Paul Zsolnay Verlag

Paul Zsolnay Verlag (Wien-Berlin-Leipzig)

Der Weg, den der am 12. Juni 1895 in Budapest als Sohn eines Honorar-General-Konsuls geborene Paul (von) Zsolnay vom erfolgreichen Blumenzüchter bis zum erfolgreichen Verleger beschritt, scheint auf den ersten Blick atypisch zu sein. Dennoch prägte der Typus des Neo-Verlegers, wie es Zsolnay war, d.h. einer, der nicht im Buchhandel bzw. im Verlagswesen ausgebildet worden war und daher einen Konzessionsinhaber brauchte, die Entwicklung der umgeackerten Verlagslandschaft in Österreich gerade in den Nachkriegsjahren. Zsolnay bildet aber in vielen Belangen eine Ausnahme. Während heute aus dem deutschen Verlagswesen des 20. Jahrhunderts mehrere „Verlegerpersönlichkeiten“, wie z.B. Kurt Wolff, Erich Reiß, S. Fischer, Ernst Rowohlt und Anton Kippenberg vom Insel-Verlag bekannt sind, scheint nur Paul Zsolnay für Österreich nicht der Vergessenheit anheimgefallen zu sein.

Paul Zsolnay Signet

Was den Paul Zsolnay Verlag von anderen nach Ausrufung der Republik neugegründeten Verlagen unterschied – ganz abgesehen von der Langlebigkeit, die er u.a. mit dem E.P. Tal & Co. Verlag gemeinsam hatte – war das planvolle Heranziehen von „Verlagsautoren“, deren sichtbarstes Zeichen die Herausgabe von „Gesammelten Werken in Einzelausgaben“ war. In Deutschland gab es „Fischer-Autoren“, „Rowohlt-Autoren“ usw., in Österreich hingegen praktisch nichts dergleichen. Dies hängt freilich damit zusammen, daß entsprechend konzipierte Verlage, die einen „Stall“ hätten entwickeln können, im Endeffekt „Totgeburten“ waren. Man denke an den Rikola Verlag oder an die Wila. Die etablierten österreichischen Autoren, die von Zeit zu Zeit ein Werk in einem heimischen Verlag erscheinen ließen, waren eher „Fremdgänger“ denn „Verlagsautoren“. Die Verlage boten den Autoren in der Regel keine geistige Heimat. Das Geschäftliche scheint außerdem das Immaterielle überwogen zu haben.

Vom persönlichen Einsatz abgesehen, sind mehrere Faktoren für den Erfolg des Paul Zsolnay Verlags mitbestimmend gewesen. Wesentlich war z.B. der Zeitpunkt der Gründung in Wien, die schon 1923 vorbereitet wurde und im Frühjahr 1924 erste Früchte trug. Während erfolgversprechende österreichische belletristische Verlage an den Folgen der Inflation und Expansion laborierten und bereits auf dem Totenbett lagen, nützte Zsolnay die Gunst der Zeit, die nun geordnete wirtschaftliche Verhältnisse versprach. der Inflation und Expansion laborierten und bereits auf dem Totenbett lagen, nützte Zsolnay die Gunst der Zeit, die nun geordnete wirtschaftliche Verhältnisse versprach. Entscheidend war auch die Kapitalsbasis seiner neuen Firma, die bewußt klein begann und somit Fehler anderer vermied. Aber wie andere Verlagsschicksale zeigen, brauchte man mehr als nur viel Geld – um zu bestehen. Zsolnay profitierte – was seine späteren „Verlagsautoren“ betrifft – von den Auswirkungen der Inflation in Deutschland. Der besondere „Geburtshelfer“ war der Kurt Wolff Verlag in Deutschland. Die wirtschaftliche Ausnahmesituation dort brachte es mit sich, daß die Inflation Einkünfte aus dem schleppenden Verkauf von Verlagswerken wegfraß und daß ein Autor in Deutschland vom Erlös seiner Bücher nicht mehr leben konnte. Der Verleger Kurt Wolff, der nicht wenige auflagenstarke Autoren unter Vertrag hatte, konnte einem Autor nicht die finanziellen Vorteile bieten, die ein Neo-Verleger im Ausland bot.[1] Diesem Umstand ist es zu verdanken, daß Paul Zsolnay, beginnend mit Franz Werfel, gezielt einen „Stall“ aufbaute.[2] Von Wolff wurden in der Folge noch Heinrich Mann[3], Max Brod, H.G. Wells u.a. übernommen. Mit diesem Grundstock, zu dem noch weitere Autoren kamen, war die Aufwärtsentwicklung des Verlags gesichert.

Wie der Landwirt Zsolnay zum Verleger wurde, hat er selber u.a. 1928 geschildert. Für einen rein praktischen Beruf bestimmt, war er nach Absolvierung der Hochschule für Bodenkultur einige Jahre mit der Leitung seines landwirtschaftlichen Betriebes bei Preßburg beschäftigt:

Ich nahm mein Amt als Landwirt durchaus ernst und hatte die Freude, meine Arbeit mit Erfolg belohnt zu sehen. So gelang es mir z.B., meine kleine Schloß-Gärtnerei zur größten Blumenzüchterei der Tschechoslowakei auszugestalten.[4]

Nach jenem „fruchtbaren Augenblick“, der ihn zu seinem verlegerischen Beruf innerlich bestimmt habe, gefragt, meinte Zsolnay, es sei „ein langwieriger Prozeß“, der in ihm „aus der passiven Leidenschaft des Bewunderers literarischer Kunstwerke den Wunsch nach aktiver verlegerischer Tätigkeit entwickelt hat“. „Viele glückliche Umstände“ vertieften seine starke Neigung zu literarischer Betätigung, in erster Linie „der Verkehr mit schöpferischen Menschen“ und die leidenschaftliche Liebe zu Büchern.

Die Übereinstimmung in literarischen Problemen, die ich bei häufigen Diskussionen mit Dichtern und Schriftstellern in mir erkennen konnte, die Tatsache, daß ich einzelnen von ihnen als Berater oft zur Seite stehen durfte, ließ in mir allmählich den Gedanken Gestalt gewinnen, mich in Zukunft nicht nur beratend zu verhalten, sondern mich mittätig mit voller Verantwortung für sie und ihre Werke einzusetzen.
(…)
Sie wiesen mir mit zwingender Notwendigkeit endgültig den Weg zur Tat. Nun schien mir der äußere Augenblick gekommen, mich auf einem Gebiete zu betätigen, betätigen zu müssen, das meinen wahren Neigungen am allernächsten lag, und ich schritt, gestützt auf das Vertrauen meiner Freunde, die mir ihre neuen Werke anvertrauen wollten, nach reiflichster Überlegung zur Vorbereitung der Verlagsgründung. Um diese Zeit hatte Franz Werfel eben seinen Verdi-Roman vollendet und als er meine Bitte, mir sein neues Werk anzuvertrauen, erfüllte, war ich tief beglückt, mit der Herausgabe dieses Romanes meine verlegerische Tätigkeit beginnen zu können.

Der Bericht Alma Mahler-Werfels steht zu den Äußerungen Zsolnays nicht in Widerspruch. In Mein Leben notiert sie zu 1923:

Der Zsolnay-Verlag kam auf folgende Art zustande:
Paul von Zsolnay, der mit meiner Mutter und deren Mann befreundet war, übertrug bald diese Freundschaft auf Franz Werfel und mich. Es war die Zeit der Inflation, und ich beklagte mich bei ihm, daß alle Tantiemen, die ich im Laufe eines Jahres aus den Werken Gustav Mahlers zu bekommen hatte, vollkommen wertlos geworden seien, wenn ich sie endlich bekam. Er fand das unerhört und kam von da aus auf Verlagsdinge zu sprechen. Er wußte, daß Franz Werfel einen Roman geschrieben hatte, den er aber kontraktmäßig an den Verleger Kurt Wolff abliefern mußte. Plötzlich kam Zsolnay auf die Idee: „Wenn du mir den Verdi-Roman von Franz Werfel bringen könntest, baue ich auf diesem Buch einen Verlag auf.“
Und so geschah es. Kurt Wolff wurde überredet, und Zsolnays Verlag begann mit dem ,Verdi“.
(…)[5]

Werfels schon 1920 dem Kurt Wolff Verlag versprochener Roman war zugleich ein „Programm“. Am 4. April 1924 erschien die erste Anzeige Zsolnays von dem „soeben erschienenen“ Roman einer Oper[6] in zwei Ausgaben: einer broschierten, auf holzfreiem Papier gedruckten, und einem „vornehmen Halbleinenband“.

Erst am 6. Mai 1924 wurde die Firma Paul Zsolnay Verlag mit Hauptniederlassung Wien und Betriebsgegenstand „Buchhandel“ in ihrer ersten Rechtsform unter Register A, Band 21, pagina 50a ins Wiener Handelsregister eingetragen.[7] Neben Zsolnay als Inhaber scheint Felix Kostia-Costa als Einzelprokurist auf. Costa, der früher beim kurzlebigen Ilf-Verlag tätig gewesen war, legte seine Konzession zugunsten Paul Zsolnay zurück. Sitz des Verlags in Wien war zunächst 5., Castelligasse 17 und in Berlin: SW 68, Lindenstraße 18/19. Im Februar 1926 übersiedelte die Direktion ins eigene Verlagshaus in Wien 4., Prinz-Eugen-Straße 30 (Castiglioni-Palais). Bis Mitte April ds.J. befand sich die Wiener Auslieferung in 1., Teinfaltstraße 3.

Etwas mehr als ein Jahr nach der handelsgerichtlichen Eintragung des „Paul Zsolnay Verlags“ kam es in der Rechtspersönlichkeit der Firma zu einer Änderung. Mit Gesellschaftsvertrag vom 14. August 1925 wurde die „Paul Zsolnay Verlag Ges.m.b.H.“ errichtet und unter Register C, Band 27, pagina 92 ins Wiener Handelsregister eingetragen. Das Stammkapital von S 20.000 wurde von Zsolnay (16.000) und Felix Kostia-Costa (4.000) aufgebracht. Beide zeichneten als Geschäftsführer. Mitte Oktober wurde Stefan Halasz als Prokurist eingetragen. Der Betriebsgegenstand wurde etwas erweitert:

1. Die Erwerbung des dzt. von Herrn Paul Zsolnay unter der protokollierten Firma betriebenen „Paul Zsolnay Verlag“ Buchhandels mit dem Sitze: Wien I., Teinfaltstraße 3 und der gewerbsmäßige Weiterbetrieb dieses Unternehmens.
2. Der Buch-, Kunst- und Musikalienhandel mit Einschluß des Verlagsgeschäftes.

Auf Grund eines Beschlusses der Generalversammlung vom 23.12.1926 kam noch „Der Verlag und Vertrieb von Bühnenwerken“ hinzu (eingetragen: 7.1.1927). Sodann wurde die erste Firma Paul Zsolnay infolge Gewerberücklegung am 31. Dezember 1925 aus dem Handelsregister gelöscht. Die Rechtsform einer Ges.m.b.H. wurde bis 15.12.1930 beibehalten. Auf diese folgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft.

Die literarischen Bestrebungen des Paul Zsolnay Verlags in den ersten 2-3 Jahren waren besonders durch die drei Namen Franz Werfel, Heinrich Mann und John Galsworthy gekennzeichnet. In Zsolnay – zumindest in den ersten zehn Jahren, wenn nicht auch bis 1938 – einen Förderer und Entdecker heimischer Literatur erblicken zu wollen, scheint nicht gerechtfertigt und widerspricht außerdem der Philosophie des Verlagsgründers. Der Paul Zsolnay Verlag war eher als „international“ zu bezeichnen, selbst angesichts der Tatsache, daß er über die Jahre, verstärkt ab 1934, viele Österreicher verlegte und in den Anfangsphasen etwa Egmont Colerus, Paul Frischauer und Walther Eidlitz forcierte.

Als ein Journalist des Prager Tagblatts, Leopold Thaler, Zsolnay zwecks eines Interviews im Frühjahr 1926 in seinen feudalen Gemächern aufsuchte, konstatierte der Zeitungsmann eingangs:

Alte Möbel und weiche Teppiche. Weniger ein Verlagsbureau, eher Diplomatenappartement. Große Ausländer (Galsworthy, Baring, Anet, Berence, Tschechow) herrschen vor: sozusagen ein Literaturministerium für Äußeres …[8]

Als Zsolnay zu seinem ersten Buch, nämlich Werfels Verdi, gefragt wird, meint Zsolnay, es sei ein „Programm“.

„Es ist ein positives Buch. Kein Bluff.“ Und nun geht es über den Bluff her. Das Alpha und Omega des Verlagsprogrammes von Zsolnay ist der Kampf gegen Bluff; nur wirklich wertvolle Bücher, deren innerer Wert den Erfolg sichert, gibt und will in der Zukunft der Zsolnay-Verlag herausgeben. „Wenn wir auch ein Buch bekämen, das einen sicheren Publikumserfolg verspricht, in Wirklichkeit aber nur zeitbedingte Marke ist, wir würden das Buch nicht bringen,“ so ungefähr sagt Herr von Zsolnay. Und man kann ihm glauben; sowohl die bisherigen Leistungen des Verlages, als auch die Persönlichkeit des Verlegers bieten hiefür Gewähr. (ebda.)

Gegen Neues verschloß sich Zsolnay nicht, doch sei er ein „Feind der Schablone“:

Wie es manche Verleger glauben, schaffen zu können: sechs neue Genies jährlich entdecken, das macht er nicht mit. Nur aus Ehrgeiz und Prinzip entdecken ist nicht sein Metier. Wie viele haben denn von den Neuentdeckten nach einigen Jahren noch Bedeutung? „Von dreißig drei,“ erlaube ich mir einzuwerfen. „Ein zu großer Prozentsatz!“ rufen Herr von Zsolnay und Direktor Costa gleichzeitig aus. Deutsche Verleger haben in den letzten Jahren überhaupt keinen neuen bedeutenden Dichter entdeckt. Im Zsolnay-Verlag kamen doch manche Jungen zum Wort. (ebda.)

Der große Wurf des Verlags der ersten zwei Jahre hieß aber John Galsworthy:

Der Stolz des Zsolnay-Verlages – und das mit vollem Recht – ist die Entdeckung Galsworthys für Deutschland und – was das Wichtigste ist – seine Durchsetzung. Galsworthy konnte in Deutschland lange Zeit hindurch – seine Werke erschienen bei Bruno Cassirer – kaum festen Fuß fassen; jetzt sind seine Romane und Dramen ein ganz großer, entschiedener Erfolg geworden. (ebda.)

Der Zsolnay Verlag behielt die Rechte auf die Werke Galsworthys, von denen die Forsyte Saga besonders erfolgreich war, bis in die Gegenwart. Der finanzielle Erfolg des Verlags war freilich auch mit anderen Namen verbunden. So kamen die Werke Heinrich Manns hinzu, u.a. die achtbändige Ausgabe der früheren Romane, sowie die Gesammelten Werke von Max Brod und Felix Salten, gefolgt von H.G. Wells, Pearl S. Buck (ab 1933), Sinclair Lewis, Theodore Dreiser, um gerade die erfolgreichsten zu nennen. Um der Gefahr, das Wort „erfolgreich“ zu sehr zu strapazieren, auszuweichen, soll im folgenden ein Aufsatz Paul Zsolnays zitiert werden, in dem er „Zur Psychologie des Verlegererfolges“ nach 5jähriger Tätigkeit Stellung nimmt. Die Ausführungen sind vor allem deshalb interessant, weil es sich in der Überschrift ausdrücklich um Verlegererfolg, also um Persönliches, und nicht um Verlagserfolg, also Materielles, handelt. Zu fragen wäre, ob andere zeitgenössische Verleger in Österreich solche Überlegungen anstellten.

ZUR PSYCHOLOGIE DES VERLEGERERFOLGES.
Von Paul Zsolnay.
Welchen literarischen Verleger wird man einen erfolgreichen Verleger nennen? Meiner Ansicht nach den Verleger, der die größten Bucherfolge aufzuweisen und der durch sein bisheriges Wirken den Beweis erbracht hat, daß er es versteht, die Erfolgselemente, die den ihm anvertrauten Büchern innewohnen, zur vollen Auswirkung gelangen zu lassen, wodurch er jedes von ihm edierte Buch zu dem jeweilig größtmöglichen Erfolg führt. Wovon nun scheint mir der Erfolg des Verlegers abhängig und welche Mittel zur vollen Ausschöpfung eines solchen sind ihm gegeben? Jener Verleger wird wohl die meisten großen Bucherfolge zu verzeichnen haben, der das geistige Bedürfnis des besten Leserkreises, den zu gewinnen er von Haus aus bestrebt sein soll, feststellt und Bücher herausgibt, die eben diesem geistigen Bedürfnis am meisten Rechnung tragen. Diese Feststellung und auf Grund ihrer die Auswahl zu treffen, ist natürlich das Allerschwierigste, besonders wenn der Verleger dabei von dem richtigen Standpunkt ausgeht, daß er auch ein Buch trotz klar zutage tretenden Erfolgsmöglichkeiten nicht bringen würde, wenn es ihm eben nicht in den Rahmen seines literarischen Programmes paßt. Er wird natürlich die Auswahl um so leichter und glücklicher treffen können, je größer das Angebot ist, das an ihn herantritt. Und jetzt sind wir, glaube ich, bei einem der wesentlichen Punkte unserer Betrachtung angelangt: dem Manuskriptanbot. Dieses Anbot wird von dem Vertrauen abhängen, das die Autoren in den Verleger setzen.
Der Autor darf vom Verleger verlangen:
1. Verständnis für seine dichterischen Absichten.
2. Leidenschaftliche Hingabe an sein Werk.
3. Würdige und wirkungsvolle Ausstattung.
4. Eine ausgezeichnete und weitverzweigte Organisation des Vertriebs und eine Propaganda-Apparat, der es versteht, geschmackvolle und doch wirksame Propaganda zu betreiben.
5. Absolute kaufmännische Korrektheit (dem Autor als Geschäftsfremden doppelt wichtig).
Nur wenn ein Verleger alle diese berechtigten Ansprüche vollkommen erfüllt und darüber hinaus sein wärmstes persönliches Interesse und seine vollste innere Bereitwilligkeit dem ihm anvertrauten Werk entgegenbringt, wenn er es nicht als ein Objekt geschäftlichen Profits, sondern als ein Dokument dichterischer Schöpfungskraft betrachtet, das der Allgemeinheit zu vermitteln ihm höchste Aufgabe darstellt, nur dann besteht die wichtigste Voraussetzung für einen erfolgreichen Verleger: das Vertrauen der Autoren. Nur ein Verleger, der sich dieses Vertrauen zu erwerben verstand und es sich auch erhalten kann, wird auf die Dauer Erfolg haben können.
Nehme ich nun das Vertrauen der Autoren als gegeben an und damit das große Anbot, dann hat der Verleger auf Grund dieses großen Angebotes die Möglichkeit, die besten Bücher bringen zu können. Wenn der Verleger nun mit Verständnis und Tatkraft die Herausgabe dieser Bücher bewerkstelligt, wird es ihm allmählich gelingen, auch das Vertrauen der Leser zu erwerben. Als kulturellen Bundesgenossen wird der Verleger die Kritik an seiner Seite haben, wenn er seinen hochgesteckten Zielen treu bleibt. Das ehrgeizige Streben des Verlegers muß nun darauf gerichtet sein, den Namen seines Verlages zu einer Marke zu machen, die eine so suggestive Kraft auf das Publikum ausübt, daß dieses, ohne eine Enttäuschung fürchten zu müssen, zu den Publikationen des betreffenden Verlegers greift; dies ist besonders für junge, noch nicht durchgesetzte Autoren von größter Wichtigkeit.
Zwischen Publikum und Verlag schaltet sich die werktätige Mitarbeit des Sortimentsbuchhandels ein, dem es traditionell obliegt, das Publikum bei seiner Auswahl zu beraten. Da aber der Buchhändler bei der Überfülle von Neuerscheinungen trotz bestem Bemühen nicht immer die physische Möglichkeit hat, alle Bücher genau zu lesen, muß auch er die Gewißheit allmählich erlangen, daß ein Verlag nur gute und wertvolle Bücher publiziert, daß er also die Bücher dieses Verlages seinen Kunden mit gutem Gewissen empfehlen kann.
Der Verleger aber darf sich nicht damit begnügen, die bestmögliche Auswahl getroffen zu haben, er muß diese auch durch eine Propaganda unterstützen, die im Publikum keine falschen Erwartungen erweckt; als Reaktion einer falschen Propaganda stellen sich Enttäuschung und Verärgerung ein. Damit soll natürlich nicht gesagt werden, daß der Verleger sich bei der Propagierung seiner Verlagswerke kühler Zurückhaltung befleißen soll. Im Gegenteil, er soll alle Vorzüge des Werkes voll auf sich einwirken lassen, er hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, diese Vorzüge dem Publikum auf das Sinnfälligste vor Augen zu führen. In einer aufrichtigen und begeisterungsvollen Propaganda muß er eine seiner wesentlichen Aufgaben erblicken.[9]

1933/34 mußte Paul Zsolnay wegen „höherer Gewalt“ einige der würdigen Prinzipien fallen lassen.

Einige Verlagsautoren, die sowohl zum Ruhm wie auch zum finanziellen Erfolg des Paul Zsolnay Verlags beitrugen sind bereits genannt worden. Es würde hier zu weit führen, wollte man nun die Namen aller Zsolnay-Autoren anführen. Neben den noch zu nennenden „nationalen“ Autoren der 30er Jahre seien u.a. folgende genannt. (Die Jahreszahl(en) in Klammer bezieht (beziehen) sich auf die erste und die letzte Publikation im Zsolnay Verlag vor 1945. Bindestrich zwischen den Jahreszahlen bedeutet, daß mehr als zwei Werke erschienen sind.)

