E.P.Tal & Co. (Wien-Zürich-Leipzig) (Wien-Leipzig) [1]
Der E.P. Tal & Co. Verlag war einer der angesehensten und rührigsten „Individualverlage“ im Österreich der Ersten Republik und einer, der auch der jungen deutschen Literatur einen großen Dienst erwies.
Es kommt in der österreichischen Verlagsgeschichte dieser Zeit sonst nicht vor, daß zwei Brüder ungefähr zur selben Zeit verlegerisch tätig werden. Es ist von dem am 11. Februar 1881 in Wien geborenen Maximilian Rosenthal und seinem jüngeren, am 14. Dezember 1888 ebenfalls in Wien geborenen Bruder Ernst Peter Rosenthal die Rede. Ersterer ist besser bekannt als Dr. Max Ermers, [2] letzterer als E.P. Tal. Sie waren Söhne von Joseph Rosenthal, der in Wien die Firma „E.S. Rosenthals Erben“ betrieb. Diese war eine offene Handelsgesellschaft seit 28.9.1882 zum Betriebe des Schlossergewerbes, insbesonders zur Erzeugung von Rolläden aus gewelltem Stahlblech. Daneben war der wohlsituierte Josef Rosenthal Geschäftsführer der Firma „Rosenthal & Goldschmidt“. Zunächst aber zur Person des Verlegers: Bis 1909 hieß der ambitionierte Verleger Ernst Rosenthal, aber von da an führte er mit Bewilligung der n.ö. Statthalterei den Namen Ernst Peter Tal. Tal soll als „feinsinniger Lyriker“, [3] als „begabter Lyriker“ [4] begonnen haben, doch ist von selbständigen Publikationen nichts bekannt. [5]
Er war – so Lucy Tal – „von jüngster Jugend an literarisch orientiert u. trieb sich anscheinend im Kreise weit älterer angehender Berühmtheiten herum, die sich – wie ich hörte – im seligen Kaffee Griensteidl trafen. Dann ging er von Wien weg in das damals literarisch u. künstlerisch hochblühende Berlin, wo er in ganz jungen Jahren sich eine Position beim Fischerverlag schaffte.“[6] Tal fand also seine Ausbildung im S. Fischer Verlag in Berlin, „wo er rasch aufrückte und bald Prokura erhielt“.[7] Wann genau und in welcher Funktion (möglicherweise: Lektor) Tal in den Verlag eintrat, ist unklar,[8] jedoch war er Mitte 1913 als Vierundzwanzigjähriger Leiter der 1903 gegründeten „Theaterabteilung“ zum Verlag und Vertrieb der dramatischen Werke der Fischer-Autoren. [9]
Sicher ist jedenfalls, daß Tal gleich nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs Berlin und Fischer verließ, um als Soldat an der galizischen Front zu dienen. Im Jahre 1917 heiratete der zur Evangelischen Kirche H.B. konvertierte Jude E.P. Tal in Ungarn die um acht Jahre jüngere Wienerin Lucy Traub.
Erste konkrete Ansätze in Richtung Verlagsneugründung erfolgten schon spätestens im Jänner 1919, als Tal und der Wiener Neustädter Mittelschulprofessor und Inhaber einer Konzession der n.ö. Statthalterei zum Betrieb des Buch-, Kunst- und Musikalienhandels, verbunden mit Antiquariat im 7. Bezirk in Wien, Dr. Hans Schlögel, die Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft unter der Firma „E.P. Tal & Co.“ ab 24. Jänner 1919 dem Wiener Handelsgericht meldeten. Am 14.2.1919 wurde die Firma dann unter Register A, Band 39, pagina 102 ins Wiener Handelsregister eingetragen. Daß Tal einen Kompagnon hatte bzw. brauchte, darf nicht zum Schluß verleiten, daß Schlögel etwa ins Verlagsgeschäft tatsächlich einsteigen wollte. In einer Zeit, in der es in Wien ohnehin zu viele Konzessionen gab, war man bei der Verleihung überhaupt sehr knauserig. So suchte man jemanden, der eine aufrechte Konzession besaß und diese nicht oder nicht mehr ausübte, und auf diese Art und Weise – konnte man den erforderlichen Bildungsnachweis erbringen – kam es zu keiner Konzessionsvermehrung. Kein Wunder also, daß Tal und Schlögel schon Anfang Juni 1919 dem Handelsgericht den Austritt des Gesellschafters Schlögel und den Übergang der Gesellschaft in eine Einzelfirma meldeten. Bis zum unerwarteten Tod Tals am 30.11.1936 erfuhr die Registereintragung praktisch keine Veränderung.
Am 7.3.1919 richtete Tal ein Schreiben an die Niederösterreichische Landesregierung mit dem Ersuchen um Genehmigung seiner Person als Geschäftsführer sowie der Rücklegung der bestehenden Konzession in Wien 7., Burggasse 17 zugunsten des neuen Standorts in Wien 7., Lindengasse 4. Hier blieb der Verlag auch die nächsten zwanzig Jahre. Das Ansuchen wurde zehn Tage später bewilligt. [10]
Eine frühe öffentliche Kunde vom neuen Wiener Verlagsunternehmen bekamen Leser der literarisch interessierten Wiener Mittags-Zeitung am 18. März 1919. Die kurze Notiz wirft zugleich Licht auf die traditionelle Lage des belletristischen Verlags in Österreich bis 1918:
Ein neues großangelegtes literarisches Verlagsunternehmen ist in Wien in Gründung begriffen. Schriftsteller Ernst Peter Tal, durch seine Tätigkeit als Lektor eines großen Berliner Verlags bekannt, unternimmt den Versuch, wie er in den letzten Jahren in Wien bereits einigemale aber niemals mit Erfolg gewagt wurde, hier, etwas abseits von den Zentren des deutschen Buchhandels, einen großen führenden Verlag für Werke der Dichtkunst und Belletristik zu errichten. Der Verlag wird „E.P. Tal & Ko.“ zeichnen. Mit einer Reihe von bedeutenden Wiener und auswärtigen Schriftstellern laufen bereits Verhandlungen über die Erwerbung ihrer neuesten Werke. (S.3).
Erst am 16. April 1919 stellte sich E.P. Tal dem „verehrten Buchhandel“ Österreichs in der Buchhändler-Correspondenz vor:
Unter obiger protokollierter Firma erfolgte die Errichtung einer Verlagsbuchhandlung.
Es ist die Herausgabe von Werken politischer, kulturpolitischer und belletristischer Art vorgesehen. Die ersten Werke werden noch im Laufe des Monats April erscheinen. Besondere Prospekte über die einzelnen Werke werden dem verehrlichen Buchhandel rechtzeitig vorgelegt werden.
An die Versicherung, daß der Verlag nur gut gangbare Werke erscheinen lassen wird, knüpft sich schon heute die Bitte, seinen Erscheinungen Interesse entgegenzubringen. Durch Einräumung günstiger Bedingungen wird sich jede Anteilnahme als lohnend erweisen.
Die Auslieferung für das ehemalige österr.-ungar. Gebiet findet in Wien, VII/2, Lindengasse 4, statt.
Wien, im April 1919.
Hochachtungsvoll
ERNST PETER TAL
i. Fa. E.P. Tal & Co.
(Nr. 16, S. 229)
Tatsächlich sind die ersten Werke noch im April erschienen, so z.B. als allererstes Woodrow Wilsons Friedensplan von Heinrich Lammasch, gefolgt von Alfred H. Frieds Der Völkerbund. Ein Sammelbuch. Im Mai erschienen Ferdinand Kürnbergers Briefe eines politischen Flüchtlings. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Otto Erich Deutsch und Walt Whitmans Ich singe das Leben (Neue Übertragungen von Max Hayek. Vorwort von Hermann Bahr). Noch vor Ende Juni erschienen zwei weitere Werke: Otto Weininger. Taschenbuch und Briefe an einen Freund und Moriz Rappaports Sozialismus, Revolution und Judenfrage.
Von stillen Teilhabern (Carl Seelig) abgesehen, blieb E.P. Tal weiterhin alleiniger Inhaber und Geschäftsführer des Verlags bis zu seinem Tod 1936. Danach wurde der Verlag von seiner Frau weitergeführt, und zwar bis März 1938. Lucy Tal konnte im letzten Moment aus Österreich fliehen, worauf ihr Vertrauensanwalt Dr. Hugo Wolf sich um die sich abzeichnende „Arisierung“ kümmerte. Da die „Arisierung“ des E.P. Tal & Co. Verlags an anderer Stelle gesondert behandelt wurde, sollen die Vorgänge hier nur kurz skizziert werden. Der 1902 in Saarbrücken geborene Reichsdeutsche Dr. Alfred Ibach hatte im Verlag seit Anfang 1937 ein Beteiligungsverhältnis mit Optionskaufrecht. Seit dem 19. März 1938 leitete er den Verlag. In den Darstellungen der Umstände, unter welchen die Übergabe und die Veräußerung vor sich gingen, gibt es Unterschiede. Was wir über den Vorgang aus der Sicht des „Ariseurs“ Ibach wissen, geht z.B. aus dem Akt der Vermögensverkehrsstelle hervor, und dieser folgte einem bestimmten Schema. Daß aber solche „Arisierungen“ erstens mit Erpressung viel gemein hatten und zweitens nach außen hin dennoch eine „Scheinlegalität“ aufrechterhalten mußten, wissen wir ebenfalls. Am 14. März 1938 unterschrieb Lucy Tal eine Vollmacht für Dr. Hugo Wolf, die diesen ermächtigte, für ev. Löschungen und Neueintragungen bei der Firma E.P. Tal gegenüber dem Handelsgericht zu sorgen. Ob diese Unterschrift echt war, mag dahingestellt bleiben, denn Lucy Tal meint dazu:
Alle waren unter großem Druck u. Gefahr u. Ibach hat z.B. meine damals noch in Wien gebliebene Schwester – die ja gar keine Rechte hatte – zu irgend einer Unterschrift gepresst, die er dann betruegerisch benuetzte u.s.w. Ich war nicht mehr da u. koennte Ihnen kaum mehr Details geben, die ja auch zwecklos sind. Aber keinesfalls habe ich Auftrag zum Verkauf gegeben.
