Artur Wolf Verlag (Wien)[1]
Die Firma „Artur Wolf Verlag“ wurde im Jahre 1911 in Wien gegründet. Der am 12.4.1887 in Mährisch-Weißkirchen, C.S.R. geborene Artur Wolf hatte in den Jahren 1907-1911 seine Lehrzeit als Buchhändler beim „Dr. Rudolf Ludwig Verlag“ verbracht und machte sich dann selbständig. Der Umfang der Konzession war der Verkauf von Kunstblättern, Radierungen und Reproduktionen) insbesondere aus dem eigenen Verlag. Erst zehn Jahre später wurde der Verlag handelsgerichtlich protokolliert. Am 14. Juni 1921 wurde der Artur Wolf Verlag mit Betriebsgegenstand „Verlags- und Sortimentsbuchhandlung“ unter Register A, Band 58, pagina 54 ins Wiener Handelsregister eingetragen. Sitz der Firma war Wien 1., Seilerstätte 1.
Im Jahre 1930 wollte Wolf seinen Betrieb ausbauen und suchte – was zur Art seiner Verlagswerke gut paßte – um eine Konzession für den Kunsthandel im 1. Bezirk in der Kärntnerstraße an. Sämtliche in der Nähe befindlichen Firmen liefen gegen das Vorhaben Wolfs Sturm, sodaß das Mag. Bezirksamt und die Korporation das Ansuchen ablehnten. Die Begründung der Branchenkollegen, die ein historisch interessantes Bild der Verhältnisse wiedergibt, lautete wie folgt:
Der Kunsthandel befindet sich bei der heute überaus schwierigen wirtschaftlichen Lage in einer besonders schweren Krise, weil sein Gedeihen vom Kunstsinne des Publikums in direkter Abhängigkeit ist und dieser einerseits aus den angeführten Gründen andererseits aber auch infolge der fortschreitenden Ernüchterung, die auch schon in Kreise des noch kaufkräftigen Publikums Eingang gefunden hat, nicht mehr jene Pflege findet, die dem Kunsthandel, wenn auch nur bescheidenes Gedeihen, sichern würde.
Künstlerische Graphik und Originale werden eben heute außerordentlich selten verkauft, worunter nicht nur der Kunsthandel, sondern auch die Künstler selbst schwer leiden.
Nicht zuletzt muß noch darauf hingewiesen werden, daß die heutigen Wohnungsverhältnisse und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Anschaffung eines Wandschmuckes nicht förderlich sind.
So haben auch die vor dem Kriege zahlreichen Sammler entweder ihre Sammlungen aufgelöst oder ihre Tätigkeit gänzlich eingestellt.
Eine Neugründung würde nun die bestehenden Betriebe durch Abziehen der wenigen Kundschaft auf das schwerste gefährden (…)[2]
Der Berufung Wolfs beim BMfHuV wurde am 20.10.1930 keine Folge gegeben.[3]
Ziemlich genau zwei Jahre später verstarb der Verlagsinhaber Artur Wolf am 16. Oktober 1932 plötzlich in Wien.[4] Nach Briefen Fritz von Herzmanovsky-Orlandos soll Wolf von einem Pferd gestürzt sein.[5] Wie dem auch sei, das Verlagsgeschäft kam nun praktisch zum Erliegen. Das Erscheinen der eben erst im Mai begonnenen Zeitschrift für Literatur, Bühne, Kunst und Wissenschaft Kultur wurde eingestellt. Die Produktion kam zum Erliegen nicht zuletzt, weil das Verlassenschaftsverfahren sich wie gewöhnlich in die Länge zog und die testamentarisch als Universalerbin eingesetzte Witwe, Frau Katharina Wolf (geschiedene Gräfin Attems), am 11. Dezember desselben Jahres einen Monat, nachdem sie ihr Testament aufgesetzt hatte, freiwillig aus dem Leben schied. Alleinerbe und nunmehriger Alleininhaber des Artur Wolf Verlages war der minderjährige Sohn aus erster Ehe, Christoph Ferdinand Graf Attems. Anfang Jänner 1933 wurde ein Rechtsanwalt Vertreter des Artur Wolf Verlags (handelsgerichtliche Eintragung), während eine langjährige Verlagsmitarbeiterin, Hermine Fellner, als Geschäftsführerin fungierte. In den folgenden Jahren – die Verlassenschaftsabhandlung war noch nicht beendet – wurde wegen einer Konzessionsübernahme mit verschiedenen Interessenten verhandelt. Am 10. Februar 1934 teilte der Artur Wolf Verlag der Korporation folgendes mit:
Wir haben eventuell jetzt Gelegenheit, unseren Verlag (Warenlager inkl. aller Urheberrechte etc.) zu verkaufen und ersuchen Sie höfl. uns wegen Übertragung der Konzession resp. Erwerbung einer neuen Konzession für den Käufer gegen Rücklegung unserer eigenen Konzession (Vlbh Arth. Wolf) behilflich zu sein und wären wir Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie das gelegentliche Ansuchen beim Wiener Magistrat entsprechend befürworten würden.
(…) [6]
Der „Reflektant“ war der ungarische Staatsbürger und langjähriger Verleger Benjamin Harz. Es vergingen Monate, bis die Korporation sich Anfang 1936 gegen eine Übertragung aussprach. Da es im Fall einer Genehmigung zu keiner Konzessionsvermehrung gekommen wäre und die bestehende Konzession den Ladenverkauf sowieso ausschloß, können nur branchenfremde Gründe ausschlaggebend gewesen sein. 1937 wurde die Konzession Wolfs zurückgelegt, und infolgedessen wurde der Artur Wolf Verlag am 12. Oktober 1937 aus dem Handelsregister gelöscht.
Verschiedene Indizien scheinen nun darauf hinzudeuten, daß die Lagerbestände des Artur Wolf Verlags verkauft wurden und von Händlern wie z.B. August Amonesta verramscht wurden.[7]
Die Produktion
Man liest in einem Lexikon deutschsprachiger Verlage aus dem Jahre 1930, daß der Artur Wolf Verlag seit der Gründung 1911 „etwa 200 Werke verlegt“ habe.[8] Worauf sich diese Angabe stützt, ist unklar. Im Rahmen dieser Arbeit wurde jedenfalls nicht einmal ein Viertel dieser Zahl nachgewiesen. Wie dem auch sei, die Werke des Artur Wolf Verlags stehen ganz allgemein unter der Devise „das schöne Buch“, analog dem Almanach vom schönen Buch, den der Verlag 1924 herausgab. Die Verlagswerke bis Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre waren im großen und ganzen bibliophiler Natur und mit wenigen Ausnahmen schön illustrierte Klassikerausgaben. Für mehrere Werke (z.B. Idyllen des klassischen Altertums, 1921) war der zeitweilige Direktor des Ilf- bzw. Rikola Verlags, Ernst Roenau, verantwortlich. In beschränkter Auflage erschienen Ausgaben von Voltaire, Heinrich Heine, Eduard Mörike, H. Chr. Andersen, Clemens Brentano, Ferdinand Raimund, E.T.A. Hoffmann, Edgar Allen Poe, Theophil Gautier, Alfred de Musset usw. Und sie erschienen eben als Luxusdrucke, in einer Zeit, wo eine Reihe anderer Verlage dabei war, preisgünstige Ausgaben für ein breites Publikum zu produzieren. Lebende Autoren blieben noch in dieser Phase der Verlagsproduktion in der Minderzahl. 1922 kam H.H. Ewers“ Die Herren der Kriege bei Wolf auf den Markt. 1926 erschienen dann zwei bibliophile Ausgaben von Emil Lucka (Die Jungfernprobe oder Merkwürdige Begebenheit von der Jungfrau Barbara Süzel und dem Henker Gieck in Meckmühl; Isolde Weisshand. Ein Roman aus alter Zeit). Der Verlag engagierte eine ganze Reihe von Künstlern, die für Buchschmuck, Einbandvignetten, Original-Holzschnitte, Original-Radierungen, Illustrationen usw. verantwortlich waren: Hugo Rényi, Christian L. Martin, Ernst Mandler, Stefan Eggeler, Eduard Gärtner, Alfred Hagel, Margarete Hammerschlag, Carl Pauer-Arlau, Rudolf Schott, Erich Schütz, Franz Wacik.