Claude Anet (1924, 1931); Schalom Asch (1929-1932) Raoul Auernheimer (1932); Béla Balász (1925); Henri Barbusse (1930, 1932); Jean Richard Bloch (1929-1933); Felix Braun (1936); Colette (1927-1931); A.J. Cronin (1932-1944); Fr. Th. Csokor (1929-1936); Theodore Dreiser (1927-1932); Roger Martin Du Gard (1928-1930); Erich Ebermayer (1931-1944); Kasimir Edschmid (1927-1941); O.M. Fontana (1936); Johannes Freumbichler (1937, 1938); F.K. Ginzkey (1934-1944); Stefan Großmann (1928, 1931); Jakob Haringer (1928, 1930); Méla Hartwig (1928, 1929); Daniel Henderson (1937, 1938); Rudolf Henz (1937); Alma Holgersen (1937-1944); Heinrich Eduard Jacob (1931-1932); Storm Jameson (1934); Oskar Jellinek (1926-1933); Hans Kaltneker (1924-1929), Theodor Kramer, (1931); Erich Landgrebe (1936-1944); Leonid Leonow (1926-1930); Rudolf List (1935, 1936), Friedrich Lorenz (1936-1942); Ernst Lothar (1929-1935); Emil Ludwig (1931, 1932); Alice Lyttkens (1935-1937); Martin Maurice (1929-1932); Robert Michel (1934-1937); Wilhelm Moberg (1935-1938); Franz Molnár (1927-1933); Walter v. Molo (1928-1930); Benito Mussolini (1932-1933); Hans Natonek (1929-1932); Hans Nüchtern (1933-1937); Hermann Heinz Ortner (1929-1940); Hertha Pauli (1936); Leo Perutz (1933); Paula v. Preradovic (1933); Julius Pupp (1935-1936); Erwin H. Rainalter (1935-1944); Alexander Roda Roda (1932-1934); Karl Röttger (1933-1938); Felix Salten (1924-1935); Jakob Schaffner (1931-1942); Leon Schalit (1928-1932); Ernst Scheibelreiter (1934-1944); Arthur Schnitzler (1924-1928); Friedrich Schreyvogl (1928-1943); Robert Seitz (1934-1944); Sil-Vara (1932); Hermann Sinsheimer (1932-1933); Hugo Sonnenschein-Sonka (1930); Erika Spann-Rheinsch (1936); Hilde Spiel (1933); Franz Spunda (1934-1944); Carl Sternheim (1926-1928); Albert von Streerbach (1936-1939); Eduard Stucken (1933-1942); Frank Thieß (1932-1943); Andreas Thom (1930-1938); Friedrich Torberg (1930-1932); Anton Tschechow (1925-1940); Grete Urbanitzky (1931 – 1939); Daniele Varè (1936-1944); Ernst Weiß (1931); Josef Wenter (1936-1938); Viktor Wittner (1929); Lajos Zilahy (1936-1940).

In den 15 Produktionsjahren zwischen 1924 und 1938 hat der Paul Zsolnay Verlag mehr Werke herausgegeben und größere Umsätze erzielt als jeder andere belletristische Verlag in Österreich. Anhand der folgenden Tabelle soll die Entwicklung der Produktion des Zsolnay-Verlags gezeigt werden, wobei hier vor allem der Verlauf der Entwicklung verdeutlicht werden soll. Die Tabelle liegt einer Zusammenstellung von mehr als 650 Titeln zugrunde. Veröffentlichungen des Berner bzw. Zürcher Ablegers finden keine Berücksichtigung, desgleichen Werke, die Zsolnay von anderen Verlagen übernahm (Brod, Mann, Werfel etc.), und Neu- und Titelauflagen. 1924: 18 (Neuerscheinungen), 1925: 21, 1926: 23, 1927: 26, 1928: 44, 1929: 47, 1930: 66, 1931: 46, 1932: 60,1933: 52, 1934: 33, 1935: 43,1936: 64, 1937: 56, 1938: 53.[10]

Der Paul Zsolnay Verlag in den 30er Jahren

Die Wandlung des Paul Zsolnay Verlags 1934 in einen „nationalen“ Verlag ist eine überaus komplexe, aber als Stück österreichischer Literaturgeschichte der 30er Jahre höchst aufschlußreiche Materie. Aufgrund der relativen Materialfülle, die zur Verfügung steht, und der Komplexität muß der „Fall Zsolnay“ von mehreren Seiten zugleich beleuchtet werden.

Als aber der Verlag das zehnte Jahr erreicht hatte, 1933, kam die erste Erschütterung seines Lebens, aus der ihn nur Ihre Besonnenheit rettete. Fünf schwere Jahre folgten – für Sie wohl die schwersten Ihres Lebens. Der Boykott Ihrer, unserer, Bücher in Deutschland vollendete sich täglich mehr, und doch konnten Sie nicht einfach aufgeben, was Sie sich und uns geschaffen. So waren Kompromisse die Folgen, ein Tasten und Lavieren und immer wieder Hoffen, das Wunder werde geschehen und das kleine Österreich werde neben der Schweiz die zweite Insel der Freiheit auf dem Kontinent bleiben. Es sollte anders kommen (…).[11]

In den „Autorenbriefen zum 25jährigen Bestand des Verlages“ im Jahre 1948 kommt der soeben zitierte Zsolnay-Verlagsautor Erich Ebermayer als einziger auf die Ereignisse der 30er Jahre in dieser Form zu sprechen. Für die anderen Vertretenen war es, als ob nichts gewesen wäre. Der Paul Zsolnay Verlag hatte einen Ruf als internationaler Verlag, obwohl nahezu 70% der Gesamtproduktion in das Deutsche Reich geliefert wurden. Wie Ebermayer andeutet, trat eine Krise ein, die ohne weiteres zur Aufgabe des Verlags hätte führen können. Als der Paul Zsolnay Verlag 1930 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden sollte, standen alle Zeichen auf Expansion, denn trotz der wirtschaftlich schwierigen Zeiten gerade Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre schloß der Zsolnay Verlag Ges.m.b.H. sowohl 1928 als auch 1929 mit einem Gewinn ab, während andere österreichische Verleger zu dieser Zeit – sollten sie überlebt haben – von der Hand in den Mund lebten.[12] Obwohl Zsolnay und seine Geschäftspartner (etwa der Rechtsanwalt Dr. Paul Neumann und Felix Costa) nicht in der Lage waren, das Aktienkapital allein aufzubringen und auf einen Bankkredit angewiesen waren, hatte die neue A.G. mehrere Trumpfkarten in der Hand: mit den erfolgreichsten Autoren des Verlags, wie etwa John Galsworthy, H.G. Wells, Franz Werfel, Max Brod, Heinrich Mann u.a. bestanden nämlich sogenannte Generalverträge, wonach diese Autoren sich verpflichteten, auch ihre künftigen Werke diesem Verlag zu übergeben. Das Ansuchen an das Bundeskanzleramt (Inneres) 1930 um Errichtung einer Aktiengesellschaft unter der Firma Paul Zsolnay Verlag wurde folgendermaßen begründet:

Infolge des schnellen Wachstums des Geschäftsumfangs geriet das eigene Kapital des Unternehmens in ein immer stärkeres Mißverhältnis zu den fremden Mitteln (…) und daraus ergab sich die Zweckmäßigkeit, um nicht zu sagen Notwendigkeit einer entsprechenden Verbreiterung der Kapitalsbasis. Erwägungen organisatorischer Art und nicht zuletzt Erwägungen der Weltgeltung – der Verlag verbreitet seine Produktion über die ganze zivilisierte Welt lassen die Form der Aktiengesellschaft als die angemessene erscheinen.[13]

Weiters heißt es im ersten Ansuchen:

Auf Grund dieser Darstellungen glauben die Interessenten darauf hinweisen zu können, daß ein Aktienkapital von 5 500.000- eine hinreichende Kapitalsbasis für die ungestörte Fortführung des Unternehmens darstellt, wenn der vertraglich gesicherte zusätzliche Bankkredit hinzutritt. Es muß in diesem Zusammenhange darauf hingewiesen werden, daß die Entwicklung der nächsten Zeit infolge der allgemeinen Wirtschaftskrise aller Voraussicht nach eine gewisse Verlangsamung der Produktionsgeschwindigkeit im Verlage herbeiführen wird und es scheint zweckmäßig, mit Rücksicht auf diese Aspekte, einer Überkapitalisierung vorzubeugen.[14]

Die Bewilligung wurde erteilt, und die A.G. wies ein Grundkapital von S 600.000 auf, wovon S 550.000 bar eingezahlt wurden, während die restlichen S 50.000 an Aktien den bisherigen Gesellschaftern der Ges.m.b.H. im Verhältnis ihrer Stimmenanteile (S 40.000 an Paul Zsolnay, S 10.000 an Felix Kostia-Costa) als Gegenwert des einzutragenden Unternehmens ausgefolgt wurden. Stichtag war der 1. Juli 1930. Zu den Aktiven (aus der Ges.m.b.H.) zählte der Warenvorrat, der rund 751.000 Bände im Wert von S 1.350.784,36 umfaßte.[15]

So wurde die Paul Zsolnay Verlag A.G. am 13. Februar 1931 unter Register B, Band 22, pagina 85 ins Wiener Handelsregister eingetragen. Als „Gegenstand des Unternehmens“ wird folgendes angeführt:

1. Die Übernahme des bisher unter der Firma Paul Zsolnay Verlag Ges.m.b.H. in Wien geführten Verlagsunternehmens mit Buchvertrieb und seine Fortführung;
2. Die Beteiligung an Unternehmungen gleicher oder ähnlicher Art, sowie die Gründung solcher Unternehmungen;
3. Der Betrieb jener Handelsgeschäfte und Gewerbe, welche geeignet sind, dem erdachten Zwecke zu dienen.
(Eintragung im Registerband)

Die drei Vorstandsmitglieder waren Paul Zsolnay, Felix Kostia-Costa und der am 15.3.1888 in Wien geborene Rechtsanwalt Dr. Paul Neumann (gelöscht 27.2.1934). Als Kollektiv-Prokurist wurden Stefan Halasz (gelöscht: 10.7.1934), Richard Lehnert (gelöscht: 20.5.1938) und Grete Geiringer (gelöscht: 8.3.1935) eingetragen. Im August 1933 wurden zwei neue Vorstandsmitglieder eingetragen, und zwar der akademische Maler und Zsolnay-Buchillustrator Rudolf Geyer und der seit 1929 als Gründer des Bergland-Konzerns und Leiter der Vereinsdruckerei in Graz tätige Kurt Walter (23.10.1889-30.3.1957, Selbstmord). Beide wurden am 28.4.1936 aus dem Handelsregister gelöscht.

Die vorausgesehene Verlangsamung der Produktionsgeschwindigkeit aus wirtschaftlichen Gründen wurde, wie sich herausstellte, von einer bedeutenderen Entwicklung überflügelt: Im Geschäftsjahr 1933/34 erlitt die Paul Zsolnay Verlag A.G. Verluste, die zu 80% (!) an den Wert des Stammkapitals heranreichten. Der Verlag hatte dabei mit sehr großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Der Verlustvortrag aus 1932/33 betrug S 34.832,24, der laufende Verlust 1933/34 schon S 437.852,71! 1935 mußte der Verlagsinhaber angesichts dieser Entwicklung unter persönlichem Opfer (keine Dividende!) die Flucht nach vorne antreten. Rettungsanker war das „Sanierungs-Begünstigungs-Gesetz“.[16] Zsolnay wandte sich daher an das Bundesministerium für Finanzen mit der Bitte um Steuerfreistellung eines Forderungsnachlasses nach dem genannten Gesetz. Die Begründung des Ansuchens ist für die Erläuterung der Umstände um die weitere Entwicklung des Verlags von großer Bedeutung, da es sich um ein ungeschminktes Bild handelt. Hier der partielle Wortlaut:[17]

Die Gesellschaft bittet das BM für Finanzen um Steuerfreistellung eines Forderungsnachlasses (…) nach Sanierungs-Begünstigungs-Gesetz. Das Ansuchen wird wie folgt begründet: Die Gesellschaft hat im Geschäftsjahre 1933/34 außerordentlich schwere Verluste erlitten, die zum überwiegenden Teile darauf zurückzuführen seien, daß – abgesehen von dem allgemeinen Umsatzrückgang auf dem Büchermarkt – das Problem des Transfer der reichsdeutschen Außenstände nicht gelöst werden konnte, sodaß die Gesellschaft gezwungen war, zur Aufrechterhaltung der österreichischen Produktion sogenannte Ramschverkäufe vorzunehmen. Überdies hat sich ein Teil der Außenstände als uneinbringlich erwiesen und mußte daher abgeschrieben werden. Zwecks Sanierung des Unternehmens hat sich der Großaktionär der Gesellschafter Paul Zsolnay entschlossen, von seiner Forderung per rund 600.000 S einen Betrag von 570.428.80 S unter der Bedingung nachzulassen, daß dieser Forderungsnachlaß auf Grund des San. Beg. Ges. als nicht steuerpflichtige Einnahmen erklärt werde.
Die Sanierung soll mit Wirksamkeit per 31.VI.1934 durchgeführt werden.[18]

Zwei Feststellungen sind hier besonders interessant: zum einen bestätigt sich das, was man nur vermuten konnte, nämlich, daß auch dieser große Verlag – bis eine Lösung gefunden wurde – von der deutschen Devisenbeschränkung wie andere schwer betroffen wurde, und zum zweiten beziehen sich die uneinbringlichen Außenstände auf in Deutschland nunmehr unerwünschte („jüdische“) Literatur. Daß angesichts der im Ansuchen geschilderten Entwicklung etwas geschehen mußte, liegt auf der Hand. Zsolnay standen zwei Optionen offen: verkaufen oder radikal umstellen. Er wählte letztere Variante.

Die Weichen für tiefgreifende Veränderungen im Paul Zsolnay Verlag waren schon im Jahre 1933 gestellt, und zwar als wirtschaftliche und politische Folge der PEN-Klub-Tagung in Ragusa und der darauffolgenden endgültigen Spaltung im Wiener PEN-Klub. Denn die Vorgänge im Wiener PEN-Klub schufen nicht nur eine Kluft zwischen arisch-nationalen und jüdisch-oppositionellen Schriftstellern: die Hauptakteure auf beiden Seiten waren praktisch alle Zsolnay-Autoren, also von PEN-Gründerin Grete v. Urbanitzky und Felix Salten auf der einen bis zu Frischauer, Neumann, Lothar und Müller auf der anderen. So konnte Will Vesper bereits im Juli 1933 bemerken:

Die Hetze gegen Deutschland wurden übrigens besonders von Autoren des jüdischen Wiener Verlages Zsolnay (Wells und Fabrizius) begünstigt und von einer Reihe jüdischer und judenfreundlicher Wiener Schriftsteller unterstützt.[19]

Die Parole lautete nun „Deutschfeindliche Schriftsteller in Österreich“ und im Endeffekt kam sie einem Boykottaufruf gleich. So zitierte das Börsenblatt am 16. November 1933 eine Glosse aus der Berliner Börsen-Zeitung vom 10. d.M.

Man wird sich in Deutschland noch allgemein des Kampfes erinnern, den marxistische Schriftsteller gegen die deutschen Vertreter auf dem internationalen Pen-Club-Kongreß in Ragusa entfesselten. Bei dieser Hetze taten sich besonders jüdische Mitglieder des Wiener Pen-Clubs hervor. Die Folge war, daß nach Ragusa der Wiener Pen-Club auseinanderfiel. Der Austritt der deutschen Mitglieder nahm seinen Ausgang von einer deutsch-feindlichen Resolution, die u.a. von Raoul Auernheimer, Franz Theodor Csokor, Paul Frischauer, Heinrich Eduard Jacob, R.J. Kreutz, Ernst Lissauer, Ernst und Rudolph Lothar, Emil Ludwig, Hans Müller und Robert Neumann unterzeichnet worden war.

Bis auf Kreutz, Rudolph Lothar und Ernst Lissauer waren die anderen genannten alle Zsolnay-Autoren. Da heißt es zum Schluß:

Viele von den oben genannten deutschfeindlichen österreichischen Schriftstellern sind aber noch heute mit ihren Büchern in deutschen Verlagen vertreten, sind in deutschen Buchhandlungen zu kaufen, werden von gedankenlosen deutschen Menschen gelesen. Fort mit ihnen aus Deutschland! Kein Deutscher darf sich hinfort noch mit ihnen abgeben!
(Nr. 267, S. 877.)

Diese Aktion, die von der österreichischen Überläufern Grete Urbanitzky angeregt worden sein soll[20], rief die einzige noch als „Opposition“ zur Nazi-Herrschaft auftretende Schriftstellerorganisation, den Schutzverband deutscher Schriftsteller Österreichs (SDSOe.), auf den Plan. Das Präsidium des SDSOe. unter Oskar Maurus Fontana richtete ein Schreiben an die Österreichische Gesandtschaft in Berlin, um sie auf diese Problematik aufmerksam zu machen. Die Boykottaktion war, wie man nachträglich den Zsolnay-Verlustziffern entnehmen kann, von Erfolg gekrönt und brachte den Verlag an den Rand des wirtschaftlichen Ruins.

Es vollzog sich nun in den nächsten Monaten eine zweigleisige Entwicklung: einerseits wurde in der NS-Öffentlichkeit u.a. der „Judenverlag“ Zsolnay fast im Sinne eines fortgesetzten Boykotts hart attackiert, andererseits wurde der Verlag – von den Autoren her – immer weniger ein „Judenverlag“ und immer mehr zu einem „gleichgeschalteten“ Verlag.

Auf dem Weg zur Gleichschaltung

Paul Zsolnay begann schon 1933 passiv wie aktiv, sich den neuen Macht- und politischen Verhältnissen anzupassen. Es soll aber hier zunächst von den Vorgängen 1934/35 die Rede sein, die erst 1935, also ein Jahr später als „fait accompli“ in der Öffentlichkeit heftig diskutiert wurden. In der Öffentlichkeit unbemerkt und vorläufig unkommentiert, spielte sich bei Zsolnay eine Wandlung ab, und bei dieser Wandlung spielte ein Mann, von dem im Zusammenhang mit dem Krystall-Verlag bzw. dem Amalthea-Verlag schon die Rede gewesen ist, eine gewichtige Rolle, nämlich Dr. Hermann Rudolf Leber. Im folgenden wollen wir auf ihn ausführlich eingehen.

„Der Mittelsmann“

Als Paul Zsolnay im Frühjahr 1934 an nationale österreichische Dichter mit dem Angebot herantrat, seinen Verlag nun ihnen zur Verfügung zu stellen, da wandten sich diese Dichter an die zuständigen Instanzen in Österreich. (…) Die Dichter wandten sich (und dies geschah vor den Ereignissen des 25. Juli 1934, zu einer Zeit also, als Landes-Inspekteur Habicht noch vollkommen im Amte war) an den von Habicht eingesetzten kulturellen Landesleiter der N.S.D.A.P. in Österreich, Professor Haasbauer in Linz. Ein direkter Verkehr mit reichsdeutschen Stellen ist angesichts der heutigen Verhältnisse in Österreich, wie jeder Wissende zugeben muß, ausgeschlossen, auch erforderte es der ordnungsmäßige Instanzenweg, daß man sich an Professor Haasbauer als den uns vorgesetzten Führer in kulturellen Dingen wandte.
Haasbauer gab nicht nur den Rat, sondern geradezu den Auftrag, die österreichischen nationalen Dichter möchten sich den Verlag Zsolnay untertan machen und das Angebot annehmen. Daraufhin begannen Verhandlungen mit dem Verlag, die das Ergebnis hatten, daß ein Vertrauensmann der Landesleitung der N.S.D.A.P. in Österreich, Dr. Hermann R. Leber, die Leitung des Lektorates erhielt. Gleichzeitig löste Zsolnay die Verträge mit seinen früheren Autoren und begann, unter unmittelbarer Einflußnahme der kulturellen Faktoren der österreichischen N.S.D.A.P., den Neuaufbau seines Verlages. (…)
Hieraus geht hervor, daß der Verlag Zsolnay der einzige zur Zeit wirklich gleichgeschaltete kulturelle Großbetrieb in Österreich ist.[21]

Dieser „Vertrauensmann der Landesleitung der N.S.D.A.P. in Österreich“ war kein Fremder in der österreichischen Verlagsszene. Hermann Leber ist am 6. August 1900 in Montabaur in Hessen-Nassau geboren worden. Nach der Matura studierte er an den Universitäten Freiburg i. Br., Wien und Köln Literatur- und Kunstgeschichte. Den Doktorgrad erwarb er in Freiburg mit einer Dissertation über „Die Einwirkung Rembrandts auf die deutsche Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts“. Leber kehrte 1925 nach Wien zurück, war als Redaktionssekretär der Zeitschrift Die Bau- und Werkkunst tätig, 1926 als Lektor des Krystall-Verlags beschäftigt. Im Jahre 1927 wurde er vom Piper Verlag in München als Lektor engagiert, wo er bis 1930 tätig war. Eine Zeitlang (angeblich bis 1933) war Leber in Wien bei Amalthea u.a. als Schriftleiter der Zeitschrift Belvedere beschäftigt. Die sonstige Tätigkeit Lebers ab 1930 ist zwar mehrfach belegt, aber diese Belege sind oft widersprüchlich und schwer zu durchschauen. Nach dem Wissen des Geschäftsführers der RSK Landesleitung Österreich, Max Stebich, war Leber in Österreich „seit dem Jahre 1930 illegal tätig gewesen“.[22] Am 16. März 1938 habe Leber „seine Mitgliedschaft bei der Partei wieder neuerlich angemeldet“, was darauf schließen läßt, daß er zuvor bereits Mitglied der N.S.D.A.P. gewesen war. Auch war er „früher einmal Mitglied der Reichsschrifttumskammer mit Mitgliedsnummer A 5449, mußte aber infolge einer behördlichen Verfügung der österreichischen Regierung die Mitgliedschaft zurücklegen“ (ebda.).[23] In diesem Zusammenhang darf man manchen „Biographen“ und „Autobiographen“ den Vorwurf der Legendenbildung in eigener Sache nicht ersparen! Aber zumal diese „Heldentaten“ meist für reichsdeutschen Konsum geschildert wurden, konnte man mit der Naivität dieser Stellen wohl allemal rechnen. Es war allgemein üblich, auf Taten in der perhorrizierten „Systemzeit“ hinzuweisen. In seinem Schreiben über Leber an die RSK Berlin kommt Stebich auch noch auf das Wesentliche zu sprechen: „Vor dem Umbruch galt Dr. Leber als Mittelsmann zwischen österreichischen Autoren und deutschen Verlagen.“ Und als ob es sich um etwas handelte, dessen Erwähnung im April 1939 äußerst inopportun wäre, habe Leber (nach Stebich) keine Zsolnay-Karriere gemacht, sondern sei („Unerklärlich ist es, daß …“) lediglich „mit dem jüdischen Verleger Zsolnay ziemlich befreundet“ gewesen. Als Leber zur Feder griff, um sein Leben (für die RSK) zu schildern, wußte auch er nichts mehr vom 4jährigen Zsolnay-Intermezzo zu berichten:

Nach einem vorübergehenden Aufenthalt im Altreich – nach erfolgter Machtergreifung – ging ich wieder nach Wien zurück. Ich war zunächst rein kulturpolitisch tätig, war bei der Errichtung mehrerer Propagandabüros der NSDAP tätig und gründete die „Südost Korrespondenz“ die nach einem halben Jahr von der österreichischen Regierung verboten wurde.