(An den Verf., 17.5.81)
Ein Kaufpreis in der Höhe von RM 13.333 wurde vereinbart, was angesichts eines Durchschnittsumsatzes von ca. RM 112.000(1935-37) nicht übertrieben viel war. (Man muß freilich die gewaltige Lagerentwertung und den Verlust von Verlagsrechten ins Kalkül ziehen, aber trotzdem.) Doch der „Kauf“ durch Ibach selber wurde erst im Februar 1939 genehmigt. Wir sehen also, daß die Übernahme oder die „Arisierung“ relativ rasch erfolgen konnte und erfolgte, die Rechtmäßigkeit des „Kaufs“, aber erst viel später ihre Bestätigung fand. Wie auch sonst bei solchen „Arisierungen“ mußte der „Käufer“ nicht bangen, der „Verkäuferin“, in diesem Fall Lucy Tal, etwas zahlen zu müssen. Wohl aber mußte die „Allgemeinheit“ etwas davon haben, und zwar in Form einer „Entjudungsauflage“, die einen gewissen Prozentsatz des von der Abteilung Auflagenberechnung der VVSt errechneten sog. Mehrwertes einer Firma darstellte. Obwohl der „Kaufpreis“ sich inzwischen auf RM 4.500 reduziert hatte, gab es schließlich nach dem Bericht eines Buchsachverständigen keinen „zugelassenen Kaufpreis“ mehr. Durch die „Arisierung“ war die Firma E.P. Tal finanziell derart heruntergekommen, daß sie erstens nichts mehr wert, zweitens überschuldet war. Also: auf der einen Seite ein mit großem Aufwand aufrechterhaltener Schein der Rechtmäßigkeit, auf der anderen Erwerb zum Nulltarif. Aber nicht ganz: Ibach mußte zu seinem Ärger als „Entjudungsauflage“ einen Betrag von RM 4.482 an die Staatskasse abliefern …
Am 10. Juni 1939 verschwand der Name E.P. Tal Verlag aus dem Handelsregister und wurde durch „Alfred Ibach Verlag“ ersetzt (HRA 4474).
Die Produktion
Daß man die ersten fünf Jahre der Entwicklung des E.P. Tal Verlags ziemlich genau verfolgen kann, ist dem glücklichen Umstand zuzuschreiben, daß sich ein umfangreicher Briefwechsel zwischen Ernst Peter Tal und seinem zeitweiligen Finanzier und literarischen Berater in der Schweiz, Carl Seelig, für die Zeit zwischen Juli 1919 und April 1923 erhalten hat. [11]
Nun ein Blick auf die Verlagsproduktion der Jahre 1919-1938, wobei zuerst auf die Neuerscheinungen der 30er Jahre näher eingegangen wird. Nachgewiesen wurden für die Jahre 1919 bis 1938 etwas mehr als 200 Titel, was für österreichische Verhältnisse damals eine Position im oberen Mittelfeld bedeutete. Die Produktionsentwicklung ist sehr ungleichmäßig, wenn man bedenkt, daß etwa 1/4 der nachgewiesenen Titel in den ersten drei Jahren, rund die Hälfte in den sechs Jahren zwischen 1919 und 1924 (!) erschienen. So führt eine Verlagsanzeige in der Buchhändler-Correspondenz am 26.10.1921 53 Titel an, von denen 2 vergriffen waren. Der Verlagsprospekt „Drei Jahre“ vom „Frühling 1922“ führt 60 Titel an.
In den dürren vier Jahren zwischen 1925 und 1928 konnten ganze acht Neuerscheinungen verifiziert werden. (Für 1925 und 1926 gar keine.) Bevor wir versuchen, die Produktion der ersten Jahre zu charakterisieren, sei noch bemerkt, daß sich ab 1928/29, als der Verlag wieder beginnt, Neuerscheinungen zu forcieren – in diesem Jahr (1929) sind es mindestens wieder ein Dutzend – ein Wandel im Verlagsprogramm vollzieht. Obwohl keineswegs die ersten Übersetzungswerke (s. H.G. Wells 1923), begannen diese unter den Neuerscheinungen ein Übergewicht zu bekommen. Diese Entwicklung wird nur noch verstärkt, wenn im Jahre 1936 die außerordentlich erfolgreiche Reihe der Rot-blauen Bücher, das sind preiswerte Kriminalromane, aus dem Amerikanischen bzw. dem Englischen übersetzt und in Taschenformat hergestellt, initiiert wird. Darunter befinden sich mehrere Werke von bekannten Krimiautoren wie Dorothy Sayers, Erle Stanley Gardner, Rex Stout, John Dickson Carr und natürlich: Agatha Christie. Bis Mai 1939 zählte diese Reihe 32 Bände. Auf diese Reihe hin angesprochen, meinte Lucy Tal: „Wir erzielten die Balance, indem wir großen Absatz mit der Serie der ,Rotblauen Bücher“ hatten. D.h. mit den Kriminalromanen, lauter große englische Autoren dieses Genres in deutscher Sprache. Diese Einnahmen ermöglichten das Erscheinen literarisch höher stehender Werke, die nicht so viel einbrachten. Es gab aber auch literarisch wertvolle Bücher, die Absatz hatten. Man mußte Ideen haben.“ (An den Verf. 17.5.81).
Schon 1927 verlegte Tal ein Werk von Somerset Maugham Der Besessene/The Moon and Sixpence), im folgenden Jahr ein zweites (Der bunte Schleier! The painted veil) neben Claude Anet Männer, Frauen und Betrachtungen über die Liebe; 1930: Mayerling. Roman und Franz Molnár Die Jungen der Paulusstraße). 1929 hat Tal dem deutschen Lesepublikum Thornton Wilder vorgestellt (Die Cabala), und von diesem folgten in den 30er Jahren drei weitere Werke, darunter Die Brücke von San Luis Rey und Dem Himmel bin ich auserkoren, die der Alfred Ibach Verlag noch im Mai 1939 im Börsenblatt anzeigte. Auch ein Werk von Sinclair Lewis, einem der populärsten Autoren im deutschsprachigen Raum, wurde verlegt (Der Erwerb, 1929). 1930 erschien neben einem Roman von Fjodor Gladkow (Marussja stiftet Verwirrung, üb. Josef Kalmer u. Boris Krotkow) auch ein Werk des verstorbenen Engländers D.H. Lawrence, dessen übrige Bücher im Insel-Verlag und in der Deutschen Verlagsanstalt erschienen: Lady Chatterley und ihr Liebhaber. Die Übersetzung machte Herbert E. Herlitschka (26.12.1893, Wien-6.6.1970, Bern), der für Tal und viele andere Verlage übersetzte. Die Veröffentlichung von Lady Chatterley mußte, um einer möglichen Beschlagnahme zu entgehen auf dem Wege der Subskription erfolgen, und zu dieser waren nur Bibliotheken und Wissenschaftler zugelassen.[12] 1931 übersetzte Herlitschka Apropos ,Lady Chatterley …“ für E.P. Tal. Im selben Jahr erschien im Verlag eine neue Ausgabe von Lady Chatterley und 1933 (Ausgabe 1932) schon eine dritte Auflage des Romans. Tal lernte den neuen Geist der 30er Jahre kennen, als er in Wien vor Gericht zitiert wurde.[13] Im Oktober 1931 kam bei Tal ein Werk von Claire Goll in einer Auflage von 3.300 Stück heraus, nämlich der Roman Ein Mensch ertrinkt (früherer Titel: Eine Perle). Goll war an Tal 1931 herangetreten, das Buch zu verlegen, und hatte eine Beurteilung des Romans durch Thomas Mann beigelegt. Das Buch kam in den Handel, und erst fast drei Jahre später – man lebte nun im sog. Ständestaat – nahm sich die Zentralstelle gegen Pornographie in der Bundespolizeidirektion in Wien das Werk wegen Verdachts unzüchtigen Inhalts vor und wurde fündig. Die Staatsanwaltschaft beantragte die Beschlagnahme am 4.9.1934 wegen § 516 St.G. (Pornographie), Tal erschien Ende November vor Gericht, wurde verurteilt und mußte noch die Verfahrenskosten tragen. Solche Verfahren gegen belletristische Literatur in Österreich zwischen 1933 und 1938 hatten eher Seltenheitswert.
Neben der umfangreichen Übersetzungsliteratur, zu der noch Werke von A.G. Macdonell, Booth Tarkington, Ladislaus Bus-Fekete, J.P. McEvoy, Dorothea Brande usw. zählten, fällt ein Wandel in der deutschsprachigen Literatur auf. Obwohl es fraglich ist, ob der Begriff „Emigrantenliteratur“ zutrifft, sind ab 1933 eine ganze Reihe von meist erfolgreichen unerwünschten Autoren zum Tal Verlag gestoßen. An erster Stelle muß Max Brod erwähnt werden, der – für Zsolnay nicht mehr tragbar – drei Werke bei Tal erscheinen ließ: Die Frau, die nicht enttäuscht. Roman, 1934; Heinrich Heine, 1934; Novellen aus Böhmen, 1936; Weiters Otto Brod (Die Berauschten. Roman, 1934), Ludwig Bauer (Welt im Sturz, 1933), Arnold Höllriegel (Lichter der Großstadt. Der Film von Strolch Charlie, dem Millionär und dem Mädchen, 1931; Das Mädchen von St. Helena, 1933), Arthur Rundt (Wer ist das? 1933), Adrienne Thomas (Dreiviertel Neugier. Roman, 1934), Ferdinand Bruckner (Mussia. Erzählung eines frühen Lebens, 1935), Vincenz Brun (Alkibiades. Roman, 1936), Roda Roda (Die Panduren, 1935), Raoul Auernheimer(Gottlieb Weniger dient der Gerechtigkeit. Roman, 1934), Gina Kaus (Katharina die Große, 1935; Die Schwestern Kleh. Roman 1933;) Emil Alphons Rheinhardt (Der große Herbst Heinrichs IV, 1935), Alfred Neumann (Neuer Cäsar. Roman, 1934), und Sir Galahad, d.i. Berta Eckstein-Diener (Byzanz. Von Kaisern, Engeln und Eunuchen, 1936). Es waren also großteils Juden und/oder im Reich nicht mehr erwünschten Autoren, die einen Gutteil der Produktion des Tal-Verlags nach 1933 ausmachten; Zehn der 17 genannten nach 1933 erschienenen Werke waren Koproduktionen mit dem Amsterdamer Exilverlag Allert de Lange (M. Brod, O. Brod, A. Thomas, F. Bruckner, V. Brun, G. Kaus, A. Neumann).