Ab etwa 1928, als der Buchmarkt von einer Stagnation erfaßt wurde, und bis 1932 verlagerte sich die Produktion des Artur Wolf Verlags auf „Gegenwartsliteratur“. 1928 stieß z.B. Fritz von Herzmanovsky-Orlando mit seiner ersten Buchveröffentlichung zum Verlag: Der Gaulschreck im Rosennetz. Eine skurrile Erzählung.[9] Ab 1929 erschienen bei Wolf folgende Publikationen in Kommission: Veroffentlichungen des Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums und Veröffentlichungen des Vereins Ernst Mach. Hg. vom Verein Ernst Mach.
1931 beginnen die Wolf-Bücher zu erscheinen, und hier ist neben den Werken völlig unbekannter Autoren auch ein Werk Theodor H. Mayers (Frau im Kampf vertreten. Im selben Jahr erscheint das erste (Die Lieder an Melitta) von zwei Werken des nationalen Autors Otto Emmerich Groh (Alexander. Der Roman des Eroberers, 1932). Zu den insgesamt sechs im letzten Verlagsjahr nachgewiesenen Erscheinungen zählte Faust. Roman der Gotik von Ernst Kratzmann. Ein Verlagsvorhaben, das durch den Tod Artur Wolfs gestoppt wurde, war eine ehrgeizige Literatur- und Kunstzeitschrift Die Kultur, die – manchen Beiträgern nach zu schließen – in ein nationales Fahrwasser steuerte. Das als Monatsschrift geplante Druckwerk hieß im Untertitel: Zeitschrift für Literatur, Bühne, Kunst und Wissenschaft und war „Sprachrohr des ,Klubs der Kunstfreunde“ Sektion der wirtschaftlich-kulturellen Gesellschaft in Wien“.
Der Umfang erhöhte sich von 24 auf 32 Seiten. Die Zeitschrift enthielt vornehmlich umfangreiche Kurzrezensionen und kleine Theaterberichte. Die redaktionelle Leitung der Zeitschrift lag ab Heft 2 in den Händen des illegalen Nationalsozialisten Otto Emmerich Groh. Zu den Beiträgern zählten u.a. Robert Hohlbaum, E. Meixner, Rud. v. Gareis, H. Röbbeling, E. Plischke, R.N. Coudenhove-Kalergi, R.A. Loederer, H. Eibl und Erwin Stranik. Die Kultur stellte ihr Erscheinen mit Heft 4 vom Oktober 1932 ein. Erwähnenswert sind noch zwei Werke von Emil Kläger, die noch 1918 im Artur Wolf Verlag erschienen, und zwar: Von Kleidern und Liebe und Legenden und Märchen unserer Zeit (Hrsg. E. Kläger). Der Band enthielt Originalbeiträge von Auernheimer, Busse, Busson, Csokor, Dehmel, Fulda, Ginzkey, Gelber, v. Kahlenberg, Kurz, Lagerlöf, W. v. Molo, Franz Molnár, Hans Müller, Alfons Petzold, Popper-Lynkeus, Rilke, Th. Rittner, Peter Rosegger, Felix Salten, Schnitzler, Schmidtbonn, Wildgans, Wohlbrück, Ernst Zahn und Stefan Zweig.