Zum obligaten „Widerstand“ meldete er:

Ich selbst wurde zweimal verhaftet und sollte im September 1935 wegen illegaler Betätigung aus Österreich ausgewiesen werden. Ich war dann als Lektor für verschiedene Verlage tätig und befaßte mich hauptsächlich damit, gemäß einem Auftrag des KfdK, die nationalen Autoren der Ostmark zu sammeln und bei Verlegern unterzubringen.

Ob so manche dieser ruhmreichen Taten, die darauf hinzielten, die „Aufnahmewürdigkeit“ in die RSK zu unterstreichen, mit den Tatsachen in Einklang zu bringen waren, darf bezweifelt werden. Man müßte annehmen können, daß die Polizei in Wien von den Verhaftungen etwas wußte. Wie dem auch sei, meint Leber, „gemäß einem Auftrag“ des Kampfbundes für deutsche Kultur in Sachen Zsolnay vorgegangen zu sein. Der österreichische Ableger dieser Rosenberg-Schöpfung, der Verein Kampfbund für deutsche Kultur, wurde im August 1931 gegründet.[24] „Deutschtum“, „Volkstum“ und „Freiheit“ waren dabei Schlüsselbegriffe. Der Verein hatte u.a. „die Verteidigung der Werte des deutschen Wesens und die Förderung jeder arteigenen Äußerung kulturellen deutschen Lebens zum Ziele. [Er] zielte ferner darauf ab, das deutsche Volk über die Zusammenhänge zwischen Rasse, Kunst und Wissenschaft, sittlichen und willenhaften [!] Werten aufzuklären, ferner bedeutende totgeschwiegene Deutsche in Wort und Schrift der Öffentlichkeit näher zu bringen und so dem kulturellen Gesamtdeutschtum ohne Rücksicht auf politische Grenzen [!] zu dienen. Schließlich ging sein Streben dahin, durch Sammlung aller Kräfte die Voraussetzung für eine, das Volkstum als ersten Wert anerkennende Erziehung in Schule und Hochschule zu schaffen. Vor allem aber sollte im heranwachsenden Geschlecht aller Schichten des Volkes die Erkenntnis für das Wesen und die Notwendigkeit des Kampfes um Kultur und Charakterwerte der Nation geweckt und der Wille für diesen Kampf um die deutsche Freiheit gestählt werden.“[25]

Am 13. Oktober 1933 sah sich die Bundes-Polizeidirektion in Wien veranlaßt, die Tätigkeit des nazistischen Vereins einzustellen. Am 4. November d.J. erfolgte mit Erlaß des BKA (Gendion) die Auflösung.

Obwohl die Belege dafür fehlen, kann man wohl davon ausgehen, daß Paul Zsolnay im „Frühjahr 1934“ sein Angebot machte und daß ihm Vorbesprechungen vorausgegangen waren. Zudem darf das Datum der behördlichen Auflösung des Vereins „Kampfbund für deutsche Kultur“ nicht mit einem Aufhören der Aktivitäten gleichgesetzt werden.

Über die Umstände um Lebers Eintritt in den Paul Zsolnay Verlag gibt es voneinander abweichende Versionen. Nicht ganz eindeutig geklärt bleibt die Frage, ob auf Zsolnay Druck ausgeübt wurde oder nicht. Es gibt Andeutungen in beiden Richtungen. Der nationale Autor Josef Weinheber reklamiert für sich das später von ihm sehr bereute Verdienst, Leber in nationale Kreise eingeführt zu haben. Weinheber war nämlich Leiter der „Fachschaft Schrifttum“ im Kampfbund. Dazu Weinheber, der sich vom Femeunwesen verfolgt fühlte, u.a. weil er nicht Zsolnay-Autor wurde, in einem Briefe vom 23. Februar 1935 zum Fall Leber an Gustav Pezold:

Natürlich habe ich das Richtige vermutet, wenn ich in der Person Dr. Lebers den eigentlichen Urheber des Kesseltreibens vermutet habe. Es ist eine kleine Pikanterie, daß ich seinerzeit, als die Partei noch erlaubt war und ich Fachberater für Schrifttum war, Dr. Leber in die nationalen Schrifttumskreise eingeführt habe. (…) Er hat es durch Ausspielen der verschiedenen Gruppen und Grüppchen gegeneinander verstanden, sich eine gewissen Gefürchtetheit zuzulegen, um deretwillen ihn ja wohl Zsolnay auch als literarischen Zutreiber für seinen Verlag angenommen hat. In dieser Stellung, die insbesondere jenen Schriftstellern, welche z.Zt. keinen Verlag hatten, einen gewissen Respekt abnötigte, war es ihm alsbald ein Leichtes, sich als Parteipapst in literarischen Dingen aufzuspielen. Was der Mann jetzt treibt, hat natürlich mit deutscher Kulturpolitik gar nichts zu tun. Es ist Hauspolitik für den Zsolnay-Verlag. Er schürt gegen mich teils aus Ressentiment, (…) teils deshalb, weil ich kein Zsolnayautor geworden bin, also a limine bekämpft gehöre. (…)[26]

Als Will Vesper, von dem noch ausführlich die Rede sein wird, sich über Leber informieren wollte[27], erhielt er postwendend von Weinheber, der ihn neben Manfred Jasser über Vorgänge in Österreich am laufenden hielt, die gewünschte Auskunft am 29. Juni 1935. Nach Weinheber tauchte Leber im Sommer 1933 wieder in Wien auf, was mit Angaben Lebers übereinstimmt.

Zu dieser Zeit machte er sich an mich heran, und ich führte ihn in meiner Eigenschaft als Fachberater bei den nationalen Schriftstellern ein. Er riß alsbald in der geschilderten Art die Führung an sich und war dann plötzlich im Sommer 1934 bei Zsolnay. Auffällig ist, daß er von dort an immer bei Kasse war, während er früher niemals Geld hatte. Ob er das Geld von Zsolnay hatte, weiß ich nicht. Er ist sehr schlau und läßt sich nicht in die Karten blicken. Auf Zsolnay scheint er eine Pression ausgeübt zu haben, denn der war von sich aus bestimmt nicht so dumm, lauter mittelmäßige „Nationale“ in den Verlag zu nehmen und sich damit das Geschäft ganz zu ruinieren. Denn nun kauften die Wiener Juden keine Zsolnaybücher mehr und im Reich blieb er schließlich bei allen Kunststücken der Judenverlag. Soviel für einen Außenstehenden zu ersehen ist, hat Zsolnay kein Interesse mehr an dem Verlag, zahlt den Leuten nichts und scheint verkaufen zu wollen. Jedenfalls ist den „Nationalen“ ein sehr schlechter Dienst damit erwiesen worden, daß sie von Zsolnay gebracht worden sind.[28]

Die mittelmäßigen „Nationalen“, wie sie Weinheber hier nennt, gerieten, wie noch auszuführen sein wird, immer tiefer ins Dilemma. Ob Zsolnay verkaufen wollte, läßt sich nicht verifizieren, genauso offen bleibt die Frage derzeit, ob Leber auf Zsolnay Druck ausübte. Mehrere – auch bereits zitierte – Aussagen scheinen dagegen zu sprechen. Die „Angebot“-Variante der nationalen Autoren in ihrem Bericht an die RSK wird durch eine Aussage Paul Zsolnays aus dem April 1938 bestätigt. Anläßlich der a.o. Generalversammlung der Paul Zsolnay Verlag A.G. in Wien am 26. April 1938, bei der u.v.a. Zsolnay und Leber anwesend waren, hielt Hauptaktionär Zsolnay eine Ansprache, in der er sich bei alten und neuen Mitarbeitern bedankte. Obwohl man Zsolnays Ausführungen nicht von den Zeitumständen losgelöst interpretieren darf, sind sie dennoch für die Entwicklung 1934-38 aufschlußreich. So heißt es wortwörtlich im Text seiner Ansprache:

Besonderen Dank aber ist das Unternehmen Herrn Dr. Hermann R. Leber schuldig, der ihm unter schwierigsten Umständen vier Jahre lang geholfen hat, die als notwendig erkannte Umstellung durchzuführen, und dies mit ebensoviel Takt wie Tatkraft getan hat. In Herrn Dr. Leber suchte und fand der Verlag jene Persönlichkeit, die den freiwillig gefaßten Entschluß der Verlagsleitung und -inhabung durchführen half, nach der nationalen Erhebung in Deutschland den neuen Richtlinien des erneuerten Deutschlands Rechnung zu tragen und so der gesamtdeutschen Kultur nach besten Kräften zu dienen. Die nunmehrige Eingliederung Deutschösterreichs in Deutschland gibt dem Verlag jetzt auch die rechtliche Grundlage, die völlige Gleichschaltung, die bisher nicht möglich war, durchzuführen.[29]

Soweit Paul Zsolnay … Halten wir also fest, daß es sich nach dieser Darstellung um „einen freiwillig gefaßten Entschluß“ Zsolnays handelte.

Ähnlich argumentierte die Bundes-Polizeidirektion Wien im Sommer 1935, als sie aufgefordert wurde, dem Vorwurf nachzugehen, daß der Paul Zsolnay Verlag eine „getarnte nationalsozialistische Kulturorganisation“ sei.[30] Der entsprechende (erste) Bericht, der vom Wiener Polizeipräsidenten (seit 24.9.1934), Dr. Michael Skubl, eigenhändig unterfertigt ist, ist derart von beschwichtigenden Tönen getragen und von Unkenntnis gekennzeichnet, daß man versucht wird, auf mangelnden politischen Willen zu schließen.[31] So kam die Polizei – was die Gleichschaltung betrifft – zu folgendem Schluß:

Desgleichen entspricht es, wie in Erfahrung gebracht werden konnte, keineswegs den Tatsachen, daß Leber jemals auf den Verlag einen Druck ausgeübt hätte, um die Anerkennung eines dem Verlage nicht genehmen Autors durchzusetzen.

Die Tölpelhaftigkeit der Erhebung wird nur noch durch eine letzte Feststellung übertroffen:

Leber ist politisch niemals hervorgetreten und gilt insbesondere auch nicht als nationalsozialistisch eingestellt.[32]

Ganz anders und viel konkreter war die „Information“[33], die die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit nach und nach über Leber zusammentrug: Der Inhalt eines da eingelangten anonymen Briefs (s.u.) „entspricht den tatsächlichen Verhältnissen“, heißt es z.B. unmißverständlich. Welche Verhältnisse waren es nun, die im anonymen Brief geschildert wurden?

Ein dritter Zirkel ist der des Dr. Leber, Lektor im Zsolnayverlag. Diesem Manne ist es gelungen, durch die Drohung, Zsolnay im Reiche zu erledigen, einen völligen Umbau des Zsolnayverlages zu erreichen. Zsolnay mußte seine alten Autoren in die Schweiz deportieren und dafür die von Leber vorgeschlagenen Naziautoren drucken.[34]

Faßt man das bisher Gesagte zusammen, so waren die nationalen Autoren des Verlages, Paul Zsolnay, und die Polizei der Auffassung, von Druck könne nicht die Rede sein. Demgegenüber sind Weinheber und der anonyme Briefschreiber der Ansicht, es sei bei der „Gleichschaltung“ Druck ausgeübt worden. Man darf allerdings auch nicht vergessen, daß Zsolnay selber, in welcher Stellungnahme (oder gar in welchem Verhör) auch immer, diesen Vorwürfen unmöglich zustimmen konnte, wie berechtigt sie auch waren. Leber war für ihn schlicht und einfach eine Geschäftsnotwendigkeit.

Die Generaldirektion brachte jedoch eine weitere, nicht uninteressante Variante ins Spiel. In einer Auflistung der Ereignisse seit der Machtübernahme Hitlers figuriert die abtrünnige Autorin Urbanitzky. Da heißt es:

2.) Fühlungnahme mit dem Dritten Reich durch die mit Hitler befreundete [!] Schriftstellerin Grete von Urbanitzky, die Gründerin des Penklubs und Hauptautorin des Verlags, derzeit in Deutschland lebend. Folge dieser Fühlungnahme ist die Bestellung Herrn Leber“s offiziell als Lektor des Verlages, inoffiziell als Aufsichtsorgan (quasi Regierungskommissär des Dritten Reiches).[35]

Von „besonderer Seite“ erfuhr die Generaldirektion, daß Leber weder Angestellter des Zsolnay-Verlags sei noch eine „entscheidende Stimme“ habe. Zsolnay und Costa entschieden über die Annahme und Ablehnung von Manuskripten, allerdings:

Dr. Leber dürfte aber bezüglich aller Manuskripte, die als Bücher mit dem reichsdeutschen Markt rechnen müssen, mit Berliner Stellen (Reichsschrifttum-Kammer?) Fühlung nehmen, um den Verlag vor Verlusten zu schützen.
Dr. Leber steht in Wien im Zentrum eines Kreises nationalsozialistisch eingestellter Personen. Seine Tätigkeit in Österreich muß jedenfalls als nicht einwandfrei bezeichnet werden.

Das hört sich natürlich ganz anders an als die armseligen Erhebungen der Polizei. Auf dieses „Zentrum“ wird noch eingegangen.

Gehen wir zuerst aber zur Frage über, wie die Präsenz Lebers sich im Verlag auswirkte und welche wichtigen Probleme für die neuen Autoren bestanden. Die 1933/34 vollzogene Änderung war ein Kommen und Gehen. Gekommen sind eine ganze Reihe von „nationalen Dichtern Österreichs“ (Selbstbezeichnung) darunter:

Otto Emmerich Groh, seines Zeichens Sprengelgruppenleiter der P.O. und Fachberater für Theater und dramatisches Schrifttum in der Landesleitung der NSDAP in Österreich
Karl Hans Strobl, Prädikat: „einer der ältesten nationalen Vorkämpfer überhaupt“
Dr. Franz Spunda, viele Jahre lang hoher Funktionär des SDSOe. und nunmehr Landesleiter des „Reichsverbandes deutscher Schriftsteller“ für Österreich
Hermann Stuppäck, u.a. Pressechef der N.S.D.A.P. im Gau Wien, späterer „Professor“ und 16 Jahre lang (bis 1980) Leiter der Salzburger Sommerakademie für bildende Kunst
Erwin H. Rainalter, ehemals Fachberater des „Reichsverbandes deutscher Schriftsteller“ in Österreich, Theaterkritiker des Völkischen Beobachters in Berlin, während der Kriegszeit Cheflektor bei Zsolnay/Bischoff
Hermann Graedener, hoher Funktionär des „Kampfbundes für deutsche Kultur“ in Österreich
Edmund Finke, Sprengelgruppenleiter in der P.O. und Weinheber-Kumpel
Walter Hjalmar Kotas (* 16.9.1900, Graz), „Schriftsteller“, neuer Zsolnay-Übersetzer und Mitherausgeber der verbotenen antisemitischen Kampfschrift Der Stürmer in Wien
Wladimir von Hartlieb, national gesinnter Schriftsteller, der zu den vehementesten Kritikern des „jüdischen“ Zsolnay-Verlags zählte
Karl Wache, seines Zeichens geschaßter Staatsbibliothekar aus gegebenem Anlaß und Fachberater für Büchereiwesen in der österreichischen Landesleitung[36]

Tatsächlich nahm das Zsolnay-Programm ein neues, ungewohntes Gesicht an. Es erschienen 1934/35 beispielsweise Werke von Edmund Finke[37], Hermann Graedener[38], Otto E. Groh[39], Wladimir von Hartlieb[40], Erwin Rainalter[41], Franz Spunda[42], Karl Hans Strobl[43], Hermann Stuppäck[44]. Andere einschlägige Autoren wie Eduard Paul Danszky, F.K. Ginzkey, Roman Hädelmayr, Erich Kernmayer, Hans Gustl Kernmayer, Ernst Kratzmann, Erich Landgrebe, Oswald Menghin, Hanns Schopper, Erika Spann-Rheinsch und Josef Wenter fanden in späteren Jahren zu Zsolnay. Andere wiederum, die schon 1933 bei Zsolnay waren, konnten im neuen Fahrwasser genausogut weitersegeln.

Eine Möglichkeit, die Verlagsverhältnisse unmittelbar vor und nach der „Gleichschaltung“ zu kontrastieren, bieten zwei für den reichsdeutschen Markt bestimmte Werbeschriften, die eine mit „Herbst 1933“ datiert, in Form einer 32seitigen Broschüre (Kopie im Besitz des Verf.), die andere ein ab Herbst 1934 erscheinendes Periodikum. Die im Herbst des Jahres 1933 herausgegebene Broschüre trägt den etwas langen Titel Literarische Nachrichten und Bücher Vorschau des Paul Zsolnay Verlages mit Vorabdrucken aus den Werken von Jakob Schaffner, John Galsworthy, Franz Werfel, Walter von Molo, Leo Perutz, Kasimir Edschmid, Ernst Lothar. Beim Vorabdruck von Werfel handelt es sich um den späteren in Deutschland verbotenen Roman Die vierzig Tage des Musa Dagh. Bemerkenswert an dieser Broschüre ist der einleitende Essay von Friedrich Schreyvogl, der Galsworthy und Jakob Schaffner als „Dichter ihres Volks“ untersucht. Eine Probe von Herbst 1933: „(…) Der deutsche Geist und das deutsche Lebensgefühl, seine Sehnsucht nach Form und Einheit, nach Tiefe und Geheimnis, dieses unsichtbare Deutschland ist der unzerstörbare Grund, der alle Veränderung des sichtbaren Deutschlands trug, ja möglich machte. Das un-sichtbare Deutschland ist es auch, das zuerst als Sehnsucht den Weg der Erneuerung bestimmt hat und nun – zum ersten Mal in seiner Geschichte – auch jene zeitliche Form darüber und daraus entwickelt, die solchem Ursprung gleicht.“ Was diese „zeitliche Form“ der Geschichte gebracht hat, wissen wir inzwischen. Das Zeugnis ist für das ideologische Chamäleon Schreyvogl gar nicht so untypisch. Angekündigt in den Anzeigen wurden sowohl die Neuerscheinungen Frühjahr 1933 als auch Herbst 1933. Unter diesen finden sich noch Autoren, die im 3. Reich „unerwünscht“ waren, für die aber dennoch geworben wurde. Sonderausgaben des Paul Zsolnay Verlages werden hier ebenfalls propagiert, wobei auf einige erstaunlich hohe Auflagenzahlen hingewiesen werden muß. Von Werfels Verdi. Roman der Oper druckte man schon das 250. Tausend, von Barbara oder die Frömmigkeit das 65. Tausend, von Walter von Molos Der Schiller-Roman das 100. Tausend, von René Fülöp-Millers Der heilige Teufel. Rasputin und die Frauen das 170. Tausend und für Theodore Dreisers Roman Eine amerikanische Tragödie immerhin das 80. Tausend. Das sind Auflagenzahlen, die andere belletristische Verlage in Österreich während der Ersten Republik nicht einmal entfernt erreichten.

Das sichtbarste Zeichen der neuen Ordnung im Verlag war die erstmals im Herbst 1934 als Beginn einer zwanglosen Folge erschienene Publikation Südostdeutsche Literaturblätter, die von Hermann Leber initiiert und von verschiedenen Schriftleitern betreut wurde. Die Südostdeutschen Literaturblätter, die ihr Erscheinen mit Heft 7 im „Spätherbst 1937“ einstellten, enthielten Anzeigen bzw. Auszüge aus Werken nationaler Verlagsautoren sowie „Mitteilungen des Verlages“. Die Zeitschrift wurde folgendermaßen im Börsenblatt vorgestellt:

Mit dieser kleinen Zeitschrift geben wir dem Sortiment ein geschmackvolles und persönlich ansprechendes Werbemittel in die Hand, das über den Rahmen einer Hauszeitschrift hinaus das Schaffen von Dichtern und Schriftstellern hauptsächlich des südostdeutschen Lebensraumes berücksichtigt. Über allgemein interessierende literarische Themen wie über Neuerscheinungen des Büchermarktes wird fortlaufend berichtet.[45]

Heft 1 enthielt Originalbeiträge von Hubert Mumelter, Bruno Brehm, Franz Spunda, Frank Thiess, Rudolf Hans Bartsch, Eduard Stucken, Jakob Schaffner und Grete v. Urbanitzky.

Neben den vorhin erwähnten neuen nationalen Autoren Österreichs nahm der Paul Zsolnay Verlag gleichgesinnte ausländische Autoren auf, wie z.B. Jakob Schaffner und die zwei schwedischen Nationalsozialisten Wilhelm Moberg und Karl Gunnarson.

Soweit das „Kommen“. Einer der wichtigsten Zsolnay-Autoren, die „gegangen“ wurden, war Heinrich Mann, der (bis 1933) mit Zsolnay ein kollegiales Verhältnis gehabt haben dürfte. Schon Anfang November 1933 schrieb er seinem Bruder, Thomas, daß Zsolnay „meine Bücher nur noch außerhalb Deutschlands absetzt, und nicht einmal das.“[46] Dem Bruder gegenüber konnte er seiner Enttäuschung und Bitterkeit Ausdruck verleihen:

Über Zsolnay kann ich nur sagen, daß er der feige Verräter ist, als den man seinen langjährigen Freund oder Geschäftspartner jetzt meistens kennen lernt. Alles Unheil, das über mich hereingebrochen ist, hat ihn noch zu keinem einzigen Wort veranlasst; dagegen weiss ich durch Dritte, die vergeblich meine Bücher bei ihm bestellten, daß er sie nach Deutschland nicht ausliefert. Wahrscheinlich könnte er es sehr wohl; denn von einem wirklichen Verbot ist mir nichts bekannt, und in den Buchhandlungen der Arbeiterviertel sollen sie im Fenster liegen. Aber Zsolnay will offenbar dadurch, daß er mich verleugnet, den Rest seines Verlages für Deutschland retten. Die Verlagsrechte aber hält er fest in Händen (…). (ebda., S. 120 f.)