Spätestens anfangs 1935 stand Tal „im dringenden Verdacht (…) Verlage zu fördern, die gegen Deutschland gerichtete hetzerische Literatur herausbringen.“ [14]
So jedenfalls lautete der nicht unberechtigte Vorwurf des General-Direktors des Börsenvereins der deutschen Buchhändler zu Leipzig, Albert Hess. Als Konsequenz verweigerte die Schriftleitung des Börsenblatts die Aufnahme von Anzeigen des Tal-Verlags. Lucy Tal schildert diese interessante, aber leider nicht ausleuchtbare Facette der Exil- und Emigrationsliteratur folgendermaßen:
Um unsere Autoren in Deutschland weiterzuverkaufen u. sie vor dem Verhungern zu schützen hatte mein Mann riskiert mit einem holländischen Verlag solche Autoren unter falschem Namen zu bringen und sie in solcher Weise weiter erscheinen zu lassen. Den Nazis war das offenbar nicht ganz unbekannt. Überhaupt waren sie meist fantastisch in formiert. Und wir waren dementsprechend auf der Top Black List u. als sie in Wien einmarschierten waren sofort 5 oder 6 Riesen-SS Männer da um mich zu holen, aber ich war bereits abgepascht. (An den Verf. 4.9.1980)
Aber nicht nur der Kontakt Tals zu Allert de Lange (Walter Landauer) wird den völkischen Beobachtern ein Dorn im Auge gewesen sein. Wie Dr. Mayer Präger vom R. Löwit Verlag stand auch E.P. Tal mit dem in Deutschland verhaßten Verlag Julius Kittl“s Nachf. in Mährisch-Ostrau und dessen Geschäftsführer Paul Fischel in Verbindung. Dieser Verlag brachte Romane von Friedrich Torberg, Ernst Weiß, Ludwig Winder, Julien Green, u.a. sowie Biographien von Karl Tschuppik und Walter Tritsch. E.P. Tal ließ die Rotblauen Bücher mit rotblauem Umschlag bei Jul. Kittl“s Nachf., M.-Ostrau drucken und binden.
Im ersten Verlagsverzeichnis von E.P. Tal nach dem „Anschluß“ „im Mai 1938“ ist einiges auffallend: eine Anzeige für Josef Weinhebers Ladenhüter aus dem Jahre 1920 (!), den Lyrikband Der einsame Mensch, sagt einiges über den ideologisch motivierten Anstieg im Kurswert Weinhebers aus. Das weitere fällt auf, daß nach der „Entjudung“ des Verlagsprogramms nach dem „Anschluß“ kaum mehr österreichische Autoren übriggeblieben waren. Ausnahmen waren Sir Galahad mit dem Geschichtswerk Byzanz und E.A. Rheinhardts Der große Herbst Heinrichs IV. Beide Werke wurden auch noch am 6.5.1939 in einer Börsenblatt-Anzeige angeboten.
In den ersten fünf Jahren nach der Gründung bietet der Verlag allerdings ein ganz anderes Bild: dynamisch und an der Vorderfront der jungen deutschsprachigen Literatur …
Der vorhin angesprochene – leider nicht vollständig vorliegende – Briefwechsel zwischen Ernst Peter Tal und Carl Seelig 1919-1923 dokumentiert in vielerlei Hinsicht das Werden eines jungen belletristischen Verlags und dient dem Verständnis der „Produktionsbedingungen“ in den ersten Nachkriegsjahren. Aus diesem Grund sollen einige wichtige Aspekte der Korrespondenz herausgegriffen und erläutert, längere Passagen auch zitiert werden.
Der junge Verleger E.P. Tal und Carl Seelig trafen Ende April 1919 eine Vereinbarung über eine Kapitalbeteiligung Seeligs am E.P. Tal & Co. Verlag. Hiebei wurde am 30. April folgendes schriftlich festgehalten:
Ich stelle Ihnen den Antrag, dem von Ihnen mit 150.000 Kronen Kapital betriebenen Verlagsunternehmen (E.P. Tal & Co.) als stiller Gesellschafter beizutreten.
Meine Einlage soll 150.000 Kronen (Hundertfünfzigtausend Kronen) betragen, mein Gewinnanteil ein Drittel, die Dauer des Verhältnisses zunächst drei Jahre, und von dann an „unbestimmt“, wenn nicht vor Ablauf der drei Jahre gekündigt ist.
Das Verhältnis soll rückwirkend vom Beginn Ihres Unternehmens an gelten.
Hochachtungsvoll
Carl Seelig m.p. [15]
Tal nahm den gestellten Antrag auch an. Die Geschäftsbeziehungen zwischen beiden waren nicht immer ohne Spannungen, die sich sehr bald ergaben, und wenn es zu Unstimmigkeiten kam, betrafen sie meistens „Kompetenzbereiche“ und Zahlungsverpflichtungen. Am Anfang versicherte Seelig, er würde sich „bei größeren Abschlüssen“ an Tal wenden. Oft trat er Tal gegenüber gemeinsam mit Stefan Zweig auf (wie sein Name überhaupt häufig in dieser Korrespondenz auftaucht), der ebenfalls als „literarischer Berater“ angesehen werden kann. Er machte sowohl Tal als auch Seelig auf bestimmte aus seiner Sicht empfehlenswerte Autoren und Werke aufmerksam. Seelig schloß auch in Zürich Verträge mit neuen Autoren ab, zahlte Honorare. Einmal heißt es: „Zweig und ich haben …“ (28.7.1919). Tal war mit solchen Entscheidungen nicht immer glücklich. So schreibt er am 26. Juli 1919: „Bitte, nehmen Sie nichts an, bevor ich nicht Gelegenheit hatte, mir ein Urteil zu bilden.“ Tal war auch mißtrauisch, zumal Seelig Dritten gegenüber so auftrat, als ob er einen Verlag hätte. Darauf Tal: „Ich bitte Sie, damit Irrtümer vermieden werden, die meinem Verlag nicht zum Vorteil sein könnten, die betreffenden Satzwendungen anders zu halten“ (ebda.).
Nicht nur bei Seeligs „Liebkind“, den Zwölf Büchern, mußte Tal „immer wieder den kommerziellen Standpunkt betonen“ (20.8.1919). Konkret: „Wie ich Ihnen schon schrieb, müssen wir 700 Exemplare von jedem Werk verkauft haben, damit die Kosten gedeckt sind.“ (20.8.1919) Das waren nämlich 70% der Auflage!
Seelig reagierte in einem Schreiben an Tal vom 24.8.1919 etwas sauer, als angedeutet wurde, daß er statt Tal für ein Autorenhonorar aufkommen sollte. Da heißt es wörtlich: „Bevor ich ihm schreibe, noch folgendes: Ich bin natürlich der Meinung, daß Sie von Wien aus die Mk. 2000.- zahlen. – Sollte dies nicht der Fall sein, so tue ich es natürlich aus Anständigkeit. Aber ich bitte Sie sehr um Klarlegung unsres Verhältnisses in dieser und allen solchen Sachen: Ich habe Ihnen von vornherein und immer gesagt, daß ich die Honorare der ,Zwölf Bücher“ übernehme, die am Ende jedes Geschäftsjahres verrechnet werden. Auf keinen Fall kann ich aber sonstige Unkosten übernehmen. Das erlauben mir meine Mittel nicht. Ich muß also von nun an – ich sage Ihnen das in guter Kameradschaft – jede Beanspruchung meines Privatvermögens (außer für ,Die Zwölf Bücher“) ablehnen. Wenn ich also z.B. einen Vertrag über die 2 Bücher Hellens abschließe, so finde ich es selbstverständlich, daß ich finanziell nichts mit der Sache zu tun habe. (…) Wenn Sie meine Tätigkeit für den Verlag überhaupt nur auf ,Die zwölf Bücher“ beschränkt haben wollen, so bitte ich Sie, mir das ganz offen zu sagen. Im anderen Fall (ich arbeite gegenwärtig etwa 6 Stunden pro Tag für den Verlag und habe sehr viel Portoauslagen etc) müssen Sie mir natürlich einige Kompetenz einräumen, (…)“ Eine Reaktion Tals liegt nicht vor. Es kam auch im zweiten Verlagsjahr zu Unstimmigkeiten zwischen Tal und Seelig, zumal dieser über die Tätigkeit des Verlags selbst „sehr ungehalten“ war, was Tal auf den mangelnden Einblick in die Verlagsinterna zurückführte. Mit dem Geleisteten war auch Tal nicht gänzlich zufrieden:
Mir selbst gefällt er noch ganz und garnicht und ich bin sehr verwundert, wenn ich von andern Leuten höre, daß der Verlag Ansehn genießt. Ich führe das darauf zurück, daß unter den Wiener Verlagen, so weit sie sich mit dem zeitgenössischen Schrifttum befassen, außer in materieller Beziehung keine Konkurrenz für den Verlag da ist. Es gibt hier Verlage, wie Strache, die bedeutend reicher sind und über ein Kapital von 60 bis 70 Millionen verfügen. Auch sonst wachsen hier die Verlage wie die Pilze aus der Erde. Heute hat man mir wieder von zwei sehr soliden Millionengründungen erzählt.
Sagt man mir also, daß ich es zustande gebracht habe, mit den wenigen Publikationen und in kaum 9 Monaten dem Verlag zumindest hier Ansehen zu verschaffen, so erkläre ich mir dieses Faktum durch das Sprichwort, daß unter Blinden der Einäugige König ist. Sie haben damit sofort den Beweis, wie sehr oder wie wenig ich die Leistung des Verlags als Totalität genommen, einschätze. (13.1.1920)
Was Seelig am meisten gestört hat, waren die in seinen Augen „unnötigen Bücher“, die der E.P. Tal Verlag in den ersten Monaten herausgegeben hatte, und bis auf seine eigenen (Die Zwölf Bücher) scheinen es nicht wenige gewesen zu sein. „Unnötig“ war z.B. Alfred Frieds Völkerbundbuch, aber auch das Werk von Heinrich Lammasch. In einem stimmte Tal mit Seelig überein: „Auernheimer ist wirklich unnötig.“ (Es handelt sich um Das ältere Wien. Schatten und Bilder.) Aber beim 21jährigen Hans Flesch-Brunningen (Balthasar Typho. Eine Geschichte vom Stern Karina; Aufl. 3.000) blieb Tal hart:
Bei Flesch bin ich entgegengesetzter Meinung. Hier ist eine junge Kraft, nennen Sie sie Dichter oder anderswie, hier ist Kunst. Und bekommt ein Verleger so ein Manuskript in die Hand, so muß er das Buch annehmen. Er wäre ein Dilettant, wenn er es ablehnte. Der Verleger ist ein Hazardeur, noch dazu einer mit der Manie, ein System zu haben, nämlich ein Ziel. Das mag gut oder schlecht sein, aber es ist jedenfalls so. Läßt er eine solche Chance aus, wie es dieses Buch ist, so soll er lieber gleich das Spiel sein lassen. (An Seelig, 13.1.1920)
Auch drängte Seelig auf mehr illustrierte Bücher, worauf Tal versprach, diese Sparte langsam auszubauen.