Anmerkungen
[1] Quellenhinweise: Handelsgericht Wien, Registerakt A 58,54 (WrStLa); Gremium/Wolf.
[2] Gremium/Wolf. Schreiben an die Bezirksvorstehung für den 1. Bezirk vom 15.5.1930.
[3] Gremium/Wolf. Bescheid BMfHuV, Zl. 130.694-13/1930.
[4] WrStLa. Sterberegister Wien. Totenprotokoll 25.674/32. Das Wort „plötzlich“ findet sich in einem Antrag des Erben an das Mag. Bezirksamt. (Gremium/Wolf).
[5] Hinweis von Frau Dr. S. Kirschl-Goldberg, Innsbruck.
[6] Gremium/Wolf.
[7] Nach einem Hinweis von S. Kirschl-Goldberg hat Amonesta z.B. HERZMANOVSKY-ORLANDOS Der Gaulschreck im Rosennetz, 1928 hei Wolf erschienen, verramscht. In einem Schreiben der RSK. Landesleitung Wien aus dem Juli 1941 auf eine urheberrechtliche Anfrage des amerikanischen Generalkonsuls in Wien heißt es z.B., daß „die Bücher dieses Verlages schon weit vor dem Umbruch verramscht worden“ seien. (Gremium/Wolf)
[8] Lexikon der deutschen Verlage. Leipzig: Verlag Curt Müller u. Co., 1930, S. 324 f.
[9] Über die Beziehung zwischen Artur Wolf und Herzmanovsky-Orlando sowie über die Geschichte der Drucklegung der ersten Buchveröffentlichung Herzmanovsky-Orlandos ist nun neuerdings ausführlich berichtet worden: FRITZ VON HERZMANOVSKY-ORLANDO, Österreichische Trilogie 1/ Der Gaulschreck im Rosennetz. Roman. Hg. und kommentiert von Susanna Kirschl-Goldberg. Salzburg: Residenz Verlag, 1983 (= Sämtliche Werke in zehn Bänden. Texte. Briefe. Dokumente. Hg. im Auftrag des Forschungsinstituts „Brenner-Archiv“ unter der Leitung von Walter Methlagl und Wendelin Schmidt-Dengler, Band 1). Wie es ebendort heißt (S. 181), wurde für die broschierte Restauflage bei Amonesta (s. Anm. 7) der Titel Der letzte Hofzwerg. Ein Roman aus dem alten Wien gewählt.
Ergänzungen zur Buchveröffentlichung von 1985
Biographisches
Artur Wolf war nicht nur ein stadtbekannter, leidenschaftlicher Verleger und Sammler, er war auch passionierter Reiter. Das dürfte ihm zum Verhängnis geworden sein, wie die Wiener Tageszeitungen anlässlich seines unerwarteten Todes berichteten. Am Sonntagvormittag, dem 16. Oktober 1932, stürzte der 45jährige Verleger bei einem Spazierritt im Prater vermutlich infolge eines Herzschlages plötzlich vom Pferd und verschied wenige Minuten später. Der herbeigerufene Notarzt konnte ihn nicht wiederbeleben. Ein paar Monate später berichteten die Zeitungen über einen weiteren Tod, den von Wolfs 35-jähriger Witwe Käthe. Sie „hat Sonntag nachmittag [11. Dezember 1932] aus Verzweiflung über den Tod ihres Gatten in ihrer Wohnung [in der Seilerstätte 1] Selbstmord durch Einatmen von Leuchtgas begangen“ (Das Kleine Blatt, 12. Dezember 1932, S. 2). Seit dem Tod ihres Mannes wäre sie melancholisch gewesen und dürfte, wie die Zeitungen mutmaßten, „die Tat in einem Anfall von Schwermut vollführt haben“ (Kleine Volks-Zeitung, 12. Dezember 1932, S. 2). Am 16. Dezember wurde sie in der Feuerhalle Simmering bestattet.
Illustrationen