Noch mehr verbittert über die Erfahrung mit Zsolnay war Heinrich Mann zwei Jahre später und unmittelbar vor der Gründung des Bermann-Fischer Verlags in Wien:

Möge Bermann in Wien unterkommen und dem Lumpen Zsolnay nach Möglichkeit schaden, bevor die Regierung der deutschen Volksfront ihm – und den anderen Verrätern seiner Art – ein Ende bereitet. Wenn ich da bin, wird ein Gesetz gemacht, das jeden ausländischen Verlag, wenn er dem Dritten Reich zu Diensten war, aus Deutschland ausschliesst und ihm die deutschen Rechte enteignet. Aber es ist allerdings Grösseres zu tun. (ebda., S. 138)

Über seine Behandlung gleichermaßen empört war der erfolgreiche Zsolnay-Autor Emil Ludwig, von dem der Verleger 1932 allein nicht weniger als fünf Werke herausgebracht hatte, allen voran den Bismarck-Roman und das Goethe-Buch (Goethe: Geschichte eines Menschen, 1931). Dazu Ludwig in einem Interview Mitte 1935:

„Ich kämpfe um die Freigabe meiner im Zsolnay-Verlag erschienenen Werke. (…) Bekannt ist ja, worum es geht. Mein Wiener Verleger Zsolnay boykottiert einfach, seit in Deutschland das nationalsozialistische Regime alle Gewalt an sich gerissen hat, alle jene Autoren, die drüben im Reich nicht genehm sind, die auch drüben einem Boykott unterworfen sind.
Bedenken Sie folgendes: Mein Goethe-Buch, das zweifellos mein bekanntestes Werk ist – nebenbei: ich liebe es auch persönlich unter allem, was ich geschrieben, am meisten – , hatte im Jahre 1932 einen so durchschlagenden Erfolg, daß Zsolnay in kurzen sechs Monaten genau 80.000 Stück verkaufte. Und 1933 – nicht ein einziges Exemplar! (…) Zsolnay hat mein Buch einfach boykottiert. Er fürchtete, ein Vertrieb Emil Ludwigs könnte dem Vertrieb seiner anderen Werke in Deutschland schaden. (…)
Ich lasse mich nicht boykottieren und werde mir die Freigabe meiner Werke zu verschaffen wissen.“[47]

Angesichts dieser Verlagspolitik kamen Zsolnay und sein Verlag unter heftigen Beschluß von zwei Seiten, allerdings mit einiger Verspätung: einmal von antifaschistischer und einmal von nationalsozialistischer Seite, was, wie noch auszuführen sein wird, zu Streitereien unter österreichischen nationalgesinnten Autoren führte, die neuen Autoren in die Defensive drängte und ihnen Gewissenserforschung abnötigte.

Beginnen wir mit der antifaschistischen Seite. Man muß die Tatsache registrieren, daß die Reaktion gegen die tiefgreifenden Veränderungen mit überraschend großer Verspätung einsetzte. Sie nahm ihren Ausgang Anfang April 1935 in der von Ernst Karl Winter herausgegebenen Wiener Wochenschrift Die Aktion (Organ der österreichischen Arbeiter-Aktion), mit dem Artikel „Der Schriftsteller und das Dritte Reich“ von einem Herrn „Sch.“.[48] Am nächsten Tag wurde der Artikel vollinhaltlich von der Wiener Zeitung abgedruckt und eigentlich von hier aus rezipiert.[49]

Ohne daß Zsolnay namentlich genannt worden wäre, war die geäußerte Kritik gewollt oder ungewollt auf den Verlag gemünzt. Der Verfasser entwirft von der zeitgenössischen österreichischen Verlagssituation ein aufschlußreiches Bild:

Der österreichische Schriftsteller, der kein Nazi ist, hat“s heute nicht leicht. Er muß nämlich so tun, als ob er einer wäre. Sein Schaffen muß von Kopf bis Fuß auf „Blubo“ (Blut und Boden) eingestellt sein. Sonst findet er nämlich keinen Verleger. Denn der österreichische Verleger schielt nach dem deutschen Absatzmarkt genau so heftig wie der österreichische Filmproduzent dies tut und dort ist alles, was nicht „bodenständig“ ist, „Kulturbolschewismus“. Der deutsche Verleger aber fordert gar eine Loyalitätserklärung für das Dritte Reich und die Mitgliedschaft bei allerhand gleichgeschalteten Vereinen ist außerdem noch notwendig. Also für einen guten Österreicher Gesinnungsopfer über Gesinnungsopfer. Und für einen Autor, der das Unglück hat, kein Freund und Anhänger der „Blubo“-Richtung zu sein, überdies der Zwang zu einer Kunstgattung, die ihm nicht liegt.
Dazu kommt aber noch das Pech, daß in Österreich die Leser auf die Werke der „Blubo“-Richtung gar nicht neugierig sind. In den privaten Leihbibliotheken sind nämlich die sogenannten „kulturbolschewistischen“ Bücher, die heute in Amsterdam, Prag und Zürich von (beileibe nicht sozialistischen, sondern gut bürgerlichen) Emigranten herausgegeben werden, immer schon auf Wochen vorher vergeben. Es besteht also in Österreich tatsächlich ein Lesebedürfnis nach nicht gleichgeschalteter Literatur, das aber, statt durch österreichische Schriftsteller und Verleger, durch deutsche Emigranten und aus dem Ausland befriedigt werden muß. Wenn es die Emigranten zustandebringen ohne den deutschen Markt zu arbeiten, warum nicht auch wir Österreicher?
Ein arbeitsloser Schriftsetzer hat die Kalkulation einer österreichischen Buchproduktion ausgearbeitet, andere Vorschläge befassen sich mit der Gründung einer österreichischen Buchgemeinde. Hier wäre Arbeit für viele geistige und manuelle Arbeiter, hier wäre Arbeit für Österreich; warum geschieht nichts?

En passant sei festgestellt, daß Ernst Karl Winter auch 1935 die Idee einer österreichischen Buchgemeinde vertrat, und obwohl die Buchhändlerschaft die bestehenden, von reichsdeutscher Seite gelenkten Buchgemeinschaften tolerierte, war die Winter-Vorstellung für sie ein rotes Tuch.

Die Wiener Wochenzeitung Der Morgen ließ überhaupt keine Zeit verstreichen, bevor sie Fachmeinungen zu diesen Vorwürfen einholte, und zwar einmal von Ernst Peter Tal und einmal von Paul Zsolnay. Übrigens faßte Der Morgen die Äußerungen über die Haltung der österreichischen Verleger gegenüber den heimischen Schriftstellern als redaktionelle Meinung der Wiener Zeitung auf. Der Aufmachertitel war provokativ: „Österreichs Verleger-Nazifreunde?“ (8.4.1935, S. 11). Hier der Wortlaut des Berichts zum Thema Zsolnay-Verlag:

Die Haltung des Zsolnay-Verlages
Das größte literarische Verlagsunternehmen Österreichs ist der Verlag Paul Zsolnay, zu dessen Autoren bis zum Umsturz in Deutschland auch heute dort verbotene Schriftsteller wie Heinrich Mann oder Robert Neumann gezählt haben. Auch heute noch führt der Zsolnay-Verlag die Werke von Autoren, die zumindest „rassisch“ dem Hitler-Ideal keineswegs entsprechen, zum Beispiel die Bücher Franz Werfels, Felix Saltens, Ernst Lothars usw.
Die Zsolnay-Bücher sind (mit Ausnahme des Romanes von Franz Werfel „Die Vierzig Tage des Musa Dagh“, gegen den die türkische Gesandtschaft ein Verbot erwirkt hat, weil er die Armeniergreuel behandelt) in Deutschland zugelassen und sogar die Romane einzelner „nichtarischer“ Wiener Autoren werden im Dritten Reiche verkauft. Diese Tatsache widerlegt vielleicht unterschiedliche Wiener Auffassungen.

Nota bene: diese Aussage Zsolnays erfolgt im April 1935!

Paul Zsolnay erklärt:
„Der Verlag Paul Zsolnay kann mit gutem Gewissen behaupten, die Interessen seiner österreichischen Autoren nach wie vor streng zu wahren. Ich habe keinen einzigen meiner früheren österreichischen Autoren aufgegeben.
Richtig ist wohl, daß ich auf verschiedene Schriftsteller, die mehr oder weniger offene Gegner des heutigen offiziellen Deutschland sind, verzichtet habe, doch sind dies ausschließlich Ausländer gewesen.“ (Auf eine Zwischenfrage …:) „Heinrich Mann ist Reichsdeutscher, Schalom Asch ist Amerikaner. Der Wiener Autor Robert Neumann ist freiwillig aus dem Verlag ausgeschieden und nach London übersiedelt.
Nicht richtig ist, daß man in Berlin, wo wir übrigens ein eigenes Verlagshaus besitzen, irgendeine Loyalitätserklärung von mir verlangt hat. Ich habe keine derartige Erklärung abgegeben.“

Zsolnay gab sich also als Schützer der österreichischen Autoren aus, und mit Hinweis auf die Staatsbürgerschaft anderer fallengelassenen Autoren beteuerte er seine Unschuld.

Auch Die Stunde, die schon seit längerem ihr Image als „Békessy-Blatt“ abgelegt hatte und eine antinazistische Linie verfolgte, griff in die Diskussion um Zsolnay ein. Einen Tag nach der Morgen-Veröffentlichung erschien auf S. 1 der Stunde am 9. April ein kurzer Leitartikel, der mit folgenden Worten beginnt:

Über deutsch-österreichische Kulturpolitik haben wir unsere eigene Meinung – besonders, wenn diese Politik von Berlin aus geführt wird.

Nach einem Hinweis auf die Wiener Zeitung und Zsolnay im Morgen heißt es grundsätzlich:

Man fragt sich, wie der Staat Österreich seinen Kampf gegen die Vergewaltigung durch das Reich durchführen soll, wenn wichtige Faktoren unserer Kulturpolitik die Gleichschaltung auf kaltem Wege vollziehen.

Das Thema „Gleichschaltung auf kaltem Wege“ mit Bezug auf die Veränderungen bei Zsolnay wurde zwei Tage später unter der Überschrift „Verlagsgeschäfte im Zeichen des Dritten Reiches“ von der Stunde erneut aufgegriffen (11.4.1935, S. 3). Da liest man u.a.:

(…)
Die meisten Wiener Verleger bemühen sich, Werke herauszubringen, die in Deutschland keinen Anstoß erregen.
Meistens gelingt es ihnen – nicht immer. Denn auch die deutsche Zensur geht völlig willkürlich vor. So wurde Werfels Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“, der die Verfolgungen der Armenier schildert, ein halbes Jahr nach seinem Erscheinen in Deutschland verboten. Das war allerdings das Signal zu einem internationalen Erfolg ohnegleichen – in Amerika allein wurden in wenigen Monaten 150.000 Exemplare abgesetzt. Der Verlag Zsolnay hat auch Werfels folgende Werke verlegt, von denen namentlich das biblische Drama „Das Volk der Verheißung“ in dem Deutschland von heute wenig Begeisterung erregen dürfte. Sonst kommt allerdings der Verlag Zsolnay, der sich energisch dagegen verwehrt hat, dem Dritten Reich zuliebe Autoren aufgegeben zu haben, dem Nationalsozialismus sehr entgegen. Wenn er Heinrich Mann, Schalom Asch, Robert Neumann nicht mehr verlegt, so haben diese Autoren, wie der Verlag angibt, freiwillig auf ihren österreichischen Verlag verzichtet.
Nicht verzichtet haben Frau Urbanitzky, K.H. Strobl, Franz Spunda, Erwin Rainalter, bekanntlich „nationale“ Schriftsteller aus Österreich, die zum Teil schon im Dritten Reich weilen.
Der Verlag bietet auch außerösterreichischen Autoren, die aus ihrer nationalsozialistischen Gesinnung keinen Hehl gemacht haben, Unterkunft, so Frank Thieß, Jakob Schaffner und er veröffentlicht gerade jetzt viele Bücher reichsdeutscher Herkunft. Der Verlag Zsolnay erklärt, zu einer solchen Art Politik gezwungen zu sein, wenn er weiterbestehen und seine Angestellten erhalten wolle. Es wird aber immer deutlicher, daß er trotz aller Konzessionen der reichsdeutschen Konkurrenz ein Dorn im Auge ist. Auffallend ist dagegen der große Bucherfolg der sogenannten Emigranten-Verleger in der Schweiz und in Holland, deren Werke selbstverständlich von vorneherein in Deutschland nicht zugelassen sind.
Die „Wiener Zeitung“ beschäftigt sich mit dem Problem (das in der „Stunde“ schon wiederholt erörtert wurde), was die österreichischen Schriftsteller machen sollen, um auch ohne die Verleger zu bestehen, die auf das heutige Deutschland Rücksicht zu nehmen müssen glauben. Dieses Problem zu lösen, wird den österreichischen Kunstbehörden vorbehalten bleiben. Man wird sich in diesem Zusammenhang auch darum kümmern müssen, warum und wem zuliebe die Frage einer österreichischen Buchgemeinschaft noch immer nicht gelöst ist. Eine entschiedene Abwehr gegen die Politisierung des Verlagsgeschäftes im Sinne der Tendenzen des Dritten Reiches und eine stärkere Förderung der österreichischen Schriftsteller scheint heute notwendiger denn je zu sein.

Die Redaktion der Wochenschrift Die Aktion verfolgte die Diskussion, die sie ausgelöst hatte, und kam in ihrer nächsten Nummer erneut darauf zu sprechen:[50]

Unsere Glosse „Der Schriftsteller und das Dritte Reich“ hat zwei Wiener Verleger, Ernst Peter Tal und Paul Zsolnay, zu Gegenerklärungen in einem Montagsblatt veranlaßt. Diese Erklärungen, die an den Feststellungen der Glosse vorbeireden und das Kernproblem in eine andere Richtung abzubiegen versuchen, beweisen indirekt die Richtigkeit unserer Behauptungen. Beide Verleger unterstreichen den „rassischen“ Standpunkt, obwohl wir die Angelegenheit ausschließlich vom „österreichischen“ Standpunkt behandelt haben. Wir haben mit keinem Wort behauptet, daß bei den österreichischen Verlegern der rassische Standpunkt ausschlaggebend sei, halten aber unsere Behauptung aufrecht, daß österreichische Schriftsteller, die nicht bereit sind an das „Dritte Reich“, als an den Nationalsozialismus, Konzessionen zu machen, von den meisten österreichischen und speziell Wiener Verlegern nicht verlegt werden.
(… )
Herr Zsolnay gibt selbst zu, daß er auf verschiedene Schriftsteller, die mehr oder weniger „offene Gegner des heutigen offiziellen Deutschland“ sind, verzichtet hat? (…) Wir halten es für die Pflicht der österreichischen Schriftsteller, denen Österreich und die österreichische Kultur über das Dritte Reich als „literarisches Absatzgebiet“ steht, in ihren Büchern auch das Problem Österreich zu behandeln, Österreich zu bejahen und den Nationalsozialismus abzulehnen, – aber auf solche österreichische Schriftsteller verzichtet, seinen eigenen Worten zufolge, Herr Zsolnay. Herr Zsolnay behauptet ferner, keinen einzigen seiner bisherigen österreichischen Autoren aufgegeben zu haben. Wir begnügen uns aus Raummangel damit, in diesem Zusammenhang auf Theodor Kramer hinzuweisen, der nicht nur ein hervorragender österreichischer Lyriker, sondern außerdem auch Kriegsteilnehmer, ja sogar Kriegsbeschädigter ist – und Mitarbeiter der „Wiener Zeitung“.
Herr Zsolnay stellt unsere angebliche Behauptung richtig, daß er dem Dritten Reich gegenüber eine Loyalitätserklärung abgegeben habe. Wir haben nur behauptet, daß die österreichischen Schriftsteller, die im heutigen Deutschland gedruckt werden wollen, Loyalitätserklärungen abgeben müssen. Es wäre interessant zu erfahren, ob der österreichische Verleger Zsolnay von seinen österreichischen und reichsdeutschen Autoren seinerseits die Erklärung verlangt, daß sie weder „öffentlich, noch gesellschaftlich gegen Österreich“ Stellung nehmen.

Zehn Tage später griff Der Morgen erneut den Fall Zsolnay auf, um ihn unter „Nazi-Attentate auf Österreichs Geist“ einzureihen. Besonders bedauert wird das Los des ehemaligen Zsolnay-Erfolgsautors Heinrich Mann:

Ein noch traurigeres Schicksal hat wohl den größten deutschen Romancier Heinrich Mann ereilt. Seine Bücher, einst vom Zsolnay-Verlag mit der größten Reklame angekündigt, sind nicht einmal dem Scheiterhaufen, sondern einfach dem Ramsch verfallen. Nur wer im Dritten Reich geduldet ist, wo Grete von Urbanitzky, die alles, was Österreich betrifft, auf das schärfste bekämpft, eine hervorragende Rolle spielt, kann weiter seine Bücher in großen österreichischen Verlagsanstalten herausbringen. (23.4.1935, S. 10)

Offene Kritik an dem Zsolnay-Programm übte der nicht als antinazistisch eingestellt bekannte Autor Theodor Heinrich Mayer in seiner „Denkschrift über die Lage und die Wünsche des österreichischen Schrifttums, vorgebracht beim österreichischen Dichtertreffen am 16. November 1936“. Ohne die Autoren beim Namen zu nennen – es handelt sich um Franz Spunda und Wladimir von Hartlieb – oder den Verlag zu erwähnen – es handelt sich um Zsolnay – geht Mayer davon aus, daß „uns der große repräsentative österreichische Verlag“ fehle. Es liege „ganz gewiß nicht in der Linie des heutigen Österreich, wenn uns etwa in dem einen Verlag der Gründer Roms als Vorläufer der heutigen politischen Entwicklung im deutschen Reich vorgestellt werden [sic] (…)“. Gemeint ist Spundas Roman Romulus (1934). Mayer weiter: „Und wir müssen es als eine peinliche Geschmacklosigkeit bezeichnen, wenn der gleiche Verlag ein Buch über Friedrich den Großen (…) anpreist: (…) Sagen wir es ganz offen: das ist ein Byzantinismus, der mit österreichischem Wesen aber schon gar nichts zu tun hat! (…)“.[51]

Ein Jahr darauf veröffentlichte Joseph Roth im Christlichen Ständestaat einen aufsehenerregenden Aufsatz „Verleger in Österreich oder Österreichische Verleger?“ (29.8.1937) und äußerte scharfe Kritik über gleichgeschaltete Verleger, die indirekt auch an die Adresse Zsolnays gerichtet ist.:

(…)
Nun, manche gutgläubigen, ehrlich österreichisch gesinnten „Antisemiten“ wird es vielleicht peinlich überraschen, wenn wir ihnen die Eröffnung machen, daß gerade die jüdischen Verleger in Österreich eifrig beflissen sind, den Anforderungen der Goebbels und Rosenberg zu entsprechen. Also ereignet sich der groteske Fall, daß der katholische Staat Österreich jene jüdischen Verleger beherbergt, die den heidnischen Anforderungen der Reichsschrifttumskammer gehorchen. Österreichische Autoren, die aus Gesinnungs- oder „Rassegründen“ von der deutschen Zensur abgelehnt werden, können also in ihrer österreichischen Heimat nicht erscheinen; und zwar, weil sich „jüdische“ Verleger den Geboten der Goebbelschen „Reichsschrifttumskammer“ unterwerfen (…).[52]

Aber kehren wir zum Frühjahr 1935 zurück: möglicherweise durch die lebhafte öffentliche Diskussion über die Vorgänge bei Zsolnay angeregt, langte Mitte April bei der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit im Bundeskanzleramt ein vierseitiger Brief ein, in dem der Zsolnay Verlag mehr oder minder als getarnte nationalsozialistische Kulturorganisation beschrieben wurde. Obwohl die Unterlagen leider nicht aufgefunden werden konnten, war dieser maschingeschriebene, mit „Euer Hochwohlgeboren!“ adressierte, mit dem 15. April 1935 datierte, mit der VF-Parole „Österreich!“ versehene und mit „Ein Österreicher“ signierte anonyme Brief keineswegs die einzige Anzeige der Umtriebe bei Zsolnay.

So heißt es in einem „Nachtragsbericht“ der Bundespolizeidirektion Wien vom 11.12.1935 in Zusammenhang mit den Erhebungen über das politische Verhalten der zu Mitgliedern der Kommission des Verlagsförderungsfonds vorgeschlagenen Persönlichkeiten:

Laut mehrerer hieramts eingelangter Anzeigen soll die Firma Paul Zsolnay Verlag eine getarnte nationalsozialistische Kulturorganisation sein. Die diesbezüglich gepflogenen Erhebungen ergaben, daß der Paul Zsolnayverlag mit Rücksicht auf den Umstand, daß das Deutsche Reich das Absatzgebiet für nahezu 70% der von ihm verlegten Werke darstellt, sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage sieht, den Verlag von in Deutschland verbotenen Autoren zu übernehmen. Da aber Dr. [!] Paul Zsolnay seinerzeit auch Gesellschafter einer in der Schweiz bestehenden Bibliothek zeitgenössischer Werke war, bei welcher dermalen ein aus der Verlagsgesellschaft Paul Zsolnays ausgeschiedener Gesellschafter der Rechtsanwalt Dr. Paul Neumann als Geschäftsführer fungiert, soll es Paul Zsolnay stets gelungen sein, Werke von in Deutschland nicht genehmen Autoren bei der erwähnten Schweizer Bibliothek unterzubringen. Nach Angabe des Paul Zsolnay kann von einem Druck Deutschlands auf die Firma keinesfalls gesprochen werden. In, übrigen sind die von Paul Zsolnay verlegten Werke frei von jeder Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes und irgendwelchen auch nur versteckten Angriffen gegen Österreich.
Nach Äußerungen von Personen, welche angeblich den Verlag genau kennen, soll derselbe ein ungarisch-jüdisches Unternehmen sein.[53]

Die Einvernahme Zsolnays fand aber vor Ende Juli 1935 statt[54], und die Verantwortung dahingehend, daß der Verlag keine Nazi- bzw. Anti-Österreich-Literatur produziere, stimmt natürlich. Daher konnte man dem Verlag nichts anhaben, egal, ob er unverkäufliche Autoren fallengelassen oder eine Reihe national gesinnter Autoren aufgenommen hatte.