Gleich unfroh war Seelig über Tals „freundschaftlichem Kontrollorgan“ Oskar Maurus Fontana. Seelig hielt nichts vom „Expressionismus“ und lehnte deshalb Fontana völlig ab. Tal hingegen war anderer Meinung:
Sie sind wirklich im Irrtum. Er ist kein Expressionist. Er hat einmal ein Stück geschrieben, das „Marc“ heißt und das sehr mäßig ist. Auf Grund dieser Arbeit und weil das Stück an der Neuen Wr. Bühne in einem Zyklus von jungen Dramatikern aufgeführt wurde, die selbst Expressionisten waren, haben ihn die Expressionisten zu den Ihren gemacht. Er steht aber weder seinen Arbeiten nach noch seiner Überzeugung nach bei ihnen. (…) Mir ist Fontana äußerst wertvoll als freundschaftliches Kontrollorgan. Manuskripte, die ich gelesen habe und die mir interessant oder wichtig erscheinen, gebe ich regelmäßig ihm, obwohl ich im vorhinein weiß, daß ich selbst schon aufschreiben könnte, was er nach der Lektüre sagen wird, so innig sind wir geistig miteinander verwachsen. Wertvoll ist mir auch, daß er das was er empfindet oder denkt, wenn es sich auf Bücher bezieht, viel plastischer, schärfer und in endgültigerer Form sagen kann, als wie ich darüber sprechen oder schreiben könnte. Und das ist für mich eine große Bereicherung und von großer Wichtigkeit. Ich schätze sein Urteil vor allen andern der jungen Leute, die jetzt über Kunst schreiben. (…)
Und wenn ich auch nicht sagen könnte, ich würde Fontana zum selbständigen literarischen Leiter meines Verlages machen, so sind wir doch heute so sehr miteinander verwachsen, daß es für mich ein arger Verlust wäre, wenn er heute von Wien wegginge und nicht mehr für mich arbeiten könnte.-
(…) Nein, über meinen Fontana lasse ich nichts kommen, Sie dürfen über ihn nichts Böses sagen, ich schätze ihn außerordentlich hoch und daß er kein Expressionist ist, sondern ein Dichter ist, würden Sie sehen, wenn Sie seinen kleinen Roman ,Die Erweckung“, bei Kurt Wolff erschienen, gelesen hätten, oder den Novellenband, der im Jänner bei uns erscheint. (8.11.1919)
Um diese Zeit dürfte auch ein gewisser Ernst Stein[16] bei Tal als Lektor tätig gewesen sein.
Entzweit waren Tal und Seelig auch in der Frage „Lyrikbände“ im E.P. Tal Verlag. Dazu Tal in einem Brief an Seelig vom 20. August 1919:
Ganz aus materiellen Gründen heraus bitte ich Sie daher nochmals, von Gedichtbänden, die für gewöhnlich schon nicht gehn und zu den verhältnismäßig hohen Preisen, die wir fordern, noch schwerer verkäuflich sind, möglichst Abstand zu nehmen und, wenn Ihnen eine Ablehnung schwer fallen sollte, die Schuld ruhig auf mich schieben. Auch Dramen werden in der Serie mehr oder weniger schlecht gehn, denn die Leser wollen ein Lesebuch (…)
Ähnlich sind die Überlegungen Tals am 10.12.1919:
Aus diesen Gründen bin ich dagegen, daß zwei Gedichtbände im 2. Semester erscheinen. Ich halte das buchhändlerisch effektiv für verderblich.
Ebenfalls in der Frage „lyrische Anthologie“ im E.P. Tal Verlag gingen die Ansichten weit auseinander, sowohl was den Inhalt als auch was die vorgesehenen Herausgeber betrifft. Erstmals wird die Frage in einem Brief Tals vom 23. Juli 1919 erörtert:
Überdies trage ich mich mit dem Gedanken, eine lyrische Anthologie herauszugeben, ähnlich wie die von Bethge oder Benzmann seinerzeit waren, ganz auf die jungen deutschen Dichter gestellt; Sie erinnern sich, welchen großen buchhändlerischen Erfolg diese beiden genannten Anthologien hatten! Ich hatte diesen Plan der Anthologie schon vor Wochen mit Fontana besprochen; zufälligerweise traten vor wenigen Tagen mit dem gleichen Plan die beiden Schriftsteller Albert Ehrenstein und Hugo Sonnenschein an mich heran. Da ich vermeiden will, daß eine Konkurrenzausgabe der beiden letzteren erscheine, will ich versuchen alle drei zusammenzuspannen, zumindest in der Arbeit, als Herausgeber würde Ehrenstein dann allein zeichnen.
Die Reaktion Seeligs fünf Tage später ist alles andere als positiv:
Gegen eine lyrische Anthologie bin ich skeptisch, besonders wenn sie ganz modern ist. Die Herren um die „Aktion“ herum sind für einen ehrlichen Menschen ein Ekel und solches Gewäsch kauft niemand. Wenn Sie unter modern aber eine Richtung im Sinne Dehmels, Zweig, Kneip etc. verstehen, so könnte ich eher an einen buchhändlerischen Erfolg glauben. Eine solche moderne Anthologie, nicht prima, aber ein Anflug dazu, erschien bei Meulehoff, Leipzig („Deutschlands Dichter“), ausgewählt von Krauss). Ich sehe nicht ein, warum Sie dazu Ehrenstein, Sonnenschein etc. brauchen. Das können doch Zweig, Sie und ich zusammen ebenso gut und noch viel besser, indem wir es wie mit den Zwölf Büchern machen: ein Dichter und ein Gedicht wird nur aufgenommen, wenn zwei damit einverstanden sind. Als Herausgeber zeichnet Zweig, der viel besseren Klang als der sehr einseitige Ehrenstein hat, welcher nur ultramodernes Zeug bringen wird. Überdies wäre das dann ein direktes Konkurrenzunternehmen gegenüber Fischer, bei dem doch, wenn ich nicht irre, Ehrenstein auch eine Anthologie herausgegeben hat, die niemand kauft.
Ich werde übrigens Ehrenstein diese Woche sprechen. (…)
Zwei Tage später hat Seelig bereits mit Ehrenstein gesprochen, „der übrigens keine Anthologie machen würde“ – so Seelig an Tal (1.8.1919). Darauf Tal:
In der Sache der lyrischen Anthologie bin ich anderer Meinung als Sie. Es besteht gar nicht die Absicht, den Aktionskreis irgendwie für die Sache zu benützen, sondern diese Anthologie, die die Dichter von 1919-1920 umfassen soll, würde alle Erscheinungen der Lyrik in diesem Jahrzehnt umspannen. Es kommen ungefähr folgende Dichter dafür in Betracht: Werfel, Ehrenstein, Becher, Zech, Leonhardt (sic), Herrmann, Goll, Klabund, Heyman, Heym, Nadel, Loerke, Wolffenstein (sic), Trakl, Liechtenstein (sic), Benn, Blass, Heynicke, Kölwel, Hardenberg, Bold (sic), Viertel, Felix Braun, Mell. Die Liste ist noch nicht vollständig. (1.8.1919)
Dazu wieder Seelig:
Ihre Anthologie-Idee halte ich noch mehr als zuvor für verfehlt. Ehrenstein (den ich übrigens in der Tat mit Wolffenstein verwechselt habe) würde eine solche Anthologie nicht machen oder, wie er selbst sagt, nur unter seinem Gesichtspunkt: also „expressionistisch“. Ein solches Buch wird niemand kaufen, denn diese Art von Lyrik interessiert nur eine gewisse Clique und in einem Jahr wird nicht soviel Gutes und Bleibendes gedichtet, daß diese Sammlung ein Bedürfnis wäre. Wassermann, Greiner etc. anerkennen Sonnenschein, Ehrenstein etc. nur in sehr beschränktem Sinne als Dichter, ich selbst halte sie für hoffnungslos. – Erfolg wird aber unbedingt eine Sammlung haben, die seit etwa 1900 (gewissermaßen als Fortsetzung der „Ernte“) das Beste veröffentlicht und dazu wäre Zweig wie geschaffen, wenn Sie und ich wieder als Mitrichter funktionieren. (…) (7.8.1919)
Tal dazu in seiner Replik vom 11. August:
Anthologie: an eine nur expressionistische Anthologie habe ich, wie Sie aus meinem letzten Brief ersehen können, nie gedacht. Eine große Anzahl der Autoren, die ich dort aufzählte, sind keine Expressionisten.
Damit endete die Auseinandersetzung. Wegen des Widerstands des konservativen Seelig überließ es Tal praktisch dem Ed. Strache Verlag, sich um diese jüngeren Autoren zu kümmern. Diese geplante Anthologie erschien nicht, wohl aber stellt Oskar Maurus Fontana für Tal 1922 eine weitere Anthologie zusammen, nämlich Der Garten Immergrün. Deutsche Volkslieder als Fortsetzungsband zu Des Knaben Wunderhorn. Dies ärgert Seelig wieder einmal. Weder die Buchausstattung noch die Auswahl (mit jüdischen Volksliedern) gefällt ihm. Dies sollte auch die letzte Anthologie bei Tal sein, denn der Verleger hatte, wie er Seelig am 10. Jänner 1923 schreibt, „schon seit langer Zeit beschlossen, überhaupt keine Anthologiebände mehr zu bringen, mit Ausnahme der wenigen wie ,Gebete“ etc., die schon seit langer Zeit geplant sind, weil dadurch mein Verlag in eine völlig falsche, rückwärts gewendete und nicht Zukünftiges mit aufbauen helfende Richtung gedrängt wird. Es ist mir schon und nicht ganz mit Unrecht von verschiedenen Seiten vorgeworfen worden, daß der Verlag sich zum Anthologie-Verlag entwickelt und in Gefahr ist, aus der zeitgenössischen Literatur sich auszuschalten. Das will ich aber begreiflicherweise nicht und ich hoffe, Sie werden es verstehen.“
Während der ersten Verlagsjahre schien Tal nahe daran, zwei bekannte Autoren zu erwerben bzw. abzuwerben, nämlich Arthur Schnitzler und Robert Musil. Zunächst Schnitzler: Auf die näheren, noch geheimgehaltenen Umstände geht ein Brief Tals an Seelig vom 19. August 1919 ein:
Eine andre Übernahme-Angelegenheit: Gestern war Herr Dr. [Richard] Specht bei mir und fragte mich, ob ich sämtliche Werke von Arthur Schnitzler übernehmen möchte. Ich war sehr erstaunt, 1. darüber, daß Schnitzler von Fischer weggeht und 2. daß Schnitzler, mit dem Dr. Specht schon ohne mein Wissen über das Projekt dieser Transaktion gesprochen hat, mir seine ganzen Werke übergeben will. Zur Erklärung des ersten Punktes erzählte Specht, daß Schnitzler sich mit Fischer nicht mehr vertrage, Fischer für seine Bücher nichts tue, vergriffene Werke nicht neu auflege und es ständig Reibungen zwischen dem Verlag und Schnitzler gebe. Zum 2. Punkt meint Specht, daß Schnitzler mich ja von früher her kenne, und eben, weil der Verlag ein junger ist, mehr Möglichkeiten für sich sehe, als bei Fischer, wo er mit vielen anderen mitläuft. Ich habe natürlich Specht meine prinzipielle Bereitwilligkeit erklärt und ihn ermächtigt, sie Schnitzler zu überbringen, und warte nun den Verlauf der Angelegenheit ab. Ein großer Kapitalienaufwand dürfte hier nötig sein. Denn wenn auch Fischer für die Ablösung der Verlagsrechte, soviel mir Specht sagte, nichts verlangen kann, so müssen doch die Bestände übernommen werden und außerdem verlangt Schnitzler bei Neudrucken die ganze Auflage vorausbezahlt (Autorenhonorar 20% in Mark wie bei Fischer bisher zahlbar). – Haben Sie sich übrigens wie ich Ihnen vor Wochen gelegentlich des Tiefstandes der deutschen Valuta riet, Mark verschafft und in Zürich liegen lassen? – Ich werde Sie jeweils von den Ergebnissen der Konferenzen mit Schnitzler benachrichtigen, bitte Sie aber die Angelegenheit geheim zu halten. Ich habe nicht einmal Zweig davon Mitteilung gemacht.
