder das Bestreben, diese Kräfte gerade aus der reichen Tradition Österreichs als einer europäischen Potenz der Mitte zur fruchtbaren Entfaltung und zur Wirksamkeit im gesamten deutschen Sprachraum zu bringen. (ebda., S. 14f.)

Weltoffenheit in christlicher Grundhaltung bestimmten seinen Standort und Schaffensplan. Er faßte Verlegerschaft aber zugleich als eine Form des Laien-Apostolates auf und suchte immer solche Bücher, „die ihm als Ausdruck entweder der innerkirchlichen Erneuerung oder der Wiederverchristlichung der Welt erschienen“. Das bedeutete für den Verlag ein Heraustreten aus dem engeren katholischen Bereich und ein missionarisches Wirksammachen der Bücher auch im nichtkatholischen Raum. (ebda., S. 15.)

Otto Müller VerlagsprospektSchöne Literatur, Geisteswissenschaft, Theologie: das ist die Dreiheit, die dem Verlag das Profil gab. In der sogenannten „Schönen Literatur“ sollten unter dem Motto: „Anspruchsvoll und doch alle ansprechend“ neben den Dichtungen hohen Ranges auch gute volkstümliche Bücher stehen; mit der Herausgabe der üblichen Unterhaltungsliteratur wollte er sich nicht beschäftigen. Die wissenschaftliche Sparte konzentrierte sich auf Geistesgeschichte, im speziellen auf Literatur- und Kunstgeschichte, doch sollten auch Bücher zur Zeitgeschichte nicht fehlen. Eine besondere Aufgabe sah der Verlag in der Förderung zeitnaher Theologie, von Werken also, die nicht allein „für den Fachgelehrten, sondern vielmehr für den allgemeingebildeten Laien bestimmt sind. Von dieser Dreigliederung leiten sich auch die anderen Veröffentlichungen ab“. (ebda., S. 15)

In einem Faltprospekt „Ein junger Verlag/Bekannte Autoren/Neue Bücher/Verlegt bei Otto Müller/Salzburg-Innsbruck-Leipzig“ aus dem Jahre 1937 werden gleich die ersten Bücher vorgestellt. Neben Conrad-Martius in der Geisteswissenschaft und Dillersberger, Feuling und Pfliegler in der Theologie nimmt im Bereich „Schöne Literatur“ neben Elis. Langgässer und Joseph Leitgeb (Christian und Brigitte. Roman eines jungen Menschen, 1938) die 1898 im Ural geborene Schriftstellerin Alja Rachmanowa (d.i. Galina v. Hoyer) eine zentrale Stellung ein. Schon im Prospekt 1937 zeigt sich, wie erfolgreich ihre Bücher gewesen sind. So steht ihre 576 Seiten dicke Tragödie einer Liebe. Roman der Ehe Leo Tolstojs beim 30.-40. Tsd. Im Mai 1939 erscheint das 46.-50. Tsd. Noch erfolgreicher ist ihr Roman Die Fabrik des neuen Menschen (1937: 15. Aufl., 72.-77. Tsd.; Mai 1939: 78.-83. Tsd. !), der mit dem ersten Preis als bester antibolschewistischer Roman der Gegenwart ausgezeichnet wurde. Auch ihre erstmals 1932 erschienenen Geheimnisse um Tartaren und Götzen. Erinnerungen der Dichterin aus dem Ural erschienen 1937 in 6. Auflage. Alle drei Werke wurden von Otto Müller zum ermäßigten Preis in einer Geschenkkassette herausgegeben. 1938 kam Jurka. Tagebuch einer Mutter hinzu (Mai 1939: 26.-30. Tsd.). Zu den ersten Publikationen zählten etwa Werke von Ida Görres (Die siebenfache Flucht der Radegundis), Willi Schmid (Unvollendete Symphonie) und Karl Linzen (Glühen und Sterben. Geschichte des deutschen Buchhändlers und Patrioten Joh. Phil. Palm).

Nach dem Krieg verlegte Otto Müller auch Werke von Felix Braun, Hans Leifhelm, Christine Lavant, Gertrud Fussenegger, Hans Sedlmayr, Josef Nadler, Heinrich von Srbik, Max Mell, K.H. Waggerl, Franz Tumler und Josef Weinheber, österreichischen Autoren also, von denen nicht wenige im „nationalen“ Lager gestanden waren.

Anmerkungen

[1] Quellenhinweise: Werke und Jahre 1937-1962. Salzburg: Otto Müller Verlag, 1962 (bes. S. 14-25); WILLY LORENZ, In Memoriam Otto Müller. In: Anzeiger, 91. Jg., Nr. 5, 1.3.1956, S. 19; Das Antiquariat (Wien), VII. Jg., Nr. 5/6, März 1951, S. 16; Berichte und Informationen (Salzburg), 2. Jg., Heft 65, 25.7.1947, S. 14.

[2] Werke und Jahre 1937-1962 (zit. Anm. 1), S. 16.

[3] Die Entwicklung des Verlags wird hier nicht weiter verfolgt. Zur Geschichte des heute noch bestehenden Verlags bis 1962 siehe den Almanach zur Feier des 25jährigen Bestehens (Werke und Jahre 1937-1962). Neuerlich erschien zum 40jährigen Jubiläum: Werke und Jahre 1937 – 1977 Salzburg: Otto Müller Verlag, 1977.

Ergänzungen zur Buchveröffentlichung von 1985

  • Claudia Hörschinger-Zinnagl: Der Verleger Otto Müller und die Geschichte seines Verlages, des Otto Müller Verlags in Salzburg, von 1937 bis 1956. Diplomarbeit Univ. Wien 1996.

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