Obwohl die diversen Erfahrungen für Zsolnay sicherlich unangenehm waren, konnte er sie gewiß verschmerzen. Unangenehm – ja geschäftsgefährdend – für ihn und die neuen Autoren, „die korrekt den Instanzenweg gingen und keinen Vertrag abschlossen, bevor sie nicht die Gewißheit hatten, daß solch ein Vertragsabschluß den österreichischen Parteiinstanzen erwünscht sei“[55], war eine heftige Kampagne von vermeintlich Verbündeten, vor allem in der Person des Rosenberg nahestehenden Herausgebers der Neuen Literatur, Will Vesper, der nebenbei das Femeunwesen in NS-Schriftstellerkreisen in Österreich schürte. In dem bereits zitierten anonymen Brief eines in nationalen Kreisen guteingeführten Verfassers ist nämlich von einer „Femeabteilung“ die Rede, „die nicht nur die Existenz unbotmäßiger Schriftsteller durch Abriegelung von deutscher Verdienstmöglichkeit, sondern – wenigstens mit Worten – das Leben solcher Verfemten bedroht.“ Während die Wiener Polizei in ihrem vertraulichen Bericht von all dem nichts wußte (wissen wollte), wußte es die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit anders:

Insbesondere scheint das Femeunwesen tatsächlich solche Formen angenommen zu haben, daß zum Nationalsozialismus neigende Autoren, wie Weinheber (nur weil sie sich nicht rückhaltslos zum Dritten Reich bekennen), ernstliche Sorgen nicht nur um ihre literarische Existenz, sondern auch um ihr Leben haben. So erhielt Weinheber Drohbriefe, als er einen Prolog zur Heldendenkmalfeier des Wiener Männergesangvereines verfaßte. (…)[56]

Wie erinnerlich, schrieb Weinheber von ähnlichen Entwicklungen in seinem Brief an Gustav Pezold vom 23. Februar 1935.[57]

Schon 1933 hatte Will Vesper in Zusammenhang mit den Ereignissen in Ragusa begonnen, gegen den „jüdischen“ Wiener Verlag Paul Zsolnay eine Aversion zu entwickeln.[58] Aber der Startschuß zur regelrechten Kampagne kam merkwürdigerweise aus Österreich, genauer aus Graz, aus den völkischnationalen Alpenländischen Monatsheften. In Heft 6 vom März 1934, als von der Zsolnay-Umstellung nicht allzuviel bekannt gewesen sein dürfte, werden — vom kerndeutschen Österreicher Joseph Papesch – „jüdische Greuelnachrichten“ verbreitet. Unter „Schreckensnachrichten“, Punkt 6 liest man zum Beispiel:

Der Verlag S. Fischer, der bedeutendste und exponierteste Protektor der jüdischen Literatur im deutschen Bereich, der Vermittler all der krankhaften und widerlichen Exzesse des jüdischen Zivilisationsliteratentums, besteht noch immer, und neben ihm bestehen auch Gustav Kiepenheuer und Paul Zsolnay. Sie dürfen weiter ihre Bücher verlegen.
(…) (S. 188)

Soweit dieser österreichische Will Vesper. Dieser wiederum kann dem Steiermärker von den Alpenländischen Monatsheften nur eine Reise nach Deutschland empfehlen, denn da

würde er sich noch mehr wundern, wenn er feststellen müßte, daß die Bücher der S. Fischer und Genossen und vor allem die mit großer Geschicklichkeit propagierten Zsolnay-Literaten (nicht nur die Renommiergois, sondern die reine Judenliteratur dieses Wiener Judenverlages: Die Bücher der Salten, Werfel usw.) die Fenster vieler deutscher Buchläden füllen und daß man in den gleichen Buchhandlungen die Bücher der eigentlichen deutschen Dichter leider noch immer in der Aschenbrödelecke findet. (…)[59]

Ganz offensichtlich ist Vesper im Juni 1934 noch nicht, ja erst gegen Mai 1935, über die Vorgänge bei Zsolnay in Wien informiert worden. Verlagsinhaber Zsolnay findet an den eben zitierten Äußerungen Vespers nicht besonders viel Gefallen und protestiert dagegen, daß Vesper seinen Verlag einen „Judenverlag“ genannt hat. Seine Antwort an Vesper:

Unser Verlag ist kein Judenverlag. Er wurde von mir im Jahre 1923 gegründet. Ich selbst gehöre zur deutschen Minorität der tschechoslowakischen Republik, die auf exponierterem Boden für die deutsche Kultur eintreten mußte und muß, als es Deutsche in Deutschland mußten. Ich selbst habe in meiner Heimatgemeinde Oberufer bei Preßburg einen Großgrundbesitz und habe (…) durchgesetzt, daß die Schule in dieser überwiegend deutschen Gemeinde aus einer ungarischen Schule in eine rein deutsche Schule verwandelt worden ist. (…)

Auffallend ist schließlich Zsolnays ostentatives Bekenntnis zum deutschen Volkstum:

Aber selbst wenn ich rein arischer Abstammung wäre, würde ich als Auslandsdeutscher darauf keinen Wert legen, da bei uns lediglich die Einstellung zum Deutschtum und die Zugehörigkeit zur religiösen Konfession von Bedeutung ist.[60]

Nun, so einfach war Vesper nicht beizukommen, denn die Zsolnays wären – so Vesper – „aus Ungarn stammende Juden“, der Besitzer des Verlags sei „auch mit einer Jüdin verheiratet, einer Tochter des jüdischen Komponisten Mahler, dessen Witwe mit dem jüdischen Autor des Verlages Franz Werfel verheiratet ist. In dem Verlag erschienen neben der Judenliteratur von Schalom Asch bis Werfel, Robert Neumann, Felix Salten, H.E. Jacob, Lothar, Zarek usw., auch eine Reihe deutscher Schriftsteller von Bedeutung“. Fazit Vespers:

Nach unserer Erfahrung und Überzeugung ändert dieser Umstand nichts an dem jüdischen und judenliberalen Charakter des Verlages, und wir sind nicht der Meinung, daß es richtig und gefahrlos oder sogar lobenswert ist, wenn das deutsche Volk aus solchen Wiener Küchen seine geistige Kost empfängt. Wir sind der Ansicht, daß das Verlegen der deutschen geistigen Nahrung eine hohe und heilige Aufgabe und ein sehr verantwortungsvoller und heikler Dienst am Geist unseres Volkes ist und ausschließlich in deutsche Hände gehört. Wir glauben, daß ein Mann jüdischer Rasse, ungarischen „Adels“, evangelischer „Konfession“, tschechischer Staatsangehörigkeit, in Wien einen Verlag betreibend, selbst dann, wenn er persönlich guten Willens ist, doch nicht der Mann ist, dem man die Versorgung des deutschen Volkes mit geistiger Kost anvertrauen soll. (Ebda.)

So geschrieben im August 1934, und von dieser Meinung ging Vesper nicht ab. Gedanken an die „Vergiftung des deutschen Volkes“ und den „allmächtige(n) jüdische(n) Verleger“ brachten Vesper erst im Mai des folgenden Jahres wieder auf Zsolnay zu sprechen. Nun hatte er, wenn auch nur oberflächlich, so doch Kenntnis von der Umstellung bzw. – um mit Vesper zu sprechen – „Tarnung“ bzw. „merkwürdigen Gleichschaltung“: „Seit unserer letzten Klarstellung, daß es sich hier um einen Judenverlag handelt, beobachten wir bei ihm mit wachsendem Erstaunen eine merkwürdige Tarnung.“ Als er aber die nationale Aufrichtigkeit der neuen Zsolnay-Autoren in Zweifel zieht, löst er eine Kontroverse aus:

Dafür tauchen eine Reihe von neuen Autoren im Verlag auf, die als deutsch national gelten oder auch wirklich deutsch national sind. Die Herren können nur einer inneren Täuschung zum Opfer gefallen sein. Während der echte deutsche Verlag überall schwer ringen muß, um gegen die jahrelange Vorherrschaft der jüdischen Verlage erst einmal hochzukommen, wird hier einer der größten und gefährlichsten Judenverlage sozusagen durch deutsche „Schwimmer“ vor dem Untersinken bewahrt. Wir können in der merkwürdigen Gleichschaltung leider nicht einmal ein Zeichen sehen, daß der jüdische Verlag in Österreich deutsche Morgenluft wittere! Wir sehen vielmehr in dieser Aufnahme von nationalen und auchnationalen Schriftstellern in den Verlag (…) den geschickten und hinterhältigen Versuchen, Verwirrung in die Reihen der wirklich deutschgesinnten Österreicher zu tragen und das nationaldeutsche Schrifttum vor den Augen der deutschen Bevölkerung Österreichs lächerlich zu machen und als unzuverlässig hinzustellen, indem man es dazu verführt, aus der jüdischen Krippe der „echt österreichischen Menschen“ mitzufressen.[61]

Vesper löste in nationalen Schriftstellerkreisen in Österreich noch mehr Empörung aus, als er im Juli 1935 folgendes von sich gab:

Im Fall Zsolnay werden allerlei Verdunkelungsmanöver versucht. Es bleibt dabei, daß ein Verlag mit solcher Vergangenheit und solchen Querverbindungen, ein Verlag im Besitz eines Juden, kein Verlag für nationale deutsche Schriftsteller sein kann, die auf Sauberkeit halten.[62]

Im August-Heft der Neuen Literatur erreichten die Attacken gegen Zsolnay und die „nationalen“ Autoren ihren Höhepunkt. Diesmal läßt Vesper Einzelheiten einfließen, die er von Weinheber erfahren hat und die diesen später in Schwierigkeiten bringen. Aus der dreiseitigen Invektive sollen hier weil Vesper mit seinen Berichten auf den Zsolnay-Verlag einen nachhaltigen Einfluß im negativen Sinn ausübte – die wesentlichsten Passagen, u.a. die „Kriegserklärung“ gegen Hermann Leber, wiedergegeben werden, um auch die Gehässigkeit von Vespers Stil zu zeigen. Er beginnt mit der Feststellung, daß die „literarischen und kulturpolitischen Ereignisse in Österreich (…) unserer genauesten Aufmerksamkeit“ bedürften.

Wie unser künftiges politisches Verhältnis zu Österreich auch sein mag, auf keinen Fall darf Wien jemals das Einfallstor für die Todfeinde des Nationalsozialismus, für Judentum und Jesuitentum, werden. Wir müssen die Augen scharf aufmachen, denn wir haben es mit den gerissensten Politikern der Welt zu tun, denen jedes Mittel recht ist, das nationalsozialistische Deutschtum zu schädigen. Wir müssen aus diesem Grunde auch noch einmal genauer auf die angebliche „Nationalisierung“ des Wiener Judenverlages Zsolnay eingehen. Es handelt sich dabei keineswegs um eine belanglose, literarische Angelegenheit, sondern um eine der wichtigsten kulturpolitischen Fragen der Gegenwart, um unsere Beziehungen zum Deutschtum in Österreich. (…)
Wenn also für irgend jemand, dann gilt für diesen Verlag das Wort des Führers, auf das auch Rosenberg in Düsseldorf wieder hinwies: „Aber das eine wissen wir, daß unter keinen Umständen die Repräsentanten des Verfalls, der hinter uns liegt, plötzlich die Fahnenträger der Zukunft sein dürfen“ – ganz abgesehen davon, daß jedes Paktieren mit einem Verlag, der auch heute noch in jüdischem Besitz ist, für jeden nationalen Deutschen unmöglich sein sollte! Freilich versuchen die dunklen Zutreiber des Verlages jetzt, wie wir hören, sogar die Judenschaft des Besitzers zu leugnen. Wir verweisen auf unsere Auseinandersetzung mit Zsolnay im Augustheft 1934. (…)
Nach unseren Feststellungen im Jahre 1934 wurde Zsolnay klar, daß er seine alte Juden- und Judengenossenliteratur im neuen Deutschland nicht mehr verkaufen konnte. Der Verlag „stellte sich um“!
(…)
Inzwischen sind die Vorhänge wohl dichter geschlossen worden, denn man ist ja nun „national“ wenn nicht gar – unter ermunterndem Kopfnicken der Wiener Gewaltigen – „nationalsozialistisch“ geworden. Es vollzog sich jene niederträchtige und auf das deutsche Volk Österreichs katastrophal wirkende Tarnung, auf die wir im Maiheft hinwiesen. Die verschiedensten Elemente wirkten zu dieser Schiebung zusammen: das Interesse des jüdischen Verlegers, aus Deutschland Gelder zu bekommen; das Interesse der jesuitischen österreichischen Regierung, möglichst viele deutsche Dichter für das „Österreichertum“ festzulegen, möglichst viele Dichter und Führer in ihrer unsicheren Haltung vor dem Volk zu zeigen und die nationale Idee im römisch-katholischen Sinne abzubiegen; ferner das Gefühl der Verlassenheit unter den deutschen Dichtern Österreichs, deren man sich in verworrener Zeit vom Reich aus nicht mit genügendem Nachdruck annahm und die daher durch Wiener Gerüchtemacher mit Lügen, Drohungen und Versprechungen allzuleicht in den Zsolnaystall gelockt wurden; und endlich die Charakterlosigkeit und Geschäftemacherei einer Reihe sogenannter „nationaler“ in Wahrheit höchst unzuverlässiger, literatenhafter Elemente. Den Hauptzutreiber für den Zsolnayverlag machte ein Reichsdeutscher, Dr. Hermann Leber, der in einem wahrhaft infernalischen und schwer durchschaubaren Treiben die nationalen Dichter für den Judenverlag Zsolnay einfing. Durchschaubar wird dies Treiben sofort, wenn man, ungerührt durch seine Ausreden, im Auge behält, daß er (bei offenbar besten Beziehungen zu römisch-österreichischen Kreisen) eben den Zutreiber für diesen Judenverlag machte. Ein Mann von höchst undurchsichtiger Vergangenheit, dem alle die ihn kennen phantastische Unwahrhaftigkeit nachsagen! (Beweise liegen uns vor!) (…) Unter diesem nationalen Mäntelchen verstand er es dann, mit Verwirrung und Hinterhältigkeiten jeder Art die verschiedensten Literaturgruppen Wiens gegeneinander auszuspielen, offenbar alle und alles durcheinander zu bringen, unter der nationalen Schriftstellerschaft das schwerste Unheil anzurichten und dann die Hilflosen endgültig durch einen Pakt mit dem berüchtigten Judenverlag zu erledigen. Dichter, die seinen Lockungen widerstanden, wurden heimlich durch Zwischenträgereien bei den anderen und im Reich angeschwärzt, während Leber gleichzeitig (charakteristischerweise wieder in einem alten Judenblatt) lobende Aufsätze über sie veröffentlichte, um sich vor ihnen selbst als ihr Freund aufspielen zu können. Diese Trübung aller Wasser wurde ihm durch die gleichzeitige tragische politische Entwicklung in Österreich sehr erleichtert und zweifellos von der Wiener Regierung offen und heimlich unterstützt. (…)
Leider fanden die nationalen, schöpferischen Schriftsteller keine ähnliche Hilfe in Deutschland, und da gleichzeitig Dr. Lebers Wühlereien und die geschickte Einflußnahme abkommandierter habsburgischer Lockvögel und das charakterlose Beispiel von nicht oder nur halb deutschstämmigen Literaten aus den dunkelsten Gegenden des alten Österreich sie verwirrte, kam es dahin, daß auch unzweifelhaft nationale und saubere Schriftsteller, wie z.B. Hermann Stuppäck, Edmund Finke, beides Lyriker von Rang, Hermann Graedener und Karl Hans Strobl, wertvolle deutsche Erzähler, auf den Leberschen Leim gingen. Dabei behielt Zsolnay sogar einen Teil seiner Juden. Z.B. Werfel und Salten, ruhig weiter im gleichen Verlag. (…)
Nur das offene Ausbrennen dieses Skandals kann wieder Klarheit und Vertrauen schaffen.
Die Schädigung der deutschen Interessen wird dabei nicht einmal den Schriftstellern, die sich für Zsolnay einfangen ließen, persönlich viel nützen. Den eigentlichen Drahtziehern war es ganz gewiß von vornherein klar, daß die alte jüdische und judenfreundliche Kundschaft des Verlages Zsolnay nicht die nationalen Dichter kaufen und daß ebensowenig die nationale Bevölkerung ihre geistige Kost aus dem Judenverlag nehmen würde. Hoffentlich lernen alle Beteiligten aus dem kommenden Zusammenbruch, vor allem aber wir im Reich.

Vesper spart auch nicht mit Selbstkritik:

Die deutsche Öffentlichkeit, der deutsche Rundfunk, deutsche Zeitschriften und deutsche Verlage müssen sich in weit stärkerem Maße als bisher der schöpferischen Kräfte in Österreich annehmen. (…)
Wir müssen ihnen [den Schriftstellern] aber zugleich klarmachen, daß die große deutsche Volksbewegung kein Paktieren mit dem Judentum und dem Jesuitentum kennt! Gerade der Fall Zsolnay beweist klar, daß jede Lauheit, jedes Bethmann-Hollwegtum, in dieser Frage wie in jeder, zur schwersten Schädigung des Deutschtums führen muß. Das Wort, das der sächsische Gauleiter, Reichsstatthalter Mutschmann, am 26. Mai d.J. auf der Gautagung in Dresden im Namen der Bewegung sagte, gilt auch auf kulturpolitischem Gebiet: „Mit Juden gibt es für den Nationalsozialismus kein [sic] Kompromiß!“
W.V.[63]

Kein Wunder also, daß die nationalen Autoren und vor allem Leber in die Defensive gedrängt wurden.

Schon vor den erneuten Angriffen Vespers im Augustheft der Neuen Literatur entwickelte sich in Sachen Zsolnay, wie Gerhard Renner ermittelt hat[64], eine rege Schreib- und Reisetätigkeit. So unterrichtete Erwin Rainalter den Verlagsinhaber schriftlich am 11. Juni 1935 von weiteren Maßnahmen zugunsten des Verlags:

Unser Freund Otto Emmerich Groh wird Ihnen schon berichtet haben über die Schritte, die wir gemeinsam hier machten, um die Vorurteile gegen den Zsolnay-Verlag zu beheben. Ich selbst habe nun noch bei der Hauptschriftleitung des „Völkischen Beobachters“ vorgesprochen und auch dort viel Entgegenkommen gefunden. Auch andere Stellen habe ich nachdrücklich mobilisiert. Meine Bemühungen sind noch keineswegs zu Ende. Ich hoffe auf guten Erfolg für den Verlag und seine Autoren.[65]

Bei Hans Hinkel – seit Mitte 1935 Geschäftsführer der RKK – fand Groh „liebenswürdige Unterstützung in österreichischen kulturellen Belangen“.[66] Von Leber sind Bruchstücke eines Berichts erhalten, die auf die von österreichischer Seite unternommenen Schritte Licht werfen. So heißt es in einer wichtigen Passage:

Die auf irrigen und längst überholten Voraussetzungen fussenden Angriffe Will Vespers in der ,Neuen Literatur“ werden hier von P.O. und K.O. ebenso wie von einer ganzen Reihe von Reichsstellen als der politischen Taktik der NSDAP und der Ausbreitung der Gedankenwelt des neuen Deutschland widersprechend, scharf abgelehnt. (ebda.)

Auch Franz Spunda wurde im Reich für Zsolnay aktiv.[67] Fest steht außerdem, daß Josef Weinheber als Nicht-Zsolnayautor (er bot Zsolnay seine Gedichte schon früher an, wurde aber abgelehnt) und Vesper-Informant in die Mangel genommen wurde. Anders ist der folgende Brief Will Vespers an Frau Hedwig Weinheber vom 11. September 1935 nicht zu erklären. Hieraus geht u.a. hervor, daß Leber von Vesper eine Berichtigung seiner Ausführungen über die „angebliche Nationalisierung“ verlangte. Hier der volle Wortlaut:

Meissen, den 11.9.1935
Liebe Frau Weinheber,
schönen Dank für Ihren Brief und den von Dr. Leber, einen wahren Erpresserbrief, würdig dieses Mannes. Sollte er noch weitere schreiben, so schicken Sie sie mir nur ruhig, und lassen Sie Ihren Mann außerhalb dieser ganzen Sache. Er hat ja wirklich nicht das Geringste damit zu tun. Ich schätze in ihm einen großen Dichter unserer Sprache und setze mich deshalb für ihn ein. Die Berichtigungswünsche des Dr. Leber sind lächerlich. Er verlangt z.B. von Ihrem Mann Berichtigungen über Dinge, die sich angeblich im Rheinland zugetragen haben sollen. Was kann Ihr Mann davon wissen? Er will ihn nur erschrecken. Das ist die Art aller Erpresser. Lassen Sie sich nur nicht fangen. Dieser Leber ist ein Lügner und Gauner. Wenn er etwas von mir will, soll er nur nach Deutschland kommen, dann kann er einmal wirklich Rede stehen.
Ich bedaure, daß Ihnen und Ihrem Mann dadurch, daß ich gleichzeitig diesen Kampf gegen die Zsolnayleute führen muß, Unruhe und Unbequemlichkeit gemacht wurde. Hoffentlich haben wir bald friedlichere Zeiten. Jedenfalls werde ich nie aufhören, mich für das große, schöne Werk Ihres Mannes einzusetzen.
Mit ergebensten Grüßen Ihr [gez.] Will Vesper[68]

Erst gegen Ende September, also ein paar Wochen später, kam es zu einem gemeinsamen Protestschritt der nationalen Autoren gegen Vesper. Belegt ist diese Aktion durch einen Brief Hermann Lebers an Wladimir von Hartlieb, der mit 25. September datiert ist. Diesbezüglich heißt es:

Am Freitag Abend versammeln sich alle Autoren um einen gemeinsamen Protestschritt gegen Will Vesper zu unternehmen. Schade, daß Du nicht dabei bist. (…) Es werden sich auch eine ganze Reihe von Leuten beteiligen, die nicht bei Zsolnay sind, rein aus Kollegialität. Aber umso wirksamer wird der Schritt sein. Auch sonst ist allerhand gegen Will Vesper geschehen und Du kannst versichert sein, dass diesmal endgültig Schritte unternommen werden, die ihm die Lust zu weiteren derartigen Sachen vergehen lassen.[69]

Vom regelmäßigen Treffen war auch in der anonymen Anzeige vom April 1935 die Rede gewesen. Da liest man:

Der Klüngel des Dr. Leber kommt jeden Dienstag um 8 Uhr abends in einem Zimmer im Deutschen Haus unter dem Stichwort „Die Schriftsteller“ zusammen, um seine staatsfeindliche und kulturfeindliche Wühlarbeit zu treiben. Wenn hier überraschend zugegriffen würde, fände man sicher sehr viel Material, während Haussuchungen jedenfalls ergebnislos verlaufen würden. (a.a.O.)

Nur, als die Erhebungsbeamten der Wiener Polizei diesem Hinweis nachgingen, wollten oder konnten sie die behaupteten allwöchentlichen Zusammenkünfte des Schriftstellers Hermann Leber mit Gleichgesinnten im Restaurant „Deutsches Haus“ in Wien I., Stephansplatz Nr. 6 nicht bestätigen: „Es konnte auch die Abhaltung der behaupteten Zusammenkünfte in keiner Weise festgestellt werden.“ Neben diesem Hinweis auf die Protestversammlung (am Freitag) in Sachen Vesper vom 25. September gibt es einen zweiten Beleg für diese von der Polizei in keiner Weise feststellbaren Treffen. So schreibt Leber an Hartlieb am 8. Oktober:

Am Freitag Abend treffen wir uns an gewohnter Stelle am Stephansplatz mit Costia und Zsolnay, da wir verschiedenes Grundsätzliche über weitere Verlagsautoren udgl. besprechen wollen. Vielleicht kannst Du ein paar Minuten früher da sein, damit wir unsere eigenen Sachen zuvor erledigen können.[70]

Es ist also nicht verwunderlich, daß Bundeskanzler Schuschnigg solche Ergebnisse als „höchst unbefriedigend“ bezeichnete, den Bericht der Bundespolizeidirektion nicht zur Kenntnis nahm und daß daher vom Staatssekretär der Auftrag erteilt wurde, „eine ausreichende Information über den Zsolnay-Verlag zu erstellen“.