Seelig war natürlich über diese Aussicht sehr froh:
Die Schnitzler-Idee begeistert mich natürlich, aber ich kann mir nicht denken, daß er mir nichts dir nichts von Fischer fort kann. Dann hätten wir doch auch den Bühnenvertrieb? Das wäre schon etwas wert! – Bitte halten Sie mich auf dem Laufenden! (24.8.1919)
Die zur Verfügung stehende Korrespondenz geht leider auf die Schnitzler-Übernahme nicht mehr ein: Schnitzler blieb weiterhin bei Fischer.
Der erste Hinweis auf eine Verbindung Robert Musils zu E.P. Tal um sieben Ecken findet sich in einem Brief Musils an Carl Seelig vom 24. Dezember 1922.[17] Seeligs Vertrauter Max Picard hatte Musil nämlich aufgefordert, eine kleine Arbeit zu senden. Musil war in der Lage, zwei größere Arbeiten anzubieten, weiters das Manuskript einer Novelle (möglicherweise die noch unveröffentlichte Novelle Die Portugiesin) und ein burleskes Theaterstück (Vinzenz). Da von der Seelig-Serie Zwölf Bücher die Rede ist, kam wohl nur die schmale Novelle überhaupt in Frage. Im zweiten diesbezüglichen Brief Musils an Seelig vom 31. Dezember 1922 ist der Autor von einer gewissen Koketterie nicht freizusprechen: er tut nämlich so, als ob sich deutsche Verleger haufenweise um ihn raufen würden (“ … da ich mit deutschen Verlegern bereits vor Eintreffen Ihres Briefs in Verhandlungen stand“, “ … Die Situation (…) ist ja die, daß ich durchaus nicht Mangel an Verlagsmöglichkeiten leide (…).“[18] Sieht man die Realitäten, ist Musils Pose – nachdem er nach langer Verlagssuche mit dem erfolglosen Druck der Schwärmer in einem Provinzverlag in Dresden Schiffbruch erlitt, nachdem er Ende 1922 Tonka in einer Reichenberger Druckerei und Grigia in einer Zeitschrift (Der Neue Merkur) und Die Portugiesin in einer bibliophilen Ausgabe mit einer Auflage von 200 Exemplaren 1923 erscheinen ließ – leicht präpotent und überheblich.
Die Korrespondenz Tal-Seelig hilft uns bei der Dokumentation dieser Anbahnung weiter. Seelig sollte Musils Probe an Tal weiterleiten. Dementsprechend kurz heißt es an Seelig am 3.1.1923: „Robert Musil: Die Zusendung erwarte ich also.“ Erst am 15. März ist wieder von Musil die Rede, und zwar in einer Karte an Seelig vom Verlagslektor Dr. Epstein:
Musil: Ich bitte Sie, die Novellen recht bald zu lesen, da der Autor drängt. Ich glaube, daß die Lektüre Ihnen viel Freude machen wird.
Wohlgemerkt ist nun von „Novellen“ die Rede, was zu Spekulationen führt, welche zwei der späteren Drei Frauen-Novellen hier gemeint sein könnten. Einige Wochen später schreibt Tal an Seelig:
Musil: Ich bin ganz Ihrer Meinung in der Wertung der beiden Stücke. Es dreht sich also jetzt darum, ob Sie, wie Sie schreiben, 1000 Franken für die Erwerbung der Urheberrechte bezahlen wollen, dann hätte ich die Basis um mit ihm unterhandeln zu können. (22.3.1923)
Doch konnte Seelig das Geld nicht aufbringen: Tal dazu: „Musil: Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie Musil nichts bezahlen können.“ (3.4.1923)
Vier Tage später teilt Martha Musil ihrer Tochter Ähnliches mit:
(Seelig will nicht 1000 Frcs für die Novellen geben; also ist es nichts damit.)[19]
Doch war die Frage noch nicht ganz erledigt. So teilte Tal Seelig am 27. April 1923 mit:
Musil: Ich nehme also zur Kenntnis, daß Sie sich nicht entschließen können, alle Rechte an seinen zwei Novellen zu erwerben. Ich werde bei ihm anfragen, ob er mit Fr. 200.- in der Ausgabe in den „Zwölf Büchern“ einverstanden wäre. Bevor ich definitiv abschließe, werde ich Ihnen den Vertrag zusenden.
Musil gab sich damit nicht zufrieden, und es sollte nicht das erste Mal sein, daß ein Vertragsabschluß an seinen meist weltfremden Forderungen scheiterte. Am 4. Mai schlägt er Seelig vor, das Dreifache zu bezahlen, also „mir bei Abschluß des Vertrags darauf einen Vorschuß von 600 Fr. zu bezahlen (…).“[20] Und als dies sich nicht realisieren ließ, beendete Musil die Angelegenheit mit folgendem Brief an Seelig:
Die Bedingungen, die ich Ihnen vorschlug, waren kein Spaß und kein Versuch, und da ich das Gleiche von Ihrem Gegenvorschlag annehme, muß ich leider feststellen, daß wir von einer Distanz getrennt sind, die eine Fortsetzung unserer Bemühungen aussichtslos erscheinen läßt. (…) (2.6.1923)[21]
Von diesen zwei Beinahe-Tal-Autoren kommen wir schließlich auf die Literaturförderung des Tal-Verlags und dessen sonstiger Produktion in der Anfangszeit zu sprechen.
Zwölf Bücher
Eine Besprechung dieser Serie gibt Anlaß zu einer Betrachtung der „Produktionsbedingungen“ in den ersten Jahren. Die Tatsache, daß Seeligs eigenfinanzierter Stolz die Zwölf Bücher ohne Verschulden Tals erst mehr als ein halbes Jahr nach dem geplanten Erscheinungstermin herauskam (die ersten 3 Bücher am 15. September 1919, das vierte am 4. Oktober, das 5. am 5. November, das 6. am 1. Dezember), stimmte Seelig zunehmend unglücklich, wobei man nicht außer Acht lassen darf, daß der vermögende Seelig von der inflationsbefreiten Schweiz aus die Lage anders beurteilte. Ein großes Problem, vor allem für kleine, nicht mit Papierfabriken liierte Verlage, war die Papierbeschaffung. Und die sehr verspätete Lieferung einer besonderen Papiersorte führte zum Verzug und zu einer „Kette von Unglücksfällen“ (Tal, 4.2.1920). So schlug Seelig den Papierbezug aus Deutschland vor, worauf Tal folgendermaßen reagierte:
Picards Rat ist sehr freundlich, aber es gibt hier kein Papier aus Deutschland, weil keines hereingelassen wird. Übrigens ist in Deutschland, soviel ich höre, die Papiernot nicht geringer als hier, denn der größte Teil der Produktion geht als Kompensation in die Schweiz und nach dem starken Import scheint man in der Schweiz den Eindruck zu haben, als ob Deutschland eine Überproduktion an Papier hätte, was aber nicht der Fall ist. – Vorläufig habe ich hier für meine Werke genügend Papier, sogar zu billigen Preisen: holzfreies zum Preis von 6-11 K das kg. (…) Zu den heute geltenden Schleichhandelspreise(n) von 30-35 K kann man Papier haben so viel man will. Und Papier aus Deutschland würde nicht billiger kommen. Außerdem ist der Verlag materiell nicht in der Lage zu diesen Preisen Papier in größeren Quanten einzukaufen und sich aufs Lager zu legen. Für die Produktion dieses Jahres bin ich jedenfalls gedeckt. (14.2.1920)
Das war freilich nicht das einzige Problem: der Kohlenmangel in Österreich war enorm. So schreibt Tal zum Thema die Zwölf Bücher:
Sie sollten unter Poenale am 31. Jänner fix und fertig sein. Nun ist hier wegen Kohlenmangel der elektrische Strom fast den ganzen Jänner hindurch abgeschaltet. Daß die Autoren sich beklagen und auch die Buchhändler begreife ich; wir beide klagen noch viel mehr. (24.1.1920)
Der literarische Vertrauensmann und Ratgeber Seelig war schon während der ersten Hälfte des ersten Geschäftsjahres über die Lage des Verlags deprimiert. Tal versuchte am 26.2.1920 klare Verhältnisse zu schaffen und bat Seelig, sich zu erinnern:
Als Sie seinerzeit in Wien waren und wir über die Rentabilitätsmöglichkeiten eines neu gegründeten Verlages sprachen, sagte ich Ihnen, daß meiner Meinung nach ein Verlag erst nach zwei Jahre(n) anfängt, aktiv zu werden, das heißt soviel, daß die daran Interessierten erst nach dieser Frist damit rechnen könnten, einen Ertrag aus dem Verlage zu ziehen. Die erste Bilanz wird nun aber meine ich ergeben, daß schon nach dem ersten Jahre der Verlag entgegen meiner Vorkalkulation am Ende des ersten Jahres keinen Verlust haben wird, wobei ein Teil des zu Investition bestimmten Kapitales noch nicht aufgebraucht sein dürfte; vielleicht wird es schon möglich sein, im 2. Geschäftsjahre etwas aus dem Verlag herauszuziehen. Ich bin wenigstens dieser guten Hoffnung, aber ich will mich nicht der Phantasie hingeben, daß man unter den heutigen, so kostspieligen Verhältnissen einen bedeutenden Teil des Hausgebrauches bestreiten könnte.
In Anbetracht der verhältnismäßig kleinen Investitionssummen und der verhältnismäßig großen Summe, welche ein Haushalt heute beansprucht ist eine Deckung des Hausgebrauches aus dem Ertrag eines Verlagsgeschäftes, welches heute leider materiell ein ziemlich ungünstiges ist, dadurch daß die Verleger im allgemeinen es nicht wagen, mit den Preissteigerungen Schritt zu halten (Materialpreise sind seit der Friedenszeit um 1000 bis 2000% gestiegen, während die Bücherpreise sich höchstens auf das 3 bis 4fache erhöht haben) so ziemlich ausgeschlossen, wenn einem nicht ein sogenannter „Schlager“ in die Hand fällt.
