Verlag Andreas Pichl

Verlag Andreas Pichl, Stern im Osten-Verlag (Wien)[1]

Der „Verlag Andreas Pichl“ war bloß ein Geschäftszweig innerhalb des am 1. September 1908 in Wien gegründeten Sortimentsgeschäftes bzw. der Zentralbuchhandlung für Okkultismus in Wien 6., Linke Wienzeile 8.[2] Der Inhaber und Gründer war der am 15.9.1868 in Wien geborene Andreas Pichl, der nach 26jähriger buchhändlerischer Tätigkeit sich selbständig machte. In seiner Buchhandlung pflegte er insbesondere Literatur okkulter, mystischer Richtung und betätigte sich auch als Organisator gleichgerichteter Bewegungen. Pichl war Präsident der Karl du Prel-Gemeinde, des Sammelpunkts okkulter Schriftsteller und Forscher. 1921 wurde dem Unternehmen eine Konzert-Direktion angegliedert, die auch zahlreiche Vorträge ausländischer Forscher auf okkultem Gebiete vermittelte.

Als der Firmengründer Pichl am 23.5.1932 in Wien starb, wurde das Unternehmen als „Witwenfortbetrieb“ von der Gattin Maria († 23.6.1945) und dem Sohn Andreas jun. (* 3.8.1896) weitergeführt. Das Schicksal der Buchhandlung war mit dem „Anschluß“ besiegelt, wie es in einem Schreiben der Zwangsgilde der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler an das Reichspropagandaamt vom 12.7.1938 u.a. heißt:

Frau Pichl ist Jüdin, so daß die Weiterführung der Buchhandlung durch sie nicht mehr in Frage kommt. Sie übergab daher das Geschäft ihrem Sohn Andreas Pichl, der Mischling ersten Grades ist. (…) Die Buchhandlung Pichl ist ein kleines Unternehmen, dessen Fortbestand nicht notwendig ist. (…)[3]

Das Ansuchen des Pichl jun. um die (für den Betrieb einer Buchhandlung bzw. eines Verlags erforderliche) Aufnahme in die RSK wurde „aus grundsätzlichen Erwägungen“ abgelehnt. Dafür durfte er den Buchhandel bis zum 30. September 1938 ausüben – aber nicht länger.

Die Produktion

Von einer Verlagsproduktion in diesem Fall zu sprechen, scheint nicht ganz zutreffend zu sein, zumal die Verlagswerke – soweit sie erfaßt werden konnten – nur sehr sporadisch erschienen. 1919 etwa erschienen im „Stern im Osten-Verlag“ gleich vier (nicht belletristische) Werke, die sich alle mit okkulten Themen befaßten. Beispiele sind: R. Mader, Die schönsten Werke du Prel“s (= Schriften der Karl du Prel-Gemeinde, Wien 1) oder Boris Sandloff, Wie werde ich Telepath? Praktische Anleitung.

Etwa zehn Jahre später lassen sich Werke aus dem Verlag Andreas Pichl wieder nachweisen. Der alleinige Verlagsautor heißt Ludwig Trönle (* 1.5.1882, Wien), im Hauptberuf Senatsrat der Gemeinde Wien. In dessen unveröffentlichten Erinnerungen Meine Erlebnisse als Dramatiker (1955)[4] findet man mehrere Bezüge zum „Verlag Andreas Pichl“ einerseits und zu den dort erschienenen Werken (Atreus. Tragödie; Der rote Caesar. Drama; Etepetete/Das Bühnentürl) andererseits:

Ich liess es [Atreus] 1928 [richtig: 1929] bei Andreas Pichl (einem Traumbüchlverlag) als Buch erscheinen (…) (S. 6)

An einer anderen Stelle heißt es:

Ich liess das Drama [Der rote Caesar] zugleich mit dem „Atreus“ bei Pichl erscheinen und schickte es an die Bühnen aus. (S. 8)

1933 hatte Trönle eine weitere Komödie Etepetete (später umbenannt in: Das Bühnentürl), für die er einen Verleger brauchte:

Ich hätte das Lustspiel abliegen lassen sollen, dann wäre manches Ungeschlachte daraus entfernt worden, aber ich liess es bei Pichl erscheinen und verschickte das kleine Bühnenmanuskript, so wie es war. (S. 10)

Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann man annehmen, daß der Autor selber die Druckkosten zahlte und die Auflage kaum mehr als ein paar hundert Exemplare – wenn überhaupt so viel – betrug.

Ansonsten ließ sich bloß ein einziges Werk nachweisen, nämlich eines aus dem Fachgebiet Pichls: J.v. Tübinger, Die Offenbarung des Johannes. Eine sozialpolitische Auslegung. Die kommenden gesellschaftlichen Umwälzungen. .(1932)[5]

Viel mehr scheint vom „Teilzeitverleger“ Andreas Pichl nicht herausgegeben worden zu sein.

Anmerkungen

[1] Quellenhinweise: Akt Gremium/Andreas Pichl; Anzeigen im Anzeiger; Nachruf auf Pichl in Anzeiger, 73. Jg., Nr. 22, 28.5.1932, S. 3.

[2] Der Beitritt zur Korporation erfolgte am 11.5.1908; die Konzession wurde am 22.6.1908 verliehen.

[3] Liegt im Akt Gremium/Andreas Pichl.

[4] Zitiert nach dem Manuskript in der Wienbibliothek (Signatur: B 137.045).

[5] Dieser Titel war die einzige Ergänzung zu den von mir verzeichneten Verlagswerken aus dem Katalog der Deutschen Bücherei, Leipzig.

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