Die „endgültigen Schritte“, die nun angeregt wurden, ließen Vesper nicht „die Lust zu weiteren derartigen Sachen vergehen“. Im Gegenteil. Im Oktober-Heft der Neuen Literatur waren der Zsolnay-Verlag und die „blinden“ nationalen Autoren an der Reihe:

Was der jüdische Verlag Zsolnay mit seiner merkwürdigen „nationalen Gleichschaltung“ bezweckte, zeigt leider deutlich der erste Blick in den Roman „Der Sandwirt“ von Erwin H. Reinalter [sic], den dieser, obgleich er Theaterkritiker eines Blattes der Bewegung ist, soeben von dem Wiener jüdischen Verlag herausgeben ließ. (…) Wird es bei den nationalen Zsolnayautoren noch immer nicht hell? Haben wir nicht rechtzeitig genug vor dieser gefährlichen Rassenmischung gewarnt? Wer sich mit dem Juden an einen Tisch setzt, besorgt seine Geschäfte, auch wenn er schlauer zu sein glaubt. Und wer die Geschäfte des Juden besorgt, bewußt oder unbewußt, schädigt Deutschland und den Nationalsozialismus, von dem heute jeder weiß und wissen muß, daß er keine Kompromisse mit dem Judentum kennt. „Der Nationalsozialismus wird“, wie Rosenberg eben in Nürnberg sagte, „entgegen manchen Einflüsterungen von seinem Programm und seiner Haltung keine Handbreit weichen.“[71]

Dann hörte die Polemik gegen Leber & Co. plötzlich auf. Statt dessen erschien im Dezemberheft 1935 folgende kryptische Erklärung, die mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auf Proteste gegen die Zsolnay-Berichterstattung zurückgeht:

Wir können folgende erfreuliche Erklärung mitteilen: „In einer offenen Aussprache zwischen dem Leiter der“ Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums“, Pg. Hans Hagemeyer, und dem Herausgeber der „Neuen Literatur“, Pg. Will Vesper, wurden die bestehenden Mißverständnisse beseitigt. Pg. Hagemeyer hebt die Rundschreiben und Erklärungen der „Reichsstelle“, die sich mit der „Neuen Literatur“ und ihrem Herausgeber beschäftigen, auf.“[72]

Der vorhin schon mehrmals zitierte, nicht datierte Bericht „Der Verlag Paul Zsolnay und seine Autoren“ – er wurde vermutlich von O.E. Groh und Erwin Rainalter verfaßt – muß nun im Lichte des Vorangegangenen als Teil des „gemeinsamen Schrittes“ angesehen werden, denn der Verlag war in Deutschland eben durch Vesper sehr übel angesehen und galt bei den öffentlichen Stellen trotz allem nicht als „gleichgeschaltet“. Die nationalen Autoren hatten nun keine Vorteile durch die Verbindung zu Zsolnay; sie hatten im Gegenteil gewaltige Nachteile und wollten dies als Entgegnung zu dem, was Vesper verbreitet hatte, den Herren der RSK in Berlin mitteilen. So wird der Bericht folgendermaßen eingeleitet:

In der letzten Zeit nimmt im Deutschen Reiche der Widerstand gegen den Wiener Verlag Paul Zsolnay sehr zu. Es ist soweit gekommen, daß nun die Gefahr besteht, alle Autoren, die ihre Bücher diesem Verlage übergeben haben, könnten als unzuverlässig, als unnational gelten. Zwei Tatsachen sollen hier angeführt sein: die Zeitungen des Eher-Verlages bringen über kein einziges Zsolnay-Buch mehr eine Besprechung, und dies über ausdrückliche Anweisung der Verlagsleitung, und im „Schwarzen Korps“ stand kürzlich wieder ein überaus heftiger Angriff gegen den Verlag zu lesen.
Es sei gestattet, darauf kurz zu erwidern, daß ein Kampf gegen den Zsolnay-Verlag in seiner heutigen Form gleichbedeutend damit ist, daß man den nationalen Dichtern Österreichs, für die der nationale Kampf noch keineswegs zu Ende ist und die nach wie vor verfolgt, verhaftet und um ihre Existenz gebracht werden, in den Rücken fällt. (…)

So wird das Beispiel des seit der Verbindung mit Zsolnay „vermiedenen“ nationalen Kämpfers Karl Hans Strobl zur Sprache gebracht:

Umso trauriger ist es, daß nun Strobl das bittere Los kosten muß, das Opfer eines Kampfes zu sein, der nur aus der vollkommenen Unkenntnis österreichischer Verhältnisse erklärbar ist, der aber in seinen Auswirkungen die Existenz der überzeugungstreusten österreichischen deutschen Dichter vernichten kann. Von der Regierung Schuschnigg verfolgt und um ihr Brot gebracht, müssen diese Dichter es nun erleben, daß man sie auch im Deutschen Reiche, für das sie alles geopfert haben, preisgibt.

Was die nationalen Autoren dazu bewog, das Angebot Zsolnays anzunehmen, wird wie folgt erläutert:

Hier muß festgehalten werden, daß die reichsdeutschen Verlage die österreichischen Dichter in den letzten Jahren sehr schlecht behandelt haben, weil angeblich für österreichische Dinge im Reiche zu wenig Interesse bestünde. Hinzu kam, daß die Devisenschwierigkeiten die deutschen Verlage immer mehr davon abhielten, mit Autoren außerhalb der geschlossenen deutschen Reichsgrenzen Verträge abzuschließen. Dadurch waren die österreichischen Dichter, und insbesondere die jüngeren unter ihnen, irgendwie vogelfrei, sie fanden nirgends ein Dach. Nun kam der Verlag Zsolnay zu ihnen.
(…)
Alle diese Menschen, Dichter und Maler, sollen nun, nach allen Opfern, die sie gebracht haben und heute noch immer bringen, verfehmt (sic) sein, nur weil man im Reiche keine Ahnung von den Verhältnissen in dem armen tapfer kämpfenden Österreich hat und somit gewillt ist, den österreichischen Künstlern in den Rücken zu fallen. Künstler, die korrekt den Instanzenweg gingen und keinen Vertrag abschlossen, bevor sie nicht die Gewißheit hatten, daß solch ein Vertragsabschluß den österreichischen Parteiinstanzen erwünscht sei.

Diese nationalen Dichter des Verlages Paul Zsolnay werden es aber niemals verstehen, daß man nur den Verlag (seinem Namen nach) beurteilt und keineswegs die Bücher, die er verlegt.

Klare Worte, die zwecks Aufklärung deutscher Stellen und gegen Vesper geschrieben wurden.

Wie sich dieses Dilemma für nationale Autoren – also hie „Judenverlag“ da fehlende Publikationsmöglichkeiten in Österreich und im Reich – gestaltete, läßt sich am Beispiel Wladimir von Hartliebs gut dokumentieren. In seinem Tagebuch 1936-38 grübelt Hartlieb lange über sein eigenes Los und das seiner Gesinnungsgenossen nach. Für ihn wie für Weinheber erfüllte sich der Traum, von einem reichsdeutschen Verlag aufgenommen zu werden, sehr spät. Ihn plagte am meisten der Gedanke der Erfolglosigkeit, die Tatsache, daß er vor allem in Deutschland nicht einmal ignoriert wurde. Zu Zsolnay ging er, mußte er gehen, wollte er überhaupt einmal etwas veröffentlichen:

Zu Zsolnay kam ich durch Dr. Leber; er brachte eine ganze Gruppe von national gesinnten Autoren dort unter, also nicht mich allein. Uns allen versicherte er, daß er bei dieser Verlagspolitik von Berlin unterstützt werde, daß Berlin es wünsche, daß wir im Zsolnay Verlag Fuß fassen.
Dr. Leber hat nicht ganz die Wahrheit gesagt. Er hat nur erreicht, daß man unsere Bücher nicht geradezu verbietet und daß wir in der Presse besprochen werden dürfen. Aber man zeigt uns die kalte Schulter, man stellt uns in den Schatten. Es gibt für uns keine offizielle Förderung.
Was mich nun erbittert, ist dies: daß man so tut, als ob ich freiwillig zu Zsolnay gegangen wäre! Zsolnay ist Jude, der Verlag hat eine fürchterliche Vergangenheit: ich selbst habe ihn ja als Dominikus scharf an gegriffen. Die Antipathie gegen den Verlag ist mir also durchaus verständlich. Aber ich habe doch versucht, einen deutschen Verlag zu finden, – und das ist mir nicht gelungen! „Fridericus“ wurde vier Verlegern angeboten (Langen-Müller, Inselverlag, Paul Neff, Voggenreiter): alle haben refusiert. Was sollte ich tun? Weiter hausieren? Das konnte ich nicht, ich bin keine Hausierer-Natur. Ich gab das Gedicht also zu Zsolnay, der ja jetzt eine ganze Reihe nationaler Autoren führt (die alle in meiner Lage sind). Mit dem „Haus einer Kindheit“ ging es mir genau so. Der deutsche Verlag hat einfach in meinem Fall versagt. Und jetzt verhängt man einen Boykott über mich, weil ich bei einem Juden erscheine! Hätte ich mich umbringen sollen?
Ich selbst leide schwer darunter, daß ich keinen anderen Verlag habe; ich zähle das mit zu den vielen Dingen, die mich quälen. Aber nochmals: was sollte ich tun? Ich, der ich 50 Jahre alt geworden bin – und einfach nicht mehr Zeit habe, zu warten!
Ist dieser halbe Boykott über mich und meine Verlagskollegen aus dem nationalen Lager nicht unanständig? Wäre es nicht richtiger gewesen, den Verlag gänzlich zu boykottieren, als uns in die schiefe Lage zu bringen, in der wir uns jetzt sehen? Entweder – oder! Man hätte Dr. Leber entweder sofort erklären müssen, daß er nationale Autoren nicht zu Zsolnay bringen dürfe, oder man hätte diesen Autoren ohne jeden Hintergedanken entgegenkommen müssen. Das Spiel, das man jetzt mit uns treibt, ist nicht sehr ehrlich. (Eintragung Ende Jänner 1937)[73]

Im März ist der „Komplex“ Zsolnay noch immer nicht durchgestanden:

Seit Monaten kämpfe ich mit dem Entschluß, meine Gedichte Zsolnay vorzulegen. Es ist klar, daß kein anderer Verleger sie drucken würde. Gesammelte Gedichte von einem unbekannten Autor? Wahnsinn! Auch von Langen-Müller und Insel-Verlag wäre nichts zu erhoffen. Ich stehe zu allein da.
Und gegen den Zsolnay-Verlag habe ich Ekelgefühle – ganz abgesehen davon, daß er in Deutschland auf vielfache Widerstände stößt…
Diese einzige Chance also ausschlagen?
Ganz aus der Öffentlichkeit verschwinden? (Eintragung vom 20.3.1937)

In einer Tagebucheintragung vom 5. Februar 1938 weist sich Hartlieb als genauer Leser der Attacken Will Vespers in der Neuen Literatur aus, der mit seinen Urteilen gut reden hat:

Noch ein Wort über Verlagsschmerzen. Meine letzten Bücher, „Fridericus“ und „Haus einer Kindheit“, sind bei Zsolnay erschienen. Warum in diesem jüdischen Verlag? Weil die deutschen, bei denen ich anklopfte, ablehnten. Wie bitter es mir ist, Autor eines Verlegers zu sein, den ich selbst ehemals wiederholt scharf angegriffen habe, brauche ich nicht zu sagen. Ich hätte schon viel mehr bei Zsolnay herausgeben können, zögerte aber immer wieder, ließ die Zeit verstreichen – in Erwartung eines Wunders. Ein Jahr habe ich jetzt den Verlag nicht mehr betreten, ich ließ 1937 vorübergehen, obwohl ich wieder etwas hätte drucken lassen können – und, vom Standpunkt des Verlages aus, sogar sollen. Ich kann nun nicht noch ein Jahr verlieren, denn das wäre Selbstmord. Unbedingt wieder herausgeben möchte ich „Fortschritt ins Nichts“, das ja nach dem Zusammenbruch des Georg Müller Verlages verramscht wurde. Ich werde das nun doch wieder Zsolnay übergeben, da ich keine andere Publikationsmöglichkeit habe. Und ich muß es hinnehmen, daß ich wiederum zu den von Will Vesper teils beschimpften, teils totgeschwiegenen Autoren gehören werde – wahrlich ohne meine Schuld. Will Vesper meint – er schrieb es wiederholt in seiner Zeitschrift -, daß jeder nationale Autor einen nationalen Verlag finde, die Verbindung mit Zsolnay also unentschuldbar sei. Aber er irrt: ich finde diesen Verleger nicht. Und was soll ich tun? Mich umbringen? Das wäre doch ein bißchen zu viel verlangt. Herr Vesper sollte nicht unglückliche Schriftsteller angreifen, sondern kleinherzige Verleger.

Der „Getto-Verlag“

Paul Zsolnay Signet 2Es wurde sowohl von Vesper als auch von seiten österreichischer Zeitungen immer wieder behauptet, Zsolnay hätte in der Schweiz einen „Getto-Verlag“ geschaffen und seine im Reich unter dem Impressum Paul Zsolnay Verlag unverkäuflichen Autoren dorthin abgeschoben. So schrieb Der Morgen am 23. April 1935: „Im Jahre 1933, knapp nach dem Beginn der Hitler-Herrschaft, wurde plötzlich in Zürich ein Verlag gegründet, der den Titel ,Bibliothek zeitgenössischer Autoren“ trägt“ (S. 10). Nach Vesper wurde es klar, „daß er seine alte Juden und Judengenossenliteratur im neuen Deutschland nicht mehr verkaufen konnte. Der Verlag ,stellte sich um“! Die Judenliteratur wurde nach Zürich abgeschoben, in eine ,Bibliothek zeitgenössischer Autoren“, die merkwürdigerweise nur alte Zsolnayliteraten verlegt. Angeblich hat aber der Zsolnayverlag nichts mit ihr zu tun“.[74] Dies entspricht aber nicht ganz den Tatsachen, denn der betreffende Verlag existierte einige Jahre lang, bevor überhaupt von „Emigranten“, Bücherverbrennungen, Verboten und dgl. die Rede war. Nach eigener Aussage war Zsolnay aus rein wirtschaftlichen Gründen (ab 1933) nicht mehr in der Lage, weiterhin den Verlag von in Deutschland nicht genehmen Autoren zu übernehmen. Daher kam ihm sowohl aus finanziellen als auch aus persönlichen Gründen der bereits bestehende Schweizer Ableger sehr gelegen.

Der Plan, diesen Ableger – „Paul Zsolnays Bibliothek zeitgenössischer Werke“ – zu gründen, wurde spätestens 1929 gefaßt. So schrieb der Verlag am 26. Oktober 1929 an die Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler, er sei „im Begriffe in der Schweiz, mit dem Sitz in Bern, eine Verlagsaktiengesellschaft, unter dem Firmenwortlaut ,Paul Zsolnays Bibliothek zeitgenössischer Werke Verlags A.G.“ zu gründen“.[75] Handelsgerichtlich protokolliert wurde das Unternehmen in Bern anscheinend nicht[76], wohl aber wurden „die ersten Exemplare dieser modernen billigen Reihe“ bereits Ende November 1929 in Österreich ausgeliefert.[77] Hergestellt – also gebunden und gedruckt – wurden sie bei R. Kiesel in Salzburg. Wieviele Bände dieser „Serie“ mit Impressum „Bern“ und neuem, umgewandelten Zsolnay-Signet 1929-30 herausgegeben wurden, konnte nicht präzis ermittelt werden. Jedenfalls „erschienen“ in Bern beispielsweise John Galsworthys Roman Die dunkle Blume (o J.), H.G. Wells“ Roman Der Traum (1930) und in Zürich Franz Werfels Roman Der Abituriententag (1929). Warum der „neue“ Verlag nach dem Zwischenspiel in Bern nach Zürich übersiedelte, ist nicht bekannt. Als Willy Haas als Redakteur der Literarischen Welt in Berlin Anfang 1930 „Eine Reise zu den Wiener Verlegern“ unternahm, um die „Situation der österreichischen Buchproduktion 1930“ kennenzulernen, traf er mit Verlagsleiter Felix Costa zusammen. Dieser teilte ihm u.a. folgendes mit:

Einen großen Erfolg hatten wir auch mit einer billigen Bücher-Reihe. Wir geben nämlich einige besonders erfolgreiche Bücher des Verlages in wohlfeilen Ausgaben heraus, der anständig gedruckte und gebundene Band Zu 3,60 M. In dieser Serie haben wir bisher Werfels Abituriententag, Die Geschichte unserer Welt von H.G. Wells, Brods Roman Die Frau, nach der man sich sehnt und Galsworthys Die dunkle Blume herausgebracht. Der Zyklus betitelt sich ,Paul Zsolnays Bibliothek zeitgenössischer Werke“ und wird ohne Übereilung allmählich fortgesetzt werden.[78]

Auf dem Schutzumschlag eines dieser Bände (Max Brods Zauberreich der Liebe) werden zwanzig Werke angegeben:

Max Brod, Rëubeni. Ein Renaissanceroman.
Max Brod, Die Frau, nach der man sich sehnt. Roman.
John Galsworthy, Das Herrenhaus. Roman.
John Galsworthy, Die dunkle Blume. Roman.
John Galsworthy, Der Patrizier. Roman. Üb. Leon Schalit
R. Martin du Gard, Jean Barois. Roman.
Walter von Molo, Mensch Luther. Roman.
Sinclair Lewis, Die Benzinstation. Roman
G. von der Vring, Soldat Suhren. Roman.
Anton Tschechow, Die Tragödie auf der Jagd. Roman.
Franz Werfel, Der Abituriententag Roman.
Schalom Asch, Mottke der Dieb. Roman.
Schalom Asch, Die Mutter. Roman.
Ernst Lothar, Der Hellseher. Roman.
Egmont Colerus, Die neue Rasse. Roman.
Kasimir Edschmid, Lord Byron. Roman einer Leidenschaft.
H.G. Wells, Der Traum. Roman.
H.G. Wells, Die Geschichte unserer Welt.
Heinrich Mann, Mutter Marie. Roman.
Johann Fabricius, Das Mädchen mit dem blauen Hut. Roman.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 28. Februar 1930 wurde die „Paul Zsolnay Bibliothek zeitgenössischer Werke Verlags-A.G.“ am 22. März 1930 in das Firmenbuch, Register A des Handelsgerichts in Zürich eingetragen.[79] Inhaber der Firma, die ein Aktienkapital von 50.000 Francs aufwies, war – wohl wegen der Gesetzesvorschriften – ein Schweizer Kaufmann namens Willy Waller. Die „Natur des Geschäftes“ (Betriebsgegenstand) war der „Betrieb des Verlagsgeschäftes und des Bühnenvertriebs, insbesondere Herausgabe von Büchern in volkstümlicher Ausgabe usw.“. Fünf Personen – zwei Schweizer (Robert Faesi und der Züricher RA Dr. Konrad Bloch) und drei Österreicher (Zsolnay-Verlagsleiter Felix Costa und Prokurist Stefan Halazs) gehörten dem ersten Verwaltungsrat an. Mit Statutenrevision vom 20. März 1934 kam es dann zu einer Umwandlung der Züricher Firma und zu personellen Veränderungen: Zsolnay und Costa schieden offiziell aus der Firma aus, und diese wurde in „Bibliothek zeitgenössischer Werke Verlags A.G.“ umbenannt und am 24. März 1934 im Züricher Firmen-Buch eingetragen. Ob es sich hier um einen freiwilligen taktischen Zug Zsolnays handelt, oder er gezwungen war bzw. wurde, sich von der „unerwünschten Literatur“ gänzlich zu trennen, ist nicht bekannt. Unter dem Namen „Paul Zsolnays Bibliothek zeitgenössischer Werke Verlags A.G.“, also in den drei Jahren von 1930 bis 1932 – für das Jahr 1933 konnten seltsamerweise keine Titel nachgewiesen werden – brachte das Unternehmen mindestens 15 Werke (1930: 8; 1931:6; 1932:1) heraus. Daß es allerdings mehr gegeben haben muß, hängt damit zusammen, daß die Produktion 1929/30 (Impressum Bern) nicht annähernd erfaßt werden konnte. Sieht man die Namen der Autoren dieser Romane an, so entkräftet sich gleich der Vorwurf von 1935, Zsolnay hätte „seine alte Juden- und Judengenossenliteratur“ quasi erst nach dem März 1933 nach Zürich abgeschoben. So sind folgende Autoren bis 1932 mit Romanwerken vertreten: Max Brod (2 Werke), Schalom Asch (2 Werke), Johann Fabricius, Heinrich Mann, Kasimir Edschmid (2 Werke), H.G. Wells, Sinclair Lewis, Georg von der Vring, Anton Tschechow.

Dem Charakter nach zum „Getto-Verlag“ wurde das Unternehmen erst 1934 und 1935, also in den zwei Jahren, in denen die Zürcher „Bibliothek zeitgenössischer Werke“ überhaupt aktiv war. In diesen beiden Jahren erschienen mindestens 14 Titel[80], darunter zwei Romane von Schalom Asch[81], 2 Werke von Paul Frischauer[82], ein Roman von Lili Grün[83] Novellen von Heinrich Eduard Jacob[84], zwei Bücher von Josef Löbel[85], zwei Werke von Robert Neumann[86], ein Roman von Viktoria Wolf[87] sowie drei Werke von Otto Zarek.[88]

Nach der Umbenennung im März 1934 blieb Stefan Halasz Prokurist der Zürcher Firma bis Mai, bei Zsolnay in Wien bis Juli. Die Kollektivprokuristin Grete Geiringer (bis März 1935 bei Zsolnay in Wien) trat dessen Stelle an und bekleidete diesen Posten zumindest auf dem Papier bis 1940. Robert Faesi und Konrad Bloch schieden schon Anfang 1935 aus. Der Auflösungsbeschluß der Firma erfolgte am 4.3.1940. Infolge beendeter Liquidation wurde sie am 8. Jänner 1941 aus dem Firmenbuch beim Handelsgericht Zürich gelöscht.

Dadurch, daß Paul Zsolnay in Zusammenhang mit der „Gleichschaltung“ seines Verlags so sehr ins Gerede kam, wurden gegen Ende 1935 seine Chancen beträchtlich geschmälert, in die erste Garnitur als Mitglied der Verwaltungskommission des Verlagsförderungsfonds aufgenommen zu werden. Auf diesen Punkt wurde an anderer Stelle dieser Arbeit näher eingegangen.