Ich habe bisher nicht vom Ertrag des Verlages gelebt und werde auch im 2. Geschäftsjahr keinesfalls zur Gänze davon leben können. Ihre Situation ist im Verhältnis besser, weil Sie ja auch Honorarforderungen haben werden, aber auf jeden Fall muß ich es Ihnen freundschaftlich abraten den Ertrag des Verlages als Sicherung Ihrer materiellen Lebens-Situation zu betrachten. Vielleicht habe ich etwas schwärzer gemalt, als die Ereignisse es zeigen werden, aber ich verantworte lieber dieses, als Sie durch eine geschminkte Darstellung zu einem Entschluß zu verleiten, den gefaßt zu haben Ihnen nachher leid täte. (…)
Eine Reaktion Seeligs liegt nicht vor, aber etwas mehr als ein Jahr später im Juli 1921 eröffnet Tal, daß ihm soeben der Antrag gestellt worden sei, „gegen ein Drittel des Reinertrages eine Kapitalseinlage von 5.000.000 Kronen anzunehmen“ (an Seelig, 12.7.1921).
Daß diese Vergrößerung des Verlages nötig ist, wissen Sie; bei jeder besseren größeren Sache muß ich kleinlich mit den Mitteln rechnen, obwohl ich den ganzen Gewinn stehen lasse und meinen Haushalt aus meinen Privatmitteln decke. Wenn ich den Antrag annehme, so würde das mit sich bringen, daß wir zum 14. Januar 1922 miteinander bilanzieren und ich Ihre Einlage samt dem Zuwachs auszahle.
Tal erwartet auch einiges von Seelig:
Nicht Höflichkeit, sondern die wirkliche Freundschaft, die ich für Sie in der letzten Zeit gefaßt habe, zwingt mich, Ihnen mit dieser Ankündigung zugleich zu sagen, daß ich den Antrag nur dann annehmen werde, wenn es Ihnen nicht möglich sein sollte, dem Verlag das gleiche Kapital zur Verfügung zu stellen.
Aber auch dann möchte ich sehr gern irgend eine Form für die Fortsetzung unseres Verhältnisses finden, und wenn ich auch im Augenblick, wo ich Ihnen in aller Eile berichte, noch nichts vorzuschlagen weiß, so hoffe ich doch, daß wir einen brauchbaren Weg finden werden. (…)
Der Name des Kapitalsgebers wird nicht genannt und ist auch nicht bekannt. Tal wußte, was er von Seelig alles verlangte: „Sie können es sich kaum denken, wie schwer mir der Entschluß wurde, den mir gestellten Antrag überhaupt in Erwägung zu ziehen. Aber es handelt sich um Lebensfragen.“ (An Seelig, 15.7.1921). Die Begründung ist über den gegebenen Fall hinaus auch zum Verständnis der Lage im österreichischen Verlagsbuchhandel dieser Zeit interessant und soll daher in extenso zitiert werden:
Sie wissen, daß sämtliche deutschen Verlage, auch die größten, wie S. Fischer, Kurt Wolff, Georg Müller, etc., bei ausgezeichnetem Geschäftsgang das Kapital sehr vergrößern mußten. Die Preise von Papier und Druck sind heute zwanzigmal so hoch wie 1919. Und wenn ein Buch ausverkauft war, so konnte man bisher aus dem Erlös allein eine Neuauflage nicht herstellen, sondern mußte noch Kapital aus anderen Erlösen dazunehmen. Nicht darum handelt es sich also, „einige Bücher mehr zu bringen“, (wie Sie sagen), sondern geradezu um die Gefahr des Stillstandes des Verlags, d.h. soviel wie, seines Absterbens. Das aber wäre die Vernichtung des bisherigen Werkes und der Verlust unseres Kapitales, das wir beide investierten.
Daß ich außerdem nicht fähig bin, meinen Haushalt wie bisher auch weiterhin aus meinem Privatvermögen zu bestreiten, sondern die Gewinne aus dem Unternehmen ziehen muß, soweit sie auf meinen Teil kommen, um zu leben, das ist ein weiterer zwingender Umstand, den ich Ihnen übrigens schon öfter zur Sprache gebracht habe.
Geht aber der Gewinn aus dem Unternehmen weg, so bleiben nur die K 750.000 die wir zusammen investiert haben und wie sollen die die Geschäftsführung möglich machen? Beträgt doch die Aufwendung für die Honorare und die Herstellungskosten des ersten Bandes allein bei Ludwig schon 1.300.000 K!
Lieber Herr Seelig, erlauben Sie mir die freimütige und wirklich nicht aggressiv gemeinte Bemerkung: Ich kann mir nicht vorstellen, daß die 40.000 Franken, die die 5 Millionen Kronen bedeuten, Ihnen eine ernsthafte Schwierigkeit machen. Es muß also ein Mangel an Zuversicht und Vertrauen sein, der Sie hemmt, ohne daß Sie sich genau Rechenschaft darüber geben.
Ich bin weit davon entfernt, Ihnen das übelzunehmen, denn das sind elementare Regungen, für die kein Mensch verantwortlich ist und die auch kein Mensch meistern kann. Deshalb ändert das auch nichts an meinem festen Vorsatz, nach einer Form zu suchen, in der sich Ihre interessierte Verbindung mit dem Verlage fortsetzen ließe und ich werde in den kommenden Verhandlungen, nicht vergessen, daran zu denken, um Ihnen plausible Vorschläge machen zu können.
Tal drängte auf eine rasche Entscheidung („Es ist leider nicht sicher möglich, die letzte Entscheidung bis über die Ferien ruhen zu lassen.“ 19.7.1921). Die weitere zur Verfügung stehende Korrespondenz geht auf diesen Punkt nicht mehr ein, doch kann man mit einiger Sicherheit annehmen, daß Seelig in der Folge das von Tal erwünschte Kapital aufbrachte. Die Zusammenarbeit wird fortgesetzt. Das letzte mir zur Verfügung stehende Schreiben Tals ist mit 27. April 1923 datiert.
Die „Zwölf Bücher herausgegeben von Carl Seelig, Zürich“ waren eine elitäre Angelegenheit. Sie umfaßten folgende Werke:
Hermann Hesse, Kleiner Garten. Erlebnisse und Dichtungen.
Romain Rolland, Die Zeit wird kommen. Drama in 3 Akten. (Übertr. von Stefan Zweig)
Stefan Zweig, Fahrten, Landschaften und Städte.
Carl Hauptmann, Der abtrünnige Zar. Eine Legende in 6 Vorgängen.
Wilhelm Schmidtbonn, Die Flucht zu den Hilflosen.
Henri Barbusse, Erste Novellen. (Übertr. L. Andro)
Suares: Cressida. (von Stefan Zweig und Erwin Rieger nachgedichtet)
Otto Zoff, Gedichte.
Maurice Maeterlinck, Der Bürgermeister von Stillmonde. Drama in drei Akten. (Übertr. von Paul und Marta Amann)
Wilhelm Schäfer, Frühzeit. Erzählungen.
Georges Duhamel, Das Licht, Drama in 4 Akten. (Dt. von Erwin Rieger)
Ernst Toller, Die Maschinenstürmer. Ein Drama aus der Zeit der Ludditenbewegung in England in 5 Akten und 7 Vorspiel.
Daß das Erscheinen der Reihe erheblich verzögert wurde, ist z.T. darauf zurückzuführen, daß Material für die besondere Ausstattung in den Jahren 1919/20 schwer zu beschaffen war. In einer Verlagsanzeige weist man auf folgendes hin:
In nur tausend Exemplaren auf Japandokumentenpapier, der Titelbogen in zwei Farben, unter der Leitung von Rudolf Geyer in Wien gedruckt. [22]
Davon erschienen die Nummern 1-50 in Ganzlederbänden, die Nummern 51-150 in Halblederbänden, die Nummern 151-1000 in Pappbänden. Die Preise hielten mit den Material- und Herstellungskosten nicht mit und mußten einige Male angehoben werden. 1921 waren schließlich die Werke Hesses und Rollands in allen Ausgaben vergriffen und konnten aus Kostengründen nicht neu aufgelegt werden. Obwohl nach der ersten weitere Reihen vorgesehen waren, kam es nicht mehr dazu.
Wiener Drucke
Ähnlich wie die WILA begann auch der E.P. Tal & Co. Verlag im Spätherbst 1921 eine Viennensia-Reihe, die sich Wiener Drucke nannte. Unter der Leitung von Otto Erich Deutsch wurde eine besondere Abteilung errichtet, die sich mit der Herausgabe von Schriften über den Kulturkreis des alten Österreich, insbesondere des alten Wien, befaßte. Zu den ersten Publikationen zählte der Alt-Wiener-Kalender für das Jahr 1922, herausgegeben von Alois Trost. Der Umschlag stammte von Rudolf Geyer, der auch den Buchschmuck für Auernheimers Das ältere Wien. Bilder und Schatten besorgte. Die drei bisher erschienenen Jahrgänge (1917, 1918, 1919) waren im Kunstverlag Anton Schroll & Co. herausgekommen. Egon Friedell gab eine kleine Nestroy-Ausgabe unter dem Titel Das ist klassisch. Nestroy-Worte heraus. In dieser Abteilung erschienen u.a. noch Joseph Gregors Wiener Szenische Kunst. Die Theaterdekoration (1923), Daniel Spitzers Wiener Abstecher. Auswahl aus Gedrucktem und Ungedrucktem von Wilhelm A. Bauer, ein Raimund-Liederbuch (1923) usw. [23]
Nicht zufällig wurde die alleinige Auslieferung des E.P. Tal & Co. Verlags und der Wiener Drucke Anfang 1924 vom Drei Masken Verlag übernommen. E.P. Tal war mit gleichem Datum zum Geschäftsführer des Drei Masken Verlags ernannt worden. Die Geschäftsverbindung Tal/Drei Masken Verlag wurde Ende Dezember 1926 gelöst. Übrigens wurde Tal im Frühjahr 1924 zum Geschäftsführer bzw. Direktor der BUKUM A.G. für Buch-, Kunst- und Musikalienhandel, vormals Hugo Heller & Co., ernannt. 1928 hatte er diese Funktion nicht mehr inne. [24]
Im Juni 1933 mußte über die Firma BUKUM A.G. das Ausgleichsverfahren eröffnet werden.
Im Herbst 1924 wurden die Wiener Drucke mit allen Aktiven und Passiven vom Amalthea-Verlag übernommen. [25]
Ebenfalls vom Amalthea-Verlag übernommen wurde die zuerst in der Abteilung „Wiener Drucke“ erschienene Neue Österreichische Biographie.
