E. Prager Verlag (Wien-Leipzig)[1]
Der am 28.12.1902 in Budapest geborene gelernte Buchhändler Emmerich Prager suchte im Mai 1931 um Verleihung einer Konzession zum Betriebe des Versand- und Verlagsbuchhandels mit Ausschluß des offenen Ladengeschäfts im Standort Wien 20., Stromstraße 82 an. Prager, der in einer Buchhandlung in Bratislava als Gehilfe tätig gewesen war, stieß sofort auf Schwierigkeiten, zumal im Dezember des Vorjahrs einem gewissen Andreas Glöckner (s.d.) die gleiche Konzession am selben Standort verliehen worden war. Die Korporation empfahl der Gewerbebehörde, das Ansuchen „wegen Mangels an Lokalbedarf“ abzulehnen. Dies war eine der vielen seltsamen Entscheidungen, die die Korporation bei Verlagsneugründungen (ohne offenes Ladengeschäft) immer wieder fällte, obwohl die Fragen „Lokalbedarf“ und „Standort“ für diese Betriebsform völlig irrelevant waren. Zu einer (zu Recht gefürchteten) Konzessionsvermehrung wäre es sowieso nicht gekommen, weil eine bestehende Konzession gleichzeitig zurückgelegt wurde. Dieser Ansicht schloß sich das Handelsministerium (als oberste Behörde) auch an und gab einer entsprechenden Berufung Pragers mit Bescheid vom 23. Oktober 1931 statt.[2] Prager ließ seinen Verlag wohl aus Gründen des kleinen Geschäftsumfangs nicht handelsgerichtlich protokollieren.
Die Produktion hatte Prager inzwischen auch aufgenommen. Das Stadtbüro des Verlags befand sich 1933 (allerdings nicht konzessioniert) in Wien 1., Hohenstaufengasse 15, übersiedelte Mai 1935 aus Kostengründen nach Wien 1., Dominikanerbastei 24 und dann Wien 1., Biberstraße 17. Vier Jahre nach Geschäftsgründung hatte das Verlagsgeschäft in den Worten Pragers einen „überaus bescheidenen Umfang“.[3] Das hatte zur Folge, daß es ihm nur möglich war, seinen Betrieb zu führen, „wenn ich die Spesen auf ein Mindestmaß beschränken kann“ (ebda.). Bei der geplanten Verlegung seines Geschäftes spielten „lediglich finanzielle Momente eine Rolle, die allerdings für die Weiterführung meines Betriebes von entscheidender Bedeutung sind“ (ebda.). Ende November 1935 wandte sich Prager erneut an die Korporation, um diese davon zu überzeugen, daß eine Verlegung des Standorts die Wettbewerbsverhältnisse im 1. Bezirk nicht ungünstig beeinflussen würde. Im folgenden ein Ausschnitt aus diesem Schreiben, der uns zugleich über die Verlagstätigkeit zu dieser Zeit Aufschluß gibt:
Weiters dürfte für die Wettbewerbsverhältnisse im allgemeinen besonders bemerkenswert sein, daß sich meine Haupttätigkeit auf die Ausführung der Bestellungen, welche mir mein Bruder Eugen Prager, Verleger in Bratislava, zur Ausführung übermittelt, beschränkt. Es handelt sich um eine außerordentlich geringe Menge von Büchern während eines Jahres, sodaß man eigentlich nur von einer Expositur des Eugen Prager-Verlages, Bratislava, sprechen kann. Meine eigene Verlagstätigkeit erstreckt sich im Jahre auf höchstens 1-2 Büchern die in sehr geringen Auflagen (1-2 Taus.) erscheinen. Bei dieser überaus bescheidenen Geschäftstätigkeit wäre es mir begreiflicherweise nicht möglich, die Regien zu bestreiten, welche ich als Hauptmieter zu tragen hätte und bin vielmehr auf die Begünstigungen angewiesen, welche mir aus dem Verhältnis als Untermieter bei einem Buchhändler zukommen. Wenn diese Geschäftstätigkeit sich auch auf den kleinsten Umfang beschränkt, bedeutet sie für mich nichtsdestoweniger eine Existenzfrage und ich glaube mich daher der zuversichtlichen Erwartung hingeben zu dürfen, daß die verehrliche Korporation mein Ansuchen bewilligen wird, wodurch Sie den Fachkollegen nicht den allergeringsten Schaden zufügen, mir jedoch die Fortführung meines Betriebes in oben charakterisierter Form, ermöglichen.[4]
Mitte September des folgenden Jahres (1936) war die finanzielle Lage des Unternehmens noch prekärer: „Bei dem jetzigen bescheidenen Umfang“ seines Betriebes sah sich der Inhaber „infolge des schlechten Geschäftsganges genötigt“, „die Kosten meiner Betriebsführung auf ein Mindestmaß zu reduzieren“.[5] Es kam erneut und zum letzten Mal zu einer Standortsverlegung. Wie diverse Anfragen bezüglich Kreditwürdigkeit zeigen, stand der Verlag von Anfang an auf schwachen Beinen: 1931 wurde die Lage des Verlags z.B. „nicht günstig beurteilt“, 1932 heißt es, das Unternehmen sei „jedenfalls sehr vorsichtig zu beurteilen“ 1934: „kapitalsschwach“.[6]
Wann der E. Prager Verlag, der zuletzt praktisch nur eine Expositur des Verlags von Eugen Prager in Bratislava war, seinen Betrieb einstellte, geht zwar nicht aus den Akten hervor, doch kann man annehmen, daß, weil der E. Prager Verlag als „jüdischer Verlag“ gegolten haben wird und unerwünschte Literatur verlegte, das Ende spätestens mit dem „Anschluß“ zusammenfiel.