Es dürfte aber für Zsolnay ein Trost gewesen sein, daß er zwei Jahre später vom Bundespräsidenten eine hohe Auszeichnung entgegennehmen konnte. Wiewohl Ehrendoktorate von österreichischen Universitäten offenbar reichsdeutschen Verlegern, die – auf Österreich bezogen – eher das nationale Schrifttum der Alpenrepublik pflegten, vorbehalten waren, wurde für Paul Zsolnay als Ordensgrad – wie das BKA (AA) trocken festhält – das „Ritterkreuz des österreichischen Verdienstordens“ „für angemessen gehalten“.[89] Die Anregung im Frühjahr 1937, Paul Zsolnay mit einem Orden auszuzeichnen, kam vom Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten, Dr. Guido Schmidt, bzw. vom Unterrichtsministerium. Da der nicht ganz 42 Jahre alte Zsolnay tschechoslowakischer Staatsbürger war, mußten sowohl die tschechische Regierung als auch der österreichische Gesandte in Prag die Dekorierung befürworten. Guido Schmidt hat am 12. Juni 1937 die Verleihung der Auszeichnung folgendermaßen persönlich befürwortet:

Paul Zsolnay hat in seinem Wirkungskreis bereits seit einer längeren Zeit von Jahren das österreichische Schrifttum und das österreichische Verlagsgeschäft, sowie den österr. Buchhandel in verdienstvoller Weise gefördert und hat insbesondere auch die kommerziellen und kulturellen Beziehungen mit dem Auslande auf diesem Gebiete erfolgreich unterstützt.
Im Hinblick auf die Bedeutung, die dem Ausbau des österreichischen Rufes als kulturelles und literarisches Zentrum zukommt, hat das Bundesministerium für Unterricht die Dekorierung des Genannten angeregt.
(…)[90]

Die Feier fand im Herbst statt und veranlaßte den Anzeiger, einen leicht anachronistischen Bericht zu bringen:

(…) Wie allgemein bekannt, hat Paul Zsolnay, der Abkomme einer Patrizierfamilie der alten Monarchie, seit Bestehen seines Verlages zur Pflege und Förderung wertvoller österreichischer Literatur in großzügiger Weise beigetragen. Viele Talente unseres Vaterlandes verdanken es ihm und dem Wirken seines Verlages, daß sie nicht nur in Österreich, sondern auch im Ausland die ihnen gebührende Würdigung und Popularität erlangen konnten.[91]

Obwohl Will Vesper seine vorlaute Kampagne gegen Zsolnay Ende 1935 einstellte, vergaß er den Wiener Verlag nicht. Im Februar 1937 richtete er seine Aufmerksamkeit wieder einmal auf „die jüdischen Verlage des Auslandes“, da nun „die jüdische Literaturherrschaft in Deutschland (…) beseitigt“ sei.[92] Bedauert wurde noch, daß sich das Börsenblatt „selbstverständlich dem Wiener oder Zürcher deutschen Verleger“ nicht verschließen durfte.

Auf diese Weise ist es aber auch den dortigen Judenverlegern möglich, ihre Erzeugnisse im „Börsenblatt“ anzupreisen. Und da die jüdischen Verlage sich vielfach geschickt zu tarnen wissen, auch im Inland sich offenbar noch manche nach der alten jüdischen Kost sehnen, so erleben wir zur Zeit eine Überschwemmung des deutschen Büchermarktes mit Literatur aus außerdeutschen jüdischen Verlagen. Daß das durchweg keine nationalsozialistische und deutsche Literatur ist, braucht man wohl nicht erst zu betonen.

Selbstverständlich hat jeder der jüdischen Verlage auch ein paar Renommierarier, hinter denen er sein eigentliches Gesicht verbirgt. Es gibt ja leider noch immer deutsche Schriftsteller, die sich dazu hergeben. (…) Unsere Leser sind über den Judenverlag Zsolnay genügend unterrichtet. (…) (ebda.)

Als „Nachrichten für Buchhändler und Buchkritiker“ lieferte Vesper im Februar 1938 noch Hinweise auf Buchanzeigen von jüdischen Autoren und jüdischen Verlagen im Börsenblatt. Nach der apodiktischen Feststellung „Judenverlage sind“, folgt u.a. der Paul Zsolnay Verlag.[93] Im Mai 1938 befaßt sich Vesper ein letztes Mal mit Zsolnay, obwohl seine Bemerkungen keine allzu große Kenntnis der undurchsichtigen und chaotischen Lage bei der „Arisierung“ des Paul Zsolnay Verlags verraten:

Unser Freund, der Zsolnay-Verlag, ist in zuverlässige Betreuung genommen worden. Wie einst bei Ullstein, raten wir auch hier: man lasse den besudelten Namen so schnell wie möglich verschwinden! Unter der Flagge eines Judennamens kann kein deutsches Unternehmen glückhaft weitersegeln.[94]

Da wir mit der Geschäftsentwicklung des Paul Zsolnay Verlags Anfang der dreißiger Jahre begonnen haben, wollen wir diesen Abschnitt mit einem Blick auf den Geschäftsgang des Verlags im letzten Halbjahr 1937 und im ersten Quartal 1938 schließen. Auf die umfangreichen personellen Veränderungen im Verlag im Zusammenhang mit der „Arisierung“ wurde an anderer Stelle dieser Arbeit ausführlich eingegangen. Abgesehen von den Werken Franz Werfels (bzw. kurze Zeit Felix Saltens) wurden die Bücher von in Deutschland unerwünschten bzw. verbotenen Autoren nach 1933/34 erst gar nicht herausgegeben. Wie bereits angedeutet, hielt sich der Verlag mit der Herausgabe von Werken meist nationaler Autoren oder ausländischer Schriftsteller über Wasser. Der Zsolnay Verlag suchte nur äußerst selten um Mittel aus dem Verlagsförderungsfonds an und bekam nur vereinzelt kleine Beiträge. Trotz des „Kompromißprogramms“ des Paul Zsolnay Verlags ist noch gar nicht gesagt, daß er im Reich nicht mit Absatzproblemen zu kämpfen hatte. Der Verlag annoncierte auffällig und außerordentlich viel im Börsenblatt, stand aber bei einer wohl nicht geringen Zahl von Buchhändlern, die durch Will Vesper entsprechend informiert waren,. auf einer „schwarzen Liste“. So erwies sich die „Gleichschaltung“ letzten Endes als Bumerang, auch für die Autoren, deren Rechnung nicht aufging. Hiefür bezeichnend ist die geheimzuhaltende Weisung im November 1937, den Paul Zsolnay Verlag und andere österreichische Firmen in Deutschland zu sabotieren, d.h. Bücher nicht mehr zu vertreiben, keine Bestellungen mehr entgegenzunehmen, Werke nicht mehr in die Auslage zu stellen usw.

Nach dem „Geschäftsbericht über die Betriebsperiode vom 1. Juli bis 31. Dezember 1937“, der bei der a.o. Generalversammlung am 26. April 1938 erstattet wurde, zu schließen, brachte der „Anschluß“ vom geschäftlichen Standpunkt aus eigentlich nur Schlechtes.

Im 2. Halbjahr 1937 hatte der Paul Zsolnay Verlag 37 Werke herausgegeben, „die zum großen Teil nicht nur materiell, sondern auch vor allem in ideeller Beziehung als durchaus erfolgreich anzusehen waren“.[95] Der Umsatz hatte sich in dieser Periode im Vergleich zum Vorjahr immerhin um 10% gehoben. Nur: selbst unter persönlichen finanziellen Opfern Zsolnays war es der Gesellschaft dennoch nicht gelungen, Dividende auszuschütten und „nicht einmal Zinsen für das dem Verlag gewährte Darlehen zu vergüten“. In den ersten Monaten des Jahres 1938 setzte sich die Umsatzsteigerung fort und hörte Mitte März mit einem Schlag auf. Durch den „Anschluß“ und die damit verbundene Währungsumstellung erlitten nicht nur der Zsolnay Verlag, sondern so gut wie alle Buchhändler und Sortimenter einen gewaltigen Rückschlag. Also: die Kehrseite des Freudentaumels vom 12. März:

Die Festsetzung des Markkurses 1 Mark gleich S 1.50 hat uns einen ganz gewaltigen Verlust gebracht, da wir namhafte Mark-Außenstände haben, denen unsererseits große Schillingverpflichtungen gegenüberstehen. Wir schätzen diesen Verlust auf ca S 150.000 und müssen unsere ganze Hoffnung darauf setzen, daß durch eine geplante und uns in großzügiger Weise in Aussicht gestellte teilweise Schadensgutmachung dieser Betrag so weit herabgemindert werden wird, daß wir, wenn schon nicht mit dem erhofften Gewinn, so doch wenigstens ohne namhaften Verlust das laufende Geschäftsjahr werden abschließen können. (…) (ebda.)

Der „Anschluß“ samt währungspolitischen Maßnahmen führte auch noch dazu, daß der Verlag unter dem Kalkulationspreis (1 M = S 2) verkaufen mußte. Auch stiegen die Handlungskosten. Die einzige Hoffnung für den Verlag bestand darin,

daß durch die Vereinigung Deutschösterreichs mit Deutschland und die dadurch ermöglichte Umstellung des Betriebes die Werke unseres Verlages in Deutschland leichtere Absatzmöglichkeiten finden werden und daß sich aus dieser Tatsache eine weitere Umsatzsteigerung vielleicht ergibt. (ebda.)

Dank der außerordentlichen Unterstützung der kommissarischen Leitung (!) glaubten aber die Geschäftsführer

unseren Geschäftsbericht mit der Hoffnung schließen zu dürfen, daß unser Unternehmen einer besseren Zukunft entgegengehen und dadurch die Möglichkeit erhalten wird, sich noch mit verstärkten Kräften seinem kulturellen Aufgabenkreis widmen zu können. (ebda.)

Wie sich die weitere Entwicklung des Paul Zsolnay Verlags gestaltete, wurde an anderer Stelle („Arisierung“) eingehend behandelt. Während des Krieges ging Zsolnay endgültig nach England, wo er weiterhin als Verleger tätig war. 1946 wurde der Paul Zsolnay Verlag wiedererrichtet. 1948 blickte der Verlag in Form eines großen Almanachs nach 15jähriger Tätigkeit auf 25 Jahre Verlagsarbeit zurück. Der Gründer und Inhaber des Verlags, Paul Zsolnay, starb knapp vor seinem 67. Geburtstag nach langer Krankheit am 13. Mai 1961 in Wien.

Exkurs: Im Reich verbotene Zsolnay-Werke*

Es ist davon die Rede gewesen, daß der Paul Zsolnay Verlag aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage war, Werke der im Reich unerwünschten Autoren zu verlegen. Auch sind einige Namen genannt worden. Im folgenden wollen wir konkret diejenigen Autoren und Werke des Zsolnay-Verlags anführen, deren Verbreitung im Deutschen Reich ab 1933 verboten war.

Claude Anet, Ariane. Ein russisches Mädchen. Roman. (1.-5. Tsd.) 1924; 156.-165. Tsd. 1931
Schalom Asch, Die Gefangene Gottes. Roman. 1.-10. Tsd. 1932
Die Kinder Abrahams. Novellen aus Amerika. 1931
Moskau. Roman. 1930
Mottke der Dieb. Roman. 1931
Die Mutter. Roman 1930
Chaim Lederers Rückkehr. Roman. 1929
Petersburg. Roman. 1929
Von den Vätern. 1.-5. Tsd. 1931
Warschau. Roman. 1930
Henri Barbusse, Erhebung. Roman. 1930
Zola. Der Roman seines Lebens. 1.-5. Tsd. 1932
Max Brod, Die Frau, nach der man sich sehnt. 1.-15. Tsd. 1927
Eine Liebe Zweiten Ranges. Roman.11.-15. Tsd. 1929
Lord Byron kommt aus der Mode. Schauspiel in drei Akten. 1929
Rëubeni. Ein Renaissanceroman. 35. Tsd. 1930
Stefan Rott oder das Jahr der Entscheidung. 1.-20. Tsd. 1931
Zauberreich der Liebe. Roman. 1.-20. Tsd. 1928
Erich Ebermayer, Kampf um Odilienberg. Roman. 1929
Fannina W. Halle, Die Frau in Sowjetrussland. 1932
Ilja Ilf/Eug. Petrow, Ein Millionär in Sowjetrussland. Roman. 1932
Valentin Katajew, Die Defraudanten. Roman. 1.-5. Tsd. 1928
Hermann Kesser, Musik in der Pension. Roman. 1.-5. Tsd.1928
Eugen Lennhoff, Politische Geheimbünde im Völkergeschehen. 1932
Leonid Leonow, Aufbau. Roman aus Sowjetrussland. 1930
Die Bauern von Wory. Roman 1926
Der Dieb. Roman. 1.-5. Tsd. 1928
Ernst Lothar, Der Kampf um das Herz. Roman. 6.-10. Tsd. 1930
Emil Ludwig, Bismarck. Geschichte eines Kämpfers. 1932
Dramatische Dichtungen. 1932
Goethe. Kämpfer und Führer. 1932
Schliemann. Geschichte eines Goldsuchers. 1.–20. Tsd. 1932
Genie und Charakter. Sammlung männlicher Bildnisse. 80. Tsd. 1932
Heinrich Mann, Gesammelte Werke
Eugénie oder die Bürgerzeit. Roman. 1.-25. Tsd. 1928
Die Göttinnen oder die drei Romane der Herzogin von Assy. 1932 Die Jagd nach Liebe. Roman. 1932
Sieben Jahre. Chronik der Gedanken und Vorgänge. (1921-1928). 1929
Der Jüngling.
Das Kaiserreich I-III. (Der Untertan, Die Armen, Der Kopf) 1925
Ein ernstes Leben. Roman. 1.-12. Tsd. 1932
Lilian und Paul. Novelle. 1.-10. Tsd. 1926
Mutter Marie. Roman. 45. Tsd. 1930
Sie sind jung. 1929
Benito Mussolini, Mussolinis Gespräche mit Emil Ludwig. 1.-20. Tsd. 1932
Hans Natonek, Geld regiert die Welt oder die Abenteuer des Gewissens. Roman. 1930
Robert Neumann, Das Schiff „Espérance“. Erz. 1.-8. Tsd. 1931
Unter falscher Flagge. Ein Lesebuch der deutschen Sprache für Fortgeschrittene. 1.-12. Tsd. 1932
Die Sammellinse,
Herm. Sinsheimer, Sturz in die Liebe. Roman. 1933
Hans Sochaczewer, Das Liebespaar. Roman. 1.-5. Tsd. 1928
Menschen nach dem Kriege. Roman 1929
Franz Werfel, Der Abituriententag. Die Geschichte einer Jugendschuld. Roman. 1.-25. Tsd. 1928; 26.-35. Tsd. 1928
Barbara oder die Frömmigkeit. 1929
Die Geschwister von Neapel. Roman. 1.-30. Tsd. 1931
Otto Zarek, Begierde. Roman einer Weltstadtjugend. 1930; 11.-15. Tsd. 1930; 16.-20. Tsd. 1930

* Diese Aufstellung ist dem „Verzeichnis der seit 1933 im Deutschen Reich verbotenen Bücher österreichischer Verlage“ zugrunde gelegt, das den österreichischen Behörden von deutschen Stellen im Frühjahr 1937 überreicht wurde. Die hier angeführte Liste von Zsolnay-Büchern ist freilich nicht ohne Inkongruenzen! Erstens ist fraglich, ob alle zitierten Werke überhaupt lieferbar waren, und zweitens fehlen manche Werke indizierter Autoren. (Quelle: ÖSta, AVA, BMU Zl. 13.687-I/37)

Anmerkungen

[1] Dazu WOLFRAM GOBEL, Der Kurt Wolff Verlag 1913-1930. Expressionismus als verlegerische Aufgabe. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Band XV, 1975, Sp. 52-962; bes. Sp. 744: „Der junge, finanzkräftige österreichische Verleger Paul Zsolnay konnte und wollte jedenfalls mehr bieten, als es die deutschen, durch die wirtschaftlichen Verhältnisse angeschlagenen Verlage tun konnten.“

[2] GÖBEL, Sp. 859 f.: „Werfels noch immer in monatlichen Raten überwiesene Honorare waren schließlich so weit entwertet, daß Werfel, der zusätzlich noch von seinem Vater Zuwendungen erhielt, von Alma Mahler unterstützt werden mußte. Der Autor, der unter diesem Zustand sehr litt, stimmte endlich unter Einfluß Alma Mahlers zu, seinen Wolff schon 1920 versprochenen Verdi-Roman dem befreundeten Paul von Zsolnay zu übertragen, der mit diesem Buch im Mai (sic!] 1924 seinen Wiener Verlag eröffnete. Wolff, der schon Werfels Beteiligung an dem Wiener Genossenschaftsverlag zugestimmt hatte, gab seinen Autor resigniert, aber großzügig frei.“

[3] GÖBEL, Sp. 744: „Mann, der seinen Verleger nach kaufmännischem Kalkül wählte, verließ Wolff während der Inflation. ,Die Verlage produzieren kaum noch; wenn ich meinen Roman jetzt fertig hätte, würde ich meinen Verleger in Verlegenheit setzen“, schrieb er im Oktober 1923 an Arthur Schnitzler. ,Ich erstrebe Valorisierung meines Vertrages mit Wolff, der mir seit Jahr und Tag so gut wie nichts gezahlt hat. Ich habe ein Gutachten eines Valorisations-Spezialisten erreicht, das mir günstig ist. Wenn Wolff infolgedessen seine Sache nicht verloren gibt, werde ich wohl klagen müssen.“ Ob Wolff auf die Forderungen Manns nicht eingehen konnte oder wollte, bleibt im Dunkel des verlorenen Verlagsarchivs.“

[4] Der Beitrag „Der Verlag Paul Zsolnay“ von Paul Zsolnay erschien in einer Serie „Wie die großen deutschen Verlage gegründet wurden“ In: Die Literarische Welt (Berlin), 4. Jg., Nr. 17, 27.4.1928, S. 3.

[5] ALMA MAHLER-WERFEL, Mein Leben. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1963, S. 137. (FTB 545)

[6] Anzeiger, Nr. 14, 4.4.1924, S. 191. Auffallend in dieser Anzeige ist der Gebrauch eines Verlagssignets, das erst im Juli1925 markenrechtlich geschützt wurde. Siehe Österreichischer Zentral-Marken-Anzeiger. Hg. vom BM für Handel und Verkehr, Wien, Nr. 7, 1925, ausgegeben am 10. Oktober 1925, S. 167.

[7] Das Buchhandelsadreßbuch gibt den 1.1.1924 als Gründungsdatum an.

[8] Dr. LEOPOLD THALER, Besuch bei Verlegern: Paul von Zsolnay. In: Prager Tagblatt, Nr. 80, 3.4.1926, Das gute Buch, Literarische Wochenbeilage des „Prager Tagblatts“, S. I-II. Wiederabdruck in: Der blaue Bücherkurier, XXXVII. Jg., 1.5.1926, Nr. 580, S. 5-6. Siehe außerdem: „Paul-Zsolnay-Verlag.“ In: Österreichische Woche (Wien), 3. Jahr, Heft 38, 18.9.1926, S.18-19.

[9] In: Der blaue Bücherkurier (Wien), XXXIX. Jg., Nr. 594, 1.10.1928, S. 1-2.

[10] Diese Aufschlüsselung wurde vom Verf. anhand einer Liste der Deutschen Bücherei, Leipzig, vorgenommen. Da diese Liste nicht vollständig sein muß, sind die genannten Zahlen natürlich nicht unverrückbar.

[11] Fünfundzwanzig Jahre Paul Zsolnay Verlag 1923-1948. Berlin-Wien-Leipzig: Paul Zsolnay Verlag, 1948, S. 416 f.

[12] Die Geschäftsjahre 1928 und 1929 haben mit einem Gewinn von S 32.383,83 bzw. von S 21.789,35 abgeschlossen. Quelle: AVA, BKA (Inneres), Kt. 2982, Geschäftszeichen: 15/8 Wien 238, Grundzahl 192.463-11/30.

[13] Zitiert nach dem Antrag auf Errichtung einer A.G., eingelangt am 5.9.1930. Quelle: s. Anm. 2.

[14] Wie Anm. 2. Alle hier zitierten Unterlagen finden sich im AVA unter der Grundzahl.

[15] Wert laut „Gründerbericht zur Gründung der Paul Zsolnay Verlag Aktiengesellschaft“, in: Handelsgericht Wien, Registerakt C 27, 92 (WrStLa). Zahl laut AVA, BKA (Inneres), Kt. 2982, Zl. 192.463-11/30.

[16] Es handelt sich hier konkret um das „Bundesgesetz vom 30. Dezember 1931 über abgabenrechtliche Begünstigungen für Maßnahmen, die der Sanierung von Unternehmungen dienen (Sanierungs-Begünstigungsgesetz)“. BGBl 1932, Stück 2, Nr. 9, ausgegeben am 5. Jänner 1932.

[17] Leider ist der betreffende Akt des Finanzministeriums skartiert worden, sodaß dieser zwar nachgewiesen, aber nicht eingesehen werden konnte. Zum Glück lief im BKA (Inneres) ein nicht so vollständiger Akt. Eine Abteilung des BKA (Inneres) war für die Errichtung von Aktiengesellschaften zuständig. Daher kann hier wohl nur ein Ausschnitt aus dem Ansuchen des Paul Zsolnay Verlags zitiert werden. Der Text des Ansuchens hält sich weitgehend an den Gesetzestext.

[18] AVA, BKA (Inneres), Zl. 106.147–11/1936. Liegt bei Zl. 192.463–11/30. Der Hauptakt des BMF hat folgende Zahl: 106.192-2/1935.

[19] Die Neue Literatur, Heft 7, Juli 1933, S. 422.