Die in den Jahren 1919-1924 von Tal herausgegebene Belletristik stammt großteils von österreichischen Autoren. 1919 erschien neben dem erwähnten utopischen Roman von Flesch-Brunningen auch Hans Adlers Gedichtband Affentheater. Von L. Andro (d.i. Therese Rie) erschienen der Roman Die Komödiantin Dora X. (1920), 1924 der Roman Das entschwundene Ich. Hermann Bahr, von dem Tal außerordentlich viel hielt, ließ 1920 einen Band seiner Tagebücher 1919 erscheinen. Von Oskar Maurus Fontana erschien 1920 in einer Auflage von 2.000 Exemplaren Empörer. Novellen, im selben Jahr Gier. Erzählung (Umschlag A. Berger) von Alfred Golfar, Eugen Hoeflichs Feuer im Osten, zwei Werke von Felix Dörmann: Der platonische Wüstling und Zimmerherren. Komödie in drei Akten, der Roman der jungen Maria Lazar Die Vergiftung, Hugo Sonnenscheins Die Legende vom weltverkommenen Sonka (lithogr. Einband von A. Berger), Fritz Lampls Gedichte, Erich Singers Gedichtband Heiterkeit, Viktor Fleischers Novelle Der Sammler (ill. Stefan Hlava), Hermann Ungars Knaben und Mörder, und schließlich Josef Weinhebers erste Buchveröffentlichung Der einsame Mensch. Zwischen Weinheber und den Tals entwickelte sich eine Freundschaft. [26]
Es ist nicht auszuschließen, daß Weinheber durch Arnold Höllriegel/Richard A. Bermann zum Tal-Verlag gestoßen ist. Verlagsautor Dr. Hans Adler käme auch als Vermittler in Frage.
Als die Gemeinde Wien erstmals 1924 die Preise für Dichtkunst vergab, bewarb sich Weinheber neben ca. 150 anderen Schriftstellern (bis Ende März 1924) um den Preis [27], bekam ihn aber nicht. Einer der sechs Preisträger war Robert Musil. Er hatte sich gar nicht um den Preis beworben, was laut Richtlinien auch nicht erforderlich war. „Einer, der leer ausging“ – so betitelt Richard A. Bermann seinen Kommentar im Wiener Tag vom 11. Mai 1924 (S. 5) – war Weinheber. Sein Mißerfolg mit Der einsame Mensch schwingt in Bermanns Bericht mit:
Es ist aber tief zu bedauern, daß nicht noch ein Wiener Dichter schon in diesem Jahr durch einen Preis ermutigt werden konnte. Einige Kunstfreunde hatten, nicht ganz ohne Anlaß gehofft, daß Josef Weinheber unter den Laureaten dieses Jahres sein würde.
Josef Weinheber ist ein noch ziemlich junger Telegraphenbeamter in Wien. Es ist eben sein zweiter Gedichtband erschienen. („Von beiden Ufern.“ Burgverlag.) Schon der erste („Der einsame Mensch.“ Bei E.P. Tal) ist von einem zahlreichen und distinguierten Publikum so gründlich ignoriert worden, daß das allein die Bedeutung dieses Dichters beweisen könnte. Sechzig oder siebzig Menschen in Wien, in Österreich und im Universum hatten sich dieses Bändchen gekauft. Es war wundervoll; wir haben einmal im „Tag“ davon Proben gegeben. (…)
Als Weinhebers zweites Buch vor der Veröffentlichung steht, gesteht er seinem Förderer Leo Perutz: „Sehr schade, daß das Buch nicht bei Tal erscheint! Es wäre mir viel lieber gewesen als der Burgverlag, der ein unbekannter Verlag ist. Aber schließlich: Hauptsache ist, daß das Buch überhaupt herauskommt und in einer schönen, künstlerischen Aufmachung.“ [28]
Im folgenden Jahr (1921) erscheinen bei Tal Werke des Ungarn Andreas Ady (Auf neuen Gewässern. Eine Auswahl), von Ludwig Hatvany (Das verwundete Land; Aufl. 3.000), Max Picard (Der letzte Mensch, Aufl. 2.000), des Zweig-Freundes Erwin Rieger (die Novelle Juliska und die Husaren; ill. Oskar Laske), und anderer. 1922 fällt die Zahl der Neuerscheinungen deutlich ab. Erwähnenswert sind zwei Werke: Anton Kuhs Von Goethe abwärts. Essays in Aussprüchen und ein „Liederbuch“ von Albert Ehrenstein. Die Verbindung Kuh-E.P. Tal registriert Wien-Chronist Hugo Bettauer in seinem Fortsetzungsroman Der Kampf um Wien. Ein Roman vom Tage 1922/23 auf folgende Weise: „Anton Korn (recte: Kuh) ist neben Egon Kriegel (recte: Friedell) Sekretär des amerikanischen Helden Ralph O“Flanagan: „Korn hatte noch einen Weg zu seinem Verleger Peter Berg vor (…).“ [29] Albert Ehrenstein, von dem in Zusammenhang mit einer lyrischen Anthologie die Rede gewesen ist, war dann doch für Tal tätig. 1922 erschien „Dem Deutschen angeeignet von Friedrich Rückert und Albert Ehrenstein“: Schi-King: Das Liederbuch Chinas. Gesammelt von Kung-fu-tse.
Auch erschienen Wilhelm Schmidtbonns Garten der Erde. Märchen aus allen Zonen (Buchausstattung Rudolf Geyer). 1923 erschienen Werke u.a. von Fritz Brügel (Zueignung), Arthur Rundt und Richard Bermann (Palästina. Ein Reisebuch), Otto Rung (Kokain. Novellen), Heinz Schaffer (Schlechter Wandel. Roman), 1924 wieder Schmidtbonn (Der Verzauberte. Seltsame Geschichte eines Pelzhändlers; ill. Einband Josef Tengler) und im selben Jahr das 11.-13. Tsd. von Ernst Tollers Die Maschinenstürmer.
Möglicherweise durch Tals anderweitige Tätigkeit und/oder durch Kapitalmangel bedingt, sackte die Produktion bis gegen Ende der 20er Jahre nahezu völlig ab. Es bleibt der Vollständigkeit halber auf eine weitere Reihe im Tal-Verlag hinzuweisen, und zwar auf die „NEUEN MUSIKBÜCHER“. Wie aus dem Briefwechsel Tal-Seelig hervorgeht, plante Tal seit Dezember 1919 mit möglicher Beteiligung der Universal-Edition in Wien „eine musikalische Bücherei“, die ansetzen sollte, wo die verschiedenen in Deutschland erscheinenden Reihen-Publikationen über Musiker aufhörten. Tal dachte dabei an Komponisten wie Erich Wolfgang Korngold, Arnold Schönberg, Gustav Mahler, Max Reger, Joseph Marx, Franz Schreker, Maurice Ravel etc. Als „Beirat“, ganz anonym und im Hintergrund, diente Doz. Dr. Egon Wellesz. Bereits am 13. Jänner 1920 konnte Tal Seelig berichten, daß die Verhandlungen mit der Universal-Edition „zu einem günstigen Abschluß gekommen“ seien und daß die U.E. den Mitvertrieb und einen Teil der Auflage (geplant: 3.000) abnehmen würde. Die ersten Bände waren schon geplant, und es folgten nun z.T. langwierige Verhandlungen, vor allem über Honorare. Die ersten Werke kamen im Laufe des Jahres 1921 auf den Markt, darunter Egon Wellesz: Arnold Schönberg, Rudolf St. Hoffmann: Franz Schreker, M.D. Calvocoressi: Mussorgsky, Gisella Selden-Goth: Ferruccio Busoni, Paul Stefan: Neue Musik und Wien, Richard Specht: Richard Strauß und sein Werk (2 Bände), Briefe über den berühmten Komponisten Joseph Haydn von Stendhal etc. Zwei Jahre später erschienen etwa Die Bildnisse von Gustav Mahler von Alfred Roller, E.N. v. Reznicek. Eine vorläufige Studie, Natalie Bauer-Lechner: Erinnerungen an Gustav Mahler und Josef Matthias Hauers Deutung des Melos. Eine Frage an den Künstler unserer Zeit.
Wie bereits erwähnt, sorgte eine Reihe von freien Künstlern für Buchschmuck, Einband, Illustration der Tal-Verlagswerke. Wie die Zusammenarbeit zustandekam, war unterschiedlich. Dazu Lucy Tal: „Die jeweilige Wahl für ein Buch hat sich mal so, mal so abgespielt: Manchmal mag ein jüngerer Künstler sich angeboten haben, aber oft ging man an bekanntere Namen heran u. fragte ob sie wollen u. was sie gerade zu diesem Buch für eine Idee hatten. Angestellt war dazu niemand. Man blieb bei freier Wahl.“ (An den Verf., 17.5.81). So weit sich Lucy Tal erinnern kann, hat der bekannte Graphiker Julius Klinger das (erste) Verlagsemblem entworfen. Es gab nämlich zwei „Rappenmotive mit Reiter“, die schon seit der Verlagsgründung als Signet dienten und für Briefpapier, nicht aber für Verlagswerke Verwendung fanden. [30]
Zu den Künstlern, die für den Tal-Verlag tätig waren, zählten Rudolf Geyer, Josef Tengler, Albert Berger, Oskar Laske, Karl Walser, Leo Frank, Stephan Slava, Käthe Kollwitz, A. Stadler u.a. Im großen und ganzen aber wurde beim E.P. Tal & Co. Verlag von Buchillustration weniger Gebrauch gemacht als bei anderen zeitgenössischen Verlagen.
Versucht man die Verlagstätigkeit der ersten fünf Jahre zu charakterisieren, so ist die Tendenz feststellbar, jüngere österreichischen Autoren nach Maßgabe der finanziellen Mittel zu fördern und forcieren. Aber wie anderen zeitgenössischen Verlegern, gelang es E.P. Tal nicht, echte „Verlagsautoren“ zu züchten. Zeitweise schien E.P. Tal dem kurzlebigen Ed. Strache Verlag Konkurrenz machen zu wollen, doch hat sich die Geschäftsverbindung mit dem etwas konservativen Carl Seelig hier wohl hemmend ausgewirkt. Da der Verlag finanziell nicht sehr beweglich war und über geringeres Kapital verfügte als Konkurrenten, konnte er eine „fortschrittliche“ Richtung nicht konsequent verfolgen.
