Verlagsanstalt Dr. Zahn und Dr. Diamant (Wien-Leipzig)
Die Verlagsanstalt Dr. Zahn und Dr. Diamant wurde, wie der Firmawortlaut suggeriert, von zwei Personen, dem Kunsthistoriker Dr. Leopold Zahn und dem Privaten Dr. Paul Diamant, gegründet. Der am 8. Juli 1890 in Wien geborene Leopold Zahn war verantwortlicher Geschäftsführer des Verlags und sein Kompagnon Dr. Paul Diamant womöglich nur Mitfinanzierer. Am 6. Juni 1926 wurde eine offene Gesellschaft zum Zweck des Betriebs des Verlagsgeschäfts errichtet. Die neue Verlagsfirma wurde sodann am 13. Juli 1926 unter Reg. A, Band 62, pagina 244a ins Wiener Handelsregister eingetragen. Der Sitz der Gesellschaft war der Wohnort des Dr. Diamant in Wien 18., Messerschmidtgasse 48. Leopold Zahn erhielt die Konzession zur Führung eines Verlags mit Ausschluß des offenen Ladengeschäfts am 5. November 1926. Die Programmrichtung war der Verlag geisteswissenschaftlicher und belletristischer Werke.
Das Verlagsgeschäft dauerte aber bloß zwei Jahre, denn der Verleger und Kunsthistoriker Leopold Zahn meldete sich Anfang November 1927 nach Berlin ab, und, obwohl er zwischendurch in Wien gewesen sein muß, hielt er sich nach dem „Anschluß“ wiederum in Berlin auf. Dr. Paul Diamant hingegen meldete sich im November 1938 ins Ausland ab. Die Konzession für den Verlag war allerdings schon im Jahre 1930 zurückgenommen worden, und da beide Verlagsinhaber nicht mehr aufzufinden waren, wurde die Firma „Verlagsanstalt Dr. Zahn und Dr. Diamant“ am 29. Mai 1942 aus dem Handelsregister gelöscht.[1]
Von der Produktion her gesehen, war dieses Unternehmen einer der zahlreichen Kleinstverlage der Ersten Republik. Nachgewiesen werden konnten in den zwei Jahren 1926 und 1927 lediglich acht Titel. Im Gründungsjahr 1926 wurde eine Österreich-Reihe ins Leben gerufen, in der zwei Bücher erschienen. Der Justizschriftsteller und prominente Rechtsanwalt Dr. Walther Rode schrieb Österreichs fröhliche Agonie. Streitschriften und Pamphlete (Band 1), und Paris Gütersloh verfaßte die Bekenntnisse eines modernen Malers, ein Werk, das wahrscheinlich 1924 im kurzlebigen Atlantischen Verlag von Robert Müller hätte erscheinen sollen.[2]
Neben den zwei Gesellschaftern Zahn und Diamant war der Lyriker, Publizist und Übersetzer Josef Kalmer (1898-1959) mit dem Verlag besonders eng verbunden. Im zweiten Geschäftsjahr (1927) begann der Verlag eine neue Reihe: Weltanthologie des XX Jahrhunderts, deren erster und allerdings einziger Band den Titel Europäische Lyrik der Gegenwart 1900-1925. In Nachdichtungen von Josef Kalmer trug.
Trotz seiner Jugend war Kalmer ähnlich Leo Schidrowitz in den ersten Jahren der Republik im österreichischen Verlagswesen sehr aktiv. Im Alter von 22 Jahren übersetzte und edierte Kalmer die Reihe Phalanx im Verlag der Wiener Graphischen Werkstätte. 1921 war er bereits verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift „Ver!“ (s. „Verlag des Ver!“), als sie von Karl Kocmata übernommen wurde.[3] Von Kalmer stammt ein weiteres Werk dieses Verlags, nämlich der Gedichtband Flug durch die Landschaft aus dem Jahre 1927. Im selben Jahr begann der Verlag eine deutsche Werkausgabe von William Prescott Werke in deutscher Sprache, brachte sie allerdings nur auf zwei Bände, weiters erschienen Die Lüge im Strafrecht von Hugo Sperber und Paul Wengrafs Amerika, Europa, Russland.
Die Produktion von bloß acht Verlagswerken innerhalb der zwei Geschäftsjahre läßt schließen, daß das Unternehmen für die beiden Inhaber unrentabel war. Auffallend war auf jeden Fall das Verlagssignet, das eine stilisierte Vogelgestalt darstellt. Wer es entwarf, ist nicht bekannt.
Anmerkungen
[1] Als Quellenmaterial zu diesem Verlag dienten: Handelsgericht Wien. Registerakt Reg. A, Band 62, pagina 244a sowie Akt Verlagsanstalt Zahn und Diamant der Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler (Gremium). Der 36jährige Dr. Leopold Zahn machte sich mit dieser Neugründung gewissermaßen selbständig: Er war nämlich bis zu diesem Zeitpunkt Angestellter des Burgverlags Adolf Schmieger, der im April 1926 wegen hoher Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit beim Handelsgericht Wien den Ausgleich anmelden mußte. Zumal es mangels Aktiven unmöglich war, den Ausgleich zu erfüllen, wurde im Oktober desselben Jahres der Konkurs über diese Verlagsfirma eröffnet. Zahn trat in beiden Verfahren als Gläubiger auf. (Siehe den Abschnitt über den Burgverlag) Zahn, der zuletzt Herausgeber der Zeitschrift Das Kunstwerk war, starb am 28.4.1970.
[2] Paris Gütersloh, Große und kleine Geschichte. Eine Lebensbeschreibung quasi un“allegoria.
[3] Näheres über Kalmer siehe: WZ, 11.7.1959, S. 7; Neues Österreich, 17.8.1958, S. 11 sowie ebenda, 10.7.1959, S. 7. Was Übersetzungen anlangt, so hat Kalmer aus 33 Sprachen übersetzt, bes. aus nordslawischen und romanischen Sprachen, aus dem Chinesischen, dem Bengali, Marathi, Hindi und Urdu.
Ergänzungen zur Buchveröffentlichung von 1985
- Dr. Paul Diamant, geb. 12. Februar 1887 in Wien, starb 1966 in Jerusalem. Sein Nachlass findet sich in den Central Archives for the History of the Jewish People Jerusalem. Dr. Leopold Zahn starb am 28. April 1970 in Baden-Baden, Deutschland.
- Das Umschlagbild für Josef Kalmers Europäische Lyrik der Gegenwart 1900–1925 stammt von Fred (Frederic) Taubes, das für Paul Wengrafs Amerika, Europa, Russland von Julius Klinger. Peter Ebner, dem ich diese Hinweise verdanke, konnte zwei weitere Verlagswerke nachweisen: Moshe Liwschitz: Das gerupfte Huhn. Eine Komödie in drei Akten. Übers. von Paul J. Diamant. Ohne Jahr. (ÖNB) sowie Selig E. Soskin: Kolonisationsrevisionismus (1927) (DNB Leipzig).