[20] „Die Aktion bezieht ihr Material zum größten Teil von österreichischen, in letzter Zeit nach Deutschland übergesiedelten Schriftstellern.“ (Boykott österreichischer Schriftsteller in Deutschland, in: Der Wiener Tag, Nr. 3795, So., 10.12.1933, S. 6 sowie Wiener Zeitung, Nr. 313, So., 10.12.1933, S. 4. Der engagierte Literaturkritiker der Wiener Allgemeinen Zeitung Ludwig Ullmann nahm eine Selbstanzeige Urbanitzkys in der nunmehr gleichgeschalteten Literarischen Welt zum Anlaß, um sich mit dem Verhalten der Schriftstellerin unter der Überschrift „Nazi Dank an Grete Urbanitzky“ zu befassen: Da heißt es u.a. „Grete Urbanitzky ist vor einiger Zeit nach Deutschland, wie sie in Berlin selbst sagte: ,Geflüchtet“. Frau Urbanitzky hat durch ihr Verhalten im Wiener Penklub und durch ihre antiösterreichischen Interviews und antikatholischen Erklärungen in Deutschland sich offen auf die Seite des Hitler-Regimes gestellt. (…) Der Fall Urbanitzky – als Beispiel enttäuschter Nazisympathie ist in der letzten Zeit gar nicht vereinzelt. Die Schriftstellerin hat sich übrigens in Berlin als ,politisch Verfolgte“ bezeichnet. (…)“ (WAZ, Mi., 13. 12.1933, S. 5.) Mit nicht wenig Schadenfreude registrierte die Wiener Zeitung Das Echo etwa ein Jahr später „Die beschlagnahmte Urbanitzky“. Aus Berlin war nämlich die Meldung gekommen, daß über Grete Urbanitzky ein für ganz Preußen und für sämtliche Werke der Autorin geltender Boykott verhängt worden war. Die Maßnahme wurde mit dem schlüpfrigen Inhalt des Werkes Ursula und der Kapitän begründet. Zur „Vergangenheit“ Urbanitzkys heißt es da: „Als sich in der Wiener Presse ein Sturm gegen dieses Auftreten der Urbanitzky erhob, versuchte sie, in Wien einen Ring nationalsozialistischer Schriftsteller zu bilden und veranlaßte diese aus dem Penklub auszutreten. Grete von Urbanitzky übersiedelte dann nach Deutschland und entfaltete dort – auch im ,Völkischen Beobachter“ – eine bedenkenlose Agitation gegen vierundzwanzig österreichische Schriftsteller, die eine Protesterklärung gegen sie unterschrieben hatten. Sie glänzte im Leipziger Buchhändler-,Börsenblatt“ mit einem Artikel, in dem sie die deutschen Buchhändler zu deren Boykott hetzte. In den letzten Monaten ist Grete Urbanitzky dann zur ,direkten Aktion“ übergegangen und beteiligte sich mit Vorliebe an Veranstaltungen zugunsten des ,Kampfringes der Österreicher“. Diese mit allen Mitteln betriebene Anbiederung an den Nationalsozialismus führte jedoch nur scheinbar zum Ziel. Maßgebende Männer der Reichskulturkammer waren durch diese Praktiken einer österreichischen Schriftstellerin abgestoßen, und je mehr sich die Urbanitzky bemühte, durch politische Bedenkenlosigkeit literarische Förderung zu erkaufen, desto mehr stieg der üble Geruch den Führern der Kulturkammern in die Nase. Die ramponierte Nationalsozialistin soll sich gegenwärtig am Mittelmeer aufhalten, unbeschadet eines temperamentvollen Pamphlets gegen die ,Mittelmeerrasse“, das sie vor nicht allzu langer Zeit verfaßte.“ (Jg. 1, Nr. 215, Mo., 5.11.1934, S. 2.)

[21] Der Verlag Paul Zsolnay und seine Autoren. BDC/Zsolnay. Frdl. Hinweis von Dr. Gerhard Renner, Wien. Dieser Bericht ist zwar nicht datiert, dürfte aber im Sommer bzw. Frühherbst 1935 abgefaßt worden sein.

[22] Schreiben vom 1. April 1939 von der RSK Landesleitung Österreich an die RSK Berlin. Quelle: BDC/Zsolnay. Es handelt sich offensichtlich um ein Begleitschreiben Stebichs zum Aufnahmeansuchen Lebers.

[23] So pikant manche „Enthüllungen“ in den diversen Lebensläufen um 1938 über die vergangene „illegale“ Parteitätigkeit sein mögen, darf man nicht übersehen, unter welchen Umständen und für wen sie geschrieben wurden.

[24] Der Proponent des Vereins war der aus Graz gebürtige Verleger Walter Pötsch (* 22.9.1911). Der erste „1. Vorsitzender“ und Landesleiter war der am 19.1.1862 in Braunau am Inn geborene Tondichter Josef Reiter. Als begeisterter Nationalsozialist wurde er anläßlich der Nationalratswahlen im Jahre 1930 als Kandidat der NSDAP aufgestellt. An die Stelle Reiters als Landesleiter und 1. Vorsitzender der Landesgruppe Wien des KfdK trat Hermann Graedener (24.4.1878, Wien-24.2.1956, Altmünster). Wegen Differenzen mit der Leitung der NSDAP legte er diese Funktion jedoch im Jänner 1933 zurück. Zuletzt fungierte der aus Enns gebürtige Realgymnasiumsprofessor Anton Haasbauer (* 5.4.1889) als Leiter. Bereits 1930 war Haasbauer Referent für Kulturfragen der Landesleitung der NSDAP in Oberösterreich. Mirko Jelusich – 2. Vorsitzender seit der Gründung – wurde schließlich im Juli 1933 zum Leiter der Ortsgruppe Wien des KfdK bestellt. (Quelle: Bericht der BPoldion Wien vom 8.8.1935 an das BKA [Gendion], BKA [Gendion], 22 gen, Gdzl. 327.726/GD St. B. 35.)

[25] Zitiert nach dem Bericht der BPoldion Wien. S. Anm. 14. Der Verein wurde nach dem Erlaß des BKA vom 7. August 1931, Zl. 1768/32 G.D. 2 gegründet. Die Auflösung erfolgte durch einen Erlaß des BKA vom 4. November 1933, Zl. 229.724 G.D. 2.

[26] Dieser Brief Weinheber ist in gekürzter Form in der Weinheber-Briefausgabe des Jahres 1956 veröffentlicht worden. Wahrscheinlich weil Leber noch lebte und sich mit Weinheber später versöhnt hatte, entschied sich Herausgeber Nadler, einige Passagen auszulassen. Hier wird nach einer Originalabschrift zitiert, die mir der jetzige Weinheber-Herausgeber Dr. Friedrich Jenaczek liebenswürdigerweise zur Verfügung stellte.

[27] Österr. Nationalbibliothek Wien, Nachlaß Josef Weinheber, Autogr. 896/73– 3. Karte Vespers aus Meissen vom 27.6.1935.

[28] Für eine Kopie der Originalabschrift dieses Weinheberbriefes bin ich ebenfalls Dr. Friedrich Jenaczek (München) sehr zu Dank verpflichtet. Der Brief ist in ganz wesentlichen Passagen von Nadler gekürzt worden, ohne daß wichtige Auslassungen kenntlich gemacht worden wären. So fehlt der Name „Amalthea“ als Verlag, wo Leber gearbeitet hatte, und der Hinweis auf „Pression“. In der Briefausgabe überhaupt nicht als Auslassung gekennzeichnet ist die Passage nach „ganz zu ruinieren“.

[29] Protokoll über die am 26. April 1938 um 10 Uhr vormittags in den Räumen der Gesellschaft in Wien IV. Prinz Eugenstraße 30 abgehaltene außerordentliche Generalversammlung der Paul Zsolnay Verlag A.G. „Beilage 3“ Quelle: Registerakt Paul Zsolnay Verlag A.G., Reg. B. 22, 85 (Handelsgericht Wien). Im Nachlaß des Zsolnay-Autors Egmont Colerus ist rein zufällig der Durchschlag der letzten Seite eines 7seitigen Briefs erhalten geblieben, der mit großer Wahrscheinlichkeit Anfang 1939 verfaßt wurde und an die RSK gerichtet war. Colerus wurde aufgefordert, die Rolle des Verlegers Paul Zsolnay in der Zeit zwischen 1934 und 1938 einzuschätzen. Der erhaltengebliebene Schluß des Schreibens soll hier deshalb zitiert werden, weil er auf die Motive Zsolnays ein anderes Licht wirft: „Dagegen hat er [Zsolnay] immer wieder betont, daß ihn das schlechte und ehrlose Betragen zahlreicher jüdischer Autoren und das dazu in vollständigem Gegensatz stehende Verhalten der nationalen Dichter bewogen habe, seine Kraft, seine Fähigkeiten, seinen Einfluß und sein Geld für die nationale Sache einzusetzen. So weit ich es überblicken kann, war er nämlich durchaus nicht genötigt, aus materiellen Gründen den Verlag zu führen. Ich glaube eher, daß für ihn der Verlag durch Jahre in der Kampfzeit eine schwere materielle Belastung, zum mindesten aber eine Quelle finanzieller Sorge bedeutete. Zusammenfassend gebe ich meiner Ansicht Ausdruck, daß sich ohne den guten Willen und die Handlungsweise Paul von Zsolnays das nationalsozialistische Schrifttum Österreichs in der Kampfzeit weit schwerer durchgerungen hätte und viel mehr Schikanen und Gefährdungen seitens der Systemregierung ausgesetzt gewesen wäre. Es ist selbstverständlich, daß Zsolnay von dieser Äußerung, die ich auf Ihre Aufforderung niederschrieb, nichts weiß. Mit ergebenen Empfehlungen bin ich mit Heil Hitler!“

[30] Auf diesen Komplex, der aus einer anonymen Anzeige im April 1935 hervorgeht, wird noch näher eingegangen werden. Rein methodisch ist es hier notwendig, Ereignissen vorzugreifen und Erhebungsergebnisse aus späterer Zeit anzuführen, da es zunächst einmal darum geht, die Rolle Lebers von allen Seiten zu beleuchten.

[31] Wie Klaus Amann, der als erster auf diesen Akt gestoßen ist, schreibt, scheint es so zu sein, „daß man im Büro Fey, dessen Vermerk der Akt trägt, den in der Anzeige behaupteten staatsfeindlichen Umtrieben nationalsozialistischer Schriftsteller nicht jene Bedeutung zumaß und jene Aufmerksamkeit widmete, die man unter gleichen Bedingungen sozialistischen oder kommunistischen Schriftstellern gewidmet hätte. (…) Der beinahe fürsorgliche Ton dieses Berichts gegenüber den angezeigten illegalen Nationalsozialisten bestätigt auf der Ebene staatspolizeilicher Erhebungen die Hilflosigkeit und Konturlosigkeit des autoritären Österreich gegenüber dem Nationalsozialismus und insbesondere gegenüber nationalsozialistisch orientierten Schriftstellern“. K.A., Die literaturpolitischen Voraussetzungen und Hintergründe für den „Anschluß“ der österreichischen Literatur im Jahre 1938. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, 101. Band 1982, 2. Heft, S. 216-244; hier S. 229.

[32] Bericht der BPoldion Wien an die Gendion vom 8.8.1935. Siehe Anm. 14.

[33] AVA, BKA (Gendion), Zl. 355.919-St.B. 35. Liegt bei Zl. 327.726-St.B. G.D. 35.

[34] S. Anm. 14.

[35] Wie Anm. 23.

[36] Wache hat bei Zsolnay nichts veröffentlicht. Als Quelle der hier genannten Funktionen diente der Bericht „Der Verlag Paul Zsolnay und seine Autoren“ (Anm. 11).

[37] Der Mörder verliert den Robber. Kriminalroman (1935); Chapman & Cole wird ausgerottet. Kriminalroman (1936) u.a.

[38] Der Esel. Sancho Pansas letztes Abenteuer, Novelle (1935) u.a.

[39] Königsballade. Eine Erzählung (1935) u.a.

[40] Fridericus Rex. Eine Heldenphantasie (1935) u.a.

[41] Der Sandwirt. Der Roman Andreas Hofers (1935) u.a.

[42] Romulus. Roman (1934) u.a.

[43] Aber Innozenz. Roman (1935) u.a.

[44] Die blauen Hügel. Gedichte (1935).

[45] Börsenblatt, Nr. 271, 20.11.1934, S. 5301.

[46] Brief Heinrich Manns vom 3./4. November 1933. In: Heinrich Mann an seinen Bruder. Neu aufgefundene Briefe (1922-1937). In: Thomas-Mann-Studien, Band 3, 1979, S. 118-121; S. 120.

[47] EMIL LUDWIG, Ich bin empört!, in: Der Morgen (Wien), 3.6.1935, S. 8.

[48] Die Aktion (Wien), 2. Jg., Nr. 14, 6.4.1935, S. 7.

[49] Wiener Zeitung, Nr. 97, So., 7.4.1935, S. 13.

[50] 2. Jg., Nr. 15, 13.4.1935, S. 4-5.

[51] Gemeint ist ,Fridericus Rex“, Roman von Hartlieb. Quelle: AVA, Vaterländische Front (VF), Karton 38.

[52] Joseph Roth. Werke. Hg. und eingeleitet von HERMANN KESTEN. Vierter Band. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1976, S. 296-301; hier S. 299. Siehe dazu die Reaktion von LUDWIG ULLMANN, Der „gleichgeschaltete“ österreichische Verleger, in: Der Morgen (Wien), 13.9.1937.

[53] Liegt bei AVA, BMfHuV, Geschäftszeichen 570, Gdzl. 106.248-9a/35, Geschäftszahl 112.608-9a/35.

[54] Der Bericht der Bpoldion (Pr. Zl. IV-5166/1935/1.) Nationalsozialistisch getarnte Kulturorganisation (Verlag Zsolnay), aus dem dann Dezember 1935 zitiert wird, ist mit 8. August 1935 datiert (AVA, BKA (Gendion), 22 gen, Gdzl. 327.726/35).

[55] Der Verlag Paul Zsolnay und seine Autoren. BDC/Zsolnay, S. 4.

[56] „Information“ der Gendion. BKA (Gendion), Zl. 355.919-St. B./35. Gdzl. 327.726/1935.

[57] JOSEF WEINHEBER. Briefe. Hg. von Josef Nadler und Hedwig Weinheber. Salzburg: Otto Müller Verlag, 1956, S. 240 f.

[58] Siehe Die Neue Literatur, Heft 7, Juli 1933, S. 422.

[59] Die Neue Literatur, Heft 6, Juni 1934, S. 393.

[60] Die Neue Literatur, Heft 8, August 1934, S. 537 f.

[61] Die Neue Literatur, Heft 5, Mai 1935, S. 297.

[62] Die Neue Literatur, Heft 7, Juli 1935, S. 424.

[63] Die Neue Literatur, Heft 8, August 1935, S. 494-497.

[64] GERHARD RENNER, Österreichische Schriftsteller und der Nationalsozialismus: Der „Bund der deutschen Schriftsteller Österreichs“ und der Aufbau der Reichsschrifttumskammer in der „Ostmark“. Phil. Diss. Wien 1981. Abschnitt: „Die ,nationalen“ Autoren im Paul Zsolnay-Verlag“, S. 136 ff.

[65] RENNER, S. 145. (Quelle: BDC/Zsolnay)

[66] Schreiben H. Leber an Hinkel vom 24.7.1935. BDC/Zsolnay, zitiert nach Renner, S. 146.

[67] RENNER, S. 148 f.

[68] Österr. Nationalbibliothek Wien, Autogr. 896/73-3, Nachlaß Weinheber.

[69] Österr. Nationalbibliothek Wien, Nachlaß Wladimir v. Hartlieb, Autogr. 770/1-3; Brief Hermann Lebers an Hartlieb vom 25.9.1935.

[70] Ebenda, Autogr. 770/1-5. Brief Lebers an Hartlieb vom 8.10.1935.

[71] Die Neue Literatur, Heft 10, Oktober 1935, S. 625.

[72] Die Neue Literatur, Heft 12, Dezember 1935, S. 761.

[73] Österr. Nationalbibliothek Wien, Nachlaß Hartlieb, Cod. ser. nov. 19.226, Tagebuch November 1936 bis Februar 1935. Auf dieses Tagebuch beziehen sich auch die folgenden zwei Zitate.

[74] Die Neue Literatur, Heft 8, August 1935, S. 494-497; hier S. 495.

[75] Schreiben im Akt Gremium/Zsolnay.

[76] Nach einer frdl. Mitteilung des Handelsregisteramts Bern vom 25.11.1981 hat eine Eintragung unter diesem Namen im Handelsregister des Amtsbezirks Bern nie bestanden.

[77] Siehe Anzeiger, 70. Jg., Nr. 48, 29.11.1929, S. 295.

[78] Die Literarische Welt (Berlin), 6. Jg., Nr. 9, Fr., 28. Februar 1930, S. 7-8; hier S. 8.

[79] Quelle: Beglaubigte Fotokopie aus dem Firmen-Buch des Handelsrregistreramtes des Kantons Zürich, Register a, Fol. 22198. Alle Einzelheiten im folgenden sind dieser Unterlage entnommen.

[80] Diese Aufzählung beruht sowohl auf entsprechenden Anzeigen von Neuerscheinungen dieses Verlags im Anzeiger 1934 und 1935 als auch auf einer Liste der Veröffentlichungen bei der Deutschen Bücherei in Leipzig. 1934 waren acht Werke in Anzeigen angekündigt („soeben erschienen“), 1935 nur mehr fünf. Hiezu kommt die 1934 erschienene Romantrilogie Die Sintflut von Schalom Asch.

[81] Die Sintflut. Romantrilogie; Der Trost des Volkes. Roman.

[82] Beaumarchais. Der Abenteurer im Jahrhundert der Frauen; Garibaldi. Der Mann und die Nation.

[83] Loni in der Kleinstadt. Roman.

[84] Treibhaus Südamerika. Novellen.

[85] Robert Koch. Geschichte reines Glücklichen; Lebensretter. Detektivromane aus der Geschichte der Medizin.

[86] Die blinden Passagiere. Novelle; Sir Basil Zaharoff. Der König der Waffen.

[87] Die Welt ist blau. Ein Sommer-Roman.

[88] Kossuth. Die Liebe eines Volkes; Liebe auf dem Semmering. Roman; Treue.

[89] AVA, Präsidentschaftskanzlei, Jahr 1937, Zahl 7810. (Alle Vorzahlen sind in diesem Akt zusammengetragen.)

[90] Ebenda. BKA (AA) Z. 46.895-K. = Präs. K. 7810/1937.

[91] Anzeiger, 78. Jg., Nr. 21, 7.10.1937.

[92] Die Neue Literatur, Heft 2, Februar 1937, S. 103.

[93] Die Neue Literatur, Heft 1, Januar 1938, S. 45.

[94] Die Neue Literatur, Heft 5, Mai 1938, S. 264.

[95] Handelsgericht Wien, Registerakt Reg. B 22,85 (deponiert im Handelsgericht Wien). Nachträglich soll der Vollständigkeit halber auf eine neuere Publikation hingewiesen werden, und zwar FRIEDRICH TORBERG, Pegasus im Joch. Briefwechsel mit Verlegern und Redakteuren . München: Langen-Müller, 1983. In diesem Band befindet sich u.a. Korrespondenz zwischen Torberg und dem Paul Zsolnay Verlag. Dieser Band zeichnet sich durch das Fehlen eines Personenregisters und durch die mangelhaften, wenn überhaupt vorhandenen Hinweise zu den erwähnten Personen aus.

Ergänzungen zur Buchveröffentlichung von 1985

 Neueste Forschungsliteratur

  • Murray G. Hall: „Daß man förmlich jeden Tag vor einer neuen Situation steht.“ Aus dem Alltag des Paul Zsolnay Verlags in den dreißiger Jahren. In: Von Göschen bis Rowohlt. Beiträge zur Geschichte des deutschen Verlagswesens. Festschrift für Heinz Sarkowski zum 60. Geburtstag. Herausgegeben von Monika Estermann und Michael Knoche. Wiesbaden: Otto Harrassowitz Verlag 1990, S. 208–233. (= Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, 30)
  • ders.: Theodor Kramer und der Paul Zsolnay Verlag: Ein Briefwechsel. In: Zwischenwelt. Jahrbuch 1 der Theodor Kramer Gesellschaft 1989. Hrsg. von der Theodor Kramer Gesellschaft. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1990, S. 94–119.
  • ders.: Publishing in the Thirties in Vienna: The Paul Zsolnay Verlag. In: Austria in the Thirties: Culture and Politics. Edited by Kenneth Segar and John Warren. Riverside, California: Ariadne Press 1991, S. 204–218.
  • ders.: Ernst Weiß und der Paul Zsolnay Verlag: Drei Briefe. In: Juni. Magazin für Kultur & Politik, Nr. 20, 1994, S. 174–180.
  • ders.: Der Paul Zsolnay Verlag. Von der Gründung bis zur Rückkehr aus dem Exil. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1994 (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, Bd. 45).
  • ders.: Zur Geschichte des Paul Zsolnay Verlags. In: 70 Jahre Paul Zsolnay Verlag 1924-1994. Wien: Paul Zsolnay Verlag 1994, S. 15–64.
  • ders.: Franz Werfel und sein Verleger Paul Zsolnay. In: Brücken. Germanistisches Jahrbuch Tschechien-Slowakei 1995. Neue Folge 3, S. 65-75; 99. Roda Roda in den 30er Jahren. In: Zagreber Germanistische Beiträge, Beiheft 4 (1996), S. 55-66.
  • ders.: „Zsolnay ist ein Wiener Verlag und wird es bleiben.“ Interview mit Herbert Ohrlinger. In: Anzeiger des österreichischen Buchhandels, 131. Jg., Anfang Dezember 1996, S. 42-43.
  • Herbert Ohrlinger/Murray G. Hall: Der Paul Zsolnay Verlag 1924-1999. Dokumente und Zeugnisse. Wien: Paul Zsolnay Verlag 1999.
  • ders.: Franz Werfel und der Buchmarkt der 30er Jahre. In: Jura Soyfer. Internationale Zeitschrift für Kulturwissenschaften (Wien), 9. Jg., Nr. 2/2000, S. 19-24.
  • ders.: Der Paul Zsolnay Verlag und sein Autor Leo Perutz. In: Brigitte Forster und Hans-Harald Müller (Hrsg.): Leo Perutz. Unruhige Träume – Abgründige Konstruktionen. Dimensionen des Werks, Stationen der Wirkung. Wien: Sonderzahl 2002, S. 130–142.
  • ders.: “Warum nicht Zsolnay?“ Paul Zsolnay und sein Verlag. In: Barbara Weidle und Ursula Seeber (Hrsg.): Anna Mahler: Ich bin in mir selbst zu Hause. Bonn: Weidle 2004, S. 87–96.
  • Zwischen „Ausländerei“ und „literarischer Mission“. Der Paul Zsolnay Verlag in Wien. In: Wien, Stadt der Juden. Die Welt der Tante Jolesch. Wien: Jüdisches Museum 2004, S. 366–368.
  • Ernst Grabovszki: Die Bemühungen des Paul Zsolnay Verlags um die Vermittlung jüdischer und amerikanischer Literatur in der Zwischenkriegszeit. Diplomarbeit Universität Wien 1993.
  • Stefanie Neuhart: Zsolnay und Deuticke. Zwei Verlage und ihre Rolle als Vermittler von österreichischer und fremdsprachiger Literatur. Eine statistische Analyse der Verlagsprogramme im Untersuchungszeitraum 2000-2010. Diplomarbeit Univ. Wien 2010.
  • Ingrid Altmüller: Bücher für die Front. Zu den Feldpost- und Wehrmachtsausgaben des Karl H. Bischoff Verlages (Wien IV.). Diplomarbeit Univ. Wien 2001.
  • Murray G. Hall/Christina Köstner: „… allerlei für die Nationalbibliothek zu ergattern …“. Eine österreichische Institution in der NS-Zeit. Böhlau: Wien–Köln–Weimar 2006, S. 115–117.
  • Murray G. Hall: Lili Grün und der Paul Zsolnay Verlag. In: Zwischenwelt. Literatur-Widerstand-Exil, 26. Jg., Nr. 1/2, August 2009, S. 22–23.

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