Anmerkungen
[1] Quellenhinweise: Handelsgericht Wien. Registerakt A 39, 102, umgeschrieben nach HRA 4474 (Aktenlager Handelsgericht, Wien); NÖLA, N.Ö. Landesregierung, Pressewesen 1919, Zl. Ia-694/1919; AVA, VVSt, V.A. 25.457 (Vermögensanmeldung Lucy Tal); Ebenda, Handel, Ha 2392 (Arisierung Tal-Ibach); Briefkonvolut Tal-Carl Seelig, Carl-Seelig-Stiftung, Zürich; Landesgericht für Strafsachen Wien I, Zl. 26f Vr 6188/34 (WrStLa); Archiv, Buchgewerbehaus Wien, Personalakt E.P. Tal; WILLY HAAS, Eine Reise zu den Wiener Verlegern. Die Situation der österreichischen Buchproduktion 1930. In: Die literarische Welt (Berlin), 6. Jg., Nr. 11, 14.3.1930, S. 7-8; bes. S. 8. Für unendlich viele Informationen zur Person E.P. Tal und zum Verlag bin ich Frau Lucy Tal, New York, sehr zu Dank verpflichtet. Im Laufe eines mehrjährigen Briefwechsels war es dem Verf. möglich, Information aus erster Hand zu erhalten.
[2] Zum Ursprung dieses neuen Namens teilte mir Lucy Tal mit, daß die Mutter „Ermetz“ geheißen hatte und aus Ermershausen in der Nähe von Nürnberg in Deutschland kam.
[3] Die Stunde (Wien), 14. Jg., Nr. 4121, Mi., 2.12.1936, S. 3.
[4] Der Wiener Tag, XV. Jg., Nr. 4838, Di., 1.12.1936, S. 5. Weitere Nachrufe auf Tal erschienen in: Wiener Zeitung, Di., 1.12.1936, S. 6 und Neue Freie Presse (M), Nr. 25943A, Mo., 30.11.1936, S. 3 und Das Echo (Wien), Jg. 3, Nr. 278, Mo., 30.12.1936, S. 3.
[5] Dazu LUCY TAL, „E.P. Tal (…) hat meines Wissens nie in Buchform veröffentlicht.“ (Brief vom 30.7.1981)
[6] L. TAL an den Verf. 3.7.1980.
[7] Der Wiener Tag, (zit. Anm. 4) Als Bildungsnachweis anläßlich des Ansuchens um Verleihung einer Konzession im März 1919 gab Tal ein Realschulmaturitätszeugnis und „eine Bestätigung über mehrjährige Verwendung im S. Fischer Verlag, Berlin“ an.
[8] Es könnte ab 1909 gewesen sein, also nach dem Zeitpunkt, wo er in Wien seinen Namen ändern ließ.
[9] Siehe PETER DE MENDELSSOHN, S. Fischer und sein Verlag, a.a.O., S. 425 und 638. Die Angaben de Mendelssohns sind hier nicht nur äußerst unklar, sie sind auch sehr vage. So schreibt er (S. 425): „Bereits einige Wochen nach dem Erlaß des Rundschreibens …“ etc., ohne daß erkennbar ist, um welches Rundschreiben es sich handelt und wann es datiert ist. Dann heißt es „später“ übernahm Tal die Leitung usw., ohne daß klar ist, was das wirklich zu bedeuten hat.
[10] NÖLA, Bestand Niederösterreichische Landesregierung, Pressewesen, Ki. 4033, Zeichen XII 167 b10, Stammzahl Ia-238, 1919.
[11] Im Besitz der Carl-Seelig-Stiftung Zürich. Herrn Dr. Ulrich Weinzierl (Wien) bin ich für den Einblick in Kopien dieser Korrespondenz sehr zu Dank verpflichtet.
[12] Mitteilung von Lucy Tal, 17.5.81.
[13] Die folgende Darstellung ist dem Akt Landesgericht für Strafsachen Wien I, 26 f Vr 6188/34 (WrStLa) entnommen.
[14] Schreiben an den Verein der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler in Wien vom 25.9.1935. In: Archiv, Buchgewerbehaus Wien, Personalakt E.P. Tal.
[15] Es handelt sich hier um Tals Abschrift der Vereinbarung, die seinem Brief vom 12.7.1921 beigelegt ist. Korrespondenz aus dieser Zeit (1919) stand mir nicht zur Verfügung.
[16] ERNST STEIN, am 3.7.1901 in Wien geboren, dürfte im Jahr 1920 Lektor im Tal-Verlag gewesen sein. Dazu Stein im Jahre 1966: „Ich war Lektor des Verlags, in dem sein [Weinhebers] erstes Buch erschien, ,Der einsame Mensch“, und das Referat darüber war sozusagen meine Aufnahmeprüfung; der Verlag hat es mir nicht nachgetragen, daß das Bändchen überhaupt nicht ging.“ (E.S., Der verblendete Seher. Josef Weinheber: ein Epigone oder vielleicht doch ein Klassiker? In: Die Zeit, Nr. 40, 30.9.1966, S. 25.) Der vorhin erwähnte „Dr. Epstein“ ist mit Sicherheit der am 4.7.1897 in Wien geborene Dr. Hans Epstein. Dieser machte sich 1927 mit einer finanziellen Zuwendung von seinem Vater als Verleger selbständig und gründete den ‚Verlag Dr. Hans Epstein“. Als Epstein unerwartet, noch nicht 35 Jahre alt, am 20.2.1932 verstarb, wurde E.P. Tal zum Kurator für die Verlassenschaft bestellt. (Siehe Anzeiger, 73. Jg., Nr. 19, 7.5.1932, S. 2.)
[17] Robert Musil. Briefe 1901-1942. Hg. von Adolf Frisé. Unter Mithilfe von Murray G. Hall. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag, 1981. Dieser Brief wurde neben einem zweiten erst nach Abschluß der Ausgabe im Seelig-Nachlaß entdeckt. Beide sind daher der Ausgabe im nachhinein beigelegt worden, und so fehlt eine Seitenzahl.
[18] Dies ist der zweite, soeben angesprochene Brief Musils.
[19] Robert Musil. Briefe, (zit. Anm. 17), S. 289.
[20] Ebenda, 1, S. 293.
[21] Ebenda, I, S. 304.
[22] BC, Nr. 20-22, 2.6.1920, S. 255.
[23] Über das vollständige Programm informiert eine Annonce im Anzeiger, Jg. 1924, Nr. 41, 10.10.1924, S. 471.
[24] Obwohl dieses Unternehmen gelegentlich Belletristik verlegte, wird es in dieser Arbeit nicht gesondert behandelt. Da es in der Wiener Szene Jahrzehnte hindurch ein angesehener Betrieb war, wollen wir hier doch ein paar Informationen anführen. Die Firma wurde im September 1905 als Buchhandlung Hugo Heller & Cie. gegründet. Der Alleininhaber bis 1922, Hugo Heller, der, wie später auch Richard Lányi, aus seiner Buchhandlung so etwas wie ein Kulturzentrum machte, starb am 29.11.1923 im 52. Lebensjahr. Davor nahm sein Geschäft eine völlig neue Form an: Es wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Umwandlung während einer dem Buchhandel abträglichen Wirtschaftslage brachte dem Unternehmen mehr Schaden als Nutzen. Diese Gesellschaftsform erwies sich in mehreren Fällen als schwerfällig und 1926 mußten Betriebseinschränkungen im großen Stil vorgenommen werden. Im Rahmen der Reorganisation wurden defizitäre Geschäftszweige wie die Konzertdirektion und die Theateragentur liquidiert, das Personal in allen Abteilungen auf ein Minimum reduziert. Auch das Antiquariat wurde abgestoßen. Diese Feuerwehrmaßnahmen brachten nur kurzfristig Erleichterungen. Am 19.6.1933 wurde das Ausgleichsverfahren eröffnet (Sa 348/33) und im Oktober beendet. Verlagswerke wurden hier nicht systematisch erfaßt, 1931 erschien aber im „Verlag der Bukum A.G.“ Mensch in Fesseln. Ein Drama um Heinrich Heine von FRIEDRICH PORGES.
[25] Siehe Anzeiger, Jg. 1924, Nr. 41, 10.10.1924, S. 471.
[26] Dazu Lucy Tal an den Verf., 21.12.82: „We knew Weinheber well. At one time we wandered with him durch die Wachau. (…) Weinheber was known to every Wirtshaus there, he played some musical instrument and was obviously a favorite mit all den Wirtinnen in den Gasthäusern. Wanderung there without him would have been a dreary experience, with him it was Frühlings-Wunderland. He was a poet, as poet appreciated by my husband and Weinheber, who came vom Proletariat and my husband who certainly didn“t, nevertheless developed a good rapport.
[27] Auf dichterische Werke entfielen bis 31.. März 1924 148 Bewerbungen. Die Bewerbung Weinhebers, der den Preis dann 1925 gewann, war die 16. Quelle: Schreiben des Direktors der Städtischen Sammlungen, Wien, Hermann Reuther an Bgm. Karl Seitz vom 3.4.1924. MD Akten, A 11, 1(1-1000), Pr. Z. 826/1914 (WrStLa); Liste der Bewerber. MD Akten, A 11, 2, Pr. Z. 1866/1924. Verf. plant eine Dokumentation über diesen Preis.
[28] JOSEF WEINHEBER, Sämtliche Werke. Hg. von JOSEF NADLER und HEDWIG WEINHEBER. V. Band; Briefe. Salzburg: Otto Müller Verlag, 1956, S. 43f. Schreiben Weinhebers an Perutz vom 24.11.1923. Ein Querverweis auf die Unterstützung Bermanns (Der Tag, 11.5.1924, S. 5) findet sich in einem weiteren Weinheber-Brief an Perutz vom 30.5.1923: „Herr Tal hat mir auch von Gedichten gesprochen, die Herr Beermann (sic!) so liebenswürdig sein will, im Tag zu veröffentlichen.“ (S. 42) Daß in der Weinheber-Rezeption auf die früheren Förderer Tal, Perutz und Bermann möglichst wenig hingewiesen wird, mag damit zusammenhängen, daß sie Juden waren. In der Vor- und Nachkriegszeit ist die Rezeption ja betont deutsch-völkisch gewesen.
[29] HUGO BETTAUER, Der Kampf um Wien. Ein Roman vom Tage. Salzburg: Hannibal Verlag, 1980, S. 147 f. (= Gesammelte Werke, Band 1).
[30] In den 20er und 30er Jahren dienten schlicht verschiedene Variationen der Buchstaben T und V als Signet. Eine Abbildung des allerersten Signets findet sich in BC, Nr. 16, 16.4.1919, S. 229. Das Motiv wurde abgewandelt und der Rappen stilistisch in einem Kreis mit den Buchstaben E P T & Co. präsentiert.
Ergänzungen zur Buchveröffentlichung von 1985
- Freya Schmiedt: Der E.P. Tal Verlag. Eine Edition der Korrespondenz E.P. Tal – Carl Seelig. Diplomarbeit Univ. Wien 2002.
- Freya Katharina Schmiedt: Der E.P. Tal Verlag. Eine Edition der Korrespondenz E.P. Tal – Carl Seelig. (Diplomarbeit Universität Wien 2002). 2002-1, S. 25–27.