Die Produktion
Der E. Prager Verlag wurde in einer wirtschaftlich überaus schwierigen Zeit gegründet, sodaß die Kapitalsschwäche des Verlags einerseits und die politische Entwicklung in Österreich ab 1933 andererseits keine umfangreiche Tätigkeit zuließen.[7]
Der Verlag dürfte um die Jahresmitte 1931 erstmals in Erscheinung getreten sein, und die Tendenz der Verlagswerke ging in Richtung Zeit- und Sozialkritik mit Schwergewicht auf Werken nicht deutschsprachiger Autoren der Gegenwart. Es sprechen auch viele Anzeichen dafür, daß die Verlagswerke vor allem in sozialdemokratischen Kreisen rezipiert wurden.[8]
Im Juli 1931 ist der Verlag mit der Serie Das Gesicht der Zeit angetreten, und in einem der seltenen – noch dazu ganzseitigen Inseraten im Anzeiger – wird der Gegenstand der Serie folgendermaßen umrissen:
Wir bringen:
ROMANE erster Autoren aller Länder, eine Auswahl von Werken von menschlicher und künstlerischer Wahrhaftigkeit
ERZÄHLUNGEN zeitnaher Erzähler, die das Tagebuch der Gegenwart führen
ENTHÜLLUNGEN über drohende und vergangene Katastrophen
BERICHTE über gegenwärtige und vergangene weltpolitische Abenteuer und Abenteurer
REPORTAGEN über das Leben in Kasernen, Kerkern und Kolonien[9]
Im selben Jahr erschienen in dieser Serie Das Gesicht der Zeit insgesamt 12 Werke[10] von folgenden Autoren:
Fjodor Gladkow
Else Feldmann
Hans Berko
Michael Soschtschenko
Leo Nikulin
Andreas Szilágyi
Paul Kéri
Eman. Vajtauer
Otto Bernhard Wendler
Wolfgang Hoffmann-Harnisch
Watzlav Solsky
Jurij Janowksy
Für Dezember 1933 kündigte der E. Prager Verlag vier Neuerscheinungen an:
Nikolaus Magyar, Maschine gegen Mensch
Kurt Stechert, Palästina-Bericht eines Nichtjuden
Vera Broido, Russische Kindheit
Karl Kautsky, Neue Programme[11]
Letzteres Werk wurde in Österreich verboten. Ob hiernach weitere Bücher im E. Prager Verlag erschienen, ist ungewiß, obwohl Prager im bereits zitierten Schreiben vom 27.11.1935 andeutete, seine eigene Verlagstätigkeit sei sehr mäßig.
Anmerkungen
[1] Quellenhinweis: Akt Gremium/E. Prager Verlag.
[2] AVA, BMfHuV, Zl. 136.843-13/1931.
[3] Gremium/Prager. Schreiben vom 20.11.1935.
[4] Ebenda, Schreiben vom 27.11.1935. Zum Betrieb in Bratislava der Bericht in einer britischen Buchhändlerzeitung vom Jänner 1938: „Another Czechoslovakian publisher is the Eugene Prager Verlag which publishes books in three languages – Hungarian, German and Czech. A beautifully-produced series of the late President Masaryk’s works gained them the goodwill of the Government, although their list of publications is, generally speaking, rather left wing. They also publish a good deal of English and American books in translation.“ Dr. PAUL TABORI, German publishers outside Germany. In: The Bookseller (London), 13 January 1938.
[5] Gremium/Prager. Schreiben vom 17.9.1935.
[6] Aktenvermerke ebenda.
[7] Eine Durchsicht der ab 1933 in Österreich verbotenen Bücher (vor allem der Liste 2: sozialdemokratische, kommunistische Propaganda) deutet daraufhin, daß z.B. Eugen Prager in Bratislava eine Reihe von Werken verlegte, die von geflüchteten Sozialdemokraten verfaßt wurden und die in Österreich verboten wurden. Dieser Umstand wird dazu beigetragen haben, daß der Geschäftsumfang des Emmerich Prager Verlags in Wien beschränkt wurde.
[8] Vgl. ALFRED PFOSER, Literatur und Austromarxismus. Wien: Löcker, 1980, S. 158 f. und die Ausführungen über „Die russische Literatur“. Vom Prager Verlag ist dort allerdings nicht expressis verbis die Rede. Seine erste Verlagsanzeige hat Prager folgendermaßen eingeleitet: „Der E. Prager-Verlag verteilt bei der Arbeiterolympiade, die vom 19. Juli an in Wien stattfindet, 200.000 Exemplare seiner Propagandazeitschrift. Hunderttausende werden dadurch auf unsere Serie ,Das Gesicht der Zeit“ mit dem Hinweis auf den Buchhandel aufmerksam gemacht. Decken Sie sich rechtzeitig mit Büchern ein. Verlangen Sie Plakate, Prospekte der Serie ‚Das Gesicht der Zeit‘. Eine Bücherfolge für Alle.“(Anzeiger, 72. Jg., Nr. 28, 10.7.1931, S. 159.)
[9] Siehe Anzeiger, loc. cit. Es handelt sich um die erste und einzige Verlagsanzeige in diesem Jahr. Als „bisher erschienen“ scheinen vier Werke auf, drei weitere „folgen“.
[10] Nach der Liste im DBV.
[11] Anzeiger, 74. Jg., Nr. 42, 9.12.1933, S. 202.