Leo Schidrowitz Verlag (Wien)
Der Leo Schidrowitz Verlag war ein nichtprotokollierter Ein-Mann- bzw. Individualverlag, wurde 1924 begonnen und diente eigentlich nur der Publikation der Schriften des Inhabers und Gründers Leo Schidrowitz (20. 3.1894, Wien-6.11.1956, ebda.).[1] 1924/25 sind insgesamt drei Werke erschienen, und zwei davon sind Bände in der Reihe Der couriosen Bücherei: unter dem Titel Der lasterhafte Herr Biedermeyer[2] verlegte Schidrowitz eine Auswahl „all jener ,verführerischen“ und ,wollüstigen“ Gedichte (…), an denen Herr Biedermeyer sich einst heimlich erbaut, die dem Stil und der Zeit eigentümlich waren und dabei ihren amüsierlichen und lebendigen Anreiz ungeändert auch auf den heutigen Leser üben“ (Eigenwerbung). Das Buch mit Gedichten aus den Jahren 1800-1850 erschien im Frühjahr 1925 in einer einmaligen, numerierten Ausgabe, die nur für die vor Erscheinen angemeldeten Subskribenten hergestellt wurde. Den Buchschmuck besorgte Ehegattin Martha von Schidrowitz-Wagner, Schwester der Schauspielerin Erika Wagner. Die ersten fünf Exemplare wurden mit der Hand in Leder gebunden, auf Hadernpapier gedruckt und enthielten die von Martha von Wagner-Schidrowitz geschnittenen Original-Silhouetten, nach denen der Schmuck für die anderen Ausgaben hergestellt wurde. Die Nummern 6-100 wurden in Halbleder gebunden. Alle Bände wurden in der Kunst-druckerei Frisch & Co. hergestellt.
Die zweite und letzte Erscheinung Der couriosen Bücherei trug den Titel Der unbegabte Goethe. Die Anti-Goethe-Kritik aus der Goethe-Zeit und erschien ebenfalls in bibliophiler Aufmachung.
Im Jahre 1924 ging Leo Schidrowitz daran, das Memoirenwerk eines Irrenhauspatienten zu bearbeiten und nachzuerzählen. Das Resultat waren Aufzeichnungen, die unter dem Titel Berichte aus dem Irrenhaus in einer Auflage von 5.000 Stück erschienen. Der mehrfarbige realistische Umschlagentwurf stammt vom Maler Franz Plachy.[3]
Über diesen Eigenverlag heißt es auf Grund eines Interviews 1969 mit der Witwe von Leo Schidrowitz:
Alles ging gut beim Verlag Schidrowitz, manche Bücher wurden ein schöner Erfolg, unter anderem Der lasterhafte Herr Biedermeyer und Der unbegabte Goethe, diese amüsante Kritik aus der Goethe-Zeit. Es war ein interessantes, tätiges Leben, und man steckte voll von Plänen.[4]
Wenige Jahre nach diesem Versuch mit einem Selbstverlag, war Leo Schidrowitz bereits als Geschäftsführer beim neugegründeten Verlag für Kulturforschung Amonesta & Co., wo er eine vielbeachtete Sit-tengeschichtereihe publizierte und betreute.
Das Verlagssignet bildet die ineinanderverschlungenen stilisierten Buchstaben L S V.
Anmerkungen
[1]Zur Biographie Leo Schidrowitz“ siehe u.a. MARCELL KLANG (Hg.), Die geistige Elite Österreichs. Wien 1936, S. 792 f.
[2] Der volle Titel lautet: DER LASTERHAFTE HERR BIEDERMEYER. Wollüstige Tändeleyen/unziemliche Reimereyen von heimlichen Buhlschaften/verführerische Lo-ckungen und Lobpreisungen sittlosen Gebarens/daran die Herrn Großväter sich einst heimlichermaßen erbauet haben.
[3] Der volle Titel lautet: BERICHTE AUS DEM IRRENHAUS. Aufzeichnungen eines durch dreißig Jahre im Wiener Irrenhaus Internierten über das Schicksal und den Auf-enthalt interessanter Anstalts-Insassen. Unter Zugrundelegung von Wärter-Aussagen, ärztlichen Feststellungen, Schilderungen von Mitpatienten und persönlichen Äußerun-gen, sowie schriftlichen Zeugnissen der behandelten Personen. (Die Bearbeitung und Nacherzählung des Memoirenwerkes des Irrenhauspatienten R.A. erfolgte durch Leo Schidrowitz.)
[4] Die Presse (Wien), 1./2. März 1969, S. VI.